Anschlussflug verpasst - Rechte

Aus PASSAGIERRECHTE
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Die europäische Fluggastrechteverordnung VO (EG) Nr. 261/2004 bietet Flugreisenden eine Rechtsgrundlage für Ausgleichszahlungen und Betreuungsleistungen im Falle einer Nichtbeförderung oder Verspätung. Eine Flugreise beginnt an ihrem Ausgangsort und endet am Zielort. In der Zwischenzeit liegen in vielen Fällen Zwischenstopps auf Flughäfen, die nicht Ziel der Reise sind. Flüge teilen sich in Teilstrecken bzw. Zubringer auf, die nicht immer mit Flugzeugen des eigentlich gebuchten Flugunternehmens ausgeführt werden. Hier ergeben sich problematische Fallgestaltungen, wenn es zu einer Verspätung kommt, weil ein Anschlussflug verpasst wurde.

Rechtslage

Regelung nach deutschem Recht

Nach deutschem Recht wird eine Verzögerung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch bewertet. Danach ist das Versäumen der planmäßigen Abflugzeit das Verzögerung der Leistung anzusehen, die ohne weiteres zum Eintritt des Verzuges führt, da die Leistungszeit exakt bestimmt ist (§ 286 Abs. 2 Ziffer 1 BGB). Der Vermögensschaden der durch die Verzögerung eingetreten ist, ist dann zu ersetzen (vgl. AG Frankfurt am Main, Urt. v. 25.10.2013, 30 C 1377/13 (47)).

Regelung in der europäischen Fluggastrechteverordnung

Maßgeblich ist die europäische Fluggastrechteverordnung VO (EG) Nr. 261/2004 als Rechtsgrundlage für die Rechte eines Flugreisenden, wenn er seinen Anschlussflug verpasst hat.

Entscheidende Norm nach der Verordnung VO (EG) Nr. 261/2006 ist Art. 7 Abs. 1 Satz 2. Danach heißt es: "Bei der Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt."

Inwieweit dazu auch ein verpasster Anschlussflug gezählt werden kann, ist von der Rechtsprechung diskutiert und entwickelt worden.

Nichtbeförderung und Verspätung

Nach mittlerweile gefestigter herrschender Rechtsprechung (vgl. EuGH, Urt. v. 19.11.2009, C-402/07 und C-432/07 – Sturgeon) haben nicht nur Fluggäste annullierter Flüge, sondern auch Fluggäste verspäteter Flüge den in Art. 7 VO (FG) Nr. 261/2004 geregelten Entschädigungsanspruch, wenn sie infolge der Verspätung einen Zeitverlust von drei Stunden und mehr erleiden, d.h. ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der vom Luftverkehrsunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen, der Anspruch nicht voraussetzt, dass sich der Abflug um die in Art. 6 Abs. 1 lit. a- c genannten Zeiten verzögert (vgl. EuGH, Urt. v. 26.2.2013, Rs. C-11/11 – Folkerts, RRa 2013, 78).

Für die Bestimmung des Umfangs der Ausgleichsleistungen nach der Fluggastrechte-Verordnung (VO-EG Nr. 261/2004) ist gemäß Art. 7 auch die Entfernung zwischen Abflugort und Endziel relevant. Diese wird nicht nur bei Direktflügen, sondern auch bei Anschlussflügen nach der Großkreismethode berechnet, so dass es nur auf die Distanz zwischen dem ersten Abflugort und dem ndziel ankommt (EuGH, Urt. v. 07.09.2017, Rs. C-559/16).

Frühere Rechtsprechung

Nach der früheren Rechtsprechung stand einem Fluggast, der einen Flug wegen eines verspäteten Zubringerfluges nicht erreichte, kein Anspruch auf eine Ausgleichsleistung wegen Nichtbeförderung aus der europäischen Fluggastrechteverordnung zu. Zubringerflug und Anschlussflug sind danach isoliert zu betrachten (vgl. LG Berlin, Urt. v. 20.09.2011, 85 S 113/11; AG Wedding, Urt. v. 31.03.2011, 8a C 10/10); insbesondere dann, wenn die verschiedenen Flüge von unterschiedlichen Luftfahrtgesellschaften ausgeführt werden (vgl. AG Wedding, Urt. v. 16.04.2012, 16 C 617/12).

