Weitergehender Schadensersatz Artikel 12 VO

Aus PASSAGIERRECHTE
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Artikel 12 der Verordnung Nr. 261/2004 ist keine eigene Anspruchsgrundlage, er regelt vielmehr die Konkurrenz der Ansprüche aus der FluggastrechteVO zu Ansprüchen des Fluggastes aus anderen Rechtsgrundlagen. Artikel 12 Abs. 1 Satz 2 geht auf eine deutsche Initiative zurück. Der Anlass dafür war die fehlende Abstimmung zum deutschen Leistungsstörungs- und Gewährleistungsrecht, insbesondere der Pauschalreiserichtlinie. Der Fluggast kann nicht nur Ansprüche gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunternehmen geltend machen, sondern kann bei den vorliegenden Voraussetzungen auch weitergehende reisevertragliche Ansprüche bei einer Flugpauschalreise geltend machen. Ebenso kommen Schadensersatzansprüche nach dem Montrealer Übereinkommen in Betracht. Artikel 12 zeigt auf, dass die FluggastrechteVO ein eigenes Regelungswerk der Union darstellt. Aus der Regelung wird ersichtlich, dass die den Fluggästen gewährte Ausgleichsleistung die Durchführung der vorgesehenen Maßnahmen ergänzen soll, sodass den Fluggästen der gesamte Schaden, der ihnen durch die Vertragsverletzung der Fluggesellschaften entsteht, ersetzt werden soll. Sinn und Zweck der Vorschrift ist, eine Überkompensation des Fluggastes zu verhindern und keine Ansprüche zu kumulieren.

Begriff des Schadensersatzes

Nach dem EuGH umfasst der Begriff der "Schadensersatzansprüche" sowohl materielle als auch immaterielle Schadensersatzansprüche. Dies folgte aus einem umfassenden Vergleich der verschiedenen sprachlichen Versionen der Verordnung. Die pauschale Ausgleichszahlung soll dem Ausgleich eines von den Fluggästen erlittenen Zeitverlustes dienen. Die Betreuungsleistungen nach Artikel 9 können nicht als Schadensersatzleistung qualifiziert werden, und sind daher auch nicht anzurechnen. Sie sorgen zwar für einen Nachteilsausgleich, sind jedoch verschuldensunabhängig und ohne Entlastungsmöglichkeit zu gewähren.

Konkurrenz von Ansprüchen aus der Verordnung Nr. 261/2004 und dem übrigen Recht

Kumulative Geltendmachung nach Artikel 12 Abs.1 Satz 1

Die Verordnung enthält für die in ihr normierten Haftungsgründe keine abschließende Regelung. Nach Satz 1 sind neben ihr die anderen haftungsrechtlichen Regelungen des Völkerrechts, des Unionsrechts und des nationalen Rechts anwendbar. Die Bestimmung der im Einzelnen berührten Gegenstände ist jedoch schwierig und Gegenstand gerichtlicher Klärung. Ziel der Regelung ist, dem Fluggast mit dem Ausgleichsanspruch Ersatz unter vereinfachten Voraussetzungen zu gewähren, damit jedoch nicht den Ersatz des konkret erlittenen Schadens auszuschließen, oder den Fluggast zu überkompensieren. Weitergehende Entschädigungen können nur gewährt werden, wenn sie vollumfänglich weitergehen, d.h. andere Nachteile kompensieren, oder für solche Nachteile, die auch im Rahmen der pauschalen Ausgleichsleistung nach der Verordnung ersetzt werden, höheren Ersatz gewähren. Gewähren andere Ansprüche einen höheren Anspruch als nach der Verordnung vorgesehen, werden diese nach Artikel 12 Abs.1 Satz 2 verrechnet. Es ist unerheblich, woher die Ansprüche kommen, solange sie Nachteile aus demselben Haftungsgrund nach der Verordnung ( Nichtbeförderung, Annullierung ...) kompensieren und außerhalb der Verordnung liegen. Unerheblich ist auch, ob die weitergehenden Ansprüche materielle oder immaterielle Nachteile ersetzen.

Anrechnung nach Artikel 12 Abs. 1 Satz 2

Die Ausgleichsleistung kann auf den aus anderen Anspruchsgrundlagen bestehenden Schadensersatz angerechnet werden. Der Fluggast soll nicht auf die Ansprüche der Verordnung beschränkt bleiben, er soll vielmehr den gesamten aus diesen Haftungsgründen tatsächlich entstandenen und nach anderen Vorschriften ersetzbaren Schaden liquidieren können. Der Fluggast hat damit die Wahl, ob er die Ausgleichsleistung gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunternehmen aus der Verordnung, die ihm den Schadensnachweis ersparen, aber nur pauschalen Ersatz gewähren, oder die schwieriger durchzusetzenden Ansprüche auf Ersatz der konkret entstandenen Schäden nach dem nationalen Recht geltend macht. Er kann auch beides geltend machen. Jedoch normiert Artikel 12 Abs. 1 Satz 2 ein Verbot der Überkompensation. Artikel 12 regelt jedoch nicht Ersatzleistungen aus anderen Haftungsgründen, wie zum Beispiel Gepäck- oder Personenschäden.

Ausschluss bei Buchungsverzicht

Nach Artikel 12 Abs. 2 gelten die Konkurrenz- und Anfechtungsregeln des Abs.1 nicht, wenn der Fluggast nach Artikel 4 Abs.1 freiwillig auf die Buchung verzichtet hat.

