Flugangst als außergewöhnlicher Umstand

Aus PASSAGIERRECHTE
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Etwa 15 % der Deutschen leiden unter Flugangst. Dabei kommen auch Menschen, die sich vor den Gefahren des Fliegens in übersteigertem Maße fürchten, nicht umhin, gewisse Strecken mit dem Flugzeug zurückzulegen. Sofern ihre pathologische Angst sie dann zu einem Verhalten zwingt, dass den Flugbetrieb beeinträchtigt, könnte dies außergewöhnliche Umstände darstellen.

Hauptartikel: Außergewöhnliche Umstände

Flugangst Definition

Flugangst

  • Aviophobie, Aviaphobie
  • Angststörung vor dem Fliegen


Außergewöhnliche Umstände Definition

Außergewöhnliche Umstände (Definition anhand der Rechtsprechung des EuGH)

  • Ereignis, welches bei der gewöhnlichen Ausübung der Tätigkeit eine Fluggesellschaft (Organisations, bzw. Leistungsbereich) nicht eintritt und von dem Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen ist.
  • Tatsächlich unbeherrschbare Vorkommnisse sind solche, die von außen auf die Durchführung des Fluges einwirken.


Urteil des AG Erding vom 16.01.17, Az.: 3 C 2378/16

Inhalt

Im Urteil des AG Erding vom 16.01.17 mit dem Az.: 3 C 2378/16 geht es um die Problematik der Flugangst von Passagieren nach dem Auftreten eines technischen Defekts. Beruht die Flugangst auf dem Auftreten eines technischen Defekts so stellt dies keinen außergewöhnlichen Umstand dar. Eine solche Flugangst wäre nämlich nicht aufgetreten, wenn kein technischer Defekt vorgelegen hätte. Im vorliegenden Fall machten vier Fluggäste gegenüber dem Luftfahrtunternehmen ihre Ausgleichszahlungen geltend. Sie hatten einen Flug von München nach Antalya gebucht, welcher am 01.06.16 Antalya um 17:55 erreichen sollte. Der Flug hatte jedoch eine Verspätung und landete erst um 21:10 Ortszeit in Antalya. Das Luftfahrtunternehmen wollte eine Leistung von Ausgleichszahlungen verweigern, indem es sich auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen wollte. Nach der Darlegung des Luftfahrtunternehmens kam es zunächst zu einer Verspätung von 1 Stunde und 35 Minuten; da eine Motorkontrollleuchte des Flugzeugs bei der Vorbereitung des Fluges aufleuchtete. Aus diesem Grund musste die Steckverbindung überprüft und gesäubert werden. Dadurch wurde das technische Problem behoben. Der Flug hätte dann eigentlich starten können, jedoch wollte eine Familie dann das Flugzeug verlassen, auf Grund von Flugangst die wegen des bereits behobenen technischen Defekts aufgetreten sei. Das Gepäck dieser Familie musste daraufhin zunächst ausgeladen werden. Dies wiederrum hatte zu einer Verspätung von insgesamt drei Stunden geführt. Das Luftfahrtunternehmen legte dann dar, das jede Ursache für sich alleine genommen nicht zu einer Verspätung von 3 Stunden geführt hätte und das Luftfahrtunternehmen somit keine Ausgleichszahlungen leisten muss.

Tenor

Das Amtsgericht Erding sprach jedoch jedem der vier Fluggäste einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 400 Euro zu. Die Fluggäste haben ihr Endziel dessen Entfernung zwischen 1.500 und 3.500 km liegt mit einer Verspätung von drei Stunden erreicht und diese Verspätung beruht nicht auf außergewöhnlichen Umständen. Ein technischer Defekt kann schon einmal nicht als außergewöhnlicher Umstand angesehen werden, da ein solcher von dem Luftfahrtunternehmen beherrscht werden kann. Ein technischer Defekt kann auch dann nicht als ein außergewöhnlicher Umstand angesehen werden, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat. Ausschließlich dieser technischer Defekt hat bei den Passagieren Angstzustände erst ausgelöst. Nur deswegen wollten sie von der reise überhaupt erst zurücktreten. Darin liegt die Ursache der gesamten Verspätung. Gegen diese Entscheidung legte das Luftfahrtunternehmen Berufung ein beim LG Landshut. Begründet wurde die Berufung damit, dass es sich bei der Flugangst von Passagieren wie auch bei der Erkrankung von Passagieren um einen Umstand handelt, der vom Luftfahrtunternehmen nicht beherrscht werden kann und somit ein außergewöhnlicher Umstand anzunehmen sei, für den das Luftfahrtunternehmen nicht verantwortlich sei. Grundsätzlich befürwortete das LG Landshut diese Auffassung in ihrem Grundsatz. Dennoch muss hier beachtet werden, dass die Flugangst ausschließlich und unmittelbar durch den technischen Defekt am Flugzeug ausgelöst wurde. Das LG Landshut entschied, dass das Auftreten der Flugangst dann nicht mehr außergewöhnlich ist, wenn die Passagiere erst durch einen technischen Defekt am Flugzeug in eine Flugangst versetzt werden und aus diesem Grund nicht mehr mitfliegen wollen. Es ist davon auszugehen, dass die Angstzustände ohne das technische Problem gar nicht erst aufgetreten wären. Die Berufung wurde daraufhin von dem Luftfahrtunternehmen zurückgenommen.

Bewertung

Die Rechtsprechung zeigt, dass die ausführende Fluggesellschaft die Verantwortung für den reibungslosen Ablauf des Flugbetriebes trägt - sofern nicht von außen ein nicht beherrschbarer Umstand auf das Geschehen einwirkt. Das ist bei einem technischen Defekt grundsätzlich nicht der Fall, so dass keine außergewöhnliche Umstände vorliegen. Zwar sind Handlungen Dritter regelmäßig von außen einwirkende, nicht kontrollierbare Umstände, allerdings dann nicht, wenn die Fluggesellschaft gerade keine Unkontrollierbarkeit darlegen kann. Dies ist hier nicht möglich, da der technische Defekt, der die akute Flugangst der Passagiere auslöste, gerade in den Risikobereich der Fluggesellschaft fällt, die damit rechnen muss, dass Passagiere in solcher Weise reagieren.

Siehe auch