Eine rein faktische Nicht-Weiter-Beförderung, z. B. wegen Verspätung des Zubringerflugs würde nicht ausreichen, um eine Nichtbeförderung im Sinne des Art. 2 lit. j VO anzunehmen. Denn unter einer Nichtbeförderung versteht man zunächst einmal die Weigerung, den Passagier mit dem gebuchten Flug zu seinem Endziel zu bringen, obwohl dieser sich untere den Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 am Flugsteig eingefunden hat. Diese Voraussetzungen sind, dass der Passagier eine bestätigte Buchung für die Beförderung besitzt,sich entweder zur angegebenen Zeit oder wenn keine Zeit angegeben ist mindestens 45 Minuten vor dem planmäßigen Abflug an der Abfertigung befindet und schlussendlich dem Passagier der Einstieg gegen seinen Willen verweigert werden und das Luftfahrtunternehmen dafür keine vertretbaren Gründe nennen kann. Es ergibt sich bereits aus dem Wortlaut, dass der Begriff der Weigerung ein bewusstes Zurückweisen des Passagiers impliziert, der sich mit einer bestätigten Buchung und rechtzeitig zur Flugabfertigung eingefunden hat (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 29.05.2008, 16 U 36/08).Dabei ist zu beachten das dem Fluggast der Einstieg in die Maschine durch ein aktiv zurückweisendes handeln des Bodenpersonals verwehrt werden muss ( BGH, Urteil vom 30.04.09, Xa ZR 78/08). Die Weigerung muss dem Passagier gegenüber zum Ausdruck gebracht werden (BGH, Urteil vom 16.04.13, Az. X ZR 83/12). Wenn ein Fluggast also erst nach Beendigung des Einsteigevorgangs am Flugschalter zur Abfertigung erscheint und wird ihm die Abfertigung nicht aktiv verweigert so liegt keine Nichtbeförderung vor.

Auch die Entstehungsgeschichte der Verordnung wurde als Anhaltspunkt genutzt, um den Ausgleichszahlungsanspruch im Falle des Verpassens eines Anschlussfluges zu verneinen. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht dagegen, Art. 4 Abs. 3 VO auf die Fälle anzuwenden, in denen es aufgrund einer verspäteten Ankunft am Zwischenziel zu einem Nichterreichen des Anschlussflugs kommt; vielmehr regelt Art. 4 Abs. 3 VO lediglich die Ausgleichsleistung bei Nichtbeförderung wegen Überbuchung. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 hat die Verordnung (EWG) Nr. 295/91 des Rates vom 4.2.1991 über eine gemeinsame Regelung für ein System von Ausgleichsleitungen bei Nichtbeförderung im Linienflugverkehr abgelöst, die nach ihrem eindeutigen Wortlaut ausschließlich die Fälle der Nichtbeförderung wegen Überbuchung erfasst hat. Sie hat dabei den Anwendungsbereich der alten Verordnung erweitert, ihn jedoch nicht auf die Fälle des Nichterreichens des Anschlussflugs wegen verspäteten Eintreffens des Zubringerflugs ausgedehnt(vgl. OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 29.05.2008, 16 U 36/08).

Die Ausgleichzahlungen wurden zum Teil nicht komplett versagt, jedoch nur auf die komplette Flugreise bezogen. Sofern auf einem Teilabschnitt einer Gesamtflugleistung eine Verspätung eintritt, kann ein Ausgleichanspruch gem. Art. 7 Abs. 1 VO (EG) Nr. 261/2004 nur bezüglich dieser Teilstrecke geltend gemacht werden (vgl. AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 01.06.2012, 9 C 138/12).

Aktuelle und höchstrichterliche Rechtsprechung

Nach der aktuellen und höchstrichterlichen Rechtsprechung steht den Fluggästen eines verspäteten, nach Art. 3 Abs. 1 VO (EG) Nr. 261/2004 in den Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung fallenden Fluges ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 VO (EG) Nr. 261/2004 zu. Dazu muss der Fluggast sein individuelles Endziel infolge der Verspätung von mindestens drei Stunden erreichen. Dies gilt auch, wenn die verspätete Ankunft am Endziel darauf beruht, dass infolge der Flugverspätung ein selbst nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallender oder selbst nicht verspäteter Anschlussflug verpasst wird (vgl. BGH, Urt. v. 07.05.2013, X ZR 127/11).

