Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 05. 07. 2007, Aktenzeichen C‑181/06

Aus PASSAGIERRECHTE
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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

5. Juli 2007

„Luftverkehr – Flughäfen – Bodenabfertigungsdienste – Erhebung einer Gebühr für administrative Abfertigung am Boden und Überwachung“

In der Rechtssache C‑181/06

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Tribunal Administrativo e Fiscal do Porto (Portugal) mit Entscheidung vom 7. März 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 7. April 2006, in dem Verfahren

Deutsche Lufthansa AG

gegen

ANA – Aeroportos de Portugal SA,

Beteiligter:

Ministério Público,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter P. Kūris (Berichterstatter), J. Makarczyk, L. Bay Larsen und J.‑C. Bonichot,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Februar 2007,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Deutsche Lufthansa AG, vertreten durch A. Moura Portugal, advogado,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes und M. J. Viegas als Bevollmächtigte,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch K. Georgiadis und Z. Chatzipavlou als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. R. Vidal Puig, S. Noe und P. Guerra e Andrade als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. April 2007

folgendes

Urteil

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 6 und 16 Abs. 3 der Richtlinie 96/67/EG des Rates vom 15. Oktober 1996 über den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft (ABl. L 272, S. 36).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Deutsche Lufthansa AG (im Folgenden: Lufthansa) und der ANA – Aeroportos de Portugal SA (im Folgenden: ANA) wegen eines von Letzterer erlassenen Bescheides zur Festsetzung und zur Erhebung von Gebühren für administrative Abfertigung am Boden und Überwachung.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 96/67 lautet:

„Die Mitgliedstaaten treffen gemäß Artikel 1 die erforderlichen Maßnahmen, um den Bodenabfertigungsdienstleistern den freien Zugang zum Markt der Drittabfertigungsdienste zu gewährleisten.

Die Mitgliedstaaten können verlangen, dass die Bodenabfertigungsdienstleister in der Gemeinschaft niedergelassen sind.“

4. Art. 16 Abs. 3 der Richtlinie bestimmt:

„Ist der Zugang zu den Flughafeneinrichtungen mit der Entrichtung eines Entgelts verbunden, so ist dessen Höhe nach sachgerechten, objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Kriterien festzulegen.“

5. Im Anhang dieser Richtlinie heißt es:

  • „1. Die administrative Abfertigung am Boden/Überwachung umfasst:
    • 1.1. die Vertretung bei und die Verbindungen zu den örtlichen Behörden und sonstigen Stellen, die im Auftrag des Nutzers getätigten Auslagen und die Bereitstellung von Räumlichkeiten für seine Vertreter;
    • 1.2. die Kontrolle der Verladung, der Nachrichten und der Telekommunikation;
    • 1.3. die Behandlung, Lagerung, Abfertigung und Verwaltung der Ladungen;
    • 1.4. alle sonstigen Überwachungsdienste vor, während und nach dem Flug sowie alle sonstigen vom Nutzer geforderten administrativen Dienste.“

Nationales Recht

6. Das Decreto‑Lei (gesetzesvertretende Dekret) Nr. 102/90 vom 21. März 1990 in der Fassung des Decreto‑Lei Nr. 280/99 vom 26. Juli 1999 (Diário da Republica I, Reihe A, Nr. 172 vom 26. Juli 1999, S. 4678, im Folgenden: Decreto‑Lei Nr. 280/99) führt im Einzelnen die Gebühren auf, die für die Ausübung jeder Tätigkeit im Flughafenbereich anfallen, und sieht in seinem Art. 18 Abs. 2 vor, dass in dem von ANA bewirtschafteten, zum Gemeingut gehörenden Flughafenbereich der Betrag der Gebühr für die Bodenabfertigungsdienste von ANA nach vorheriger Zustimmung des nationalen Instituts für zivile Luftfahrt festgesetzt wird.