Konkurrenz der Ansprüche

Artikel 12 soll nur gelten, soweit die weiter gehenden Ersatzansprüche aus anderen Rechtsgrundlagen als der Verordnung selbst folgen. Die Verrechnung folgt also nicht mit anderen Ansprüchen aus der Verordnung. Normalerweise wird nicht gleichzeitig eine Nichtbeförderung, eine Annullierung oder eine Verspätung vorliegen, sodass sich dort ein Konkurrenzproblem nicht stellt. Im Fall eines Downgradings sind allerdings weitere Ansprüche aus der Verordnung ausgeschlossen.

Anwendung des Artikel 12 der Verordnung auf durch den EuGH unterstellten Ansprüche

Ansprüche bei Ankunftverspätung

Neben den Ausgleichs-, Unterstützungs- und Betreuungsleistungen bei Nichtbeförderung und Annullierung, sowie den Unterstützungs- und Betreuungsleistungen bei Verspätungen sollten (Außer Artikel 10 der Verordnung) weitere Ansprüche aus der Verordnung ausgeschlossen sein. Daher besteht auch keine Konkurrenz zum Warschauer Abkommen (WA) und dem Montrealer Übereinkommen (MÜ). Der EuGH hat jedoch die Anwendung der Verordnung auf Ankunftverspätungen ausgeweitet, und damit einen zusätzlichen Anspruch gewährt, obwohl dies eigentlich ausgeschlossen wäre. Das Verhältnis dieses Anspruchs zu denen aus dem WA oder dem MÜ richtet sich nach Artikel 12 der Verordnung. Nur wenn zur Ankunftverspätung weitere Haftungsgründe nach der Verordnung hinzutreten, kann man weitere Ansprüche aus ihr geltend machen.


Ansprüche bei Nichterfüllung von Ansprüchen aus der Verordnung

Der Grundsatz, dass Artikel 12 der Verordnung nur die Konkurrenzen zu Ersatzansprüchen wegen derselben Haftungsgründe, aber aus anderen Anspruchsgrundlagen betrifft, gilt auch, wenn es um das Verhältnis von Ansprüchen aus der Verordnung zu Ersatzansprüchen wegen der Nichterfüllung von Unterstützungs-, Ausgleichs-. und Betreuungsleistungen geht. Diese Ansprüche leiten sich zwar aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ab, beziehen sich aber auf einen in der Verordnung geregelten Haftungsgrund. Artikel 12 regelt sie nicht, sie sind daher uneingeschränkt neben der VO anwendbar. Gleiches gilt für Zinsansprüche.

Konkurrierende Ansprüche

Montrealer Übereinkommen und die Fluggastrechteverordnung bei Verspätung

Die Verordnung verfolgt das Ziel, Schäden standartisiert und schnell zu beheben. Die europarechtliche Verordnung ist damit auch mit dem völkerrechtlichen Montrealer Übereinkommen vereinbar. Die Artikel 19,22, und 29 MÜ regeln die Voraussetzungen, die vorliegen müssen, damit Reisende im Anschluss an die Verspätung eines Fluges einen Anspruch auf Schadensersatz als individuelle Wiedergutmachung haben. Daher soll bei Verspätung der volle Ausgleich individueller Schäden erfolgen, die Verordnung gewährleistet dagegen schnelle, einheitliche Unterstützung-, Ausgleichs- und Betreuungsleistungen. Beide Systeme stehen nebeneinander. Weitergehende Schadensersatzvorschriften werden nicht verdrängt, sondern nur zum Wohl des Fluggastes ergänzt. Der Fluggast hat somit ein Wahlrecht, ob er die Ansprüche gegen sein vertragliches Luftfahrtunternehmen mit dem individuellen Schadensersatz oder die pauschalen Ausgleichsansprüche geltend macht.

Ansprüche aus anderen Rechtsgrundlagen

Ansprüche bei Nichtbeförderung, Annullierung und Abflugverspätung

Ansprüche, die nach Artikel 12 der Verordnung konkurrieren oder angerechnet werden, und die im Fall von Nichtbeförderung, Annullierung oder Abflugverspätung einsetzen, können sich nur aus dem nationalen Recht, in Deutschland dem BGB ergeben. Primär kommen Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis in Betracht, Dabei ist zwischen Luftbeförderungs- und Pauschalreisevertrag zu unterscheiden. Daneben können Ansprüche außerhalb eines Vertrages bestehen.

Ansprüche aus dem Luftbeförderungsvertrag

Der Luftbeförderungsvertrag ist in der Regel kein sog. absolutes Fixgeschäft. Bei einer Annullierung oder Nichtbeförderung liegt nur eine verzögerte Leistung vor. Eine Verzögerung liegt auch bei Abflugverspätungen vor, da die Beförderung schon bei Abflugzeitpunkt fällig ist. Der Fluggast kann daher Erfüllung oder Rücktritt verlangen. Ein Aufwendungsersatz kann dann über die §§ 280 ff. BGB erfolgen, bzw. bei Rücktritt § 346 BGB. Eine aufgrund von Nichtbeförderung, Annullierung oder Abflugverspätung nicht rechtzeitige Beförderung ist nicht mangelhaft, sondern nur noch nicht oder verzögert erbracht. Anspruchsberechtigt ist der Fluggast, wenn er für die eigene Beförderung einen Vertrag abschloss. Hat ein anderer den Vertrag für ihn abgeschlossen, ist der Buchende anspruchsberechtigt, und der Fluggast nur, wenn der Vertrag als zu seinen Gunsten abgeschlossen wurde. Anspruchsverpflichtet ist das Flugunternehmen, wenn es Vertragspartner ist, oder den Flug selbst schuldet. Liegt im Einzelfall in der Code-Sharing-Vereinbarung zwischen dem vertraglichen und dem ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Vertrag zugunsten des mit dem vertraglichen Flugunternehmen verbundenen Fluggastes, kann er aus der Code-Sharing-Vereinbarung Ansprüche gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen geltend machen.

