Anspruch auf Ausgleichszahlung bei Flugverspätung und Flugannullierung

Aus PASSAGIERRECHTE
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Allgemeines

Bei einer Flugverspätung oder eine Flugannullierung hat ein Fluggast Anspruch auf Ausgleichsleistungen, meinst in der Form von Ausgleichszahlungen. Dabei gibt es für Reisende, die aus Deutschland kommen und in Deutschland ihre Reise antreten, zwei Quellen aus denen Ausgleichszahlungen erwachsen können, eine europarechtliche und eine nach nationalem Recht. Zum einen ist das die europäische Fluggastrechteverordnung VO (EG) Nr. 261/2004 und zum anderen das Reiserecht als Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches. Gewisse Voraussetzungen müssen aber beachtet werden und vorliegen, damit ein Anspruch auf Ausgleichszahlung besteht.

Neben dem Anspruch auf Ausgleichszahlungen besteht nach der Verordnung ein Anspruch auf Betreuungsleistungen.

Europäische Fluggastrechtverordnung

Ziel der europäischen Fluggastrechteverordnung VO (EG) Nr. 261/2004 ist es, die Fluggäste im Falle einer Nichtbeförderung, Annullierung oder großen Verspätung ihres Fluges ausreichend zu schützen und ihnen Ausgleichs- und Betreuungsleistungen zuzusprechen. Dem Fluggast soll das Reisen trotz der auftretenden Unannehmlichkeiten so komfortabel wie möglich gestaltet werden.

Geltungsbereich

Die europäische Fluggastrechteverordnung gilt für alle Flüge, die in einem Mitgliedstaat der europäischen Union, Island, Norwegen oder der Schweiz starten oder landen. Die Nationalität der Luftfahrtgesellschaft ist nicht von Bedeutung. Für Flüge außerhalb der EU gilt die Fluggastrechteverordnung für alle EU-Fluggesellschaften. Das Anwendungsgebiet der europäischen Fluggastrechteverordnung bezieht sich auf Vorkommnisse auf einer Flugreise in Form von Nichtbeförderung, Annullierung und Verspätung.

*Siehe: Anwendungsbereich der Verordnung

Art und Umfang der Ansprüche

Ansprüche ergeben sich aus Art. 7 und Art. 5 der Verordnung. Der BGH versteht den Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 FluggastrechteVO als einen gesetzlichen Anspruch gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen auf vertraglicher Grundlage. Der Anspruch folgt zwar nicht unmittelbar aus dem mit einem Luftfahrtunternehmen abgeschlossenen Beförderungsvertrag, setzt aber voraus, dass der Anspruchsteller über eine bestätigte Buchung verfügt, was wiederum regelmäßig vom Bestehen eines Beförderungsvertrages abhängig ist. Ein solcher Beförderungsvertrag kann entweder mit dem ausführenden Luftfahrtunternehmen selbst bestehen oder mit einem anderen Unternehmen, für welches das ausführende Luftfahrtunternehmen die Beförderungsleistung erbringt (BGH, Beschl. v. 28.11.2017, Az.: X ZR 76/16). Das Maß Ausgleichszahlung bei einem bestehenden Anspruch ist gestaffelt. Der Umfang der Ansprüche richtet sich nach der zurückgelegten Strecke, sowie nach der Verspätung.

Berechnung der Strecke und Verspätung

Zur Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Passagier infolge der Nichtbeförderung später als zur planmäßigen Ankunftszeit eintrifft. Wo die Verspätung auf der Reise entsteht, ist dabei unerheblich (vgl. AG Hannover, Urt. v. 06.12.2012, 452 C 5686/12).

Für die zeitliche Berechnung ist das Öffnen der Türen der maßgebliche Zeitpunkt des Ankommens. Es ist nicht erheblich, wann das Flugzeug am Zielflughafen aufgesetzt hat, sondern wann es den Fluggästen wieder möglich war, ihren persönlichen, sozialen oder beruflichen Befürnissen wieder nachzugehen (vgl. EuGH, Urt. v. 04.09.2014, C-452/13).