7. Art. 3 des Decreto‑Regulamentar (Verordnungsdekret) Nr. 12/99 vom 30. Juli 1999 (Diário da Republica I, Reihe B, Nr. 176 vom 30. Juli 1999, S. 4922) bestimmt:

„Gemäß Art. 17 des Decreto‑Lei Nr. 102/90 vom 21. März 1990 und zur Anwendung von Art. 18 dieses Decreto‑Lei werden die hierin vorgesehenen Gebühren nach der Art der Dienste und ausgeübten Tätigkeiten wie folgt unterteilt:

  • a) Verkehrsgebühren;
  • b) Bodenabfertigungsgebühren (‚handling‘);
  • c) Raumnutzungsgebühren;
  • d) andere Gebühren gewerblicher Art.“

8. Die Bodenabfertigungsgebühren sind in den Art. 10 ff. des Decreto‑Regulamentar Nr. 12/99 geregelt. Es gibt ihrer elf.

9. Art. 10 des Decreto‑Regulamentar bestimmt:

„Bodenabfertigungsgebühren werden für die Durchführung aller Tätigkeiten, die zu den in der Liste des Anhangs I des Decreto‑Lei Nr. 275/99 vom 23. Juli 1999 aufgeführten Diensten gehören, wie folgt erhoben:

  • 1. Die Gebühr für administrative Abfertigung am Boden und Überwachung ist von den Dienstleistern zu entrichten und wird prozentual anhand des erzielten Umsatzes festgesetzt.
  • 2. Die Gebühr für Fluggastabfertigung ist von den Dienstleistern und den Flughafen- oder Flugplatznutzern, die Selbstabfertigung vornehmen, zu entrichten; sie wird nach Stunden oder Teilen von Tagen oder Monaten und pro Schalter, an dem die Passagiere eingewiesen und registriert werden (‚check-in‘), festgesetzt.
  • 3. Die Gebühr für Gepäckabfertigung ist von den Dienstleistern und den Flughafen- oder Flugplatznutzern, die Selbstabfertigung vornehmen, zu entrichten; sie wird nach Stunden oder Teilen von Tagen oder Monaten und pro Schalter, an dem die Passagiere eingewiesen und registriert werden (‚ check-in‘), oder nach behandelten Gepäckeinheiten festgesetzt.
  • 4. Die Gebühr für Fracht- und Postabfertigung ist
    • a) von den Flughafen- oder Flugplatznutzern zu entrichten, die Selbstabfertigung vornehmen; sie wird nach Verkehrseinheiten festgesetzt;
    • b) von den Dienstleistern zu entrichten; sie wird prozentual anhand des erzielten Umsatzes festgesetzt.
  • 5. Die Gebühr für Vorfelddienste ist
    • a) von den Flughafen- oder Flugplatznutzern zu entrichten, die Selbstabfertigung vornehmen; sie wird nach Verkehrseinheiten festgesetzt;
    • b) von den Dienstleistern zu entrichten; sie wird prozentual anhand des erzielten Umsatzes festgesetzt.
  • 6. Die Gebühr für Reinigungsdienste und Flugzeugservice ist von den Dienstleistern zu entrichten und wird prozentual anhand des erzielten Umsatzes festgesetzt.
  • 7. Die Gebühr für Betankungsdienste ist von den Dienstleistern zu entrichten und wird anhand des erzielten Umsatzes prozentual oder pro Hektoliter Treibstoff bzw. pro Liter gelieferten Öls festgesetzt; in diesem Fall werden bei Bruchteilen die Einheiten nach oben aufgerundet.
  • 8. Die Gebühr für Stationswartungsdienste ist von den Dienstleistern zu entrichten und wird prozentual anhand des erzielten Umsatzes festgesetzt.
  • 9. Die Gebühr für Flugbetriebs- und Besatzungsdienste ist von den Dienstleistern zu entrichten und wird prozentual anhand des erzielten Umsatzes festgesetzt.
  • 10. Die Gebühr für Transportdienste am Boden ist von den Dienstleistern zu entrichten und wird prozentual anhand des erzielten Umsatzes festgesetzt.
  • 11. Die Gebühr für Bordverpflegungsdienste (‚catering‘) ist von den Dienstleistern zu entrichten und wird prozentual anhand des erzielten Umsatzes festgesetzt.“