Ansprüche aus dem Pauschalreisevertrag

Erfolgt die Beförderung im Rahmen einer Pauschalreise, kann die Nichtbeförderung, Annullierung oder Abflugverspätung einen Reisemangel nach § 651 i BGB darstellen. Gleiches gilt bei fehlender oder unzureichender Betreuung. Daneben können reisevertragliche Ansprüche auf Erstattung des Reisepreises, oder anderweitige Beförderung bestehen. Diese Ansprüche bestehen bei Abschluss eines Reisevertrages, und gehen dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht vor. Anspruchsberechtigt ist hier der Fluggast wenn er selbst den Vertrag schließt. Hat ein anderer einen Pauschalreisevertrag mit Beförderung für ihn geschlossen, ist dieser forderungsberechtigt, daneben der Reisende wenn der Pauschalreisevertrag als zu seinen Gunsten geschlossen anzusehen ist. Anspruchsverpflichtet ist das Luftfahrtunternehmen, wenn es zugleich als Vertragspartner die zu erbringende Leistung schuldet. Dies ist regelmäßig nicht der Fall, weil Reiseveranstalter die Luftbeförderung durch ein ausführendes Luftfahrtunternehmen erbringen lassen. Dann ist für die Fluggastrechte das ausführende Luftfahrtunternehmen verpflichtet, für die Rechte aus dem Pauschalreisevertrag das Pauschalreiseunternehmen als vertragliches Luftfahrtunternehmen. Der Chartervertrag zwischen Pauschalreiseveranstalter und ausführenden Luftfahrtunternehmen wird oft als Vertrag zugunsten des Fluggastes gesehen. Dann haftet das Luftfahrtunternehmen wegen Verletzungen aus dem Chartervertrag.

Andere Ansprüche

Bei Nichtbeförderung, Annullierung oder Abflugverspätung können weitere Ansprüche bestehen, die nicht aus dem der Luftbeförderung zugrundeliegenden Vertragsverhältnis resultieren. In Betracht kommen vertragliche Ansprüche des Fluggastes gegen den Flughafenbetreiber, Bodenabfertigungsdienste oder andere an der Beförderung Beteiligte, wenn diese für Nichtbeförderung, Annullierung oder Verspätung verantwortlich sind. Ein Vertrag zwischen Flughafen und Gast entsteht in der Regel nicht.

Ansprüche bei Ankunftverspätung

Ansprüche aus dem Luftbeförderungsvertrag

Bei einer Ankunftverspätung können konkurrierende Ansprüche auf Ersatz des konkreten Verspätungsschadens aus Artikel 19 WA oder Artikel 19 MÜ folgen, wenn eine internationale Luftbeförderung zwischen den Vertragsstaaten betroffen ist. Anspruchsberechtigt ist, wer wegen eines Luftbeförderungsvertrags befördert wird, egal ob er selbst oder ein anderer für ihn den Vertrag schloss. Anspruchsverpflichtet sind der vertragliche und der ausführende Luftfrachtführer. Der ausführende Luftfrachtführer ist oftmals identisch mit dem ausführenden Luftfahrtunternehmen im Sinne der Verordnung, der vertragliche Luftfrachtführer ist nur dann Vertragspartner, wenn er den Reisenden selbst befördert. Beim Code-Sharing sind beide als Gesamtschuldner ersatzpflichtig. Voraussetzung ist aber, dass sich eine luftverkehrstypsiche Gefahr realisiert hat.

Ansprüche aus dem Pauschalreisevertrag

Auch falls die Beförderung mit einer Ankunftverspätung im Rahmen einer Pauschalreise erfolgt, können sich Ansprüche auf Ersatz des konkreten Verspätungsschadens aus Artikel 19 WA, Artikel 19,40 MÜ oder §§46, 48 b LuftVG ergeben. Anspruchsberechtigt ist der Reisende/ Fluggast. Sind vertraglicher und ausführender Luftfrachtführer personenverschieden, sind der Pauschalreiseveranstalter als vertraglicher Luftfrachtführer und das tatsächlich ausführende Luftfahrtunternehmen als ausführender Luftfrachtführer gesamtschuldnerisch anspruchsverpflichtet. Sind beide ausnahmsweise personengleich, haftet der Pauschalreiseveranstalter nach allen Vorschriften. Eine Ausnahme besteht, wenn sie nicht im Besitz einer Betriebszulassung als Luftfahrtunternehmen sind. Weitere Schadensersatzansprüche sind ausgeschlossen oder zumindest inhaltsgleich. Beruht die Verspätung auf einer nicht luftverkehrstypischen Gefahr, bestehen die Minderungs- und Schadensersatzansprüche aus dem Pauschalreisevertrag gemäß dem BGB, wenn die Ankunftverspätung einen Reisemangel darstellt. Daneben sind weitere reisevertragliche Ansprüche denkbar. Diese entstehen mit Abschluss eines Reisevertrages. Dies hat auch die Entscheidung des BGH gezeigt: Minderung als weitergehender Schadensersatz BGH X ZR 126/13.

