Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott vom 23. Februar 2006 (Rechtssache C-95/04 P)

Aus PASSAGIERRECHTE
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SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE Kokott

vom 23. Februar 2006

Rechtssache C-95/04 P

British Airways plc

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

andere Beteiligte:

Virgin Atlantic Airways Ltd

„Rechtsmittel – Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (Artikel 82 EG) – British Airways – Vereinbarungen mit Reisevermittlern – Provisionen und andere Vorteile in Abhängigkeit vom individuellen Umsatz mit Flugscheinen von British Airways“

I – Einleitung

1. Der vorliegende Fall geht auf ein Wettbewerbsverfahren der Kommission hinsichtlich bestimmter Provisionen und Vorteile zurück, welche die britische Fluggesellschaft British Airways plc (im Folgenden: BA) Reisevermittlern im Vereinigten Königreich in Abhängigkeit von deren Umsatz mit Flugscheinen der BA gewährte. In jenem Verfahren stellte die Kommission fest, BA habe ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht (Artikel 82 EG), und verhängte dafür eine Geldbuße in Höhe von 6 800 000 Euro gegen dieses Unternehmen.

2. Die diesbezügliche Entscheidung der Kommission vom 14. Juli 1999 (im Folgenden: die angefochtene Entscheidung) wurde vom Gericht erster Instanz mit Urteil vom 17. Dezember 2003 in der Rechtssache T-219/99 (im Folgenden: das angefochtene Urteil) in vollem Umfang bestätigt.

3. Der Gerichtshof ist nunmehr mit einem Rechtsmittel der BA gegen dieses erstinstanzliche Urteil befasst. Im Kern gilt es zu klären, unter welchen Umständen die Gewährung von Prämien durch ein marktbeherrschendes Unternehmen als Missbrauch im Sinne von Artikel 82 EG angesehen werden kann.

II – Rechtlicher Rahmen

4. Den rechtlichen Rahmen dieses Falles definiert Artikel 82 EG, der wie folgt abgefasst ist:

„Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

Dieser Missbrauch kann insbesondere in Folgendem bestehen:

  • a) der unmittelbaren oder mittelbaren Erzwingung von unangemessenen Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen;
  • b) der Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher;
  • c) der Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden;
  • d) der an den Abschluss von Verträgen geknüpften Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen.“

III – Sachverhalt und Verfahren

A – Sachverhalt

5. Der diesem Fall zugrunde liegende Wettbewerbsfall geht auf Beschwerden von Virgin Atlantic Airways Ltd (im Folgenden: Virgin), einer Wettbewerberin von BA, zurück. Er betrifft den Markt für Luftverkehrsvermittlerdienste im Vereinigten Königreich, auf dem BA nach den Feststellungen der Kommission die beherrschende Käuferin war.

6. Auf jenem Markt erbringen Reisevermittler für die Fluggesellschaften Dienstleistungen, die darin bestehen, für die Luftverkehrsleistungen der Fluggesellschaften zu werben, den Reisenden bei der Auswahl der geeigneten Luftverkehrsleistungen zu helfen und die Verwaltungsaufgaben zu übernehmen (Ausstellen der Flugscheine, Einziehung des Entgelts vom Reisenden und dessen Abführung an die Fluggesellschaft). Als Gegenleistung für diese Dienstleistungen zahlen die Fluggesellschaften den Reisevermittlern Provisionen gemäß dem Flugscheinumsatz, der über sie erzielt wurde.

7. BA schloss mit von der International Air Transport Association (IATA) anerkannten Reisevermittlern Vereinbarungen, die ihnen Anspruch auf eine Basis-Standardprovision für die von ihnen getätigten Umsätze mit BA-Flugscheinen gaben. Diese Provision belief sich von 1976 bis 1997 auf 9 % für die internationalen Umsatzerlöse und auf 7,5 % für die Inlandsumsatzerlöse. Danach wurde sie durch eine neue einheitliche Provision von 7 % für alle im Vereinigten Königreich verkauften Flugscheine ersetzt.

8. Zusätzlich zu diesem System von Basisprovisionen schloss BA mit den IATA-Reisevermittlern Vereinbarungen, die drei unterschiedliche Prämienregelungen umfassten: Marketingvereinbarungen („Marketing Agreements“), globale Vereinbarungen („Global Agreements“) und schließlich eine Ergebniszuschlagsregelung („Performance Reward Scheme“).

9. Zu den Marketingvereinbarungen und den globalen Vereinbarungen hat das Gericht Folgendes festgestellt:

  • „6 Die erste Prämienregelung, die BA einführte, bestand aus Marketingvereinbarungen, die bestimmten IATA-Reisevermittlern im Vereinigten Königreich die Möglichkeit gaben, zusätzlich zu ihrer Basisprovision Zahlungen zu erhalten, und zwar:
    • einen Ergebniszuschlag, zu dem bestimmte Sonderprämien in Abhängigkeit vom Umfang der mit BA geflogenen Segmente hinzukamen;
    • Bargeldbeträge aus einem Fonds, die die Reisevermittler für die Schulung ihres Personals verwenden mussten;
    • Bargeldbeträge aus einem Unternehmensförderungsfonds, den BA eingerichtet hatte, um seine Einnahmen zu erhöhen, und dessen Mittel von den Reisevermittlern zur Finanzierung von Werbemaßnahmen für BA zu verwenden waren.
  • 7 Die Marketingvereinbarungen verpflichteten die Reisevermittler im Vereinigten Königreich auch dazu, BA hinsichtlich u. a. der Bekanntgabe seiner Flugzeiten und seiner Preise sowie der Produkte und Broschüren nicht weniger günstig zu behandeln als jede andere Fluggesellschaft.
  • 8 Die für die Dauer eines Jahres geschlossenen Marketingvereinbarungen waren grundsätzlich den IATA-Reisevermittlern im Vereinigten Königreich mit einem Jahresumsatz von BA-Flugscheinen (im Folgenden: Flugerlöse) von mehr als 500 000 GPB vorbehalten. Die Vermittler mit Flugerlösen über 500 000 GBP, jedoch unter 10 Mio. GBP pro Jahr konnten eine Standard-Marketingvereinbarung eingehen. Die Vermittler, deren jährliche Flugerlöse über 10 Mio. GBP hinausgingen, schlossen individuell ausgehandelte Marketingvereinbarungen mit BA.
  • 9 Der Ergebniszuschlag wurde gleitend nach dem Umfang berechnet, in dem ein Reisevermittler die BA-Flugerlöse steigerte. Zusätzlich zum allgemeinen Ergebniszuschlag gaben bestimmte Flugstrecken Anspruch auf eine Ergebnissonderprämie.
  • 10 Die Zahlung des Ergebniszuschlags oder der Sonderprämie war von der Steigerung der Umsätze von BA-Flugscheinen durch die Reisevermittler von einem Jahr zum darauf folgenden abhängig. Zwar wurde im Allgemeinen keine dieser beiden zusätzlichen Zahlungen für Segmente gezahlt, die auf BA-Inlandsstrecken innerhalb des Vereinigten Königreichs geflogen wurden; diese Segmente wurden jedoch für das Erreichen der Zielschwellen mitgerechnet, da Letztere als globale Flugerlöse berechnet wurden, wozu Langstrecken-, Kurzstrecken- und Inlandsflüge zählten.
  • 11 Außer den Marketingvereinbarungen schloss BA mit drei IATA-Reisevermittlern Vereinbarungen eines zweiten Typs von Prämienregelungen (im Folgenden: globale Vereinbarungen). Für die Wintersaison 1992/93 vereinbarte BA mit drei Reisevermittlern globale Förderprogramme, die diese Vermittler zum Erhalt zusätzlicher Provisionen berechtigten, deren Höhe gemäß dem Wachstum des BA-Anteils an ihren weltweiten Verkäufen berechnet wurde.“

