Schlechte Wetterbedingungen

Aus PASSAGIERRECHTE
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Allgemeines

Im Erwägungsgrund 14 der Fluggastrechteverordnung sind Wetterverhältnisse ausdrücklich als außergewöhnlicher Umstand anerkennt, wenn diese mit der Durchführung des betreffenden Flugs nicht zu vereinbaren sind. Solche schlechten Wetterbedingungen können bspw. starke Regenfälle, Gewitter, Glätte oder plötzliches Nebelaufkommen sein. Es handelt sich dabei um von außen einwirkende Ereignisse, die für ein Flugunternehmen kaum beherrschbar sind. Zu beachten ist, dass schlechtes Wetter alleine nicht ausreicht, damit sich ein Luftfahrtunternehmen von seiner Zahlungspflicht bezüglich der Ausgleichsleistungen des Art. 7 EG-VO 261/2004 befreien kann, vgl. LG Innsbruck, Urt. v. 18.07.2014, Az.: 3 R 214/14p. Die betroffene Airline hat zusätzlich nur zu begründen, welche zumutbaren Maßnahmen es ergriffen hat, um die aus dem Umstand resultierende Flugverspätung bzw. Annullierung zu verhindern. Generell müssen die Wetterbedingungen auch aus den üblichen und u erwartenden Abläufen des Luftverkehrs herausragen, vgl. AG Frankfurt a.M., Urt. v. 15.05.2013, Az.: 29 C 1954/11-21. Anhaltspunkt für das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstands, welches auf Wetterbedingungen gründet, ist, dass andere Luftfahrtunternehmen am selben Flughafen in gleicher Weise betroffen waren, d.h. der gesamte Flugverkehr gänzlich oder zum Teil eingestellt werden muss.

Verschiedene Formen von Wetterbedingungen

Nebel

Bei Nebel ist ein Start häufig wegen der damit verbundenen Flugrisiken unmöglich. Wird ein Flughafen aufgrund anhaltender Nebelschwaden vorübergehend geschlossen, so kann dies ein Indiz für das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstands darstellen, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen detailliert darlegen kann, welche Auswirkungen dieser Umstand auf die Start- bzw. Landebefugnisse vor Ort hatte, vgl. AG Frankfurt a.M. Urt. v. 31.08.2006, Az.: 30 C 1370/06-25. Allerdings ist es nicht möglich sich auf außergewöhnliche Umstände zu berufen, wenn die Durchführung des Fluges nach Beendigung des Schlechtwetterverhältnisses doch noch möglich ist. Zumutbare Maßnahmen können in solchen Fällen vor allem das Ausweichen auf einen nahen Ersatzflughafen. Da ungünstige Wetterbedingungen in der Regel nicht von Dauer sind, kann es auch möglich sein, auf bessere Startbedingungen zu warten und einen Flug nach hinten zu verschieben, anstatt ihn zu annullieren. Im konkreten Fall sind diese allerdings eher an einer Prüfung des Einzelfalls zu bemessen. Trotzdem stellt das Aufschieben der Entscheidung, ob ein Flug annulliert wird oder nicht, keine zumutbare Maßnahme gem. Art. 5 III EG-VO 261/2004 dar. Dies gilt auch dann, wenn es nicht ersichtlich ist, wie lange der Neben anhalten wird, vgl. BGH Urt. v. 25.03.2010, Az.: Xa ZR 96/09. Tritt der Nebel somit am Vormittag auf, kann sich ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nicht auf Art. 5 III EG-VO 261/2004 berufen, wenn der betroffene Flug am Abend aufgrund Rotationsproblemen und einer Folgeverspätung nicht pünktlich starten kann, vgl. AG Geldern, Urt. v. 20.02.2008, Az.: 4 C 241/07. Kommt es dazu, dass ein Flughafen aufgrund von Nebel nicht anfliegbar ist, so kann dies einen außergewöhnlichen Umstand darstellen, wenn keine anderen Maßnahmen zur Umgehung des Umstandes möglich waren, vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 11.07.2008, Az.: 10 U 386/07. Ist Nebel als Sichtwetterbeschränkung zu einer bestimmten Tageszeit allerdings als bekannt anzusehen und wird auf dieser Strecke ein nicht optional ausgerüstetes Flugzeug eingesetzt, so ist dies als kaufmännische Entscheidung des jeweiligen Luftfahrtunternehmens zu werten und seiner Risikosphäre zuzuordnen.

