Hintergründe zum Anspruch wegen sinnlos aufgewendeter Urlaubszeit

Aus PASSAGIERRECHTE
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Definition

Stimmt die gebuchte Reise eines Reisenden nicht mit der anfänglichen Beschreibung überein, bzw. werden die anfänglich vereinbarten Voraussetzungen einer Reise nicht erfüllt, so kann es in solchen Fällen zu einer sinnlos aufgewendeten Urlaubszeit für den Reisenden kommen. Die sinnlos aufgewendete Urlaubszeit wird auch als nutzlos aufgewendete Urlaubszeit oder vertane Urlaubszeit bezeichnet. Unter allen diesen Begriffen ist ein Schadensersatzanspruch des Reisenden gegen den Reiseveranstalter zu verstehen. Gegenstand eines solchen Schadensersatzanspruches ist die Beeinträchtigung der Reise, die auf einen Mangel des Pauschalreisevertrages zurückzuführen ist. Bei dem Schadensersatzanspruch wegen sinnlos oder nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit handelt es sich um einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens. Ein solcher Anspruch besteht neben dem Anspruch auf Ersatz eines materiellen Schadens. Damit dem Reisenden jedoch überhaupt ein Anspruch wegen sinnlos oder nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit entstehen kann, muss eine Reiseleistung gegeben sein, welche nicht das vom Reisenden erwarte Ziel erfüllt und nicht wie vereinbart vertraglich ausgestaltet ist, so dass der Reisende für eine solche Reise niemals seine Urlaubszeit aufgewendet hätte. Es muss dementsprechend zu einer Vereitelung des Vertragszweckes kommen oder zumindest zu einer quantitativen oder qualitativen Beeinträchtigung der Reise kommen. Sinnlos aufgewendete Urlaubszeit wird auch dann angenommen, wenn der Reisende Zeit, welche er nach dem Vertrag für Urlaubszwecke einplanen durfte, verbraucht hat, ohne diese-eben genau wegen der Vereitelung oder erheblichen Beeinträchtigung der Reise– dem Vertragszweck gemäß, zum Beispiel zur eigenen Erholung, nutzen hätte können.

Grundsätzliches

Interessant ist also die rechtliche Frage, ob die Vereitelung einer Reise tatsächlich die Gewährung von Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit zur Folge haben kann. Ein solcher Anspruch hat wie bereits weiter oben erwähnt eigene Voraussetzungen. Grundsätzlich ist der Begriff des Schadens nach dem Montrealer Übereinkommen eher autonom auszulegen. Durch den EuGH wird dem Begriff des Schadens in der Entscheidung Wahl sowohl eine materielle, als auch eine immaterielle Komponente zugeteilt (EuGH, Urt. v. 06.05.10, Az.: C-63/09). Zu beachten ist jedoch die Summe des Schadens. Denn diese wird aus materiellem und immateriellem Schaden nur bis zur Höhe der Haftungsbegrenzung nach Art. 21, 22 des Montrealer Übereinkommen ersetzt.

Anwendbarkeit bei erheblichen Beeinträchtigungen durch die Luftbeförderung

Der EuGH hat im Leitner-Urteil einen Schaden, welcher nach dem BGB als Schaden wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gem. Abs. 2 einzustufen wäre, als immateriellen Schaden aufgeführt und unter den Schadensbegriffs der Pauschalreiserichtlinie subsumiert (EuGH, Urt. v. 12.03.02, Az.: C-168/00). Dieser ist ebenfalls autonom auszulegen und gibt wie das Montrealer Übereinkommen und auch vom Wortlaut her gesehen, genauso wenig Aufschluss darüber, ob darin auch immaterielle Komponenten eingeschlossen sind oder nicht. Berücksichtigt man die Urteile Leitner und Wahl kommt man zu dem Entschluss, dass Schadensersatzansprüchen welche auf dem Montrealer Übereinkommen beruhen, auch ein Anspruch auf Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gefordert werden kann. Ein solcher Anspruch darf jedoch nicht mit Abs. 2 begründet werden, sondern ausschließlich mit den Schadensersatzansprüchen des Montrealer Übereinkommens.