Andere Ansprüche

Auch bei einer Ankunftverspätung können weitere Anprüche bestehen, die nicht aus dem der Luftbeförderung zugrundeliegenden Vertragsverhältnis resultieren. Es ist nicht geklärt, ob der Fluggast Ersatzansprüche aus einem zwischen vertraglichen und ausführenden Luftfahrtunternehmen geschlossenen Vertrag zu seinen Gunsten ableiten kann. Jedenfalls muss sich zunächst eine luftverkehrstypsische Gefahr realisiert haben. Nach den Haftungssystemen der WA, MÜ, LuftVG, §§ 651 ff. BGB sind jedenfalls Haftungen aus anderen Rechtsgrundlagen ausgeschlossen oder inhaltsgleich. Vertragliche Ansprüche des Fluggastes gegen etwa den Flughafen oder das Bodenabfertigungspersonal kommen ebenfalls nicht in Betracht, wenn sie den Haftungsgrund herbeigeführt haben, für den das Luftfahrtunternehmen nach der Verordnung haftet. Auch scheiden deliktische Ansprüche regelmäßig aus.

Ansprüche bei Nichterfüllen von Ansprüchen aus der FluggastrechteVO

Bei der Nichterfüllung von Ausgleichs-, Unterstützungs- und Betreuungsansprüchen aus der Verordnung bestehen Leistungsstörungsansprüche aus dem BGB ( bspw. §§ 280, 281, 283, 286). Diese werfen dann die Frage der Konkurrenz nach Artikel 12 auf, wenn man diese Ansprüche aus der Verordnung unmittelbar herleiten kann. Dies hat der EuGH angenommen ( EuGH 13.10.2011 - C-83/10). Entstehen diese Ansprüche aus einer vertraglichen Leistungsstörung, stehen sie dem Fluggast nur zu, wenn er selbst den Vertrag geschlossen hat. Hat ein anderer den Vertrag für ihn geschlossen, ist er nur forderungsberechtigt, sofern der Vertrag zu seinen Gunsten geschlossen wurde. Die Ansprüche sind gegen das ausführende Flugunternehmen zu richten. Sieht man die Ansprüche aus der Verordnung als gesetzliche Ansprüche, kommen bei Nichterfüllung Schadensersatzansprüche des Fluggastes gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen aus Verzug in Betracht. Nicht erfüllte Betreuungsleistungen nach Artikel 9 der VO begründen Ersatzansprüche aus §§677, 683 BGB für Aufwendungen, die der Fluggast für Verpflegung, Hotels, Transfers und Telefonkontakte gemacht hat.

Ansprüche bei Downgrading

Bei einem Downgrading stehen dem Reisegast Gewährleistungsansprüche aus §§ 633, 634 BGB zu. Er kann entweder zurücktreten, Minderung, Schadensersatz oder Aufwendungsersatz verlangen. Die Fluggesellschaften versuchen jedoch regelmäßig, ein von Downgrading betroffenen Passagier freiwillig zu entschädigen, oder ein Downgrade an sich zu vermeiden. Bei einer Pauschalreise stellt ein Downgrading einen Reisemangel dar. Damit ist der Reisende zur Minderung oder zum Schadensersatzverlangen berechtigt. Daneben sind weitere Ansprüche denkbar, etwa Ansprüche auf Erstattung des Reisepreises, oder eine Kündigung. Ansprüche aus dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht scheiden jedoch aus. Anspruchsberechtigt ist der Fluggast, wenn er selbst den Vertrag geschlossen hat. Hat ein anderer den Vertrag für ihn geschlossen, ist er nur forderungsberechtigt, sofern der Vertrag zu seinen Gunsten geschlossen wurde. Sonst ist der Abschließende forderungsberechtigt. Die Ansprüche sind gegen das ausführende Flugunternehmen zu richten, wenn es sich selbst gegenüber dem Flugagst zu einer Beförderung in einer höheren Klasse verpflichtet hat. Sonst das vertragliche Luftfahrtunternehmen, sofern nicht in dem Downgrading auch eine Verletzung des zugunsten es Fluggastes geschlossenen Vertrages liegt, aus dem das ausführende Luftfahrtunternehmen haftet.

Kumulative Geltendmachung von Ansprüchen, Artikel 12 Abs.1 Satz 1

Absatz 1 regelt die Konkurrenz von Ansprüchen der Verordnung zu Ansprüchen aus anderen Rechtsgrundlagen. Dabei gilt die Verordnung unbeschadet eines weiter gehenden Schadensersatzanspruchs des Fluggastes. Sinnhafter wäre die Regelung jedoch, wenn man sie so auslegt, dass Ansprüche nach der Verordnung weitergehende Schadensersatzansprüche aus anderen Rechtsgrundlagen unberührt lassen. Dies ergibt sich aus Abs. 1 Satz 2 sowie Artikel 3 Abs.6 Satz 1. Die der Regelung unterfallenden Ansprüche werden nicht spezifiziert, die Vorschrift soll jedoch das Verhältnis von Ausgleichsregelungen der Verordnung zu Schadensersatzansprüchen aus anderen Rechtsgrundlagen regeln. Ein "weiter gehender Schadensersatzanspruch" liegt vor, wenn und soweit die Verordnung selbst schon Schadensersatzansprüche enthält. Artikel 12 Abs.1 Satz 2 der Verordnung ist auf Ausgleichsleistungen beschränkt und geht davon aus, dass Ausgleichsleistungen und Schadensersatz aus anderen Rechtsgrundlagen in Konkurrenz treten und sich überschneiden können. Aber auch der Ausgleichsanspruch ist inhaltlich ein (pauschalisierter) Schadensersatzanspruch.