Flugverspätung

Der Begriff der Verspätung wird weder in Art. 2 der Verordnung noch an einer anderen Stelle näher definiert. In Art. 6 Abs. 1 der Verordnung wird der Begriff der Verspätung so erläutert, dass sich der Abflug um eine bestimmte Anzahl von Stunden verzögert im Vergleich zur planmäßigen Abflugzeit, gestaffelt nach der zurückzulegenden Entfernung des betroffenen Fluges. Dies unterschiedet sich von dem Begriff der Verspätung im Montrealer Übereinkommen. Der Begriff der Verspätung wird auch im Montrealer Übereinkommen nicht näher bestimmt. Jedoch wird aus Art. 19 des Montrealer Übereinkommens deutlich, dass es darum geht ob sich der Transport verzögert und somit eine verspätete Ankunft ausschlaggebend ist. Während es bei der Verordnung darum geht ob das Flugzeug verspätet abgehoben ist

Verspätet sich ein Flug, so hat der Fluggast in jedem Fall einen Anspruch auf:

  • Betreuungsleistungen (siehe unten)
  • ggf. Ausgleichszahlung

Die Ausgleichzahlung richtet sich nach der Dauer der Verspätung und nach der Strecke des Fluges:

  • Bei einer Verspätung von 2 Stunden auf einer Strecke von 1500km oder weniger: 250€
  • Bei einer Verspätung von 3 Stunden auf einer Strecke innerhalb der EU oder bis 3500km: 400€
  • Bei einer Verspätung von 4 oder mehr Stunden auf einer Strecke außerhalb der EU von 3500km oder mehr: 600€

Der maßgebliche Zeitpunkt zur Bestimmung der Verspätung ist das Öffnen der Türe des Flugzeuges am Zielflughafen (vgl. EuGH, Urt. v. 04.09.2014, C-452/13).

Ab einer Verspätung von 3 Stunden wird der Flug als annulliert betrachtet und dementsprechend nach der europäischen Fluggastrechteverordnung behandelt. Der EuGH hat in seiner Sturgeon-Entscheidung geurteilt, dass es bei einer großen Verspätung in Bezug auf die Ausgleichsleistungen unerheblich sei, ob eine Verspätung von großem Umfang oder eine Annullierung vorliegt. Entscheidend ist, dass von dem eigentlichen Flugplan abgewichen wird und für den Fluggast eine Unannehmlichkeit entseht, die unanhängig davon ist, ob eine Annullierung oder große Verspätung vorliegt (vgl. EuGH, Urt. v. 19.11.2009, C-402/07, C-432/07).

Flugannullierung

Eine Annullierung liegt dann vor, wenn eine geplanter Flug für den mindestens ein Platz reserviert war, gar nicht durchgeführt wird. Dies ist immer dann gegeben, wenn der von dem Fluggast gewünschte und diesem anlässlich der Buchung auch bestätigte, durch eine eindeutige Flugnummer gekennzeichnete Flug nicht durchgeführt wird. Ein geplanter Flug ist immer dann anzunehmen wenn die Fluggesellschaft diesen in ihren Flugplan aufgenommen hat, diesen nach Abflug- und Zielort, Abflugs- und Ankunftszeit festgelegt, mit einer Flugnummer versehen und zur Buchung freigegeben hat (BGH, Urteil vom 17.07.07, Az. X ZR 95/06)

Fraglich ist jedoch wann genau eine Nichtdurchführung anzunehmen ist. Eine Annullierung ist immer nur dann anzunehmen wenn die Planung des ursprünglichen Fluges endgültig aufgegeben wurde und der Flug letztendlich nicht durchgeführt wurde. Der Fluggast kann bereits im Vorfeld über eine Annullierung in Kenntnis gesetzt werden und gebeten werden nicht zu der vereinbarten Abflugzeit am Flughafen zu erscheinen oder wenn die Annullierung über eine Anzeigetafel oder am Schalter des Flughafen bekanntgegeben wird (AG Bremen, Urteil vom 24.07.15, Az.: 25 C 41/15). In solchen Fällen handelt es sich um eine eindeutige Nichtdurchführung des Fluges. In einigen Fällen werden jedoch bereits Handlungen vollzogen , die als Beginn des Fluges aufgefasst werden können. Es ist fraglich ob dann das Boarding ausschlaggebend ist, das Schließen der Türen des Flugzeugs oder jedoch das Abheben von der Startbahn. In solchen Fällen ist eine Annullierung nicht mehr eindeutig. In diesem Zusammenhang ist auch fraglich, ob der Fall in dem ein Flugzeug zwar bereits gestartet ist, dann jedoch auf Grund von einem technischen Mangel zum Ausgangsflughafen zurückkehren muss, von als Annullierung zu werten ist (EuGH, Urteil vom 19.11.09, Az.: C-402/07, NJW 2010, 43; EuGH, Urteil vom 13.10.11, C-83/10, RRa 2011, 282-285). Keiler kam zu dem Schluss, dass die Rückkehr eines Flugzeugs vom Flugfeld zum Flugsteig keine Annullierung darstellt (Keiler, RRa 2012, 2, 3).