Analoge Anwendung

Der § 651 f Abs. 2 BGB wird nur dann analog angewendet, wenn auch die §§ 651a ff. insgesamt analog angewendet werden. Das ist bei einer veranstaltermäßig erbrachten einzelnen Reiseleistung anzunehmen, worunter vor allem der Urlaub im Ferienhaus fällt (§ 651a Rn. 28 ff.). Die analoge Anwendung auf andere Vertragstypen ist ausgeschlossen. Insbesondere gilt dies für den Beförderungs-und den Beherbergungsvertrag. Da jedoch eine Reform des Schadensersatzrechts und der damit verbunden Einführung eines immateriellen Schadensersatzanspruchs bei allen vertraglichen Schadensersatzansprüchen erfolgt ist, kommt diesem Unterschied nur noch eine geringere praktische Bedeutung zu.

Kein höchstpersönlicher Anspruch

Bei dem Schadensersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit, nach § 651f Abs. 2, handelt es sich grundsätzlich um einen unabhängig von den anderen reiserechtlichen Ansprüchen. Man ist bisher davon ausgegangen, dass es sich dabei um einen höchstpersönlichen Anspruch handelt, mit der Konsequenz, dass ein solcher Anspruch bei einer Familienreise ausschließlich von dem jeweils Geschädigten geltend gemacht werden konnte. Somit kann ein solcher Anspruch auf nutzlos aufgewendete Urlaubszeit nicht von dem Familienmitglied, das den Vertrag abgeschlossen hat, geltend gemacht werden. Die Abtretung eines solchen Anspruchs ist jedoch dadurch nicht ausgeschlossen. Vor einiger Zeit ereilten den BGH jedoch Zweifel, ob der Schadensersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Zeit tatsächlich als ein höchstpersönlicher Anspruch anzusehen ist. Die Frage wurde bisher durch den BGH noch nicht endgültig entschieden. Der BGH stufte den Anspruch als eine besondere Art des Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung ein. Der Anspruch entsteht aufgrund dessen, dass der mit der Reise im weiteren Sinne angestrebte „Erfolg“ nicht eingetreten ist. Das lässt darauf schließen, dass der BGH in Zukunft wohl nicht mehr an der höchstpersönlichen Natur des Anspruchs festhalten wird. Das würde wiederrum dazu führen, dass sogar der Buchende den Anspruch ohne Abtretung für den Betroffenen geltend machen könnte.

Unionsrechtlicher Hintergrund

Aus der Schadensersatzvorschrift der Pauschalreiserichtlinie, Art. 5 Pauschalreiserichtlinie, geht nicht hervor, ob der dortige Begriff des Schadens auch einen Ersatz für nutzlos aufgewendete Urlaubszeiteinschließt. Früher konnte man davon ausgehen, dass § 651f Abs. 2 eine autonome Entscheidung des deutschen Gesetzgebers ist, doch seit dem Leitner-Urteil des EuGH ist dies nicht mehr anzunehmen. Der EuGH entschied, dass der Schadensbegriff des Art. 5 der Pauschalreiserichtlinie auch einen Ersatz für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit umfasst. Der § 651f Abs. 2 kann damit als Bestandteil der Umsetzung der Pauschalreiserichtlinie angesehen werden und muss nun nach den Vorgaben dieser Entscheidung ausgelegt werden. Durch die neue Richtlinie ändert sich daran nichts. Zwar wird durch sie nicht ausdrücklich geregelt, dass der Begriff des Schadens neben der materiellen auch eine immaterielle Komponente umfasst, jedoch wird in den Erwägungsgründen dennoch zum Ausdruck gebracht, dass die Leitner-Rechtsprechung angewendet werden soll.

Verhältnis zu anderen reiserechtlichen Ansprüchen

Der Anspruch auf Schadensersatz wegen sinnlos oder nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit weist seine eigenen Voraussetzungen auf und kann gegebenenfalls zusammen mit einem Minderungsanspruch nach § 651d BGB wegen eines Mangels geltend gemacht werden und auch mit einem Schadensersatzanspruch nach § 651f Abs. 1 BGB, zum Beispiel wegen eines verloren gegangenen Koffers. Weiterhin könnte der Anspruch auf Schadensersatz wegen sinnlos oder nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit auch im Zusammenhang mit § 651f Abs. 2 BGB geltend gemacht werden. So könnte man den Anspruch auch neben oder sogar trotz eines erfolgreichen Abhilfeverlangens iSd § 651c, wenn der Reisende einen Urlaubstag für die Bemühungen um ein Ersatzquartier und den Umzug aufwenden musste, geltend machen. Zu beachten ist jedoch, dass man nicht von einem fehlgeschlagenen Urlaub ausgehen kann, wenn der Reisende bspw. trotz Belästigungen durch Baulärm und Staubemissionen in seiner Unterkunft verbleibt, ohne überhaupt von der Abhilfe Gebrauch zu machen.