Die außerhalb der VO liegenden, unberührt bleibenden Ansprüche werden von Satz 1 als "weiter gehende Schadensersatzansprüche des Fluggastes" bezeichnet. Welche Ansprüche im Einzelnen erfasst sind, ist jedoch schwierig zu bestimmen. Jedenfalls werden mitgliedsstaatliche Ansprüche auf Erstattung des Reisepreises, auf anderweitige Beförderung oder auf Betreuung nicht von Artikel 12 Abs.1 Satz 1 erfasst. Die Ansprüche nach Artikel 8 und Artikel 9 bestehen für die Haftungsgründe der Verordnung neben dem Anspruch auf Ausgleichsleistung. Zudem ist fraglich, ob "weiter gehend" inhaltlich oder umfänglich bestimmt werden muss. Für Artikel 12 Abs.1 Satz 1 wird eher eine inhaltliche Bestimmung angenommen. Die Regelung ist auf einen inhaltlich weiteren und unabhängig bestehenden Schadensersatz gerichtet. Dies gilt ungeachtet seiner Höhe. Auf diese ist dann Abs. 1 Satz 2 anzuwenden. Zum Vergleich sprechen andere Sprachfassungen der VO von einem "weiteren" und nicht einen "weiter gehenden" Schadensersatzanspruch und in Satz 2 von einem "Abzug" und nicht einer "Anrechnung". Das Ziel der Regelung des Artikel 12 Abs.1 Satz 2 ist es, dem Fluggast zwar mit einer pauschalen Ausgleichsleistung Ersatz unter vereinfachten Voraussetzungen zu gewähren, dies soll jedoch weder den Ersatz des gesamten konkret erlittenen Schadens ausschließen, noch den Fluggast durch eine Kumulierung von Ersatzansprüchen aus der Verordnung und konkreten Ersatzansprüchen aus dem nationalen Recht überkompensieren. Der Regelungszweck des Artikel 12 Abs.1 Satz 1 soll inhaltlich weitere Ersatzansprüche aus anderen Rechtsgrundlagen die aus einer Nichtbeförderung, Verspätung, Annullierung, oder Downgrading resultierenden Haftungsgrund gewähren, unberührt lassen. Dies nur, soweit sie umfänglich weiter gehen, also entweder andere Nachteile kompensieren, als sie bereits durch die Verordnung ersetzt werden, oder die für solche Nachteile, die auch im Rahmen der pauschalen Ausgleichsleistung nach der VO ersetzt werden, höheren Ersatz gewähren. Unerheblich ist, ob mit dem den weitergehenden Ansprüchen materielle oder immaterielle Nachteile ersetzt werden. Nach der Rechtsprechung des EuGH sollen Ausgleichsleistungen Unannehmlichkeiten und keine Schäden ersetzen. Zudem ist unerheblich, aus welcher Anspruchsgrundlage die weitergehenden Ansprüche abgeleitet werden, solange sie denselben Haftungsgrund kompensieren und außerhalb der Verordnung liegt. Auch pauschalreiserechtliche Ansprüche sind geschützt.

Abs.1 Satz 1 gilt schließlich nur für Ansprüche des Fluggastes als für durch die Verordnung unberührt. Es können auch Ersatzansprüche anderer Personen aus Anspruchsgrundlagen außerhalb der VO resultieren, diese werden jedoch nicht ausgeschlossen. Dies folgt aus Artikel 3 Abs. 5 Satz 2 der Verordnung. Artikel 12 Abs. 1 Satz 1 regelt nicht die Konkurrenz für Ansprüche und Rechte nach der VO, die nicht auf Ausgleichsleistungen gerichtet sind, zu Ansprüchen oder Rechten aus anderen Rechtsgrundlagen. Für Erstattungsansprüche aus Artikel 8 Abs.1 lit a sieht Artikel 8 Abs. 2 eine Sonderregelung vor. Sie werden durch die pauschalreiserechtlichen Ansprüche verdrängt, auch dann, wenn sie sich gegen einen anderen Schuldner richten. Diese Regelung resultiert aus der Problematik, bei einer Pauschalreise den auf die Beförderung entfallenden Anteil im Reisepreis zu ermitteln, der dann als Erstattungsanspruch (Artikel 8 Abs.1 lit a) geschuldet wäre. Artikel 3 Abs.6 bestimmt als allgemeinen Grundsatz: Die Rechte aufgrund der Pauschalreiserichtlinie bleiben unberührt, Ansprüche aus der Verordnung und dem Pauschalreiserecht können also mit Ausnahme der Artikel 8 Abs.2 und Artikel 12, nebeneinander geltend gemacht werden. Dies gilt auch für das Verhältnis zwischen Artikel 8/ Artikel 9 und konkurrierenden beförderungsrechtlichen Ansprüchen. Die Erfüllung eines Anspruchs bewirkt zugleich die Erfüllung des deckungsgleichen Anspruchs.