Bei der Beurteilung ob tatsächlich eine Annullierung vorliegt kann auf Kriterien wie den Wechsel der Flugnummer, das Ausstellen neuer Bordkarten, die Wiederausgabe des Gepäcks, das Erreichen des Zielflughafens über eine geänderte Flugroute (BGHS Wien, Urteil vom 04.08.06, Az.: 8 C 2016/05; AG Frankfurt a.M., Urteil vom 31.08.06, Az.: 30 C 1370/06; AG Wedding, Urteil vom 24.05.07, Az.: 22 a C 38/07).

Wird ein Flug nicht durchgeführt, so hat der Fluggast Anspruch auf:

  • eine vergleichbare alternative Beförderung zum Zielort
  • Erstattung der Kosten des Flugscheins
  • ggf. kostenloser Rücktransport an den ursprünglichen Ausgangsort
  • Betreuungsleistungen
  • Ausgleichsleistungen

Bei einer Annullierung stehen dem Fluggast Ausgleichsansprüche zu. Diese erwachsen in folgender Staffelung:

  • Bei einer Strecke von bis zu 1500km und einer Verspätung ab 2 Stunden: 250€
  • Bei einer Strecke von 1500km bis 3500km und einer Verspätung ab 3 Stunden: 400€
  • Bei einer Strecke von 3500km oder mehr und einer Verspätung ab 4 Stunden: 600€

Diese Ausgleichsansprüche stehen einem Fluggast im Falle einer Annullierung nicht zu, wenn:

  • die Annullierung aufgrund eines außergewöhnlichen Umstandes aufgetreten ist (siehe unten)
  • der Fluggast zwei Wochen vor dem geplanten Abflug über die Annullierung benachrichtigt wurde
  • dem Fluggast ein alternativer Flug auf der gleichen Route in einem ähnlichen Zeitraum angeboten wird.

Flugzeitänderung

Das AG Köln hat sich mit der Frage auseinander gesetzt, ob eine Flugzeitänderung eine Ausgleichszahlung zur Folge hat. Ein Reisender buchte bei einer Airline einen Flug. Die Airline behielt sich vor, die im Vorfeld angegeben Abflugzeit zu ändern. Als am Tag des Reisebeginns die Rollbahn nicht freigegeben wurde, verlegte die Beklagte den Flug um rund 9 Stunden. Der Kläger fordert im Folgenden eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Fluggastrechte Verordnung. Mit der erstmaligen Verkündung sei die Abflugzeig Vertragsinhalt geworden. Die aus der Änderung resultierende Verspätung sei entsprechend zu entschädigen. Der Kläger war der Ansicht, dass es sich hierbei um eine große Verspätung i.S.v. Art. 6 FluggastrechtVO handle, dies wies das Gericht jedoch aufgrund der Beschaffenheiten des Startflughafens als außergewöhnliche Umstände gem. Art. 5 III der Verordnung zurück. Vielmehr habe der Kläger einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen i.S.v. Art. 7 I b der Verordnung (EG) Nr. 261/2004. Zudem ist Art. 3 II b der Verordnung] zu entnehmen, dass bei einer von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseveranstalter vorgenommenen Verlegung des Fluges ungeachtet des Grundes für die Verlegung die Verordnung gilt; daraus ist zu schließen, dass auch bei einer von dem Luftfahrtunternehmen oder der Reiseveranstalterin vorgenommenen Abflugszeitverlegung die Verordnung gilt.