Flug i.S.d. europäischen Fluggastrechteverordnung

Flug i.S.d. Verordnung ist, wie der Bundesgerichtshof im Einzelnen begründet hat, der Luftbeförderungsvorgang, mit dem ein Luftverkehrsunternehmen die Gesamtheit der Fluggäste dieses Luftbeförderungsvorgangs auf einer von ihm angebotenen und zur Buchung zur Verfügung gestellten Flugroute von dem Startflughafen zum Landeflughafen befördert (BGH, Urt. v. 13.11.2012, X ZR 12/12).

Nichtbeförderung i.S.d. europäischen Fluggastrechteverordnung

Ein Fall der Nichtbeförderung i.S.d. europäischen Fluggastrechteverordnung liegt auch dann vor, wenn bei einem aus mehreren Reiseabschnitten bestehenden Flug ein Flugabschnitt so verspätet durchgeführt wird, dass der Reisende seinen bei derselben Gesellschaft gebuchten Anschlussflug verpasst und erst Stunden später auf einem anderen Flug befördert wird.

Wenn eine Luftfahrtgesellschaft einen Flug mit mehreren Teilstrecken anbietet, so muss sie auch dafür sorgen, dass am Umsteigeflughafen genügend Zeit zum Erreichen des nächsten Fluges vorhanden ist. Dafür gibt es eine sog. „minimum connecting time“ für jeden Flughafen, der bei der Zusammenstellung von Teilstrecken berücksichtigt werden muss. Ein Luftfahrtunternehmen hat nur dann einen verpassten Anschlussflug nicht zu vertreten, wenn solche Umstände vorliegen, die sich auch unter Anwendung sämtlicher zumutbarer Maßnahmen nicht hätten vermeiden lassen (vgl. AG Frankfurt am Main, Urt. v. 25.08.2008, 29 C 884/08-21).

Verspätung am Endreiseziel

Die Abflugverspätung ist keine Voraussetzung für einen Anspruch auf Ausgleichszahlung. So wie Fluggästen aufeinander folgender Flüge Ausgleichsleistungen wegen Nichtbeförderung zu erbringen sind, wenn diese auf eine vom Luftfahrtunternehmen zu vertretende Verspätung des ersten Fluges zurückzuführen ist, gilt des auch entsprechend, wenn der Anschlussflug wegen Verspätung des Zubringerfluges nicht erreicht werden konnte (vgl. AG Frankfurt am Main, Urt. v. 13.12.2011, 29 C 655/12 (11)).

Der Unionsgerichtshof nimmt bei verspäteten Flügen für den Ausgleichsanspruch nur die verspätete Ankunft in den Blick. Mit der Schaffung eines von der Verordnung nicht vorgesehenen Tatbestands der Ankunftsverspätung hat dies nichts zu tun. Vielmehr entspricht es dem Regelungskonzept der Fluggastrechteverordnung, dass es bei einem erheblich verspäteten Flug für die am Abflugort zu erbringenden Unterstützungsleistungen nach den Art. 8 und 9 VO (EG) Nr. 261/2004 auf die Abflugzeit, beim Ausgleichsanspruch aber nicht anders als bei der Annullierung auf die für das Maß der Beeinträchtigung maßgebliche Ankunftszeit ankommt (vgl. EuGH, Urt. v. 26.02.2013, C-11/11). Maßgeblich ist also der letzte Zielort oder das Endziel i.S.v. Art. 2 lit. h VO, an dem der Fluggast infolge der Verspätung später als zu geplanten Ankunftszeit ankommt (vgl. LG Berlin, Urt. v. 15.10.2013, 54 S 22/13).

Das Endziel einer Flugreise bestimmt sich nach dem Flugschein. Für eine Ausgleichszahlung nach der europäischen Fluggastrechteverordnung bei einer Verspätung wegen eines verpassten Anschlussfluges kommt es nicht darauf an, wo die Ursache für die Verspätung liegt. Es kommt nicht darauf an, wo die Flüge gewechselt werden sollten und ob sich dieser Ort noch innerhalb der europäischen Union befindet. Maßgeblich ist der Umstand, dass das Luftfahrtunternehmen den Zubringerflug verspätet durchgeführt hat und der Fluggast deswegen seinen nächsten Anschlussflug verpasst hat (vgl. LG Frankfurt am Main, Urt. v. 26.07.2013, 2-24 S 147/12).