Wenn die Gläubiger und/ oder die Schuldner dieser Ansprüche nicht identisch sind, etwa wenn Fluggast oder Luftfahrtunternehmen nicht Partei des Beförderungs- oder Pauschalreisevertrages sind, ist die Konkurrenzfrage problematisch. Insbesondere Artikel 8 Abs.1 schafft vertragsgestaltende Ansprüche für Fluggäste und gegen ausführende Luftfahrtunternehmen, ohne dass diese Vertragspartei sein müssen. jedoch ist auch hier grundsätzlich anzunehmen, dass die Ansprüche aller Gläubiger gegen alle Schuldner nebeneinander bestehen bleiben, aber nicht zu einer Kumulation führen dürfen, für den Fall dass sich die Ansprüche decken. Sind die Schuldner personenverschieden, ist eine Gesamtschuldnerschaft anzunehmen ( etwa beim Code-Sharing). Sind jedoch Gläubiger personenverschieden, etwa weil der Arbeitgeber für einen Arbeitnehmer einen Flug bucht, müssen die Ansprüche abgetreten werden, damit dann ein einziger Gläubiger diese geltend machen kann. Ebenfalls nicht auf eine Ausgleichsleistung gerichtet sind Ansprüche auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung von Ausgleichs-, Unterstützung-, und Betreuungspflichten, sofern man diese mit dem EuGH aus der Verordnung direkt herleitet. Eventuell konkurrierende Ersatzansprüche wegen nicht erfüllter Ausgleichs-, Unterstützungs-, und Betreuungspflichten aus §§ 280ff oder 677,683 BGB können geltend gemacht werden, sind aber zu verrechnen.

Anrechnung , Artikel 12 Abs.1 Satz 2

Artikel 12 Abs. 1 Satz 2 konkretisiert und ergänzt Abs.1 Satz 1 durch eine Regelung der Auslegung. Ansprüche aufgrund eines Haftungsgrundes der Verordnung aus anderen Rechtsgrundlagen werden nach Abs.1 Satz 1 berührt, sofern sie nicht weitergehen, also dieselben Nachteile mit einem die Ansprüche nach der Verordnung nicht überschreitenden Betrag ersetzen. Die Anrechnung ist ein Gestaltungsrecht des Schuldners. Sie setzt eine Anrechnungslage und eine Anrechnungserklärung voraus.

Anrechungslage

Eine Anrechnungslage setzt voraus, dass der Schuldner anrechnungsberechtigt ist. Es muss gegen ihn ein der Anrechnung unterliegender Anspruch geltend gemacht werden und gegen ihn oder einen anderen Schuldner ein anzurechnender Anspruch bestehen.

Anrechnungsberechtigung

Anrechnungsrecht oder Anrechnungspflicht

Die Anrechnung steht im Ermessen des Anrechnungsberechtigten. Sie kann, muss aber nicht zwingend vorgenommen werden.

Anrechnungsberechtigter

Teilweise wird vertreten, dass sich diese Regelung an die Gerichte wendet und ihr die Anrechnung daher im Ermessen der Gerichte steht. Andere vertreten, dass nur der Schuldner anrechnungsberechtigt sei und daher selbst entscheide. Der BGH hat diese Frage dem EuGH zur Vorlage gegeben, jedoch kam es zu keiner Entscheidung, da die Sache sich vorher erledigt hatte. Es liegt nahe, sich der zweiten Ansicht anzuschließen. Es zeigen sich viele Parallelen zur Aufrechnung nach den §§ 387 ff BGB.

Anrechnung bei personenverschiedenen Schuldnern

Der Schuldner ist nicht nur dann zur Anrechnung berechtigt, wenn die anzurechnende Forderung gegen ihn selbst besteht, sondern auch dann, wenn sie gegen einen anderen Schuldner besteht. Voraussetzung ist, dass der andere Schuldner aus demselben Haftungsgrund wie das nach der Verordnung haftende ausführende Flugunternehmen haftet. Eine Haftung aus einer anderen Rechtsgrundlage ist möglich. Die Anspruchserfüllung kann nicht deshalb verweigert werden, weil auch Ansprüche aus demselben Haftungsgrund gegen einen anderen Schuldner bestehen, oder den Fluggast auf deren Geltungmachung verweisen. Dies geht nur, wenn der andere Anspruch erfüllt ist. Durch eine solche wechselseitige Verweisung kann der Fluggast seine Ansprüche nicht geltend machen. Es liegt in der Verantwortlichkeit des Schuldners sich über anrechenbar Forderungen zu informieren. Der Passagier kann wählen, gegen welchen Schuldner er seine Ansprüche durchsetzen möchte, solange nicht einer dieser Ansprüche erfüllt ist. Ist ein Anspruch erfüllt, entfällt der Anspruch in dieser Höhe gegen den anderen Schuldner.