10. Art. 11 des genannten Decreto‑Regulamentar sieht vor:

„Eine andere Gebühr nach Maßgabe der Nutzungsdauer, des Dienstevolumens oder der abgefertigten konkreten Einheit kann bei den Nutzern aller Flughafen- oder Flugplatzanlagen, die für die Durchführung der Bodenabfertigungsdienste als zentralisiert bezeichnet worden sind, erhoben werden.“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

11. Lufthansa, eine Gesellschaft deutschen Rechts mit Zweitniederlassung im Flughafen Lissabon (Portugal), klagte gegen den von ANA erlassenen Bescheid zur Festsetzung und zur Erhebung von Gebühren für administrative Abfertigung am Boden und Überwachung.

12. ANA hatte Lufthansa eine Lizenz für die Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten im Flughafen Francisco Sá Carneiro von Porto erteilt. In der Folge wurde Lufthansa zur Zahlung einer Gebühr von 22 164 PTE (dies entspricht 110,55 Euro) herangezogen, worin die Mehrwertsteuer enthalten war.

13. Lufthansa macht vor dem nationalen Gericht geltend, dass die Vorschriften des nationalen Rechts, nämlich Art. 10 Abs. 1 des Decreto-Regulamentar Nr. 12/99 und Art. 18 Abs. 2 des Decreto‑Lei Nr. 280/99, gegen die Richtlinie 96/67 verstießen.

14. Unter diesen Umständen hat das Tribunal Administrativo e Fiscal do Porto beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

  • 1. Kann die nach Art. 10 Abs. 1 des Decreto‑Regulamentar Nr. 12/99 verlangte Gebühr für administrative Abfertigung am Boden und Überwachung im Sinne von Art. 16 Abs. 3 der Richtlinie 96/67 als Entgelt betrachtet werden, „dessen Höhe nach sachgerechten, objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Kriterien [festgelegt wurde]“?
  • 2. Verstößt die Verpflichtung zur Zahlung einer Gebühr für administrative Abfertigung am Boden und Überwachung nach Art. 10 Abs. 1 des Decreto‑Regulamentar Nr. 12/99, Art. 18 Abs. 2 des Decreto‑Lei Nr. 280/99 und weiteren Vorschriften, die die Höhe dieser Gebühr festlegen, gegen den freien Zugang zum Markt der Drittabfertigungsdienste im Sinne von Art. 6 der Richtlinie 96/67?
  • 3. Verstößt die Verpflichtung zur Zahlung einer Gebühr für administrative Abfertigung am Boden und Überwachung gemäß Art. 10 Abs. 1 des Decreto‑Regulamentar Nr. 12/99, Art. 18 Abs. 2 des Decreto‑Lei Nr. 280/99 und weiteren Vorschriften, die die Höhe dieser Gebühr festlegen, gegen die Verwirklichung des Binnenmarkts und die in den Art. 3 Abs. 1 Buchst. c EG und 4 EG enthaltenen Grundsätze?
  • 4. Kann die Verpflichtung zur Zahlung einer Gebühr für administrative Abfertigung am Boden und Überwachung gemäß Art. 10 Abs. 1 des Decreto‑Regulamentar Nr. 12/99, Art. 18 Abs. 2 des Decreto‑Lei Nr. 280/99 und weiteren Vorschriften, die die Höhe dieser Gebühr festlegen, als missbräuchliche Praxis im Sinne von Art. 82 EG angesehen werden?