Einheitliche Buchung

Maßgeblich dafür, dass bei einem verpassten Anschlussflug die Verspätung am Endziel der Flugreise zählt, ist, dass die Flugreise mit seinen Teilstrecken als Einheit gebucht wurde und der Fluggast entsprechend vor Beginn der Reise abgefertigt wurde. Wenn eine Reise gemeinsam gebucht wird, ist für alle erkennbar, dass es sich um eine Reise handelt, die aus mehreren Teilstrecken besteht. Auch die Selbstständigkeit von Flügen ändert nichts daran, dass nach Art. 7 Abs. 1 S. 2 VO (EG) Nr. 261/2004 für die Beurteilung der Frage, ob die Verspätung den für eine Ausgleichszahlung vorausgesetzten Umfang erreicht hat und in welcher Höhe hier für ein Ausgleich zu erbringen, nicht das Ziel des einzelnen Fluges sondern, sondern der letzte Zielort oder (gleichbedeutend) das Endziel i.S.v. Art 2 lit. h VO maßgeblich ist, an dem der Fluggast infolge der Verspätung später als zur geplanten Ankunftszeit ankommt. Dafür muss auf dem Flugschein das Endziel angegeben sein und der Flugschein muss ein Einheitlicher vom Ausgangsort bis zum Endziel sein (vgl. EuGH, Urt. v. 04.10.2012, C-321/11).

Bei einem einheitlich gebuchten Flug schuldet das Luftfahrtunternehmen bei einer Umsteigeverbindung auch die Weiterbeförderung mit dem Anschlussflug. Ein Luftfahrtunternehmen hat Umsteigeverbindungen, die bei einheitlichem Flugschein in mehreren Abschnitten erfolgen, so anzubieten, dass grundsätzlich genügend Zeit zum Umsteigen bleibt. Wenn es zeitlich knapp wird, hat das Luftfahrtunternehmen Vorkehrungen zu treffen, dass der Fluggast seinen Anschlussflug noch erreichen kann. Dieses kann beispielsweise einen beschleunigten Transfer oder ein länger offenes Boarding realisiert werden (vgl. LG Leipzig, Urt. v. 10.11.2008, 6 S 319/08).

Anschlussflüge außerhalb der EU

Rechtsprechung in Deutschland

Bei der einheitlichen Buchung einer Flugreise, die ausgehend vom einem Flughafen in der EU über einen Flughafen außerhalb der EU in einen weiteren Drittstaat führt, ist fraglich, ob der Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet ist, so dass Ausgleichsleistungen bei Verspätung am Endzielort beansprucht werden können (siehe auch: Verspätung bei Anschlussflügen).

Grundsätzlich ist nach Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteile vom 13.11.2012, Az.: X ZR 14/12, X ZR 12/12) die Anwendbarkeit auch bei einer einheitlichen Buchung für jeden Flug gesondert zu prüfen, sofern das ausführende Luftverkehrsunternehmen kein "Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft" ist (Art. 3 Abs. 1 VO-EG 261/2004).

Sofern der verspätete Anschlussflug außerhalb der EU startet und nicht von einem Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ausgeführt wird, ist der Anwendungsbereich nicht eröffnet. Die einheitliche Buchung der Flugreise selbst erweitert den Anwendungsbereich der Verordnung nicht (BGH, Urteile vom 13.11.2012, Az.: X ZR 14/12, X ZR 12/12, AG Königs-Wusterhausen 20.07.2017 Urteil AZ 4 C 390/17). Folglich ist der Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 gemäß Art. 3 Abs. 1 bei einer einheitlichen Flugreise zwar für den Flug vom EU-Flughafen ins Nicht-EU-Ausland eröffnet. Sofern dieser aber für sich genommen eine gemäß der Verordnung nur geringfügige Verspätung hat, kann Hinsichtlich des Nichterreichens des Folgefluges für die Anwendbarkeit der Verordnung nicht an den ersten Flug angeknüpft werden (AG Hamburg, Urteil v. 12.12.2014, Az.: 36a C 338/14).