10. Zu der von BA ab 1998 angewandten neuen Ergebniszuschlagsregelung hat das Gericht Folgendes festgestellt:

  • „14 Am 17. November 1997 richtete BA an alle Reisevermittler im Vereinigten Königreich ein Schreiben, in dem es Einzelheiten in Bezug auf einen dritten Typ von Prämienregelungen bestehend aus einer neuen, ab dem 1. Januar 1998 geltenden Ergebniszuschlagsregelung (Performance Reward Scheme; im Folgenden: neue Ergebniszuschlagsregelung) mitteilte.
  • 15 Außer der neuen einheitlichen Provision von 7 % für alle im Vereinigten Königreich verkauften Flugscheine konnte jeder Reisevermittler eine Zusatzprovision von bis zu 3 % für die internationalen Flugscheine und von bis zu 1 % für die Inlandsflugscheine erhalten. Die Größe der variablen Elemente für Inlands- und Auslandsflugscheine hing vom Ergebnis der Reisevermittler beim Verkauf von BA-Flugscheinen ab. Die Höhe des Ergebnisses des Reisevermittlers wurde gemessen, indem die gesamten Flugerlöse aus BA-Flugscheinen, die der Reisevermittler in einem Kalendermonat ausgestellt hatte, denen des entsprechenden Vorjahresmonats gegenübergestellt wurden.
  • 16 Im Rahmen der neuen Ergebniszuschlagsregelung verdiente der Reisevermittler mit jedem über den Ergebnisrichtwert von 95 % hinausgehenden Prozentpunkt zu seiner Standardprovision von 7 % für internationale Flugscheine ein variables Element in Höhe von 0,1 % hinzu. Bei Verkäufen von Inlandsflugscheinen belief sich das variable Element auf 0,1 % je Verkaufssteigerung von 3 % über den Richtwert von 95 % hinaus. Das höchste variable Element, das Reisevermittler im Rahmen der neuen Ergebniszuschlagsregelung erhalten konnten, betrug 3 % für internationale Flugscheine und 1 % für Inlandsflugscheine bei einer Ergebnishöhe von jeweils mindestens 125 %.
  • 17 Erreichte beispielsweise ein Reisevermittler für einen bestimmten Monat ein Ergebnis in Höhe von 112 %, dann lag für diesen Monat das variable Element für Auslandsflugscheine bei 1,7 % ([112 – 95] x 0,1 %) der internationalen Vergütungserlöse. Das variable Element für Inlandsflugscheine hingegen belief sich bei dieser Ergebnishöhe auf 0,5 % ([112 – 95] ÷ 3 x 0,1 %) der Inlandsvergütungserlöse für diesen Kalendermonat. Die Zahlung der variablen Elemente der neuen Ergebniszuschlagsregelung erfolgte monatlich.
  • 18 Die neue Ergebniszuschlagsregelung sollte bis zum 31. März 1999 gelten. Für den Monat Dezember 1997 sah BA eine Übergangsphase vor, in der die neue Ergebniszuschlagsregelung zusätzlich zu den bis dahin bestehenden Standardprovisionen von 9 % und 7,5 % für Auslands- und Inlandsflugscheine galt. Am 8. Februar 1999 gab BA bekannt, dass diese Regelung für 1999/2000 nicht erneuert werden würde.“
  • 11. Nach den Feststellungen der Kommission, aus denen das Gericht zitiert, lässt sich die Wirkung der beschriebenen Provisionsregelungen wie folgt verdeutlichen:
    • „(29) Den vorstehend beschriebenen Provisionsregelungen ist ein hervorstechendes Merkmal gemeinsam. In jedem Fall führt das Erreichen der Vorgaben für Verkaufssteigerungen zu einer Erhöhung der gezahlten Provision für alle von dem Reisevermittler verkauften Flugscheine und nicht nur für die nach Erreichen der Vorgabe verkauften. So steigt bei den [Regelungen über Marketingvereinbarungen] die Barprämie, die dem Reisevermittler je verkauften Flugschein gezahlt wird, für alle verkauften Flugscheine. Bei der [Ergebniszuschlagsregelung] steigt die gezahlte anteilige Provision für die insgesamt von dem Reisevermittler verkauften Flugscheine. Steht also ein Reisevermittler kurz vor dem Erreichen eines der Schwellenwerte für die Erhöhung des Provisionssatzes, so kann der Verkauf relativ weniger weiterer BA-Flugscheine eine entscheidende Wirkung auf seine Provisionseinnahmen haben. Im umgekehrten Fall muss ein Mitbewerber von BA, der dem Reisevermittler einen Anreiz gewähren möchte, um einige Buchungen von BA auf die konkurrierende Fluggesellschaft umzuleiten, für alle verkauften Flugscheine einen wesentlich höheren Provisionssatz als BA zahlen, um diese Wirkung aufzuheben.
    • (30) Dieser Effekt der BA-Provisionsregelungen soll anhand eines Beispiels veranschaulicht werden. Angenommen, ein Reisevermittler hat im Bezugsjahr internationale Flugscheine für insgesamt 100 000 GBP verkauft. Verkauft der Reisevermittler monatlich internationale BA-Flugscheine im Wert von 100 000 GBP, so erhält er die Grundprovision von 7 % und eine ‚Ergebnisvergütung‘ von 0,5 % ([100 – 95] x 0,1 %), was Gesamteinnahmen aus Provisionen für verkaufte internationale Flugscheine von 7 500 GBP ergibt (100 000 x [7 % + 0,5 %]). Hat der Reisevermittler 1 % der internationalen Flugscheine für einen Mitbewerber von BA verkauft, so würde seine ‚Ergebnisvergütung‘ auf 0,4 % ([99 – 95] x 0,1 %) sinken, und dieser geringere Satz würde dann für alle Verkäufe von BA-Flugscheinen dieses Vermittlers gelten. Seine Provisionseinkünfte aus dem Verkauf von internationalen BA-Flugscheinen würden auf 7 326 GBP (99 000 x [7 % + 0,4 %]) zurückgehen. Eine Verminderung von 1 000 GBP bei den Verkäufen von internationalen BA-Flugscheinen hat einen Rückgang von 174 GBP bei den Provisionseinnahmen zur Folge. Der ‚Grenzprovisionssatz‘ kann mit 17,4 % angegeben werden. In der Praxis bedeutet dies, dass ein BA-Konkurrent, der in der Lage wäre, Flüge anzubieten, die 1 000 GBP der Verkäufe von BA-Flugscheinen des Reisevermittlers ersetzen könnten, eine Provision von 17,4 % auf diese Flugscheine anbieten müsste, um das Reisebüro für die entgangenen BA-Provisionseinkünfte zu entschädigen. Zwar muss auch BA diesen hohen Grenzprovisionssatz anbieten, um den Verkauf seiner Flugscheine zu erhöhen, doch befindet sich diese Gesellschaft gegenüber dem neuen Akteur im Vorteil, der diesen hohen Provisionssatz für alle seine Buchungen zahlen muss. ...

Dieser Effekt steigert sich noch, wenn es sich bei der Zahl der betreffenden Flugscheine um einen kleineren Anteil an den Richtwertverkäufen von BA-Flugscheinen des Reisevermittlers handelt. Er wird außerdem verstärkt, wenn der betreffende Reisevermittler nicht nur Zusatzprovisionen im Rahmen der [neuen Ergebniszuschlagsregelung], sondern auch Prämien aus [einer Marketingvereinbarung] erhält.“

B – Angefochtene Entscheidung

12. In der angefochtenen Entscheidung stellt die Kommission fest, dass BA die beherrschende Stellung, die sie auf dem Markt für Luftverkehrsvermittlerdienste im Vereinigten Königreich innehabe, dadurch missbraucht habe, dass sie ihre Provisionsregelungen, d. h. sowohl die Marketingvereinbarungen als auch die neue Ergebniszuschlagsregelung, auf die Reisevermittler im Vereinigten Königreich angewandt habe.

13. Beide Provisionsregelungen stellten zum einen einen finanziellen Anreiz für die Reisevermittler dar, ihren Absatz von BA-Flugscheinen aufrechtzuerhalten oder zu steigern, statt ihre Dienste den Wettbewerbern von BA zu verkaufen, weil diese Zuschläge nicht vom Umfang des von den Reisevermittlern erzielten Absatzes von BA-Flugscheinen in absoluten Zahlen abhängig seien. Zum anderen würden durch sie den betroffenen Reisevermittlern unterschiedliche Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen auferlegt. Schließlich ist die Kommission der Auffassung, dass das missbräuchliche Verhalten von BA auf dem Markt für Luftverkehrsvermittlerdienste eine Verzerrung des Wettbewerbs auf den Luftverkehrsmärkten im Vereinigten Königreich zur Folge habe.

14. Der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung lautet auszugsweise wie folgt:

„Artikel 1

British Airways Plc hat gegen Artikel 82 EG-Vertrag verstoßen, indem es bei den Reisevermittlern, von denen es Luftverkehrsvermittlerdienste im Vereinigten Königreich erwirbt, Provisionssysteme und andere Anreize angewandt hat, deren Ziel und Auswirkung durch die Vergütung der Treue von Seiten der Reisevermittler und die unterschiedliche Behandlung von Reisevermittlern darin besteht, dass Wettbewerber von British Airways aus dem britischen Luftverkehrsmarkt ausgeschlossen werden.

Artikel 2

Wegen der in Artikel 1 genannten Verstöße wird gegen British Airways Plc eine Geldbuße in Höhe von 6,8 Mio. Euro festgesetzt. …“

C – Gerichtliches Verfahren

15. Gegen die angefochtene Entscheidung hatte BA am 1. Oktober 1999 Klage zum Gericht erster Instanz erhoben, in der sie beantragte, die angefochtene Entscheidung insgesamt für nichtig zu erklären und der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die Kommission beantragte, die Klage abzuweisen und BA zur Kostentragung zu verurteilen.

16. Mit Beschluss vom 9. Februar 2001 wurde Virgin als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen. Hingegen wurde ein Antrag der französischen Fluggesellschaft Air France auf Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge von BA abgelehnt.

17. In seinem angefochtenen Urteil hat das Gericht die Klage der BA abgewiesen und sie zur Tragung ihrer eigenen Kosten sowie der Kosten der Kommission und der Streithelferin verurteilt.

18. Mit ihrem Rechtsmittel, bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen am 26. Februar 2004, beantragt BA nunmehr,

  • das angefochtene Urteil insgesamt oder teilweise aufzuheben,
  • die Höhe der BA auferlegten Geldbuße in einem vom Gerichtshof in Ausübung seines Ermessens für angemessen gehaltenen Umfang für nichtig zu erklären oder herabzusetzen und
  • jede andere Maßnahme zu erlassen, die der Gerichtshof für angemessen hält.

19. Die Kommission beantragt ihrerseits,

  • das Rechtsmittel in seiner Gesamtheit zurückzuweisen und
  • BA zur Kostentragung zu verurteilen.

20. Virgin beantragt,

  • das Rechtsmittel von BA für unzulässig und/oder offensichtlich unbegründet zu erklären und es im Wege eines begründeten Beschlusses gemäß Artikel 119 der Verfahrensordnung zurückzuweisen,
  • hilfsweise, das Rechtsmittel von BA zurückzuweisen und das angefochtene Urteil in seiner Gesamtheit aufrechtzuerhalten und
  • auf jeden Fall BA zur Tragung der Kosten des Rechtsmittels zu verurteilen, einschließlich der Kosten von Virgin.

21. Vor dem Gerichtshof wurde das Rechtsmittel zunächst schriftlich und sodann, am 15. Dezember 2005, mündlich verhandelt.

IV – Würdigung

22. In ihrem Rechtsmittel greift BA nicht mehr alle Themen auf, die noch Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens waren, insbesondere nicht die Feststellungen der Kommission zur Marktabgrenzung und zur beherrschenden Stellung von BA. Vielmehr widmen sich ihre fünf Rechtsmittelgründe allein den Ausführungen des Gerichts zum Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 82 EG, wie sie sich in den Randnummern 227 bis 300 des angefochtenen Urteils finden.

A – Einleitende Bemerkungen

23. Ein marktbeherrschendes Unternehmen ist im Anwendungsbereich des Artikels 82 EG bestimmten Beschränkungen unterworfen, welche für andere Unternehmen in dieser Form nicht gelten. Denn aufgrund der Anwesenheit des beherrschenden Unternehmens ist der Wettbewerb auf dem betroffenen Markt geschwächt. Deshalb trägt dieses Unternehmen – unabhängig von den Ursachen seiner marktbeherrschenden Stellung – eine besondere Verantwortung dafür, dass durch sein Verhalten ein wirksamer und unverfälschter Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt wird. Eine Praxis, die unter normalen Wettbewerbsbedingungen nicht zu beanstanden wäre, kann missbräuchlich sein, wenn sie von einem marktbeherrschenden Unternehmen angewandt wird.

24. So ist zwar auch ein Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung nach ständiger Rechtsprechung berechtigt, seine eigenen geschäftlichen Interessen zu wahren, wenn sie bedroht sind, und es darf auch in angemessenem Umfang so vorgehen, wie es dies zum Schutz seiner Interessen für richtig hält. Insbesondere darf es sich der Mittel eines normalen Produkt- und Dienstleistungswettbewerbs im Sinne eines Leistungswettbewerbs bedienen; missbräuchlich im Sinne von Artikel 82 EG und damit verboten ist jedoch ein Geschäftsgebaren, welches vom normalen Marktverhalten abweicht und geeignet ist, den noch bestehenden Wettbewerb zu schwächen. Nicht jeder Preiswettbewerb ist deshalb gemäß Artikel 82 EG zulässig.

25. Auf dem Gebiet der Rabatte und Prämien wird besonders anschaulich, dass im Einzelfall die Grenzziehung zwischen legitimem Verhalten und verbotenem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung schwierig ist.