Anspruchsgegner

Der Anspruchsgegner ist das ausführende Luftfahrtunternehmen gegen den der Fluggast seinen Ausgleichzahlungsanspruch geltend machen kann. Teilt sich ein Flug auf mehrere Teilstrecken auf, so das Luftfahrtunternehmen der Anspruchsgegner, welches als ausführendes Luftfahrtunternehmen auf dem Ticket angegeben ist. Dieses muss auf dem Ticket angegeben sein (vgl. BGHS Wien, Urt. v. 23.04.2014, 11 C 4143k-16). Es soll keine künstliche Aufteilung des Fluges stattfinden (vgl. EuGH, Urt. v. 26.02.2013 – C 11/11). Auch wenn eine Fluggesellschaft einen Flug annulliert, so ist sie immer noch das ausführende Luftfahrtunternehmen, da sie ursprünglich beabsichtigt hatte, den Flug durchzuführen (vgl. AG Rüsselsheim, Urt. v. 20.12.2013, 3 C 3247/13 (37)).

Das ausführende Luftfahrtunternehmen kann jenes Unternehmen sein, welches den Flug durchführt und als solches auf der Bordkarte des Passagiers genannt ist. Entscheidend ist, welches Unternehmen als den Flug ausführendes gegenüber dem Passagier auftritt und welches tatsächlich auf die organisatorischen Abläufe einwirken und diese gestalten kann (vgl. AG Rüsselsheim, Urt. v. 30.07.2014, 3 C 5696/13 (33)).

Nach Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 04.07.2018, Rs. C-532/17) ist "ausführendes Luftfahrtunternehmen" und damit richtiger Anspruchsgegner das Unternehmen, das die operationelle Verantwortung für den Flug trägt, also das Unternehmen, das die Entscheidung trifft, die konkrete Flugroute festzulegen und als Flug auf dem Flugreisemarkt anzubieten. Siehe dazu: Ausführendes Luftfahrtunternehmen – richtiger Anspruchsgegner.

Außergewöhnliche Umstände

Eine Airline wird von ihrer Zahlungspflicht befreit, wenn die Annullierung des Fluges auf einen „außergewöhnlichen Umstand“ zurückzuführen ist (Art. 5 Abs. 3 VO (EG) Nr. 261/2004).Die Verordnung enthält keine Definition des Begriffes „außergewöhnliche Umstände“ (EuGH, Urteil vom 22.12.08, Az.: C 549/07). In Nr. 14 und 15 setzten sich die Erwägungsgründe mit den Umständen auseinander, welche die Verpflichtungen eines Luftfahrtunternehmens bei Annullierung und Verspätung ausschließen. Leider sind diese nicht hinreichend präzise formuliert. Kann das Luftfahrtunternehmen den außergewöhnlichen Umstand, auf welchen es sich beruft, genau benennen, so erkennt das AG Rüsselheim einen auf Treu und Glauben basierenden Auskunftsanspruch zu ( AG Rüsselheim, Urteil vom 20.01.15, Az.: 3 C 3644/14). Der Erwägungsgrund 14 verweist auf das Montrealer Übereinkommen und dennoch können dessen Regelungen nicht auf die Auslegung der Befreiungsgründe angewendet werden. In diesem Erwägungsgrund wird ein außergewöhnlicher Umstand als ein Vorkommnis beschrieben, welches sich auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Das ist der Fall bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des Fluges nicht zu vereinbarende Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwartete Flugsicherheitsmängel und ein Streik welcher den Betrieb des ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigt. Der Erwägungsgrund 15 legt fest, dass immer dann ein außergewöhnlicher Umstand vorliegt, wenn die Entscheidung des Flugverkehrsmanagments zu einem einzelnen Flugzeug an einem bestimmten Tag als Folge mit sich bringt, dass es bei einem oder sogar bei mehreren Flügen des betreffenden Flugzeugs zu einer großen Verspätung, Verspätung bis zum nächsten Tag oder zu einer Annullierung kommt, obwohl das betreffende Luftfahrtunternehmen all zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat und die Verspätung oder Annullierung zu verhindern. Im Rahmen einer differenzierenden Betrachtung wird Erwägungsgrund 15 genutzt um zu bestimmen wann ein außergewöhnlicher Umstand vorliegt ( Sendmeyer, NJW 2011, 808, 811). Als außergewöhnlich soll ein Umstand danach nur dann eingestuft werden, wenn eine Kausalkette nicht durch entsprechende Gegenmaßnahmen unterbrochen wird, zwingend eine Annullierung zur Folge hat. Der EuGH hat entschieden, dass Art 5 Abs. 3 der Verordnung eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Zahlung von Ausgleichsleistungen darstellt und somit nur eine enge Auslegung der zu fordernden Voraussetzungen vorliegen kann ( EuGH, Urteil vom 22.12.08, Az.: C 549/07). Als Ursache für einen außergewöhnlichen Umstand kann demnach nur etwas in Betracht kommen, dass nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens ist und wegen seiner Natur oder auch Ursache wirklich nicht von ihm beherrscht werden kann ( EuGH, Urteil vom 22.12.08, Az.: C 549/07). Der BGH ist der Rechtsprechung des EuGH in diesem Fall gefolgt ( BGH, Urteil vom 12.11.09, Az.: Xa ZR 76/07).