Zu den Vorlagefragen

15. Eingangs ist daran zu erinnern, dass die Richtlinie 96/67 ab dem 1. Januar 1999 gemäß ihrem Art. 1 Abs. 1 Buchst. c und 2 nur für Flughäfen galt, die entweder jährlich mindestens drei Millionen Fluggäste oder 75 000 Tonnen Fracht zu verzeichnen haben oder in dem dem 1. April oder dem 1. Oktober des Vorjahrs vorausgehenden Sechsmonatszeitraum mindestens zwei Millionen Fluggäste oder 50 000 Tonnen Fracht zu verzeichnen hatten. Ab dem 1. Januar 2001 gilt die genannte Richtlinie für jeden dem gewerblichen Luftverkehr offenstehenden Flughafen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, der jährlich mindestens zwei Millionen Fluggäste oder 50 000 Tonnen Fracht zu verzeichnen hat.

16. Aus dem vom vorlegenden Gericht vorgetragenen Sachverhalt geht nicht klar hervor, dass der Flughafen Porto die oben genannten Grenzwerte vor dem Jahr 2005 erreicht hätte. Wäre dies nicht der Fall, fiele dieser Flughafen erst ab dem 1. Januar 2006 in den Geltungsbereich der Richtlinie 96/67. Der Bescheid zur Festsetzung der von Lufthansa angefochtenen Gebühr scheint aber das Jahr 2000 zu betreffen.

17. Es ist folglich Sache des vorlegenden Gerichts, sich zunächst zu vergewissern, dass die Richtlinie 96/67 auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbar ist.

Zur ersten und zur zweiten Frage

18. Mit der ersten und der zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 6 und 16 Abs. 3 der Richtlinie 96/67 einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren betroffenen entgegenstehen, die vorsieht, dass die Erbringer von Bodenabfertigungsdiensten der Flughafenleitung eine Gebühr für administrative Abfertigung am Boden und Überwachung zu zahlen haben.

19. Der Gerichtshof hat entschieden, dass sowohl aus dem 25. Erwägungsgrund der Richtlinie 96/67 als auch aus deren Art. 16 Abs. 1 bis 3 hervorgeht, dass es dem Leitungsorgan eines Flughafens erlaubt ist, ein Entgelt als Gegenleistung für den Zugang zu den Flughafeneinrichtungen zu erheben. Hierunter sind die vom Flughafen zur Verfügung gestellten Anlagen und Vorrichtungen zu verstehen. Dagegen hat der Gerichtshof diesem Organ die Befugnis abgesprochen, zusätzlich zu dem Entgelt für die Nutzung der Flughafeneinrichtungen ein Entgelt für den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste zu erheben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Oktober 2003, Flughafen Hannover-Langenhagen, C‑363/01, Slg. 2003, I‑11893, Randnrn. 37 bis 40 sowie 44 und 60).

20. Zunächst ist zu prüfen, ob eine Gebühr wie die im Ausgangsverfahren betroffene für administrative Abfertigung am Boden und Überwachung als ein Entgelt anzusehen ist, das als Gegenleistung für den Zugang zu den Flughafeneinrichtungen geschuldet wird.

21. Die portugiesische Regierung trägt vor, das fragliche Entgelt werde als Gegenleistung für die Erbringung öffentlicher Flughafendienste zur Unterstützung der zivilen Luftfahrt und für das Zurverfügungstellen einer öffentlichen Sache gefordert, deren ordnungsgemäße Nutzungsbedingungen ANA sicherzustellen habe.

22. In der mündlichen Verhandlung haben die portugiesischen Behörden zum einen klargestellt, dass sich inhaltlich die vorgesehene Gebühr für administrative Abfertigung am Boden und Überwachung nicht von der im Anhang der Richtlinie 96/67 genannten Gebühr unterscheide und keinesfalls eine zweite Gebührenerhebung für Dienstleistungen bedeute, die bereits einer vom genannten Decreto‑Regulamentar vorgesehenen Gebühr unterlägen.