Eine entsprechende Erweiterung des Anwendungsbereiches durch Anknüpfung an den Erstflug wird jedoch teilweise auch bejaht (LG Frankfurt am Main, Beschluss v. 26.03.2013, Az.: 2-24 S 16/13, LG Berlin, Beschluss vom 29.05.2017, Az.: 51 S 15/17).

Rechtsprechung des EuGH

Der EuGH hat entschieden, dass eine Gesamtheit bzw. Einheitlichkeit von mindestens zwei Flügen als Gegenstand einer einzigen Buchung vom Begriff des Fluges gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. a. VO-EG Nr. 261/2004 erfasst ist (EuGH, Urt. v. 26. 02.2013, Rs. C-11/11). Bucht ein Passagier also bei einer Fluggesellschaft beispielsweise einen Flug von Berlin nach Agadir (Marokko) mit planmäßiger Zwischenlandung mit Umstieg in Casablanca (Marokko), so handelt es sich bei dem ersten Flug und dem direkten Anschlussflug zum Endzielort zusammengenommen um einen einheitlichen "Flug" i.S.d. Verordnung (EuGH, Urt. v. 31.05.2018, Rs. C-537/17). Da dieser Flug seinen Anfang innerhalb der EU genommen hat, so bestehen bei verspäteter Ankunft am Zielflughafen, die sich erst aus Problemen mit dem Anschlussflug entwickelt, Ansprüche des Passagiers nach der Verordnung (siehe o.g. Urteil).

Durchführendes Luftfahrtunternehmen bei uneinheitlicher Buchung

Verspätung des Zubringerflugs

Liegt keine einheitliche Buchung der Flugreise vor, so ist fraglich, ob und wenn ja, welches Luftfahrtunternehmen den Passagier für eine Verspätung zu entschädigen hat. Verspätet sich ein Zubringerflug derart, dass der bei einer Dritten Fluggesellschaft gebuchte Anschlussflug nicht erreicht wird und kommt es so zu einer wesentlichen Verspätung am Endziel, ist fraglich, ob ein Anspruch besteht. Die Verspätung des Zubringerfluges ist der Grund dafür, dass der Fluggast den Anschlussflug nicht rechtzeitig erreichen kann. Es kann nicht darauf ankommen, ob beide bzw. alle Flüge von demselben oder von verschiedenen Luftfahrtunternehmen ausgeführt werden, da die Auswirkungen auf den Fluggast letztendlich dieselben sind. Würde man den Ausgleichsanspruch hinsichtlich des ersten Fluges z.B. mangels für einen Ausgleichsanspruch unerheblicher Verspätung ablehnen, bestünde ferner mangels tatsächlicher Verspätung des Anschlussfluges ebenfalls kein Anspruch gegen die dritte Fluggesellschaft. Damit ergäbe sich die Gefahr einer Entschädigungslücke für den Fluggast. Hierdurch böte sich der Luftfahrtindustrie z.B. die rechtliche Möglichkeit, im Rahmen von Kooperationen, gezielt Zubringer und Anschlussflüge unterschiedlicher Luftfahrtunternehmen miteinander zu kombinieren, um so Entschädigungsansprüche faktisch auszuschließen (LG Berlin, Urt. v. 23.04.2015, Az.: 57 S 18/14). Daher ist die Verspätung am Endziel relevant. Es besteht bei erheblicher, d.h. mehr als dreistündigen Verspätung am Endziel grundsätzlich ein Ausgleichsanspruch.

Gegen welche Fluggesellschaft besteht der Ausgleichsanspruch?

Für den Ausgleichsanspruch des Passagiers ist konsequenter Weise die Fluggesellschaft zuständig, die "ausführendes“ und damit hinsichtlich des verspäteten Zubringerflugs verantwortliches Luftfahrtunternehmen (Art. 5 Abs. 1c, 7 Abs. 1c VO-EG 261/2004) war. Wenn der Anschlussflug durch eine dritte Fluggesellschaft als „verantwortliches Luftfahrtunternehmen“ ausgeführt wird, vom Passagier auch bei dieser gebucht wurde und keinerlei Verbindung zwischen den Fluggesellschaften, beispielsweise durch sog. „Code-Sharing“ oder durch die Firmenstruktur besteht, ist grundsätzlich jeder Flug gesondert zu betrachten. Jedes Luftfahrtunternehmen, das bei einer mehrteiligen Flugreise einen der Teilflüge durchführt, ist für den jeweils durchgeführten Flug selbst als „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ anzusehen (Art. 2 lit. b u. h der Verordnung). Zur Vermeidung einer Doppelentschädigung des Passagiers, muss sich sein Entschädigungsanspruch gegen dasjenige "ausführende Luftfahrtunternehmen" richten, in dessen Risikosphäre letztlich die verspätete Ankunft am Zielort fällt. Sofern der Passagier in Folge des verspäteten Zubringerfluges den planmäßig startenden Anschlussflug verpasst, fällt die verspätete Ankunft am Endziel also allein in die Risikosphäre des Luftfahrtunternehmens, das den Zubringerflug durchgeführt hatte (LG Berlin, Urt. v. 23.04.2015, Az.: 57 S 18/14).