Anrechnung bei personenverschiedenen Gläubigern

In der Praxis kommt es oft vor, dass auf Seiten des Gläubigers mehrere Personen stehen, etwa bei einer Familienreise. Dass Vertragspartner und Fluggast nicht identisch sind, ist ein vom Schuldner nicht zu beeinflussender Umstand. Mehrere Gläubiger führen weder zu einem Rechtsverlust des Schuldners, noch zu einer überkompensierenden Kumulierung von Ansprüchen auf Seiten der Gläubiger. Die Personenverschiedenheit von Gläubigern hindert daher eine Anrechnung nicht.

Anrechnungszeitpunkt

Ein Anspruch wird erst angerechnet, wenn er erfüllt ist. Artikel 12 Abs.1 Satz 2 der Verordnung spricht insoweit von "gewährten" Ausgleichsleistungen.Nur im Erfüllungsfall ist der Fluggast ausreichend entschädigt, weitere Leistungen würden zur Überkompensation führen. Nur im Erfüllungsfall ist es gerechtfertigt, den Schuldner von der Leistungspflicht zu befreien. Im Fall von Personenverschiedenheit der Schuldner erfolgt eine Befreiung mit der Folge, dass der Fluggast sich sodann mit dem anderen Schuldner, zu dem vertragliche Bindungen bestehen, im Regressweg auseinandersetzen muss.

Der Anrechnung unterliegende Ansprüche

Es muss gegen den anrechnungsberechtigten Schuldner auch ein der Anrechnung unterliegender Anspruch geltend gemacht werden, und dieser muss anrechenbar sein.

Zahlungsansprüche

Anrechnende Ansprüche müssen Zahlungsansprüche sein. Nicht auf Zahlung gerichtete Ansprüche können nicht angerechnet werden, für sie stellt sich im Rahmen der Konkurrenz die Frage der Kumulierung oder Verdrängung. Daher kommen primär Ausgleichsleistungsansprüche nach Artikel 7 in Betracht, zudem Schadensersatzansprüche wegen nichterfüllter Ausgleichs-, Unterstützungs-, und Betreuungsleistung, sowie Ansprüche im Fall des Downgrading in betracht. Ebenso Schadensersatz-, Aufwendungsersatz- und Minderungsansprüche aus dem Luftbeförderungsvertrags- und Pauschalreiserecht in Frage.

Anspruchshöhe

Abs.1 Satz 1 lässt die weitergehenden Ansprüche unberührt. Es kommt für die Anrechnung aber nicht darauf an, dass der anzurechnende Anspruch den geltend gemachten Anspruch betragsmäßig nicht übersteigt. Teilweise wird daher unter "weiter gehender Schadensersatz" eine inhaltliche, und keine betragsmäßige Definition gesehen. Damit ist, wenn der konkrete Schadensersatz aus einem Rechtsgrund die pauschale Ausgleichsleistung nach der VO betragsmäßig überschreitet, höchstens dieser Schadensersatz geschuldet. Wenn dagegen die pauschale Ausgleichsleistung nach der Verordnung betragsmäßig den konkreten Schadensersatz aus einem anderen Rechtsgrund überschreitet, ist die Ausgleichsleistung geschuldet, diese bildet dann den Höchstbetrag der Ersatzleistung.

Anrechnung bei Ausgleichsleistungsansprüchen nach Artikel 7

Anrechnung bei Ausgleichsleistungs- und Schadensersatzansprüchen
Anrechnung von Ausgleichsleistungen auf Schadensersatz

Dass eine Ausgleichsleistung nach der VO auf auf dem selbem Haftungsgrund beruhenden, aber aus einer anderen Rechtsgrundlage stammenden Schadensersatz angerechnet werden kann, ist der einzige von Artikel 12 ausdrücklich geregelte Anrechnungsfall. Auf welche Schadensersatzansprüche aus anderen Rechtsgrundlagen die Ausgleichsleistung angerechnet werden kann, richtet sich danach, ob sie aus demselben Haftungsgrund einen Nachteil entschädigen, der auch nach der VO entschädigt wird. Unerheblich ist, ob die Ansprüche materielle oder immaterielle Nachteile ersetzen. Artikel 7 und 8 gewähren Ausgleichsleistungen und Ersatzbeförderung nebeneinander.

Anrechnung von Schadensersatz auf Ausgleichsleistungen

Teilweise wird angenommen, dass eine Anrechnung nur in eine Richtung erfolgen dürfte (s.o.), nicht aber wechselseitig. Dies wird jedoch überwiegend abgelehnt. Ausgleichsleistungen nach der VO und Schadensersatz aus anderen Rechtsgrundlagen sind wechselseitig anzurechnen, wenn sie auf demselben Haftungsgrund beruhen, der Schadensersatz Nachteile kompensiert, die auch im Rahmen des Ausgleichsanspruchs kompensiert werden würden und einer dieser Ansprüche erfüllt ist. Im Wege analoger Anwendung des Artikel 12 Abs.1 Satz 2 ist auch Schadensersatz auf den Ausgleichsanspruch anzurechnen. Dabei ist irrelevant, ob der Schadensersatzanspruch betragsmäßig über den Ausgleichsanspruch hinausgeht oder zurückbleibt. Entweder kann keine Ausgleichsleistung verlangt werden, oder es ist nur noch der verbleibende Differenzbetrag geschuldet. Der BGH lässt inzwischen auch eine Anrechnung von Schadensersatz auf Ausgleichsleistungen zu.