23. Zum anderen haben die genannten Behörden erstmals erwähnt, dass unter tatsächlicher Nutzung des Gemeinguts Wasser‑ und Elektrizitätsverbrauch sowie die Kosten für Reinigung und Sicherheit zu verstehen seien.

24. Insoweit ist es Sache des vorlegenden Gerichts, die Gegenleistungen für die im Ausgangsverfahren streitige Gebühr anhand der Definition der administrativen Abfertigung am Boden und der Überwachung zu prüfen, die in Nr. 1 des Anhangs der Richtlinie 96/67 niedergelegt ist. Wenn demnach die genannte Gebühr für die Gesamtheit oder einen Teil dieser Dienste geschuldet wird und keine zweite Gebührenerhebung für bereits anderweit durch eine Gebühr oder Taxe abgegoltene Dienste darstellt, kann sie als ein Entgelt für den Zugang zu den Flughafeneinrichtungen und nicht als Zugangsentgelt für den Markt der Bodenabfertigungsdienste angesehen werden.

25. Auf jeden Fall ist zweitens zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren streitige Gebühr den von Art. 16 Abs. 3 der Richtlinie 96/67 aufgestellten Kriterien entspricht.

26. Hinsichtlich der Kriterien der Sachgerechtheit und der Objektivität ist es Sache des vorlegenden Gerichts, den Zusammenhang zwischen den von ANA getragenen Funktionskosten und dem Gebührenbetrag zu ermitteln, der als Prozentsatz des von Lufthansa auf dem Flughafen Francisco Sá Carneiro von Porto erzielten Umsatzes bestimmt wird.

27. Das Kriterium der Transparenz kann nur dann als erfüllt angesehen werden, wenn die nationalen Vorschriften eine klare Bestimmung der von ANA erbrachten Dienste und eine präzise Definition der Berechnungsart der genannten Gebühr enthalten.

28. In Bezug auf das Kriterium des Diskriminierungsverbots ist festzustellen, dass zwar die im Ausgangsverfahren fragliche Gebühr unstreitig nur von den Erbringern von Bodenabfertigungsdiensten geschuldet wird, obwohl diese Dienstleister und die Nutzer, die Selbstabfertigung vornehmen, die gleichen Flughafeneinrichtungen nutzen, dass aber, falls die einzige Rechtfertigung für eine derartige Ungleichbehandlung sich daraus ableitet, dass lediglich die genannten Dienstleister einen Gewinn erzielen, dieser Unterschied eindeutig als diskriminierend zu erachten wäre.

29. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass das Gemeinschaftsrecht einer nationalen Regelung wie der in den Art. 10 Abs. 1 des Decreto‑Regulamentar Nr. 12/99 und 18 Abs. 2 des Decreto‑Lei Nr. 280/99 entgegensteht, es sei denn, die in diesen Rechtsvorschriften vorgesehene Gebühr für administrative Abfertigung am Boden und Überwachung wird als Gegenleistung für die Gesamtheit oder einen Teil der in Nr. 1 des Anhangs der Richtlinie 96/67 definierten Dienste geschuldet und stellt keine zweite Gebührenerhebung für Dienste dar, die bereits anderweit durch eine Gebühr oder Taxe abgegolten sind. Sollte die vom vorlegenden Gericht vorgenommene Prüfung ergeben, dass die im Ausgangsverfahren streitige Gebühr ein Entgelt für den Zugang zu den Flughafeneinrichtungen darstellt, ist es Sache dieses Gerichts, zu prüfen, ob diese Gebühr den Kriterien der Sachgerechtheit, Objektivität, Transparenz und Nichtdiskriminierung genügt, wie sie in Art. 16 Abs. 3 der Richtlinie 96/67 definiert sind.

Zur dritten Frage

30. Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Erhebung der im Ausgangsverfahren streitigen Gebühr den Art. 3 EG und 4 EG widerspricht.