Naturkatastrophe

Kommt es zu erheblichen Verspätungen oder gar Flugausfällen aufgrund einer eingetretenen Naturkatastrophe, so liegt regelmäßig ein Entlastungsgrund für das Flugunternehmen vor. Solche Ereignisse können vor allem Erdbeben oder starke Überschwemmungen darstellen. So wurde bspw. wegen dem Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull und der daraus entstandenen Aschewolke ein Teil des europäischen Luftraums gesperrt. Insoweit waren betroffene Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet ihren Fluggästen Ausgleichsleistungen gem. Art. 7 der Fluggastrechteverordnung zu zahlen. Anders liegt der Fall, wenn zwar ein bestimmter Teil eines Luftraums gesperrt ist, dieser allerdings umflogen werden kann,

Starke Winde

Ein starkes Windaufkommen kann ebenfalls als außergewöhnlicher Umstand in Betracht kommen. Die alleinige Berufung auf das Vorliegen von solchen staken Winden genügt nicht, um sich von der Ausgleichszahlungspflicht nach Art. 7 EG-VO 261/2004 zu befreien. Vielmehr muss auch angegeben, werden welche konkreten Windverhältnisse zum jeweiligen Zeitpunkt des Starts oder der Landung vorgelegen haben und bei welchen Seiten-/ Rückenwind-Komponenten das jeweilige Fluggerät gemäß den Herstellervorgaben nicht mehr betreiben werden darf, vgl. AG Hannover, Urt. v. 06.12.2012, Az.: 552 C 7701/12.

Gewitter und Blitzschlag

Mit dem Aufziehen eines Gewitters ist von Flugunternehmen in der Regel zu rechnen und stellt somit kein Hindernis dar, welches für Flugunternehmen unvermeidbar und unbeherrschbar ist. Insoweit werden sie nicht als äußerst ungewöhnliche Vorkommnisse gem. Art 5 III der Fluggastrechteverordnung 261/2004 gewertet, vgl. AG Köln, Urt. v. 17.02.1016, Az.: 114 C 208/15. Möchte sich ein Flugunternehmen trotzdem auf außergewöhnliche Umstände berufen, weil die Betankung eines Flugzeugs aufgrund der Brandgefahr während eines Gewitters nicht vorgenommen werden kann, so muss explizit vorgestellt werden, warum die Betankung im konkreten Fall nicht möglich war. Muss ein Flugzeug eine Notlandung vornehmen, da es infolge von Turbulenzen, verursacht durch eine Gewitterfront, zu einem Brandgeruch in der Kabine kam, so ist das betreffende Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet, Ausgleichsleistungen zu zahlen, vgl. LG Darmstadt, Urt. v. 06.11.2013, Az.: 7 S 208/12.

Fehlendes Enteisungsmittel

Es liegt grundsätzlich in der Risikosphäre des beauftragten Unternehmens, wenn notwendiges Enteisungsmittel fehlt. Dies gilt insbesondere dann, wenn das mit der Enteisung des Flugzeuges beauftragte Subunternehmen die erforderlichen Mengen von Enteisungsmitteln nicht frühzeitig bestellt bzw. bevorratet, vgl. AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 03.05.2011, Az.: 20 C 83/11. Ein Luftfahrtunternehmen kann sich demnach nicht entlasten, wenn ein unzureichender technischer Standard oder mangelnde betriebliche Vorkehrungen für die Verursachung der Verspätung oder Annullierung von kausaler Bedeutung sind. Ebenfalls kann es keinen außergewöhnlichen Umstand darstellen, wenn ein Mangel an Personal dafür ursächlich ist, dass Flugzeuge nicht rechtzeitig enteist werden konnten, vgl. BG Schwechat, Urt. v. 12.10.2012, Az.: 4 C 580/11v-10. Denn ein Luftfahrtunternehmen hat dafür Sorge zu tragen, dass sich ihre Flugzeuge in einem einsatzbereiten Zustand befinden. Der Flughafenbetreiber, der für diese Aufgabe deligiert wurde, agiert in diesem Fall als Erfüllungsgehilfe der jeweiligen Airline.

Schlechte Wetterbedingungen auf dem Vorflug

Kommt es zu dem Fall, dass ein Flugzeug schon auf dem Vorflug von einem Blitz getroffen wurde, so ist es dem ausführenden Flugunternehmen nicht möglich, sich auf einen Entlastungsgrund i.S.d. Art. 5 III EG-VO 261/2004 zu berufen. Denn ein Luftfahrtunternehmen hat in seiner Flugplanung einzuplanen, dass es aufgrund verschiedener Umstände zu Verzögerungen im Flugumlauf kommen kann. Die betriebliche Entscheidung, einen Flugplan mit nur sehr engen Zeitreserven auszustatten, soll nicht zu Lasten der Flugpassagiere fallen, vgl. AG Erding, Urt. v. 23.07.2013, Az.: 3 C 719/12. In der Regel gilt, dass wenn mehr als 24 Stunden zwischen einem ungewöhnlichen Wetteraufkommen und dem betreffenden Flug lagen und zwischen durch auch andere Flüge mit demselben Flugzeug ausgeführt wurden, nicht mehr von einem außergewöhnlichen Umstand gesprochen werden kann, vgl. LG Frankfurt a.M. 24.02.2015, Az.: 2/24 S 149/14.

Entscheidungen des Piloten bei schlechten Wetterbedingungen

Das AG Geldern entschied, dass eine Entscheidung des Piloten, eine Landung aufgrund von schlechten Wetters nicht durchzuführen, wegen seiner nautischen Befugnisse als Luftfahrzeugführer gem. Art. 3 I LuftVO grundsätzlich als bindend anzusehen ist, vgl. AG Geldern, Urt. v. 03.08.2011, Az.: 4 C 242/09.