Voraussetzungen

Damit ein Anspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit geltend gemacht werden kann, müssen drei Voraussetzungen vorliegen. Zunächst muss die Reise entweder vereitelt oder erheblich beeinträchtigt worden sein, dann muss der Reisende nutzlos seine Urlaubszeit aufgewendet haben. Schließlich muss ihm daraus ein Schaden entstanden sein. Dabei muss der Reisende ein doppeltes Anzeigeerfordernis beachten. Darunter ist zu verstehen, dass der Reisende zunächst den zu Grunde liegenden Mangel bereits während der Reise gem. § 651d Abs. 2 melden muss, und nach Reiseende zusätzlich die Einmonatsfrist des § 651g Abs. 1 zu beachten hat (BGH, Urt. v. 20.09.84, Az.: VII ZR 325/83).

Entscheidung des AG Hannover

Im vorliegenden Fall wurde den betroffenen Reisenden vom AG Hannover ein Anspruch auf vertane Urlaubszeit zugesprochen. Die Reisenden haben eine Flugpauschalreise nach Antalya gebucht und wurden ca. 5 Wochen vor Ihrem Reiseantritt vom Reiseveranstalter darüber informiert, dass der Hinflug nicht ab Berlin-Tegel, sondern ab Dresden durchgeführt werden soll. Der Abflug sollte nicht mehr um 14.55 Uhr wie ursprünglich mitgeteilt sein, sondern erst spät nachts um 22.45 Uhr mit einer Ankunft um 2.24 Uhr des folgenden Tages. Die betroffenen Reisenden erklärten wegen einer erheblichen Änderung der Reiseleistung gem. § 651 a Abs. 5 BGB noch vor der Reise den Rücktritt vom Reisevertrag und forderten aufgrund von nutzlos aufgewandter Urlaubszeit eine Entschädigung in Höhe von 100 % des Reisepreises. In diesem Fall wurde vom Amtsgericht entschieden, dass hier eine Überschreitung der vom Gesetz eingeräumten Möglichkeiten der Vertragsänderung in Form einer unberechtigten Leistungsänderung durch den Reiseveranstalter vorliegt und den Reisenden daher nicht nur das Recht zum Rücktritt von der Reise zusteht, sondern gleichzeitig auch eine schuldhafte Verletzung des Reisevertrages gem. § 651 f BGB vorliegt.

Das erste unzumutbare Problem, stellt laut dem AG Hannover der Austausch des Abflug-Flughafens dar. Die klagenden Reisenden wohnen zwar in Dresden aber man muss dennoch beachten, dass Sie wohl aus einem guten Grund einen anderen Flughafen ausgesucht haben.

Das zweite unzumutbare Problem stellt die Abflugzeit in den späten Abendstunden dar. Eine solche Verlegung hat die Ankunft in der Nacht am nächsten Tag und damit eine Störung der Nachtruhe als Konsequenz. Aus diesen Gründen waren die Reisenden zu einem Rücktritt berechtigt. Bei einer solchen Vereitelung der Reise kann eine so schwerwiegende Beeinträchtigung des vertraglich geschuldeten Leistungserfolges angenommen werden, dass dafür eine Entschädigung zu erfolgen hat, weil der Kunde seine Urlaubszeit nicht so verbringen konnte wie vom Veranstalter ursprünglich geschuldet.

Festzuhalten ist jedoch, dass Weiterarbeit oder Ersatzurlaub den Entschädigungsanspruch im Übrigen nicht beeinträchtigten und ein zu Hause verbrachter Urlaub nicht als Schadensminderungsposten aufgefasst werden kann, da die Freizeit nicht Teil der durch den Reiseveranstalter geschuldeten Leistung ist.

Laut dem AG Hannover kann eine Entschädigung des Frustationsschaden bei einer vereitelten Reise, d. h. einer Reise, die nicht angetreten werden kann, dadurch erfolgen, dass nach entsprechenden Stufen von Stornoklauseln oder mit der Hälfte des Reisepreises eine Entschädigung erfolgen kann.

Im vorliegenden Fall ist die für den Rücktritt anwendbare Stufe vom 14. bis 7. Tag vor Reisebeginn 50 % des Reisepreises. Dieser Betrag wurde durch das AG Hannover den Reisenden zugesprochen. Zu beachten ist, dass diese Art der Berechnung eine unübliche Bemessungsweise des Schadensersatzes wegen vertaner Urlaubszeit darstellt. Dennoch stimmt die Höhe mit der vom BGH bei der Vereitelung einer Reise angenommenen 50 % des Reisepreises als Entschädigungsquote überein.