26. So haben die Gemeinschaftsgerichte bereits mehrfach festgestellt, dass die Gewährung bestimmter Rabatte bzw. Prämien durch ein marktbeherrschendes Unternehmen missbräuchlich im Sinne von Artikel 82 EG sein kann. Danach können insbesondere durch Treuerabatte und Treueprämien die Geschäftspartner in der Praxis so stark an das marktbeherrschende Unternehmen gebunden werden (so genannte „Treue fördernde Wirkung“ der Prämien bzw. Rabatte), dass dessen Wettbewerber es übermäßig schwer haben, Absatz für ihre Produkte zu finden („Verdrängungswirkung“, auch „Ausschlusswirkung“ genannt), wodurch der Wettbewerb als solcher Schaden nehmen kann und letztlich auch dem Verbraucher Nachteile entstehen können.

27. Umstritten bleibt aber weiterhin, unter welchen Umständen im Einzelnen die Gewährung von Rabatten oder Prämien durch ein marktbeherrschendes Unternehmen missbräuchlich im Sinne von Artikel 82 EG ist. Der vorliegende Fall gibt Anlass, einige Fragen in diesem Zusammenhang näher zu beleuchten:

  • Unter welchen Umständen sind die Rabatte oder Prämien eines marktbeherrschenden Unternehmens ganz allgemein als missbräuchlich anzusehen? (erster Rechtsmittelgrund)
  • Ist es dabei erforderlich, die konkreten Auswirkungen der Rabatte oder Prämien des marktbeherrschenden Unternehmens auf seine Wettbewerber und die Verbraucher zu untersuchen? (zweiter, dritter und vierter Rechtsmittelgrund)
  • Unter welchen Umständen sind die Rabatte oder Prämien eines marktbeherrschenden Unternehmens als eine Diskriminierung von Handelspartnern anzusehen, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden? (fünfter Rechtsmittelgrund)

28. In diesem Zusammenhang spielt es übrigens keine Rolle, wie die Kommission ihre Wettbewerbspolitik im Hinblick auf Artikel 82 EG für die Zukunft auszurichten gedenkt. Denn zum einen können etwaige neue Akzente in der Handhabung von Artikel 82 EG nur für künftige Entscheidungen der Kommission von Belang sein, nicht aber für die rechtliche Beurteilung einer bereits ergangenen Entscheidung. Und zum anderen müsste sich die Kommission auch im Falle einer Änderung ihrer Verwaltungspraxis weiterhin in dem Rahmen bewegen, den ihr Artikel 82 EG in der Auslegung des Gerichtshofes vorgibt.

B – Zum ersten Rechtsmittelgrund: Allgemeine Kriterien für die Beurteilung von Provisionsregelungen

29. Der erste Rechtsmittelgrund von BA nimmt innerhalb des Rechtsmittels mit Abstand den meisten Raum ein. Er bezieht sich auf die Randnummern 272 bis 298 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht – wie schon zuvor die Kommission – zum einen feststellt, dass die von BA gewährten Prämien „Treue fördernd“ gewirkt und daher eine Ausschlusswirkung (Verdrängungswirkung) gehabt hätten; zum anderen seien sie auch nicht wirtschaftlich gerechtfertigt gewesen.

30. Im Kern wirft BA mit diesem Rechtsmittelgrund die Frage auf, unter welchen Umständen die Rabatte oder Prämien marktbeherrschender Unternehmen ganz allgemein als missbräuchlich angesehen werden können. Ergänzt wird dieser Rechtsmittelgrund durch die im Anschluss zu prüfenden Rechtsmittelgründe zwei bis vier, mit denen sich BA den rechtlichen Anforderungen an die Prüfung der Auswirkungen solcher Rabatte oder Prämien auf Wettbewerber und Verbraucher zuwendet.

1. Wesentliche Argumente der Parteien

31. Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob das Gericht die Rechtsprechung des Gerichtshofes, wie sie sich insbesondere aus den Urteilen Hoffmann-La Roche und Michelin I ergibt, korrekt auf den vorliegenden Fall angewandt hat.

32. BA meint, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, weil es ihre Provisionsregelungen nach einem falschen Kriterium beurteilt habe. Das Gericht differenziere bei seiner Prüfung der „Treueförderung“ nicht zwischen der Kundentreue, die durch ein missbräuchliches Ausschließungsverhalten gesichert wird, und der sich aus legitimem Preiswettbewerb ergebenden Kundentreue. Zum Wesen des legitimen Preiswettbewerbs gehöre es, dass ein Unternehmen die Freiheit haben müsse, seinen Vertragspartnern höhere Rabatte einzuräumen als seine Wettbewerber. Die vom Gericht angelegten Maßstäbe führen laut BA zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit über den Umfang rechtmäßigen Preiswettbewerbs und wirken abschreckend auf Unternehmen; sie beeinträchtigen daher den grundsätzlichen Zweck des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts.

33. Richtigerweise hätte das Gericht nach Ansicht von BA im vorliegenden Fall Artikel 82 Absatz 2 Buchstabe b EG anwenden und prüfen müssen, ob BA die Absatzmöglichkeiten seiner Wettbewerber tatsächlich beschränkt habe und ob dadurch den Verbrauchern ein Schaden entstanden sei. Eine solche Beschränkung der Absatzmöglichkeiten der Wettbewerber setzt laut BA mehr voraus als die bloße Gewährung großzügiger Prämien. Sie sei überhaupt nur in zwei Fallgruppen denkbar, die beide vorliegend nicht einschlägig seien:

  • zum einen in Fällen, in denen die Gewährung von Prämien davon abhängig gemacht werde, dass ihr Begünstigter ausschließlich oder überwiegend für das marktbeherrschende Unternehmen tätig sei bzw. sich von diesem beliefern lasse, und
  • zum anderen in Situationen, in denen der Begünstigte der Prämien sich nicht frei zwischen dem marktbeherrschenden Unternehmen und dessen Wettbewerbern entscheiden könne, etwa weil er sich nur durch eine überwiegende geschäftliche Bindung an den Marktbeherrscher Gewinne erwarten kann oder weil der Marktbeherrscher einen unfairen Preiswettbewerb („predatory pricing“) betreibt und seine Mitbewerber diesem Druck nicht standhalten können.

34. Die Kommission und Virgin sind hingegen übereinstimmend der Auffassung, dass die vom Gericht angelegten Kriterien zutreffend seien und im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung stünden. Die vom Gericht durchgeführte Prüfung sei nicht rechtsfehlerhaft gewesen. Virgin meint außerdem, die von BA vertretene Auffassung zu Artikel 82 EG würde im Fall ihres Erfolgs zu einer Rechtsprechungsänderung führen, deren Ausmaße jenen des Urteils Keck und Mithouard vergleichbar wären.

2. Würdigung

35. Was zunächst die von BA vermisste Orientierung an den Kriterien von Artikel 82 Absatz 2 Buchstabe b EG betrifft, so genügt die Feststellung, dass es sich bei dieser Bestimmung lediglich um ein Regelbeispiel für den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung handelt. Die Rabatte und Prämien marktbeherrschender Unternehmen können selbst dann gegen Artikel 82 EG verstoßen, wenn sie keines der dort in Absatz 2 genannten Regelbeispiele erfüllen. Insoweit ist dem Gericht also kein Rechtsfehler vorzuwerfen.

36. Auch inhaltlich hat das Gericht die Rechtslage, wie sie in der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofes ausgelegt wurde, keineswegs verkannt.

a) Keine abschließenden Fallgruppen missbräuchlicher Rabatte und Prämien

37. Zutreffend ist, dass der Gerichtshof in den beiden von BA diskutierten Urteilen jeweils den missbräuchlichen Charakter bestimmter Rabatte festgestellt hat, die von zwei marktbeherrschenden Unternehmen gewährt worden waren.

38. So betraf der Fall Hoffmann-La Roche Rabatte, deren Gewährung zumeist ausdrücklich an die Bedingung geknüpft war, dass der jeweilige Vertragspartner während eines Referenzzeitraums – in der Regel ein Jahr oder ein halbes Jahr – seinen gesamten Bedarf an bestimmten Vitaminen oder jedenfalls den überwiegenden Teil dieses Bedarfs bei Hoffmann-La Roche deckte. Ein solches Rabattsystem hat der Gerichtshof als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung angesehen und ausgeführt, dass „die Gewährung von Treuerabatten, die die Abnehmer zum ausschließlichen Bezug bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung veranlassen soll, … mit dem Ziel eines unverfälschten Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt unvereinbar“ ist.

39. Auch in der Rechtssache Michelin I sah der Gerichtshof den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung als erwiesen an. Anders als in Hoffmann-La Roche waren dort die Vertragspartner des marktbeherrschenden Unternehmens Michelin zwar nicht verpflichtet, ihren Bedarf ausschließlich oder zu einem bestimmten Teil bei diesem Unternehmen zu decken. Jedoch waren die von Michelin gewährten variablen Jahresrabatte als „Zielrabatte“ ausgestaltet: Um in ihren Genuss zu kommen, mussten Michelins Vertragspartner individualisierte Verkaufsziele erreichen. Diese Verkaufsziele orientierten sich am Umsatz, den die jeweiligen Vertragspartner im Vorjahr mit Michelin-Reifen erzielt hatten. Daneben zeichnete sich der Fall Michelin I durch ein ganzes Bündel von Faktoren aus, die den Gerichtshof insgesamt dazu veranlassten, das von Michelin eingeführte Rabattsystem als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung anzusehen. Insbesondere lag dem streitigen Rabattsystem ein „verhältnismäßig langer Referenzzeitraum“ von einem Jahr zugrunde, die Funktionsweise des Systems war für die Vertragspartner intransparent, und die Abstände zwischen den Marktanteilen von Michelin und seinen wichtigsten Wettbewerbern waren groß.

40. Entgegen der Auffassung von BA lassen sich dieser Rechtsprechung jedoch keine abschließenden Fallgruppen missbräuchlicher Prämien- und Rabattsysteme entnehmen. Keineswegs kann aus den genannten Urteilen gefolgert werden, die von einem marktbeherrschenden Unternehmen gewährten Prämien oder Rabatte seien stets nur in den dort näher bezeichneten Fallgestaltungen missbräuchlich. Damit würde nämlich verkannt, dass die einzelnen Wirtschaftszweige und Märkte sich stark voneinander unterscheiden können und überdies die wirtschaftlichen Gegebenheiten einem stetigen Wandel unterliegen, welcher nicht zuletzt auch neue Geschäftspraktiken mit sich bringen kann.

41. Entscheidend kommt es vielmehr auf die Grundgedanken an, an denen sich die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofes orientiert hat und die auch auf einen Fall wie den vorliegenden übertragbar sind.

42. Danach ist zum einen zu prüfen, ob die von einem marktbeherrschenden Unternehmen gewährten Rabatte oder Prämien eine Verdrängungswirkung entfalten können, d. h., ob sie geeignet sind, den Wettbewerbern des marktbeherrschenden Unternehmens den Zugang zum Markt und den Vertragspartnern des marktbeherrschenden Unternehmens die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen oder Handelspartnern zu erschweren oder gar unmöglich zu machen; zum anderen ist zu ermitteln, ob für die gewährten Rabatte oder Prämien eine objektive wirtschaftliche Rechtfertigung besteht.