Beschränkung der Flugrate

Aufgrund von schlechten Wetterbedingungen kann es dazu kommen, dass die Anzahl der Starts und Landungen gedrosselt werden muss. Eine solche Beschränkung nimmt die Flugsicherheitsbehörde vor. Führen solch schlechte Wetterbedingungen allein wegen der aus Sicherheitsgründen notwendigen Staffelung der Abstände der Anflüge und der dadurch bedingten längeren Aufenthalte in der Warteschleife zu erheblichen Verzögerungen, so liegt höhere Gewalt vor. Somit handelt es sich hierbei um einen außergewöhnlichen Umstand auf den sich das Luftfahrtunternehmen berufen kann, vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2007, Az.: 22 S 190/07).


Sonstige

Bei starkem Hagelschlag und einer damit verbundenen Beschädigung des Fluggeräts, welche zu einer angeblichen Fluguntauglichkeit geführt, reicht der Verweis darauf nicht aus, um sich von der Zahlungspflicht gem. Art. 7 EG-VO 261/2004 zu befreien. Allein ein Sachverständiger kann nach Begutachtung feststellen, ob das Flugzeug noch einsatzbereit ist oder nicht, vgl. BG Schwechat, Urt. v. 08.10.2015, Az.: 18 C294/15v. Auch ein Sandsturm kann einen außergewöhnlichen Umstand begründen, wenn dieser über einem Flughafen stattfindet, vgl. AG Hamburg, Urt. v. 10.01.2014, Az.: 36a C 251/13. Dies gilt allerdings nicht, wenn dem ausführenden Luftfahrtunternehmen schon zweit Tage im Voraus bekannt war, dass über dem Zielflughafen ein Sandsturm erwartet wird. Insoweit ist hier nicht von einem unerwarteten Ereignis zu sprechen, vgl. LG Innsbruck, Urt. v. 18.07.2014, Az.: 3 R 214/14p. Kommt es zu starken Regenfällen, Schneefällen oder anderweitigen Unwetter, wodurch die Sicherheit des Fluges nicht gewährleistet werden kann, so kann ein außergewöhnlicher Umstand als Begründung herangezogen werden. Schlechte Wetterbedingungen können demnach plausibel einen außergewöhnlichen Umstand begründen können, doch gilt auch hier, dass nachgewiesen werden muss, dass es tatsächlich keine Möglichkeit mehr gab, den Flug anderweitig stattfinden zu lassen. Es reicht somit nicht aus, einfach auf tatsächlich vorhandenes schlechtes Wetter zu verweisen, wenn nur ungünstige Wetterbedingungen vorhanden sind, aber nicht ersichtlich wird, wie diese den Flug beeinflusst haben sollen, vgl. AG Hamburg, Urt. v. 28.02.2006, Az.: 18B C 329/05; AG Wedding, Urt. v. 19.09.2006, Az.: 14 C 672/05. Wird ein Flug daher sofort wegen schlechten Wetters annulliert, muss die Airline diesen Schritt begründen, ansonsten liegen keine außergewöhnlichen Umstände vor, vgl. AG Frankfurt a.M., Urt. v. 31.08.2006, Az.: 30 C 1370/06-25. Allerdings wurden auch vereinzelt schlechte Wetterbedingungen nicht als außergewöhnliche Umstände anerkannt, wenn diese für die Jahreszeit und den Ort nicht ungewöhnlich waren. Dies gilt bspw. für starken Regen in den Herbstmonaten oder Schneefälle im Winte, vgl. BG Schwechat, Urt.: 12.10.2012, Az.: 4 C 580/11 v-10. Dies wurde damit begründet, dass es sich dabei schon im wörtlichen Sinn nicht um ein Ereignis handelt, welches außergewöhnlich sei. Vielmehr müsse eine Airline mit derartigen Vorfällen rechnen und sich entsprechend auf Störungen im Flugverkehr vorbereiten.

Weitere Ansprüche

Kann sich ein Flugunternehmen auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen und nachweisen, dass er keine anderweitigen möglichen Maßnahmen zur Vermeidung des Umstands treffen konnte, so muss dieses keine Ausgleichsleistungen gem. Art. 7 der Fluggastrechteverordnung an betroffene Passagiere zahlen. Doch auch wenn sich ein Luftfahrtunternehmen von dieser Zahlungspflicht befreien kann, muss es trotzdem Betreuungs- und Unterstützungsleistungen gem. Art 8 und 9 EG-VO 261/2004 an ihre Fluggäste leisten. Dieser Pflicht kann sich ein Flugunternehmen nicht entledigen.

Siehe auch

Flugverspätung

Fluggastrechteverordnung

Fluggastrechte

Flugannullierung

Außergewöhnliche Umstände

Gerichtsstand bei Ausgleichszahlungen