31. Hierzu genügt die Feststellung, dass die Art. 3 EG und 4 EG die Gebiete und die Ziele bestimmen, auf die sich die Tätigkeit der Europäischen Gemeinschaft erstreckt, und den Mitgliedstaaten oder öffentlichen oder privaten Einrichtungen keine Pflichten auferlegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2000, Échirolles Distribution, C‑9/99, Slg. 2000, I‑8207, Randnr. 22). Soweit diese Tätigkeiten in anderen Teilen des EG‑Vertrags und in Anwendungsrechtsakten der Gemeinschaft wie der Richtlinie 96/67 näher ausgeführt worden sind, ist dem vorlegenden Gericht eine Antwort nur im Hinblick auf diese Richtlinie zu geben.

Zur vierten Frage

32. Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es als Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG angesehen werden kann, wenn wie im Ausgangsverfahren die Zahlung einer Gebühr verlangt wird.

33. Nach ständiger Rechtsprechung müssen die Vorlageentscheidungen die genauen Gründe angeben, aus denen das vorlegende Gericht die Auslegung des Gemeinschaftsrechts für zweifelhaft und es für erforderlich hält, dem Gerichtshof Vorlagefragen zu unterbreiten (Beschluss vom 28. Juni 2000, Laguillaumie, C‑116/00, Slg. 2000, I‑4979, Randnr. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Urteil vom 13. Juli 2000, Idéal tourisme, C‑36/99, Slg. 2000, I‑6049, Randnr. 20). So hat der Gerichtshof entschieden, dass es unerlässlich ist, dass das nationale Gericht ein Mindestmaß an Erläuterungen zu den Gründen für die Wahl der Gemeinschaftsbestimmungen, um deren Auslegung es ersucht, und zu dem Zusammenhang gibt, den es zwischen diesen Bestimmungen und den auf den Rechtsstreit anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften herstellt (Beschluss vom 7. April 1995, Grau Gomis u. a., C‑167/94, Slg. 1995, I‑1023, Randnr. 9).

34. Es ist festzustellen, dass die Vorlageentscheidung diesen Erfordernissen nicht genügt.

35. Das konkrete Auslegungsproblem, das sich im Hinblick auf Art. 82 EG stellen könnte, lässt sich nämlich nicht abgrenzen. Genaue Angaben zum tatsächlichen und rechtlichen Kontext sind aber ganz besonders im Bereich des Wettbewerbs erforderlich, der durch komplexe tatsächliche und rechtliche Verhältnisse gekennzeichnet ist (Beschluss Laguillaumie, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36. Folglich ist die vierte dem Gerichtshof vorgelegte Frage unzulässig.

Kosten

37. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Das Gemeinschaftsrecht steht einer nationalen Regelung wie der in den Art. 10 Abs. 1 des Decreto‑Regulamentar Nr. 12/99 vom 30. Juli 1999 und 18 Abs. 2 des Decreto‑Lei Nr. 102/90 vom 21. März 1990 in der Fassung des Decreto‑Lei Nr. 280/99 vom 26. Juli 1999 entgegen, es sei denn, die in diesen Rechtsvorschriften vorgesehene Gebühr für administrative Abfertigung am Boden und Überwachung wird als Gegenleistung für die Gesamtheit oder einen Teil der in Nr. 1 des Anhangs der Richtlinie 96/67/EG des Rates vom 15. Oktober 1996 über den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft definierten Dienste geschuldet und stellt keine zweite Gebührenerhebung für Dienste dar, die bereits anderweit durch eine Gebühr oder Taxe abgegolten sind. Sollte die vom vorlegenden Gericht vorgenommene Prüfung ergeben, dass die im Ausgangsverfahren streitige Gebühr ein Entgelt für den Zugang zu den Flughafeneinrichtungen darstellt, ist es Sache dieses Gerichts, zu prüfen, ob diese Gebühr den Kriterien der Sachgerechtheit, Objektivität, Transparenz und Nichtdiskriminierung genügt, wie sie in Art. 16 Abs. 3 der Richtlinie 96/67 definiert sind.

Unterschriften