43. Dabei kann zweifellos die Frage nach der objektiven wirtschaftlichen Rechtfertigung überhaupt nur Bedeutung erlangen, wenn die gewährten Rabatte oder Prämien eine Verdrängungswirkung entfalten. Dennoch ist es das Ziel beider Prüfungsschritte, missbräuchliches von legalem Verhalten abzugrenzen und so sicherzustellen, dass legitimer Preiswettbewerb nicht an Artikel 82 EG scheitert.

b) Erster Prüfungsschritt: Verdrängungswirkung

44. Zu Recht ist das Gericht zunächst davon ausgegangen, dass auch solche Rabattregelungen gegen Artikel 82 EG verstoßen können, die nicht wie im Fall Hoffmann-La Roche an eine Ausschließlichkeitsbedingung geknüpft sind, d. h., bei denen vom jeweiligen Vertragspartner nicht erwartet wird, dass er seinen Bedarf ausschließlich oder zu einem bestimmten Teil beim marktbeherrschenden Unternehmen deckt bzw. seine eigenen Leistungen ausschließlich oder zu einem bestimmten Teil für das marktbeherrschende Unternehmen erbringt. Die von einem Rabatt- oder Prämiensystem ausgehende Verdrängungswirkung kann sich nämlich auch bei Fehlen eines solchen Bedingungszusammenhangs aus den sonstigen Umständen des konkreten Einzelfalls ergeben. Anders als BA meint, kommt es dann auch nicht maßgeblich darauf an, ob die Vertragspartner des marktbeherrschenden Unternehmens überhaupt noch frei zwischen verschiedenen Bezugsquellen wählen können. Artikel 82 EG findet nämlich keineswegs erst dann Anwendung, wenn auf einem Markt praktisch kein wirksamer Wettbewerb mehr besteht. Sinn und Zweck von Artikel 82 EG ist es vielmehr ebenso, den noch bestehenden Wettbewerb auf einem Markt zu schützen, der durch die Anwesenheit des marktbeherrschenden Unternehmens geschwächt ist. Entsprechend weiter ist der Anwendungsbereich dieser Vorschrift; er geht über die zweite von BA gebildete Fallgruppe hinaus.

45. Ob also eine Verdrängungswirkung der von einem marktbeherrschenden Unternehmen gewährten Rabatte oder Prämien angenommen werden kann, hängt allein von einer Prüfung sämtlicher Umstände des Einzelfalls ab. Diese Orientierung an den Umständen des Einzelfalls stellt gleichzeitig sicher, dass keine Rabatte und Prämien erfasst werden, die auf dem jeweiligen Markt als Teil eines legitimen Preiswettbewerbs angesehen werden könnten.

46. Ausgangspunkt der Prüfung sind die jeweiligen Kriterien und Modalitäten für die Gewährung eines Rabatts oder einer Prämie. Darüber hinaus ist zu untersuchen, ob das fragliche Rabatt- oder Prämiensystem insgesamt geeignet ist, den Wettbewerbern des marktbeherrschenden Unternehmens den Zugang zum Markt und den Vertragspartnern des marktbeherrschenden Unternehmens die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen oder Handelspartnern zu erschweren oder gar unmöglich zu machen.

47. Wenn auch die Rechtsprechung keine abschließenden Fallgruppen von Rabatt- und Prämiensystemen mit Verdrängungswirkung definieren kann, so kann sie doch Anhaltspunkte liefern, wann eine solche Verdrängungswirkung im Normalfall vorliegen wird. Insoweit sind insbesondere drei Gesichtspunkte von Bedeutung, aus denen sich nach der Rechtsprechung ergeben kann, dass die von einem marktbeherrschenden Unternehmen gewährten Rabatte oder Prämien nicht lediglich Ausdruck eines besonders günstigen Angebots auf dem Markt sind.

48. Erstens kann eine Verdrängungswirkung vor allem von Rabatten und Prämien ausgehen, deren Gewährung an die Erfüllung individuell definierter Abnahmeziele geknüpft ist („Zielrabatte“ oder „Zielprämien“). Wird beispielsweise einem Vertragspartner ein Rabatt oder eine Prämie für den Fall in Aussicht gestellt, dass er mit Produkten des marktbeherrschenden Unternehmens während eines bestimmten Referenzzeitraums den gleichen oder gar einen höheren Umsatz erzielt als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, so kann für ihn ein auch nur teilweiser Wechsel zu Produkten der Konkurrenz weniger attraktiv werden. Das marktbeherrschende Unternehmen kann auf diese Weise Druck auf seine Vertragspartner ausüben und diese an sich binden. Dadurch kann es seine Stellung auf dem Markt festigen und sie womöglich noch ausbauen.

49. Die von BA angewandten Provisionsregelungen orientierten sich nach den Feststellungen des Gerichts an eben solchen individuellen Abnahmezielen, waren sie doch von der Entwicklung der Umsätze mit Flugscheinen der BA abhängig, welche die jeweiligen Reisevermittler in einem bestimmten Zeitraum erzielten.

50. Zweitens sind die Bindung der Vertragspartner an das marktbeherrschende Unternehmen und der auf sie ausgeübte Druck in der Regel besonders stark, wenn ein Rabatt oder eine Prämie sich nicht nur auf den jeweiligen Umsatzzuwachs im Referenzzeitraum bezieht, sondern sich darüber hinaus auf das gesamte vom Vertragspartner in jenem Zeitraum erzielte Umsatzvolumen mit Produkten des marktbeherrschenden Unternehmens zurück erstreckt. Auf diese Weise können nämlich auch schon verhältnismäßig geringe Veränderungen – gleichviel, ob nach oben oder nach unten – im Umsatz mit Produkten der dominanten Firma überproportionale Auswirkungen für den jeweiligen Vertragspartner haben. Nimmt beispielsweise der Vertragspartner auch nur geringfügig weniger Produkte des Marktbeherrschers ab als im Vergleichszeitraum, so läuft er bereits Gefahr, insgesamt nicht mehr in den Genuss eines Rabatts bzw. einer Prämie zu kommen oder jedenfalls nur in den Genuss eines geringeren Rabatts bzw. einer geringeren Prämie. Nimmt er hingegen nur geringfügig mehr solche Produkte ab als im Vergleichszeitraum, so kann er möglicherweise von einem höheren Rabatt oder einer höheren Prämie profitieren, und dies nachträglich auch für sein gesamtes Umsatzvolumen mit jenen Produkten, nicht etwa nur für die Zukunft hinsichtlich der zusätzlich abgenommenen Produkte. Auf diese Weise befindet sich der Vertragspartner während des Referenzzeitraums im Unklaren darüber, wie hoch am Ende seine Gewinnmarge mit den Produkten des marktbeherrschenden Unternehmens tatsächlich sein wird; dies ist ein starker Anreiz für ihn, nicht – auch nicht teilweise – zur Konkurrenz zu wechseln.

51. Derartiges hat das Gericht auch im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Provisionsregelungen der BA festgestellt. So erstreckten sich die günstigsten Provisionssätze nachträglich auf alle vom jeweiligen Reisevermittler verkauften BA-Flugscheine zurück, nicht etwa nur auf die nach Erreichen des Umsatzziels verkauften; für die Provisionseinnahmen eines Reisevermittlers in ihrer Gesamtheit konnte es also von entscheidender Bedeutung sein, ob er nach Erreichen eines gewissen Umsatzes auch nur relativ wenige weitere BA-Flugscheine verkaufte oder nicht. Genau hierauf bezieht sich das Gericht auch, wenn es auf die von den Provisionsregelungen ausgehende „sehr spürbare Wirkung im Randbereich“ hinweist und die einschneidenden Auswirkungen auf die Ergebniszuschlagssätze betont, die schon ein leichter Rückgang des mit BA-Flugscheinen erzielten Umsatzes für einen Reisevermittler haben konnte. Ob es in diesem Zusammenhang sinnvoll war, den zu befürchtenden ungünstigeren Provisionssatz mit einer „Bestrafung“ gleichzusetzen, kann dahingestellt bleiben; denn unabhängig von der Wortwahl ist klar, was das Gericht ausdrücken wollte: Ein auch nur geringfügiger Umsatzrückgang mit BA-Flugscheinen konnte nach Ansicht des Gerichts beim jeweiligen Reisevermittler zu spürbaren finanziellen Einbußen führen und ihn somit wirksam vom Wechsel zur Konkurrenz abhalten.

52. Drittens gilt es für Wettbewerber des marktbeherrschenden Unternehmens als besonders schwierig, solche am gesamten Umsatzvolumen orientierten Rabatte oder Prämien zu überbieten. Aufgrund seines deutlich höheren Marktanteils ist nämlich das marktbeherrschende Unternehmen für die Marktgegenseite in der Regel ein unumgänglicher Handelspartner. Auch werden die von einem marktbeherrschenden Unternehmen gewährten, am Gesamtumsatz orientierten Rabatte oder Prämien in absoluten Zahlen regelmäßig stärker ins Gewicht fallen, als dies im Normalfall selbst großzügigere Angebote der Konkurrenz bewirken könnten. Um also die Vertragspartner des marktbeherrschenden Unternehmens auf ihre Seite zu ziehen oder von ihnen jedenfalls ein hinreichendes Auftragsvolumen zu erhalten, müssten dessen Konkurrenten ihnen ungleich höhere Rabatte oder Prämien anbieten, was selbst für gleich effiziente Wettbewerber häufig unwirtschaftlich ist.

53. Auch im vorliegenden Fall war nach den Feststellungen des Gerichts der Marktanteil von BA deutlich höher als die Anteile seiner fünf Hauptwettbewerber im Vereinigten Königreich; diese Wettbewerber seien deshalb nicht in der Lage gewesen, den Reisevermittlern die gleichen Vorteile einzuräumen wie BA.

54. Somit hat sich das Gericht auf dem Boden der bisherigen Rechtsprechung bewegt und die normalerweise erforderlichen Feststellungen getroffen, als es die von BA angewandten Provisionsregelungen auf deren Verdrängungswirkung (Ausschlusswirkung) hin untersuchte.