Ausschluss des Anspruchs

Beruht die Verspätung des Zubringerfluges auf einem Außergewöhnlichen Umstand, so kann der Ausgleichsanspruch ausgeschlossen sein. Dafür muss das ausführende Luftfahrtunternehmen aber darlegen, dass das auf der Verspätung beruhende Verpassen des Anschlussfluges der Passagiere unvermeidbar war.

Dabei muss erkennbar werden, dass der Fluggesellschaft unbekannt war, dass der Passagier den Anschlussflug erreichen mussten. Denn sofern sie informiert war, war die Fluggesellschaft nämlich verpflichtet, alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um dem Passagier das Erreichen des Anschlussfluges zu ermöglichen. Da es nicht unüblich ist, dass Fluggesellschaften im Einzelfall dazu bereit sind, bei Anschlussflügen in begrenztem zeitlichem Umfang auf einzelne Passagiere zu warten, kann gefordert werden, dass die dritte, den Anschlussflug durchführende Fluggesellschaft von der Verspätung informiert wird (LG Berlin, Urt. v. 23.04.2015, Az.: 57 S 18/14). Auch ein Direkttransfer des betreffenden Passagiers unmittelbar über das Flugfeld oder auch nur einen beschleunigten Transfer zum Gate kommen in Betracht. Dabei ist es unerheblich, ob durch diese Maßnahmen die Verspätung noch verhindert werden konnte. Es ist alleine entscheidend, ob das entschädigungspflichtige Flugunternehmen vorliegend alles Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um die Ankunftsverspätung am Endziel abzuwenden. Solange der Anschlussflug noch nicht gestartet ist besteht nämlich noch eine Chance dafür (ebenfalls LG Berlin, Urt. v. 23.04.2015, Az.: 57 S 18/14).

Sonstiges

In einem solchen Fall kann der Fluggast auch im Wege des Schadensersatzes die Zahlung der Tarifdifferent verlangen, wenn er auf dem Anschlussflug aufgrund der Verspätung nicht mehr in der gebuchten, sondern nur noch in einer niedrigeren Beförderungsklasse befördert werden kann (vgl. AG Frankfurt am Main, Urt. v. 21.12.2007, 32 C 1003/07-22). Durch einen verpassten Anschlussflug besteht noch kein Ausgleichsanspruch wegen Nichtbeförderung gegen das den Anschlussflug durchführende Luftfahrtunternehmen ergebe. Dafür reiche eine faktische Nichtbeförderung nicht aus, da der Anschlussflug planmäßig stattgefunden habe. Vielmehr seien Ansprüche wegen Versäumens eines Anschlussfluges wegen Annullierung bzw. Verspätung eines Zubringerfluges gegen jenes Luftfahrtunternehmen zu richten, welches den Zubringerflug durchgeführt bzw. durchzuführen beabsichtigt habe (vgl. LG Linz, Urt. v. 24.02.2011, 14 R 120/10f).

Einer differenzierten Betrachtung bedingt nur der Fall, wenn nicht der Zubringerflug verspätet ist, sondern der Anschlussflug. In solchen Fällen hat der BGH die Rechtsprechung der Kammer bestätigt, dass zwischen den Flügen zu differenzieren und deshalb zu prüfen ist, ob der Weiterflug in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt (vgl. BGH, Urt. v. 13.11.2012, X ZR 12/12). Hier ist auch ein Wechsel des Luftfahrtunternehmens beachtlich.