Ein außergewöhnlicher Umstand ist in den meisten Fällen eine Frage des Einzelfalls. Geschriebene und ungeschriebene Beispiele für außergewöhnliche Umstände sind:

Politische Instabilität

Eine politische Instabilität kann eine Fluggesellschaft dazu zwingen, einen Flug zu annullieren. Dabei sind vor allem an politische Unruhen in Teilen der Welt zu denken, die einen sicheren zivilen Flugverkehr nicht möglich machen.

Vulkanausbruch

→ siehe Hauptartikel: [Vulkanausbruch]

Ein Vulkanausbruch und die daraus resultierende Aschewolke beeinträchtigt den Luftverkehr in besonderem Maße. Diese Beeinträchtigung ist von einer Luftfahrtgesellschaft aber weder vorherzusehen noch durch organisatorische Maßnahmen zu verhindern. Es handelt sich folglich um einen außergewöhnlichen Umstand, der die Fluggesellschaften von ihrer Ausgleichszahlungspflicht entbindet (vgl. AG Köln, Urt. v. 18.05.2011, 132 C 314/10).

Auch wenn der gesamte Luftraum aufgrund einer Aschewolke gesperrt werden muss, handelt es sich hierbei um einen außergewöhnlichen Umstand (vgl. EuGH, Urt. v. 31.01.2013, C-12/11; so auch: AG Rüsselsheim, Urt. v. 21.12.2011, 3 C 229/11 (36); AG Rüsselsheim, Urt. v. 13.01.2012, 3 C 1970/11 (37)).

Wetterverhältnisse

→ siehe Hauptartikel: Schlechte Wetterbedingungen

Allgemein ist anerkannt, dass Wetterverhältnisse, die einen Start nicht zulassen, als außergewöhnlicher Umstand angesehen werden (vgl. AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 15.06.2011, 4 C 572/10). Allerdings müssen von den Fluggesellschaften alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen werden, um den Flug durchzuführen. Dazu zählt z. B. das Warten auf eine Besserung des Wetters (vgl. Oberster Gerichtshof Wien, Urt. v. 03.07.2013, 7 Ob 65/13d). Im Rahmen dieses Wartens ist ein Luftfahrtunternehmen dazu angehalten, eine Ersatzcrew bereitzuhalten, um eine weitere Verspätung wegen des Überschreitens der Dienstezit einer Crew zu verhindern (vgl. AG Frankfurt am Main, Urt. v. 08.11.2013, 32 C 1488/13). Ist das Wetter am Zielflughafen schlecht und gibt es aufgrund dessen keine Starterlaubnis, so liegt auch hier ein außergewöhnlicher Umstand vor (vgl. AG Offenbach, Urt. v. 06.01.2006, 33 C 2/06). Wenn nicht mit einem baldigen Wegfall des schlechten Wetters zu rechnen ist, so liegt ein außergewöhnlicher Umstand vor. So urteilte der BGH zu einer Streitigkeit, bei der ein Flug sich aufgrund von Nebels um zwei Tage verzögerte (vgl. BGH, Urt. v. 25.03.2010, Xa ZR 96/09). Auch ein Blitzschlag wird als außergewöhnlicher Umstand gewertet. Auch Schneefall wird im Rahmen von schlechten Wetterverhältnissen als außergewöhnlicher Umstand angesehen (vgl. AG Frankfurt am Main, Urt. v. 17.07.2007, 31 C 1093/07 - 10, 31 C 1093/07).