55. Was nun die Würdigung der festgestellten Marktgegebenheiten und der Wettbewerbssituation anbelangt, so ist es nicht Aufgabe des Gerichtshofes im Rechtsmittelverfahren, seine eigene Einschätzung an die Stelle der Bewertung des Gerichts zu setzen. Abgesehen von einer etwaigen Verfälschung der Tatsachen oder Beweismittel, die im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht wurde, handelt es sich nämlich dabei um keine Rechtsfragen, auf die allein das Rechtsmittelverfahren sich beschränkt (Artikel 225 Absatz 1 EG und Artikel 58 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofes). Unbeachtlich ist deshalb etwa der Einwand von BA, ihre Wettbewerber seien sehr wohl finanziell in der Lage gewesen, den Reisevermittlern konkurrenzfähige Gegenangebote zu machen. Ebenso verhält es sich mit dem Vorbringen von BA, das Gericht habe die „sehr spürbare Wirkung [der Provisionsregelungen] im Randbereich“ überschätzt. Denn auf diese Weise hinterfragt BA letztlich die Tatsachen- und Beweiswürdigung des Gerichts im erstinstanzlichen Verfahren, was im Rechtsmittelverfahren unzulässig ist.

c) Zweiter Prüfungsschritt: Objektive wirtschaftliche Rechtfertigung

56. Zutreffend hat sich das Gericht im Anschluss an die Untersuchung der Verdrängungswirkung (Ausschlusswirkung) der Frage zugewandt, ob die von BA verwendeten Provisionsregelungen objektiv wirtschaftlich gerechtfertigt werden konnten.

57. Nicht alle Rabatte und Prämien, die ein marktbeherrschendes Unternehmen seinen Vertragspartnern gewährt und die eine Verdrängungswirkung erzeugen, sind zwangsläufig missbräuchlich und deshalb nach Artikel 82 EG verboten. Nach ständiger Rechtsprechung sind vielmehr nur solche Rabatte und Prämien als missbräuchlich anzusehen, die nicht auf einer sie rechtfertigenden wirtschaftlichen Leistung beruhen. Ist hingegen eine objektive wirtschaftliche Rechtfertigung für die Rabatte oder Prämien erkennbar, so sind sie trotz der von ihnen ausgehenden Verdrängungswirkung nicht als missbräuchlich anzusehen.

58. Um den Unterschied zwischen objektiv wirtschaftlich gerechtfertigten und missbräuchlichen Rabatten bzw. Prämien zu verdeutlichen, werden häufig Mengenrabatte den Treuerabatten gegenübergestellt. So führt der Gerichtshof etwa im Urteil Hoffmann-La Roche aus: „Im Unterschied zu Mengenrabatten, die ausschließlich an den Umfang der bei dem betroffenen Hersteller getätigten Käufe anknüpfen, dient der Treuerabatt dazu, die Kunden auf dem Wege über die Gewährung eines finanziellen Vorteils vom Bezug bei konkurrierenden Herstellern abzuhalten.“ Als charakteristisch für einen wirtschaftlich zu rechtfertigenden Mengenrabatt sieht der Gerichtshof im selben Urteil an, dass dieser im Hinblick auf objektiv festgesetzte und für sämtliche Abnehmer geltende Mengen gewährt wird und sich nicht etwa im Sinne eines Zielrabatts an individuellen, je nach dem Vertragspartner und dessen Abnahmefähigkeit unterschiedlich ausgestalteten Umsatzzielen orientiert.

59. Unabhängig von der Verwendung der Begriffe „Mengenrabatt“ und „Treuerabatt“ ist jedoch die Frage der wirtschaftlichen Rechtfertigung solcher Rabatte bzw. Prämien stets anhand aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Entscheidend ist, ob die für den Wettbewerb nachteilige Verdrängungswirkung von Rabatten oder Prämien durch Effizienzvorteile ausgeglichen oder gar übertroffen werden kann, die auch dem Verbraucher erkennbar zugute kommen. Es kommt also letztlich darauf an, die Vor- und Nachteile für Wettbewerb und Verbraucher gegeneinander abzuwägen. Steht die Verdrängungswirkung des Prämien- oder Rabattsystems eines marktbeherrschenden Unternehmens in keinem erkennbaren Zusammenhang mit Vorteilen für Wettbewerb und Verbraucher oder geht sie über dasjenige hinaus, was zur Erreichung solcher Vorteile erforderlich ist, so ist dieses Prämien- oder Rabattsystem als missbräuchlich anzusehen.

60. Beispielsweise wird sich ein Rabatt, der an objektiven und für alle Vertragspartner gleichermaßen geltenden Abnahmemengen ausgerichtet ist, im Normalfall mit Kostenersparnissen erklären lassen, die der jeweilige Hersteller durch die Produktion größerer Mengen erzielen kann. Anders wird es sich in der Regel mit einem Rabatt verhalten, der von der Erreichung individuell definierter Umsatzvorgaben durch den jeweiligen Vertragspartner abhängt und primär darauf ausgerichtet ist, diesen Vertragspartner an das marktbeherrschende Unternehmen zu binden sowie ihn vom Wechsel zu Konkurrenzunternehmen abzuhalten.

61. Im vorliegenden Fall hat sich das Gericht zutreffend an diesen aus der bisherigen Rechtsprechung ableitbaren Kriterien orientiert. Es befasste sich eingehend mit der wirtschaftlichen Rechtfertigung der Provisionsregelungen von BA. Dabei löste es sich zu Recht von der bloß schematischen Einordnung dieser Regelungen als Mengen- oder Treuerabatte und nahm auch umfassend zu den Argumenten von BA Stellung, insbesondere zur Bedeutung der Fixkosten und der Kapazitätsauslastung im Luftverkehr. Aufgrund seiner Bewertung der Umstände des Einzelfalls kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Provisionen von BA keine objektive wirtschaftliche Rechtfertigung hatten.

62. In diesem Zusammenhang ist erneut darauf hinzuweisen, dass es nicht zu den Aufgaben des Gerichtshofes im Rechtsmittelverfahren gehört, seine eigene Einschätzung zu den Marktgegebenheiten und zur Wettbewerbssituation an die Stelle der Bewertung des Gerichts zu setzen. Unbeachtlich sind deshalb insbesondere die erneuten Ausführungen von BA zur Bedeutung von Fixkosten und der Kapazitätsauslastung im Luftverkehr. Denn auf diese Weise hinterfragt BA letztlich die Tatsachen- und Beweiswürdigung des Gerichts im erstinstanzlichen Verfahren, was im Rechtsmittelverfahren unzulässig ist.

d) Zwischenergebnis

63. Das Gericht hat somit bei der Untersuchung der Provisionsregelungen von BA im Hinblick auf die anzulegenden Kriterien keinen Rechtsfehler begangen. Folglich ist der erste Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

C – Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Auswirkungen der Provisionsregelungen auf Wettbewerber

64. Der zweite Rechtsmittelgrund von BA steht in engem Zusammenhang mit dem ersten. Er bezieht sich auf die Randnummern 293 bis 298 des angefochtenen Urteils und betrifft erneut die Feststellungen des Gerichts zu den Auswirkungen der Provisionsregelungen von BA. Dort geht das Gericht davon aus, dass kein Nachweis einer konkreten Wirkung der Provisionsregelungen auf den betroffenen Märkten erforderlich war; jedenfalls seien aber die Provisionsregelungen im vorliegenden Fall offenbar geeignet gewesen, eine beschränkende Wirkung auf den britischen Märkten der Luftverkehrsvermittlerdienste und des Luftverkehrs zu haben, und die Kommission habe eine solche Wirkung auch konkret nachgewiesen.

1. Wesentliche Argumente der Parteien

65. BA meint, das Gericht habe verkannt, dass Artikel 82 EG überhaupt eine Untersuchung der Auswirkungen von Provisionsregelungen auf den Markt erfordere. Jedenfalls habe das Gericht insoweit unvollständig und widersprüchlich argumentiert. So lasse es das Gericht zum einen als Nachweis der wettbewerbsbeschränkenden Wirkung der Provisionsregelungen genügen, dass das Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens „aufgrund seiner Art oder Eignung eine solche Wirkung haben kann“. Zum anderen schließe es aus der bloßen Tatsache, dass 85 % der im fraglichen Zeitraum im Vereinigten Königreich verkauften Flugscheine über Reisevermittler abgesetzt wurden, dass die Provisionsregelungen von BA ihre Verdrängungswirkung „gar nicht verfehlen [konnten]“. Darüber hinaus halte es den tatsächlichen Eintritt des wettbewerbswidrigen Erfolgs der Provisionsregelungen für unbeachtlich. Und schließlich habe es Gegenbeweise missachtet, aus denen sich ergebe, dass die Provisionsregelungen von BA keine substanzielle Verdrängungswirkung für ihre Wettbewerber gehabt hätten: Der Marktanteil von BA sei im fraglichen Zeitraum gesunken, während gleichzeitig die Marktanteile ihrer Konkurrenten gestiegen seien.

66. Virgin hält diesen Rechtsmittelgrund für unzulässig, die Kommission für unbegründet.

2. Würdigung

67. Der Hauptteil des zweiten Rechtsmittelgrundes von BA beschäftigt sich mit der Frage, ob die Annahme eines Missbrauchs gemäß Artikel 82 EG voraussetzt, dass auch tatsächliche und substanzielle Auswirkungen des Verhaltens des marktbeherrschenden Unternehmens auf dessen Wettbewerber nachgewiesen werden. Dabei handelt es sich um eine Rechtsfrage, die im Rahmen eines Rechtsmittels zulässigerweise aufgeworfen werden kann.

68. Ausgangspunkt der Überlegungen hierzu sollte der Schutzzweck von Artikel 82 EG sein. Die Vorschrift ist Teil eines Systems, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützen soll (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g EG). Dementsprechend ist Artikel 82 EG, wie auch die übrigen Wettbewerbsregeln des Vertrages, nicht nur und nicht in erster Linie dazu bestimmt, die unmittelbaren Interessen einzelner Wettbewerber oder Verbraucher zu schützen, sondern die Struktur des Marktes und damit den Wettbewerb als solchen (als Institution), der ohnehin bereits durch die Anwesenheit des beherrschenden Unternehmens auf dem Markt geschwächt ist. Mittelbar wird auf diese Weise auch der Verbraucher geschützt. Denn wo der Wettbewerb als solcher Schaden nimmt, sind letztlich auch für den Verbraucher Nachteile zu befürchten.

69. Das Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens ist also nicht erst dann als missbräuchlich im Sinne von Artikel 82 EG anzusehen, wenn es konkrete Auswirkungen auf einzelne Marktteilnehmer hatte, seien es nun Wettbewerber oder Verbraucher. Missbräuchlich ist vielmehr bereits ein Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens, das dem Ziel zuwiderläuft, den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen zu schützen (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g EG). Denn ein marktbeherrschendes Unternehmen trägt, wie bereits erwähnt, eine besondere Verantwortung dafür, dass schon durch sein Verhalten ein wirksamer und unverfälschter Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt wird.

70. Zutreffend führt deshalb auch BA selbst aus, dass es nicht erforderlich ist, in jedem Fall die tatsächlichen wettbewerbswidrigen Auswirkungen eines Rabatt- oder Prämiensystems auf Wettbewerber nachzuweisen. Schon der Aufwand, den Wettbewerbsbehörden, Gerichte und gegebenenfalls private Kläger leisten müssten, um einen solchen Nachweis auch nur ansatzweise führen zu können, wäre in vielen Fällen völlig unverhältnismäßig.