Weblinks

http://www.welt.de/reise/article138854284/Anschlussflug-verpasst-was-Passagieren-zusteht.html

http://www.merkur.de/reise/reisetipps/anschlussflug-verpasst-tipps-betroffene-1912854.html

http://www.focus.de/reisen/flug/aerger-beim-fliegen-anschlussflug-verpasst-wer-haftet_aid_446857.html

http://www.n24.de/n24/Wissen/Reise/d/3655886/kein-anspruch-auf-entschaedigung.html

http://www.n-tv.de/ratgeber/Reisende-werden-entschaedigt-article10197756.html

http://www.flugrechte.eu/index.php?qa=2695&qa_1=anschlussflug-versp%C3%A4tung-umgebucht-zielgflughafen-gelandet

http://www.flugrechte.eu/index.php?qa=1471&qa_1=zwischenlandung-ausgleichszahlung-fluggastverordnung

http://www.flugrechte.eu/index.php?qa=3050&qa_1=anschlussflug-lufthansa-schadensersatz-germanwings-lufthansa

http://www.flugrechte.eu/index.php?qa=2712&qa_1=flugversp%C3%A4tung-umgebucht-ankunft-versp%C3%A4tung-anspr%C3%BCche-richten

Urteil zum Anschlussflug

In dem Urteil vom europäischen Gerichtshof vom 31. Mai 2018 ging es um das Schadensersatzbegehren einer Passagierin, welche einen Flug bei Royal Air Maroc SA von Berlin nach Agadir (Marokko) mit Zwischenstopp in Casablanca (Marokko) gebucht hat. In Casablanca sollte ein planmäßiger Zwischenstopp mit Wechsel des Fluggeräts erfolgen. Allerdings kam es bereits beim Abflug in Berlin zu einer Verspätung. Nach Ankunft der Passagierin in Casablanca wurde ihr von Royal Air Maroc die weitere Beförderung verweigert, mit der Begründung, dass ihr Sitzplatz anderweitig vergeben wurde. Schlussendlich musste die Passagierin ihre Reise mit einer anderen Maschine der Royal Air Maroc fortsetzen und kam im Zielort mit einer Verspätung von vier Stunden an. Die Passagierin hat daraufhin von Royal Air Maroc eine Ausgleichsleistung wegen der Verspätung verlangt. Royal Air Maroc verweigerte die Zahlung jedoch, mit der Begründung, dass es keinen Ausgleichsanspruch nach der Verordnung Nr. 261/2004 habe.

Problem des Falls

Daraufhin wurde von der Passagierin Klage beim Landgericht erhoben. Das Landgericht Berlin hat im folgenden dem europäischen Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Liegt ein Flug im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004 vor, wenn der Beförderungsvorgang eines Luftfahrtunternehmens planmäßige Unterbrechungen (Zwischenlandungen) außerhalb des Gebiets der Europäischen Union mit einem Wechsel des Fluggeräts enthält? Kernproblem war, dass es sich bei dem Transport von Berlin nach Casablanca um zwei Flüge handelte und der zweite Flug von einem Drittstaat (Marokko) ausging. Einmal von Berlin nach Casablanca und von Casablanca nach Agadir.

Entscheidung des europäischen Gerichtshofs

Der europäische Gerichtshof hat entschieden, dass der Klägerin ein Schadensersatzanspruch zusteht. Zunächst hat der europäische Gerichtshof festgestellt, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass diese Verordnung für eine Fluggastbeförderung gilt, die aufgrund einer einzigen Buchung erfolgt und zwischen dem Abflug von einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats und der Ankunft auf einem Flughafen im Gebiet eines Drittstaats eine planmäßige Zwischenlandung außerhalb der Union mit einem Wechsel des Fluggeräts umfasst. Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass ein Flug wie der zweite, der vollständig außerhalb der Union erfolgt ist, nicht unter die Verordnung Nr. 261/2004 fällt, wenn er als gesonderter Beförderungsvorgang angesehen wird. Wird hingegen eine Beförderung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende als Gesamtheit mit Abflugsort in einem Mitgliedstaat angesehen, ist die Verordnung anwendbar.

Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein (zusammenhängender) Flug vorliegt, wenn es sich bei den Anschlussflügen nicht um einen gesonderten Beförderungsvertrag handelt. Die Verordnung kann dann angewendet werden. Handelt es sich um einen gesonderten Beförderungsvertrag von einem Drittstaat kann die Verordnung nicht angewendet werden.