Anrechnung bei Ausgleichs- und Minderungsansprüchen

Es ist anerkannt, dass Artikel 12 weit auszulegen ist, und neben Schadensersatz- auch Minderungsansprüche umfasst. Der "weitergehende" Schadensersatz umfasst jeden Anspruch, der eine Kompensation für die durch die Nicht- oder Schlechterfüllung der Verpflichtung zur Luftbeförderung erlittenen Nachteile gewähre, wobei es sich nicht um einen Vermögensschaden, sondern einen immateriellen Schaden handeln könnte. Die Minderung gewährt regelmäßig einen Ausgleich für entstandenen Unannehmlichkeiten. Dies hat auch die Entscheidung des BGH gezeigt: Minderung als weitergehender Schadensersatz BGH X ZR 126/13.

Anrechnung bei Ausgleichs- und Aufwendungsersatz

Für die Anrechnung kommt es nicht auf Benennung und Qualifizierung des Anspruchs als Schadensersatz im deutschen Recht an, sondern darauf, ob der Anspruch Nachteile aus den gleichen Haftungsgründen wie die VO kompensiert. Dies gilt bei Minderungsansprüchen ebenso wie bei Ausgleichsansprüchen. Ausgleichsleistung und Aufwendungsersatz sind wechselseitig anwendbar.

Anrechnung bei nicht auf Ausgleichsleistungen gerichteten Ansprüchen nach der VO

Anrechnung bei Erstattungsansprüchen nach Artikel 8 Abs.1 lit a

Diese Ansprüche werden bei einer Flugpauschalreise durch pauschalreiserechtliche Ansprüche verdrängt. Erstattungsansprüche auf beförderungsvertraglicher Grundlage verdrängen den Anspruch aus Artikel 8 Abs.1 lit a nicht. Die Erstattung des Reisepreises kann jedoch nicht doppelt verlangt werden. Die Erfüllung eines Erstattungsanspruchs führt zur Erfüllung des anderen.

Anrechnung bei Erstattungsansprüchen nach Artikel 10 Abs. 2

Erstattungsansprüche bei Downgrading sind pauschalisierte Minderungsansprüche. Bei Pauschalreisen muss Artikel 8 Abs.2 analog angewendet werden, ansonsten Artikel 10 Abs. 1 analog. Dies hat auch die Entscheidung des BGH gezeigt: Minderung als weitergehender Schadensersatz BGH X ZR 126/13.

Anrechnung bei Schadensersatzansprüchen wegen Nichterfüllung von Ansprüchen nach der VO

Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllen von Ansprüchen nach der VO unterstehen nach dem EuGH direkt dem Artikel 12 der VO. Sind diese Ansprüche erfüllt, kann das Geleistete auf die aus demselben Haftungsgrund geschuldeten Schadens- und Aufwendungsersatzansprüche nach §§280ff oder §§ 677,683 BGB angerechnet werden. Dies gilt auch wechselseitig.

Anrechtungserklärung

Eine Anrechnung wird erst mit einer entsprechenden eindeutigen Erklärung wirksam. Liegt eine Anrechnungslage vor, und hat der Schuldner die Anrechnung rechtmäßig erklärt, ist das Gericht daran gebunden.

Wirkung der Anrechnung

Die wirksame Anrechnung erfolgt durch Abzug der anzurechnenden von der geltend gemachten Forderung. Mit der Anrechnung erlischt der gegen den Schuldner geltend gemachte Anspruch im Umfang zu dem anzurechnenden Anspruch. Diese Wirkung entspricht der Aufrechung im BGB. Eine Pflicht zum Leisten des Differenzbetrages besteht.

Ausschluss der Anrechnung

Nach Artikel 12 Abs.2 gelten Konkurrenz- und Anrechnungsregeln des Artikel 12 nicht, wenn der Fluggast freiwillig auf seine Buchung verzichtet hat. Dann richten sich Konkurrenzfragen nach de nationalen Recht. Nach Deutschem Recht liegt in der Regel eine Vertragsänderung vor, die Schadensersatzansprüche ausscheiden lässt.

AGB Klauseln

Soweit in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die über die Verordnung hinausgehenden Schäden begrenzt werden, ist dies für den Fall der Nichtbeförderung nach §§309 Nr. 7 und 8 GB unwirksam, da die Fluggesellschaft bei einer Überbuchung willentlich die Nichtbeförderung des Fluggastes in Kauf nimmt. Bei groben Verschulden ist eine Haftungsbeschränkung nicht möglich.

Bonusmeilen

Der als Minderung gewährte Rückerstattungsanspruch hinsichtlich verwendeter Bonusmeilen stellt sich als kein Anspruch dar, der nach Artikel 12 anzurechnen ist.

Verzugsschäden

Verzugsschäden, die sich dadurch ergeben, dass ein Luftfahrtunternehmen seiner Verpflichtung zur Zahlung nicht nachkommt, stellt keinen weitergehenden Schadensersatz dar, da er nicht auf einer Annullierung, Verspätung oder Nichtbeförderung beruht.

Luftfahrtuntypsische Ereignisse

Der Anspruch zur Zahlung kann entfallen, wenn der Haftungsgrund auf luftfahrtuntypsischen Ereignissen beruht. Schuldhafte Pflichtverletzungen außerhalb luftfahrtspezifischer Risiken sind zum Beispiel der Sturz auf einer Betontreppe am Flughafen, oder das verbrühen eines Reisenden mit heißen Getränken.


Siehe auch

Minderung als weitergehender Schadensersatz BGH X ZR 126/13