Überbuchung

Aus PASSAGIERRECHTE
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Definition

Unter einer Überbuchung, im englischen als „overbooking“ bekannt, ist die Situation zu verstehen, in der ein Luftfahrtunternehmen im eingesetzten Flugzeug bewusst mehr Sitzplätze verkauft, als eigentlich vorhanden sind.

Ökonomischer Hintergrund von Überbuchungen

Stornierungen/Umbuchungen

Bewusste Überbuchungen von Flügen stellt bereits seit den 1960er Jahren eine gängige Praxis dar. Kurzfristige Stornierungen und Umbuchungen sind die wesentlichen Ursachen für bewusste Überbuchungen. Immer dann wenn Fluggäste kein Interesse mehr an ihrer Beförderung haben, kommt es zu kurzfristigen Stornierungen. Wenn Fluggäste zu spät den Flughafen erreichen oder ihren Anschlussflug wegen eines verspäteten Zubringerfluges nicht mehr erreichen, so kann es zu kurzfristigen Umbuchungen kommen. Ein weiterer Grund für eine Umbuchung ist der sogenannte „no-show passenger“. Damit ist das absichtliche Nichterscheinen des Fluggastes gemeint. Das passiert vor allem bei Tarifen , bei denen der Fluggast seinen Beförderungsanspruch nicht gleich verlier, nur weil er den Flug nicht antritt. Bei diesen Tarifen hat der Fluggast die Wahl, ob er einen anderen, späteren Flug antritt oder ob er vom Luftfahrtunternehmen das Beförderungsentgelt erstattet kriegt. ==Maßnahmen des Luftfahrtunternehmens Da die Wirtschaftlichkeit mit einer erhöhten Auslastung der Flugzeuge steigt, haben die Luftfahrtunternehmen ein großes Interesse daran, in ihren Flugzeugen so wenig wie möglich leere Sitzplätze zu haben. Aus diesem Grund sind Luftfahrtunternehmen darum bemüht, zu ermitteln wie viele mutmaßliche kurzfristige Stornierungen, Umbuchungen und No-Show-Verhalten auf den jeweiligen Flügen und in den jeweiligen Buchungsklassen es geben wird. Dazu ziehen die Luftfahrtunternehmen das historische No-Show-Verhalten, das Verhältnis von Geschäfts- zu Privatreisenden, die Flugfrequenzen und die bis zum planmäßigen Abflug verbleibende Zeit in Erwägung. Unter Einbeziehung all dieser Faktoren, werden dementsprechend so viele Buchungen entgegengenommen, wie viele der Kapazität des eingesetzten Fluges und der voraussichtlich nicht zum Flug erscheinenden Fluggäste entspricht. Dabei kann einerseits die Situation eintreten, dass ein Luftfahrtunternehmen die Zahl der nicht zum Flug erscheinenden Gäste zu tief einschätzt und viele Sitzplätze leer bleiben, was dem Luftfahrtunternehmen dann Leerkosten verursacht. Andererseits kann aber auch die Situation eintreten, dass ein Luftfahrtunternehmen die nicht zum Flug erscheinenden Gäste zu hoch einschätzt, daraufhin das Flugzeug überbucht und dann nicht alle Fluggäste, die über eine bestätigte Buchung verfügen, befördern kann. Das hat dann zur Folge, dass das Luftfahrtunternehmen Fehlmengenkosten hat, insbesondere für Ausgleichszahlungen oder alternative Beförderungen und für die Verlegung von Fluggästen in höhere Buchungsklassen. Das Ziel das mit einer Überbuchung verfolgt wird, ist die Minimierung von Leer- und Fehlmengenkosten. Zum einen ist dies gut für die Umweltbelastung, da gut ausgelastete Flugzeuge die Umweltbelastung verringern und zum anderen können den Fluggästen so preiswerte Tickets angeboten werden, aufgrund der Optimierung der Auslastung der Flugzeuge. Wie sehr Flugzeuge von einem Luftfahrtunternehmen überbucht werden ist von vielen Faktoren abhängig und wird von den Luftfahrtunternehmen als Teil ihrer individuellen Geschäftsstrategie nicht verraten. Aufgrund von immer ausgeklügelten Computerprogrammen gelingt es den Luftfahrtunternehmen die überbuchungsbedingten Nichtbeförderungen gering zu halten.