71. Nachzuweisen ist vielmehr nur die Eignung des jeweiligen Verhaltens, die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch andere Mittel als die des Leistungswettbewerbs zu behindern und so das Ziel eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt zu beeinträchtigen. Im Hinblick auf Rabatte oder Prämien eines marktbeherrschenden Unternehmens ist folglich der Nachweis erforderlich, dass sie geeignet sind, den Wettbewerbern des marktbeherrschenden Unternehmens den Zugang zum Markt und seinen Vertragspartnern die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen oder Handelspartnern zu erschweren oder gar unmöglich zu machen.

72. Freilich sind dabei, wie bereits zum ersten Rechtsmittelgrund ausgeführt, stets sämtliche Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Aus diesen Umständen, insbesondere aus den Kriterien und Modalitäten für die Gewährung der Rabatte bzw. Prämien, sowie aus bestimmten Marktgegebenheiten kann sich nämlich ergeben, dass das Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens schon gar nicht geeignet war, den Wettbewerb auf dem betroffenen Markt zu behindern.

73. Es kommt, mit anderen Worten, darauf an, ob die Rabatte oder Prämien des marktbeherrschenden Unternehmens nicht nur abstrakt, sondern auch konkret geeignet waren, den Wettbewerbern des marktbeherrschenden Unternehmens den Zugang zum Markt und seinen Vertragspartnern die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen oder Handelspartnern zu erschweren oder gar unmöglich zu machen.

74. Ob hingegen der wettbewerbswidrige Erfolg missbräuchlicher Preispraktiken des marktbeherrschenden Unternehmens in Form einer Behinderung oder gar einer kompletten Ausschaltung seiner Wettbewerber eingetreten ist, mag allenfalls bei der Berechnung der Höhe einer zu verhängenden Geldbuße eine Rolle spielen. Rechtsfehler bei der Berechnung der Geldbuße wirft BA dem Gericht jedoch im vorliegenden Rechtsmittelverfahren nicht vor.

75. Das Gericht hat sich im vorliegenden Fall zutreffend an den oben in den Nummern 67 bis 73 dargestellten Grundsätzen orientiert und zu Recht den Nachweis genügen lassen, dass das missbräuchliche Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens „seiner Tendenz nach den Wettbewerb beschränkt, oder anders ausgedrückt, dass es aufgrund seiner Art oder Eignung eine solche Wirkung haben kann“.

76. Die Kritik, die BA insoweit an der erläuternden Bezugnahme des Gerichts auf „Art oder Eignung“ des Verhaltens übt, ist nicht stichhaltig. Sie ist zu stark am Wortlaut einer einzigen Urteilspassage verhaftet und beruht zudem auf einer rein semantischen Spitzfindigkeit, nämlich dem Unterschied zwischen „Art“ und „Eignung“ bzw. – in der maßgeblichen englischen Sprachfassung des angefochtenen Urteils – zwischen den Ausdrücken „capable of having“ und „likely to have“. Der eigentliche Maßstab, den das Gericht im vorliegenden Fall anlegt, kommt nämlich in der Formulierung „tends to restrict competition“ zum Ausdruck, auf die sich bereits der Gerichtshof insbesondere im Urteil Michelin I gestützt hat.

77. Richtet man den Blick außerdem auf einige andere Passagen des angefochtenen Urteils, so wird klar, dass das Gericht im vorliegenden Fall nicht bei einer rein abstrakten Prüfung der Provisionsregelungen von BA stehen blieb, sondern ihre Eignung, den Wettbewerb zu behindern, auch ganz konkret anhand der Umstände des vorliegenden Falles gewürdigt hat. Insbesondere hat das Gericht auf die konkreten Marktgegebenheiten Bezug genommen, etwa auf die Entwicklung der Marktanteile von BA und ihren Wettbewerbern und auf die Tatsache, dass zur maßgeblichen Zeit 85 % aller im Vereinigten Königreich verkauften Flugscheine über Reisevermittler abgesetzt wurden.

78. Alles in allem hat deshalb das Gericht die rechtlichen Anforderungen im Hinblick auf den Nachweis der Eignung des Verhaltens des marktbeherrschenden Unternehmens zur Wettbewerbsbeeinträchtigung nicht verkannt. Der erste Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ist also zulässig, aber unbegründet.

79. Mit ihrem übrigen Vorbringen zum zweiten Rechtsmittelgrund macht BA im Wesentlichen geltend, das Gericht habe Gegenbeweise wie den Rückgang des Marktanteils von BA nicht hinreichend gewichtet, aus denen sich das Fehlen von Auswirkungen ihrer Provisionen auf die Wettbewerber ergebe. Auch habe das Gericht seine Argumentation zu Unrecht auf den Umstand gestützt, dass zur maßgeblichen Zeit 85 % aller im Vereinigten Königreich verkauften Flugscheine über Reisevermittler abgesetzt wurden.

80. Hierzu genügt der Hinweis, dass es nicht Aufgabe des Gerichtshofes im Rechtsmittelverfahren ist, seine eigene Einschätzung zu den Marktgegebenheiten und zur Wettbewerbssituation an die Stelle der Bewertung des Gerichts zu setzen. Denn die Würdigung der Tatsachen und Beweise ist – vorbehaltlich ihrer Verfälschung, die hier nicht geltend gemacht wurde – allein Aufgabe des Gerichts und kann nicht im Wege des Rechtsmittels hinterfragt werden. Hat das Gericht die Tatsachen festgestellt oder gewürdigt, ist der Gerichtshof gemäß Artikel 225 EG nur zu einer Kontrolle der rechtlichen Qualifizierung dieser Tatsachen und der rechtlichen Folgen befugt, die das Gericht daraus abgeleitet hat.

81. Die Frage, ob die von BA verwendeten Provisionsregelungen angesichts der Beteiligung von Reisevermittlern am Absatz von 85 % aller Flugscheine geeignet waren, eine Verdrängungswirkung zu erzeugen, gehört ebenso zur Würdigung der konkreten Marktgegebenheiten wie die Schlussfolgerungen, die das Gericht aus dem Rückgang des Marktanteils von BA im maßgeblichen Zeitraum gezogen hat. Bei den insoweit vom Gericht angestellten Erwägungen handelt es sich nicht um die rechtliche Qualifizierung des Verhaltens von BA als missbräuchlich, sondern um Vorfragen tatsächlicher Art für diese Qualifizierung.

82. Dieser Teil des Vorbringens von BA zum zweiten Rechtsmittelgrund ist folglich bereits unzulässig.

83. Etwas anderes müsste allenfalls dann gelten, wenn das Gericht mit seinen Ausführungen zum Rückgang des Marktanteils von BA offenkundig gegen Denkgesetze verstoßen hätte. Denn die Rüge eines Verstoßes gegen Denkgesetze muss, ähnlich wie die einer Verfälschung der Tatsachen oder Beweismittel, im Rechtsmittelverfahren zulässig sein. Selbst wenn man aber das Vorbringen der BA in diesem Sinne deuten wollte, wäre es jedenfalls unbegründet. Wie das Gericht zutreffend ausführt, ist es zumindest nicht ausgeschlossen, dass ohne die Provisionsregelungen von BA die Marktanteile ihrer Wettbewerber noch stärker gestiegen wären. Der festgestellte Rückgang des Marktanteils von BA musste also nicht zwangsläufig als ein Indiz für die Wirkungslosigkeit ihrer Provisionsregelungen gewertet werden.

84. Damit ist der zweite Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.

D – Zum dritten Rechtsmittelgrund: Schaden für die Verbraucher im Sinne von Artikel 82 Absatz 2 Buchstabe b EG

85. Auch der dritte Rechtsmittelgrund von BA steht in engem Zusammenhang mit dem ersten. Mit ihm wirft BA dem Gericht einen Rechtsfehler vor, weil es nicht geprüft habe, ob das Verhalten von BA zu einem Schaden für die Verbraucher im Sinne von Artikel 82 Absatz 2 Buchstabe b EG geführt habe.

86. Wie bereits erwähnt, ist Artikel 82 EG nicht nur und nicht in erster Linie dazu bestimmt, die unmittelbaren Interessen einzelner Wettbewerber oder Verbraucher zu schützen, sondern die Struktur des Marktes und damit den Wettbewerb als solchen (als Institution), der ohnehin bereits durch die Anwesenheit des beherrschenden Unternehmens auf dem Markt geschwächt ist. Dementsprechend findet Artikel 82 EG nicht nur auf Verhaltensweisen Anwendung, durch die den Verbrauchern unmittelbar Schaden erwachsen kann, sondern auch auf solche, die sie mittelbar dadurch benachteiligen, dass sie einen Zustand wirksamen Wettbewerbs im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g EG beeinträchtigen.

87. Es genügt also bereits nachzuweisen, dass das Rabatt- oder Prämiensystem eines marktbeherrschenden Unternehmens geeignet ist, seinen Wettbewerbern den Zugang zum Markt und seinen Vertragspartnern die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen oder Handelspartnern zu erschweren oder gar unmöglich zu machen, es sei denn, dass es dafür eine objektive wirtschaftliche Rechtfertigung gibt. Im Fall einer derartigen Behinderung des verbleibenden Wettbewerbs kann vermutet werden, dass mittelbar auch die Verbraucher benachteiligt werden.

88. Dem steht nicht entgegen, dass in Artikel 82 Absatz 2 Buchstabe b EG ausdrücklich von einer Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher die Rede ist. Denn bei dieser Bestimmung handelt es sich lediglich um ein Regelbeispiel für den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, auf das sich weder die Kommission noch das Gericht im vorliegenden Fall gestützt haben. Rabatte und Prämien marktbeherrschender Unternehmen können selbst dann gegen Artikel 82 EG verstoßen, wenn sie keines der dort in Absatz 2 genannten Regelbeispiele erfüllen.

89. Selbst wenn man aber Artikel 82 Absatz 2 Buchstabe b EG in einem Fall wie dem vorliegenden zur Anwendung brächte, so würde zur Annahme eines Schadens für die Verbraucher der Nachweis genügen, dass die Rabatte oder Prämien des marktbeherrschenden Unternehmens es seinen Wettbewerbern ohne objektive wirtschaftliche Rechtfertigung erschweren oder unmöglich machen, ihm Konkurrenz zu machen. Auch hier gilt also, dass ein mittelbarer Schaden für die Verbraucher vermutet werden kann, wenn sich erweist, dass das Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens geeignet ist, den Wettbewerb in seiner Struktur zu beeinträchtigen, es sei denn, dass es dafür eine objektive wirtschaftliche Rechtfertigung gibt.

90. Genau diese Argumentation hat sich auch das Gericht im angefochtenen Urteil zu Eigen gemacht.

91. Vor diesem Hintergrund ist ein Rechtsfehler des Gerichts nicht erkennbar. Auch der dritte Rechtsmittelgrund ist deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

E – Zum vierten Rechtsmittelgrund: Länge des Referenzzeitraums und fehlende Quantifizierung der Auswirkungen der Provisionsregelungen auf Wettbewerber

92. Der vierte Rechtsmittelgrund von BA besteht aus zwei Teilen, von denen sich der erste mit den Unterschieden zwischen den Marketingvereinbarungen und der neuen Ergebniszuschlagsregelung befasst, während sich der zweite erneut den Anforderungen an den Nachweis der Verdrängungswirkung dieser Provisionsregelungen zuwendet.