Entscheidung des OLG Frankfurt a. M.

So entschied auch das OLG Frankfurt a.M. in dem Fall der Vereitelung einer Reise. Auch hier wurde Schadensersatz wegen nutzlos aufgewandter Urlaubszeit in der Höhe der Hälfte des vereinbarten Reisepreises zugesprochen. Dieser Satz des ursprünglich vereinbarten Reisepreises ist auch den Fällen anzuwenden, in denen die Reise wegen eines Kalkulationsirrtums deutlich günstiger war und auch dann wenn Schüler reisen. Das Urteil stimmt mit der Rechtsprechung des BGH überein. Für die Berechnung ist der Reisepreis, die Dauer der Reise und der Grad der Beeinträchtigung für den Schadensersatzanspruch ausschlaggebend. Das OLG Frankfurt a.M. erkennt die Gefahr, dass wenn man nicht nur von der Hälfte des Preises ausgeht, der Kunde bei kompletter Rückerstattung des Reisepreises diesen nochmals zusätzlich zum Minderungsbetrag erhalten würde und ihm damit das Doppelte des Reisepreises zustehen würde. Dem soll entgegen gewirkt werden. In der Praxis wenden die Untergerichte dann, wenn ein Anspruch auf Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit im Fall eines erheblichen Reisemangels gegeben ist, zumeist den Satz der gewährten Reisepreisminderung nochmals an, so dass der Reisende pro betroffenen Reisetag quasi eine „doppelte Minderung“ erhält.

Bei der Vereitelung der Reise geht die Rechtsprechung davon aus, dass 50 % als Schadensersatzsatz gerechtfertigt sind. Natürlich wird kritisiert, dass es nicht zu einem Abzug wegen des Resturlaubs zu Hause kommen soll, denn schließlich beruht der Erholungswert eines Urlaubs zu Hause auf der dort genossenen Freizeit.

Den Gerichten steht im Rahmen des BGH-Urteils ein gewisser Ermessensspielraum zu, welcher von den Gerichten auch genutzt wird. Bezugnehmend auf den Anspruch wegen vertaner Urlaubszeit bei einer Beeinträchtigung der Reise durch Mängel, bestätigte das OLG Düsseldorf, dass in Einzelfällen auch eine unter 50 % liegende Minderung für die Annahme einer Urlaubsbeeinträchtigung i. S. d. § 651 f Abs. 2 BGB bereits ausreichend sein kann. Jedoch kann eine Minderungsquote von 15 % jedoch nicht ausreichen.

Relevante Urteile

LG Duisburg, Urt. v. 24.09.2009, Az: 12 S 154/08

Wenn der Reisende bei einem Reiseveranstalter eine Pauschalreise bucht und das gebuchte Hotel Mängel aufweist, auf die der Reisende den Reiseveranstalter aufmerksam macht, dann hat der Reisende ein Recht auf Preisminderung.

https://reise-recht-wiki.de/entschaedigungsanspruch-wegen-nutzlos-aufgewendeter-urlaubszeit-urteil-az-12-s-154-08-lg-duisburg.html


BGH, Urt. v. 10.10.1974, Az.: VII ZR 231/73

Kommt es bei einer Pauschalreise zu umfangreichen Beanstandungen bezüglich der Unterbringung in dem vorgesehenen Hotel, der Verpflegung und der Badegelegenheit am Strand durch den Reisenden, dann kann grundsätzlich ein Anspruch auf Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit zustehen.

https://reise-recht-wiki.de/7344-bgh-10-10-1974-vii-zr-23173.html


OLG Köln, Urt. v. 19.07.201716, Az.: U 31/17

Wird die Kreuzfahrt des Reisenden vereitelt, so kann dieser Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit fordern.

https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/koeln/j2017/16_U_31_17_Urteil_20170719.html

LG Bonn, Urt. v. 24.03.2010, Az.: 5 S 175/09

Der Reisende kann eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Zeit fordern, wenn im Rahmen einer Pauschalreise ein Hotel gebucht wurde, welches jedoch nicht annähernd den Beschreibungen über das Hotel entspricht und vom Zustand her nicht hinnehmbar ist.

https://reise-recht-wiki.de/entschaedigung-wegen-nutzlos-aufgewendeter-urlaubszeit-erhebliche-beeintraechtigung-einer-reise.html

Siehe auch

Montrealer Übereinkommen

Pauschalreiserichtlinie

Reisevertrag

Reiseveranstalter