Tatbestandsvoraussetzungen

Beförderungsverweigerung gegen den Willen des Fluggastes

Nach Art. 2 lit. j bedarf es für eine Nichtbeförderung, einer Weigerung den Fluggast zu befördern, obwohl dieser sich unter den in Art. 3 Abs. 2 genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden hat und keine vertretbaren Gründe für eine Nichtbeförderung vorliegen. Grundsätzlich wird in der Fluggastrechteverordnung nicht geregelt, wann ein Fluggast sich am Flugsteig einzufinden hat. Es ist davon auszugehen, dass sich der Fluggast spätestens vor Ende des Einsteigevorganges am Flugsteig einfinden muss, wenn in den ABB des ausführenden Luftfahrtunternehmens dazu keine weiteren Angaben gemacht wurden. Wenn der Fluggast erst nach dem Abschluss des Einsteigens eintrifft, so kann das Luftfahrtunternehmen nicht mehr mit zumutbaren Anstrengungen dafür sorgen, dass der Fluggast noch ins Flugzeug einsteigen kann. Ein Fluggast kann jedoch erst recht nicht mehr befördert werden, wenn er erst nach dem Schließen der Flugzeugtüren am Abfluggate erscheint. Weiterhin wird ein Fluggast kein Interesse mehr haben, den für ihn unerreichbaren Flug doch noch wahrzunehmen, wenn das Flugzeug bereits seine Parkposition verlassen hat. In einem solchen Fall kann der Fluggast nur noch mit dem nächstmöglichen Flug an sein Endziel gelangen.

Antizipierte Beförderungsverweigerung

Durch den Wortlaut des Art. 2 lit. j der Fluggastrechteverordnung könnte man darauf schließen, dass der Fluggast bei einer Nichtbeförderung zwingend am Flugsteig zurückgewiesen werden muss. Eine solche Auslegung ist jedoch abzulehnen. Es kann vorkommen, dass nicht alle Fluggäste mit einer bestätigten Buchung an den Abfertigungsschaltern abgefertigt werden, wenn der Flug überbucht ist. Damit hätten überbuchungsbedingte nicht abgefertigte Fluggäste mangels Bordkarte gar nicht erst die Möglichkeit durch die Sicherheits- und Passkontrollen zum Flugsteig zu kommen. Deshalb geht man in einem solchen Fall von einer antizipierten Beförderungsverweigerung aus. Dies bedeutet, dass sich der Fluggast überhaupt erst spätestens vor dem Ende des Einsteigevorgangs am Flugsteig einfinden muss, wenn ihm nicht schon vorher die Mitnahme vom ausführenden Luftfahrtunternehmen verweigert wurde (BGH, Urt. v. 30.04.09, Az.: Xa ZR 78/08; LG Bremen, Urt. v. 21.02.13, Az.: 9 S 225/12).

Zulässige Beförderungsverweigerungen

Nicht rechtzeitiges Erscheinen zur Abfertigung

Bei einer Nichtbeförderung wird vorausgesetzt, dass sich Fluggäste unter den in Art. 3 Abs. 2 genannten Bedingungen zur Abfertigung einfinden müssen. Ausreichend dafür ist bereits, dass sich der Fluggast vor dem Ablauf des Meldeschlusses am Ende einer Warteschlange vor einem Abfertigungsschalter anstellt und damit seinen Abfertigungswillen manifestiert. Kommt der Fluggast dieser Pflicht nicht rechtzeitig nach, so ist der sachliche Geltungsbereich der Fluggastrechteverordnung nicht eröffnet.

Beförderungsverweigerung aus „vertretbaren Gründen“

Das ausführende Luftfahrtunternehmen darf dem Fluggast nur dann den Einstieg gegen seinen Willen verweigern, wenn dafür „vertretbare Gründe“ vorliegen. Aus der Fluggastrechteverordnung lassen sich beispielhafte Gründe entnehmen, diese sind jedoch nicht abschließend. So können nach der Fluggastrechteverordnung vertretbare Gründe die Gesundheit, die allgemeine oder betriebliche Sicherheit oder unzureichende Unterlagen sein. Betrachtet man nur solche Gründe wie die Gesundheit oder fehlende Unterlagen, so könnte man davon ausgehen, dass als vertretbare Gründe nur solche gelten, die in der Person des Fluggastes liegen. Doch Gründe wie die allgemeine oder betriebliche Sicherheit zeigen wiederrum, dass eine Beförderungsverweigerung auch bei höherer Gewalt nicht auszuschließen ist. Der EuGH hat entschieden, dass es sich bei streikbedingten Dispositionen nicht um einen vertretbaren Grund handeln kann, da diese dem Fluggast in keiner Weise zugerechnet werden können (EuGH, Finnair Urteil, Az.: C-22/11). Würde man solche Umstände als vertretbar annehmen, so würde dies zu einer Erweiterung des Kreises der zulässigen Beförderungsverweigerungen führen. Dies würde wiederrum dem hohen Schutzniveau der Fluggastrechteverordnung widersprechen. Die vertretbaren Gründe des Art. 2 lit. j sollen eine Ausnahme bleiben und nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH eng ausgelegt werden. Gründe der allgemeinen Sicherheit sind weder dem Risikobereich des Fluggastes noch dem Risikobereich des Luftfahrtunternehmens zuzurechnen und sollten deshalb eher nicht als ein Ausnahmezustand zugelassen werden. Denn ansonsten würde dies dazu führen, dass die Fälle angeblich berechtigter Beförderungsverweigerungen in der Praxis sehr ansteigen würden. Aus diesem Grund ist es sinnvoller unter die allgemeine Sicherheit nur die Fälle zu zählen, die ihre Ursache in der Person des Fluggastes haben. Aus diesem Grund können z.B. widrige Wetterverhältnisse, als höhere Gewalt, keinen vertretbaren Grund für eine Nichtbeförderung darstellen (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 04.12.12, Az.: C 316/12). Eine andere Handhabung dieser Situation würde dazu führen, dass sich ein Luftfahrtunternehmen der Leistung von Ausgleichs-und Unterstützungsleistungen entziehen könnte in Fällen der höheren Gewalt, indem sie den Fluggästen die Mitnahme verweigert, anstatt den Flug zu annullieren. Festzuhalten ist demnach, dass nur ausschließlich in der Person des Fluggastes liegende Faktoren, die den Luftverkehr, den Flug oder Mitreisende in ihrer Sicherheit gefährden sowie andere öffentliche oder vertragliche Belange betreffen, als vertretbare Gründe gelten können für eine Beförderungsverweigerung i.S.v. Art. 2 lit.j der Fluggastrechteverordnung. Darunter fallen die offensichtliche Flugunfähigkeit des Fluggastes aus gesundheitlichen Gründen, ein ungebührliches Verhalten des Fluggastes (AG Rostock, Urt. v. 09.04.10, Az.: 48 C 292/09) oder unvollständige Reisedokumente (AG München, Urt. v. 14.01.10, Az.: 283 C 25289/08). Weder eine Überbuchung des Flugzeuges noch höhere Gewalt können als vertretbarer Grund für eine Beförderungsverweigerung gewertet werden.