93. Mit dem ersten Teil ihres vierten Rechtsmittelgrundes kritisiert BA, das Gericht habe den Marketing-Vereinbarungen und der Ergebniszuschlagsregelung zu Unrecht die gleichen Wirkungen zugeschrieben. Für beide hätten nämlich jeweils unterschiedliche Bedingungen gegolten, und zumindest eine von beiden, die Ergebniszuschlagsregelung, habe vor allem wegen ihrer kurzen Referenzzeiträume von jeweils einem Monat keinesfalls eine Verdrängungswirkung haben können.

94. Zutreffend ist, dass die Länge des Referenzzeitraums, auf den sich die vom marktbeherrschenden Unternehmen gewährten Rabatte oder Prämien beziehen, Einfluss auf deren mögliche Verdrängungswirkung haben kann. Denn je länger der Referenzzeitraum bemessen ist, desto größer kann für den Vertragspartner die Unsicherheit werden, ob er am Ende dieses Zeitraums genügend Umsatz erzielt haben wird, um in den Genuss eines Rabatts oder einer Prämie zu kommen. Bis zu jenem Zeitpunkt hat er auch keine Gewissheit, welchen Nettostückpreis er im Referenzzeitraum für die jeweiligen Produkte bezahlen muss und wie groß folglich seine eigene Gewinnmarge ist.

95. Entscheidend für die Eignung von Rabatt- oder Prämiensystemen, eine Verdrängungswirkung auf dem Markt zu entfalten, ist jedoch – wie bereits erwähnt – eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls. Wie die Kommission zutreffend unterstreicht, kommt es nicht nur auf die absolute Länge des jeweiligen Referenzzeitraums an, in dem Umsätze erzielt werden müssen, sondern auch darauf, wie weit der jeweilige Vergleichszeitraum zurückliegt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch ein System, in dem Monat für Monat stets auf ein Jahr zurückliegende Zeiträume Bezug genommen wird, aufgrund seines stetigen Anreizes zur Umsatzsteigerung im Ergebnis zu einer langfristigen Bindung der jeweiligen Vertragspartner an das marktbeherrschende Unternehmen führt und ihnen den Wechsel zur Konkurrenz erschwert.

96. Im vorliegenden Fall nahm das Gericht ausdrücklich auch hinsichtlich der neuen Ergebniszuschlagsregelung eine „Treue fördernde Wirkung“ an, obwohl es hinsichtlich der Referenzzeiträume – wie zuvor die Kommission – die Unterschiede zu den Marketingvereinbarungen durchaus herausgearbeitet hatte. Entscheidend war jedoch nach den Feststellungen des Gerichts weniger die Dauer der jeweiligen Referenzzeiträume, sondern dass beide Regelungen aufgrund ihrer „sehr spürbaren Wirkung im Randbereich“ von einem Referenzzeitraum zum nächsten sprunghafte Veränderungen in den Provisionssätzen auslösen konnten und dass Wettbewerber von BA aufgrund ihres wesentlich geringeren Marktanteils nicht in der Lage waren, die absolute Wirkung dieser Provisionen durch Gegenangebote aufzuwiegen. Diesen Gemeinsamkeiten der beiden Provisionsregelungen von BA hat das Gericht im vorliegenden Fall die entscheidende Bedeutung beigemessen.

97. Die so vorgenommene Bewertung der Umstände des Einzelfalls gehört zur Tatsachen- und Beweiswürdigung und ist allein Aufgabe des Gerichts. Wie bereits ausgeführt, gehört es nicht zu den Aufgaben des Gerichtshofes im Rechtsmittelverfahren, seine eigene Einschätzung zu den Marktgegebenheiten und zur Wettbewerbssituation an die Stelle der Bewertung des Gerichts zu setzen. Dementsprechend kann der Gerichtshof auch nicht seine eigene Bewertung der Dauer der Referenzzeiträume in diesem konkreten Fall und ihrer Bedeutung für die Verdrängungswirkung der Provisionsregelungen von BA an die Stelle der Einschätzung des Gerichts setzen.

98. Da somit kein Rechtsfehler festgestellt werden konnte, ist der erste Teil des vierten Rechtsmittelgrundes unbegründet.

99. Im zweiten Teil ihres vierten Rechtsmittelgrundes wirft BA dem Gericht vor, es habe seine Aussagen zur Verdrängungswirkung ihrer Provisionsregelungen nicht quantifiziert und somit nicht alle Umstände des Einzelfalls geprüft. Es habe sich lediglich auf allgemeine Behauptungen wie die von der „sehr spürbaren Wirkung im Randbereich“ und von der Möglichkeit eines „sprunghaften Anstiegs“ der Provisionssätze von einem Referenzzeitraum zum nächsten beschränkt.

100. Anders als die Kommission meint, ist dieses Argument nicht schon nach Artikel 42 § 2 in Verbindung mit Artikel 118 der Verfahrensordnung als verspätet zurückzuweisen, weil BA es in erster Instanz versäumt habe, den betreffenden Teil der Entscheidung der Kommission anzufechten, namentlich die dort in der 30. Begründungserwägung angestellten Berechnungen. Denn der jetzige Angriff von BA richtet sich nicht gegen die Rechenbeispiele der Kommission als solche, sondern gegen die von BA kritisierten Aussagen des Gerichts zu den Provisionsregelungen von BA. Der zweite Teil des vierten Rechtsmittelgrundes ist also zulässig.

101. Inhaltlich ist das Argument von BA aber nicht stichhaltig. Die von BA gerügten Aussagen des Gerichts sind nämlich im Zusammenhang mit den von der Kommission durchgeführten Rechenbeispielen zu sehen, zitiert doch das Gericht in seinem angefochtenen Urteil ausdrücklich aus der 30. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung und gibt diese wörtlich wieder. So betrachtet, sind die von BA kritisierten Aussagen des Gerichts hinreichend quantifiziert. Die Rüge, sie seien zu ungenau, kann also keinen Erfolg haben.

102. Damit ist der vierte Rechtsmittelgrund in seinen beiden Teilen als unbegründet zurückzuweisen.

F – Zum fünften Rechtsmittelgrund: Diskriminierende Wirkung der Provisionsregelungen (Artikel 82 Absatz 2 Buchstabe c EG)

103. Der fünfte Rechtsmittelgrund von BA bezieht sich auf die Randnummern 233 bis 240 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht die Feststellungen der Kommission zum diskriminierenden Charakter der Provisionsregelungen von BA bestätigt. Das Gericht kommt dort zu dem Schluss, die Provisionsregelungen von BA hätten diskriminierende Wirkungen unter den Reisevermittlern im Vereinigten Königreich erzeugt und damit einige unter ihnen im Sinne von Artikel 82 Absatz 2 Buchstabe c EG im Wettbewerb benachteiligt.

1. Wesentliche Argumente der Parteien

104. Nach Ansicht von BA verlangt Artikel 82 Absatz 2 Buchstabe c EG nicht, dass alle Vertragspartner eines marktbeherrschenden Unternehmens in den Genuss der gleichen Preise und Bedingungen kommen müssten. Eine solche Auslegung würde einer vernünftigen Wettbewerbspolitik zuwiderlaufen. Verboten seien Unterschiede nur dann, wenn die verglichenen Geschäfte gleichwertig seien, die auf diese Geschäfte angewandten Bedingungen unterschiedlich seien und eine Handelspartei infolge solcher Unterschiede einen Wettbewerbsnachteil gegenüber der anderen erleide. Vor diesem Hintergrund ist BA der Auffassung, das Gericht habe Artikel 82 Absatz 2 Buchstabe c EG im vorliegenden Fall falsch angewandt.

105. Zum einen habe das Gericht verkannt, dass die Situation von Reisevermittlern, deren Umsatz mit BA-Flugscheinen sich in einem bestimmten Zeitraum erhöht, nicht vergleichbar sei mit derjenigen anderer Reisevermittler, die keinen solchen Umsatzzuwachs verzeichnen können. Im Kern argumentiert BA, ein Reisevermittler, der seinen Umsatz mit Flugscheinen einer bestimmten Fluggesellschaft steigere, sei für diese Gesellschaft besonders nützlich, und es sei gerechtfertigt, ihn dafür zu belohnen.

106. Zum anderen habe das Gericht, statt den ausdrücklichen Wortlaut des Artikels 82 Absatz 2 Buchstabe c EG anzuwenden, eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs zwischen den Reisevermittlern kurzerhand als „natürlich“ unterstellt. Das angefochtene Urteil lasse eine nähere Untersuchung dieses Wettbewerbsnachteils vermissen.

107. Hingegen sind die Kommission und Virgin übereinstimmend der Ansicht, mit den Provisionsregelungen von BA seien vergleichbare Sachverhalte ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt worden. Darüber hinaus trägt die Kommission vor, eine eingehende Analyse des Wettbewerbsnachteils für die betroffenen Reisevermittler sei rechtlich nicht geboten gewesen; Virgin meint, ein solcher Nachteil liege ohnehin auf der Hand.

2. Würdigung

108. Artikel 82 Absatz 2 Buchstabe c EG enthält ein Regelbeispiel für den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, bestehend „in der Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden“.

109. Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass BA gegenüber den im Vereinigten Königreich tätigen Reisevermittlern unterschiedliche Provisionssätze angewandt hat, je nachdem, ob diese ihre individuellen Umsatzziele im Vergleich zum Vorjahreszeitraum erfüllt hatten oder nicht.

110. Zu klären bleibt, ob das Gericht zu Recht von einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte ausging („gleichwertige Leistungen“) und ob es ohne Rechtsfehler auf detaillierte Feststellungen zum Vorliegen eines Wettbewerbsnachteils verzichten konnte.

a) Gleichwertigkeit der Leistungen der Reisevermittler (erster Teil des fünften Rechtsmittelgrundes)

111. Das angefochtene Urteil geht von der Prämisse aus, dass zwei Reisevermittler, die im Referenzzeitraum mit BA-Flugscheinen „einen gleich hohen Einnahmebetrag“ erzielten, d. h., deren Umsätze mit BA-Flugscheinen in jenem Zeitraum in absoluten Zahlen gleich hoch waren, gleichwertige Leistungen („identische Dienste“) erbrachten.

112. Die notwendige Bewertung der Umstände des Einzelfalls, aus denen sich die Vergleichbarkeit oder Verschiedenheit der Leistungen von Reisevermittlern für eine Fluggesellschaft wie BA ableiten lässt, gehört im Grundsatz zur Tatsachen- und Beweiswürdigung und ist damit allein Aufgabe des Gerichts. Wie bereits ausgeführt, fällt es nämlich nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofes im Rechtsmittelverfahren, hinsichtlich der Bewertung der Marktgegebenheiten und der Wettbewerbssituation die Einschätzung des Gerichts durch seine eigene zu ersetzen.