Zusammenfassung

Eine Nichtbeförderung wegen Überbuchung des Flugzeuges kann immer dann angenommen werden, wenn der Fluggast im Besitz einer bestätigten Buchung war, er sich zur angegebenen Zeit oder bei dem Fehlen einer solchen Angabe zumindest 45 Minuten vor dem planmäßigen Abflug zur Abfertigung eingefunden hat, sich vor dem Ende des Einsteigevorgangs am Flugsteig eingefunden hat und ihm trotzdem gegen seinen Willen die Beförderung ohne einen vertretbaren Grund versagt wurde.

Rechte des Fluggastes

Verpflegung, Unterkunft und Upgrade

Jeder Fluggast hat das Recht auf Essensgutscheine für die Restaurants im Terminal, ganz gleich, ob man wegen einer Überbuchung oder der Verspätung des gebuchten Fluges warten muss. Sammeln Sie die Quittungen der Restaurants und reichen Sie die Belege im Nachhinein bei der Fluggesellschaft ein. Bei einer Überbuchung können Sie auf einem späteren Flug ein Upgrade oder einen Voucher für einen Ticketkauf bei der Fluggesellschaft einfordern. Falls es aufgrund der Überbuchung zu einer Übernachtung in einem Hotel kommen sollte, kommt die jeweilige Airline für diese Zusatzkosten auf.

Weitere finanzielle Entschädigung

Jedem Fluggast, der seinen Flug wegen einer Überbuchung nicht wahrnehmen konnte, steht eine finanzielle Entschädigung zu. Je nach Flugstrecke können das zwischen 250 und 600 Euro sein. Der Anspruch halbiert sich bei einer Wartezeit von weniger als 3 Stunden. Denn im Rahmen der VO-EG Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung) steht dem Passagier ein Ausgleichsanspruch zu, sofern es durch die Umbuchung zu einer Annullierung oder mehr als dreistündig verspäteten Ankunft am Zielflughafen kommt.

Auch bei einer aus mehreren Flügen bestehenden Flugreise kann es zu einer Überbuchung bei einer Teilstrecke kommen. Besteht eine einheitlich gebuchte Gesamtheit einer Beförderung zum Endziel, der aus einem Flug und mindestens einem direkten Anschlussflug zum Endzielort besteht und also eine planmäßige Zwischenlandung mit Wechsel des Flugzeuges vorsieht, so kann der Passagier ebenfalls Ansprüche wegen verspäteter Ankunft geltend machen (EuGH, Urt. v. 31.05.2018, Rs. C-537/17). Dabei spielt es keine Rolle, ob der planmäßige Umstieg außerhalb oder innerhalb der EU erfolgt und ob das Luftfahrtunternehmen seinen Sitz in der EU hat, sofern der aus mehreren Teilstrecken bestehende Flug seinen Anfang innerhalb der EU genommen hatte. Es muss lediglich eine durch den Passagier bei einer Fluggesellschaft einheitlich gebuchte zusammenhängende Gesamtheit von Flügen vorliegen.

Urteile

  • BGH, Urt. v. 30.04.09, Az.: Xa ZR 78/08
  • LG Bremen, Urt. v. 21.02.13, Az.: 9 S 225/12
  • EuGH, Finnair Urteil, Az.: C-22/11
  • LG Frankfurt a.M., Urt. v. 04.12.12, Az.: C 316/12
  • AG Rostock, Urt. v. 09.04.10, Az.: 48 C 292/09
  • AG München, Urt. v. 14.01.10, Az.: 283 C 25289/0

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