113. Hingegen kann der Gerichtshof zu den vom Gericht angelegten Kriterien Stellung beziehen, denn es ist eine Rechtsfrage, ob das Gericht bei seiner Bewertung der Umstände des Einzelfalls zulässige oder unzulässige Kriterien angelegt hat oder ob es möglicherweise Kriterien außer Acht gelassen hat, deren Beachtung rechtlich geboten gewesen wäre.

114. Wie alle im Vertrag enthaltenen Diskriminierungsverbote ist auch das besondere Diskriminierungsverbot des Artikels 82 Absatz 2 Buchstabe c EG Ausdruck des allgemeinen Grundsatzes der Gleichbehandlung und verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist. Mit anderen Worten können nur legitime geschäftliche Erwägungen eine unterschiedliche Behandlung von Handelspartnern durch das marktbeherrschende Unternehmen rechtfertigen. Auf solchen legitimen Erwägungen können beispielsweise Mengenrabatte beruhen. Hingegen lassen sich geschäftliche Erwägungen, die nach den Umständen des konkreten Einzelfalls Ausdruck eines wettbewerbswidrigen Verhaltens sind, keinesfalls zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung von Handelspartnern heranziehen.

115. Im vorliegenden Fall wirft BA dem Gericht im Kern vor, es hätte den – aus Sicht der jeweiligen Fluggesellschaft – größeren wirtschaftlichen Nutzen der Leistungen solcher Reisevermittler in Rechnung stellen müssen, die jeweils ihr individuelles Umsatzziel erfüllten bzw. ihre Umsätze steigerten.

116. Zu Recht hat das Gericht dieses Kriterium nicht berücksichtigt. Denn nach den Feststellungen des Gerichts waren unter den Umständen des vorliegenden Falles die individuellen Umsatzziele sowie der Anreiz, sie zu steigern, Teil eines wettbewerbswidrigen Geschäftsgebarens von BA. Folglich konnte BA an die Erfüllung oder Nichterfüllung eben dieser individuellen Umsatzziele nicht in legitimer Weise geschäftliche Erwägungen knüpfen. Die Erfüllung oder Nichterfüllung der Umsatzziele, wie sie den Provisionsregelungen von BA zugrunde lagen, konnte keinen sachlichen Differenzierungsgrund zwischen den Leistungen der im Vereinigten Königreich tätigen Reisevermittler darstellen.

117. Andernfalls hätte sich das Gericht auch in Widerspruch zu seiner eigenen Feststellung gesetzt, die von BA gewährten Provisionen entfalteten aufgrund ihrer „Treue fördernden Wirkung“ eine wettbewerbswidrige Ausschlusswirkung und seien auch nicht objektiv wirtschaftlich zu rechtfertigen. Ein und derselbe Umstand kann nicht einerseits als wettbewerbswidrig gebrandmarkt und zugleich andererseits als sachlicher Differenzierungsgrund anerkannt werden. Wenn es missbräuchlich ist, Vertragspartner mittels bestimmter individueller Umsatzziele an sich zu binden, so kann es nicht legitim sein, die Leistungen derselben Vertragspartner nach eben diesem wettbewerbswidrigen Kriterium zu differenzieren, also danach, ob sie die ihnen gesetzten individuellen Umsatzziele erfüllt haben oder nicht.

118. Dass die Erfüllung der individuellen Umsatzziele durch die Reisevermittler aus Sicht von BA erstrebenswert war und eine Belohnung verdient haben mag, spielt insoweit keine Rolle. Denn die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung ist ein objektiver Begriff. Dementsprechend muss auch die Frage der Diskriminierung von Handelspartnern nach objektiven und nicht nach subjektiven Kriterien beurteilt werden.

119. Somit hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen, als es die Leistungen von Reisevermittlern als gleichwertig anerkannte, deren Umsätze mit BA-Flugscheinen in einem bestimmten Zeitraum in absoluten Zahlen gleich hoch waren.

b) Anforderungen an die Feststellung eines Wettbewerbsnachteils (zweiter Teil des fünften Rechtsmittelgrundes)

120. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die bloße Feststellung des Gerichts ausreichte, die Reisevermittler seien in ihrer Fähigkeit, miteinander in Wettbewerb zu treten, „natürlich durch die diskriminierenden Vergütungsbedingungen beeinträchtigt“, oder ob der konkrete Nachweis eines Wettbewerbsnachteils erforderlich gewesen wäre.

121. Letztlich stellt sich damit die Frage, ob Artikel 82 Absatz 2 Buchstabe c EG einen zweistufigen Test vorsieht, ob also die Formulierung „wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden“ einen eigenständigen Gehalt oder lediglich den Charakter eines erläuternden Zusatzes mit deklaratorischer Wirkung hat.

122. Die bisherige Rechtsprechung zu dieser Vorschrift ist unergiebig.

123. Ausgangspunkt der Überlegungen hierzu sollten Sinn und Zweck von Artikel 82 Absatz 2 Buchstabe c EG sein. Das in dieser Vorschrift normierte besondere Diskriminierungsverbot ist Teil des Systems, mit dem gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g EG der Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen geschützt werden soll. Durch das Geschäftsgebaren des marktbeherrschenden Unternehmens soll der Wettbewerb auf einem vor- oder nachgelagerten Markt, also der Wettbewerb zwischen Zulieferern oder zwischen Abnehmern jenes Unternehmens, nicht verzerrt werden. Im Wettbewerb untereinander sollen die Vertragspartner des marktbeherrschenden Unternehmens nicht bevorzugt oder benachteiligt werden.

124. Dementsprechend ist der zweite Halbsatz von Artikel 82 Absatz 2 Buchstabe c EG mehr als nur ein erläuternder Zusatz mit deklaratorischer Wirkung. Die Anwendung dieser Vorschrift erfordert zum einen festzustellen, dass eine Wettbewerbsbeziehung zwischen den betroffenen Handelspartnern des marktbeherrschenden Unternehmens besteht, und zum anderen darzulegen, dass das Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens konkretgeeignet ist, diese Wettbewerbsbeziehung zu verfälschen, d. h. die Wettbewerbsposition eines Teils der Handelspartner des marktbeherrschenden Unternehmens gegenüber den anderen zu beeinträchtigen.

125. Hingegen kann der Nachweis des tatsächlichen Eintritts eines bezifferbaren Schadens oder einer tatsächlichen, quantifizierbaren Verschlechterung der Wettbewerbsstellung einzelner Handelspartner des marktbeherrschenden Unternehmens nicht verlangt werden. Denn wie bereits ausgeführt, dient Artikel 82 EG in erster Linie dem Schutz des Wettbewerbs als Institution. Deswegen kann auch im Rahmen seines Absatzes 2 Buchstabe c die Diskriminierung von untereinander im Wettbewerb stehenden Handelspartnern bereits dann als missbräuchlich angesehen werden, wenn das Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens nach den Umständen des Einzelfalls konkretgeeignet ist, eine Wettbewerbsverzerrung zwischen jenen Handelspartnern herbeizuführen.

126. Legt man diese Kriterien an, so erweist sich die Argumentation des Gerichts im angefochtenen Urteil als außerordentlich knapp.

127. Immerhin stellt das Gericht jedoch fest, dass die im Vereinigten Königreich tätigen Reisevermittler sich einen intensiven Wettbewerb liefern. Es stellt weiter fest, dass die Fähigkeit der Reisevermittler, miteinander in Wettbewerb zu treten, von zweierlei abhängt: erstens von ihrer Fähigkeit, „den Wünschen der Reisenden entsprechende Plätze auf den Flügen zu liefern, und zwar zu einem angemessenen Preis“, und zweitens von ihren jeweiligen finanziellen Mitteln.

128. Dass die Provisionsregelungen von BA zu sprunghaften und spürbaren Veränderungen in den Einnahmen der einzelnen Reisevermittler führen konnten, legt das Gericht bereits zu Beginn seines Urteils und sodann auch im Zusammenhang mit der „Treue fördernden Wirkung“ dar.

129. Vor dem Hintergrund dieser Sachlage konnte das Gericht im Rahmen der Prüfung von Artikel 82 Absatz 2 Buchstabe c EG ohne ausführlichere Zwischenschritte unmittelbar zu seiner Schlussfolgerung übergehen, die Wettbewerbsmöglichkeiten der Reisevermittler untereinander seien durch die diskriminierenden Vergütungsbedingungen von BA beeinträchtigt worden (besser wäre allerdings eine Bezugnahme auf die konkrete Eignung gewesen, diesen Wettbewerb zu beeinträchtigen). Ob es angebracht war, in diesem Zusammenhang den Ausdruck „natürlich“ zu verwenden, mag hier dahinstehen.

130. Da der Gerichtshof selbst bisher nur sehr summarisch geprüft hat, ob und wie sich diskriminierende Handelsbedingungen auf die Wettbewerbssituation von Handelspartnern marktbeherrschender Unternehmen auswirkten, bin ich im Ergebnis der Auffassung, dass auch dem Gericht diesbezüglich im vorliegenden Fall kein Rechtsfehler vorgeworfen werden kann und dass es unter den gegebenen Umständen eine diskriminierende Wirkung der Provisionsregelungen von BA im Sinne von Artikel 82 Absatz 2 Buchstabe c EG annehmen durfte.

131. Damit ist der fünfte Rechtsmittelgrund insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

132. Nur der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass die Feststellung einer diskriminierenden Wirkung der von einem marktbeherrschenden Unternehmen gewährten Rabatte oder Prämien nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes keine zwingende Voraussetzung für die Annahme des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung ist. So hat der Gerichtshof im Urteil Michelin I den missbräuchlichen Charakter der dort in Frage stehenden Rabatte anerkannt, obwohl er ihre diskriminierende Wirkung nicht als erwiesen ansah.

G – Zwischenergebnis

133. Nachdem keiner der von BA vorgebrachten Rechtsmittelgründe Aussicht auf Erfolg hat, bin ich der Auffassung, dass ihr Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen ist.

V – Kosten

134. Nach Artikel 69 § 2 in Verbindung mit den Artikeln 118 und 122 Absatz 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission einen entsprechenden Antrag gestellt hat und BA mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind BA die Kosten aufzuerlegen.

135. Gemäß Artikel 69 § 4 Absatz 3 in Verbindung mit den Artikeln 118 und 122 Absatz 1 der Verfahrensordnung könnte der Gerichtshof Virgin als Streithelferin zur Tragung ihrer eigenen Kosten verurteilen. Da jedoch Virgin im vorliegenden Fall zugunsten der obsiegenden Partei interveniert hat, erscheint es gerechtfertigt, BA gemäß dem Antrag von Virgin auch zur Tragung von deren Kosten zu verurteilen.

VI – Ergebnis

136. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:

1) Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2) Die British Airways plc trägt die Kosten des Verfahrens.

Siehe auch