Bei der Bewertung von Wetterbedingungen ist die Entscheidung des Piloten ausschlaggebend. Seine Entscheidung kann vom Gericht nur eingeschränkt überprüft werden (vgl. LG Kleve, Urt. v. 07.04.2011, 6 S 116/10). Damit sich eine Fluggesellschaft auf schlechte Wetterverhältnisse als außergewöhnlicher Umstand berufen kann, so liegt die Beweislast bei der Gesellschaft. Sie muss darzulegen, welche konkreten Witterungsbedingungen in welchem Zeitraum wann zur Streichung des ursprünglich vergebenen Starts durch die Flugsicherung geführt haben. Lediglich der Verweis auf schlechte Wetterbedingungen ist nicht ausreichend (vgl. AG Berlin – Wedding, Urt. v. 19.09.2006, 14 C 672/2005).

Technischer Defekt

→ siehe Hauptartikel: Technischer Defekt

Bei technischen Defekten ist die Beurteilung unter der oben genannten Definition schwer zu bestimmen. So muss auch hier danach gefragt werden, ob ein Defekt von der Fluggesellschaft vorhersehbar und vermeidbar war oder nicht.

Der EuGH hat klargestellt, dass die meisten technischen Defekte nicht als außergewöhnliche Umstände zu werten sind und damit das Luftfahrtunternehmen nicht von ihrer Ausgleichszahlungspflicht entbindet. So kann sich eine Fluggesellschaft bei einem technischen Defekt nicht darauf berufen, dass das Flugzeug nach allen Vorschriften gewartet wurde. Das Unternehmen hat bei einem technischen Defekt kein flugtaugliches Flugzeug bereitgestellt. Zwischen den einzelnen Wartungsterminen liegt das Defektrisiko bei den Luftfahrtunternehmen (vgl. EuGH, Urt. v. 22.12.2008, C-549/07; BGH, Urt. v. 12.11.2009, Xa ZR 76/07).

Keine technischen Defekte die einen außergewöhnlichen Umstand begründen sind z.B.:

→ Unreines Kerosin (vgl. AG Rüsselsheim, Urt. v. 18.04.2013, 3 C 2265/12 (39))

→ Defekte Türelektronik (vgl. AG Rüsselsheim, Urt. v. 08.11.2006, 3 C 821/06 (31))

→ Triebwerkprobleme (vgl. AG Rüsselsheim, Urt. v. 07.11.2006, 3 C 717/06 (32))

→ Defekt am Funkgerät (vgl. AG Rüsselsheim, Urt. v. 17.04.2013, 3 C 3319/12 (36))

→ Verstopfte Toilette (vgl. AG Rüsselsheim, Urt. v. 12.09.2011, 3 C 1047/11)

Ein technischer Defekt führt unterdessen zu einem außergewöhnlichen Umstand, wenn der Defekt nicht im Einflussbereich des Flugunternehmens steht. Treten also Defekte ein, die für das Luftfahrtunternehmen nicht beherrschbar oder vorhersehbar sind, so liegt ein außergewöhnlicher Umstand vor und das Unternehmen ist nicht zur Ausgleichszahlung verpflichtet. Ein klassisches Beispiel dafür ist, der sog. Vogelschlag (vgl. BGH, Urt. v. 24.09.2013, X ZR 160/12). Dabei handelt es sich um eine Einwirkung von außen, die für das Flugunternehmen nicht steuerbar ist. Ein weiteres Beispiel ist eine Biene im Staurohr, die eine Fehlermeldung verursacht (vgl. AG Rüsselsheim, Urt. v. 24.07.2013, 3 C 2159/12 (36); AG Düsseldorf, Urt. v. 27.09.2013, 36 C 6837/13). Technische Defekte die nur gelegentlich bei Flugzeugen auftreten, wie z.B. ein Triebwerkschaden, können auch als außergewöhnliche Umstände gewertet werden (vgl. AG Frankfurt am Main, Urt. v. 18.10.2013, 30 C 1848/12 (47)).

Weitere technische Defekte die einen außergewöhnlichen Umstand begründen:

→ Defekter Generator des Flugzeuges (vgl. AG Frankfurt a.M., Beschluss v. 2. 3. 2007, 31 C 3337/06)

→ Radarausfall (vgl. AG Erding, Urt. v. 18.04.2011, 2 C 1053/11)

Streik

→ siehe Hauptartikel: [Streik]

Bei einem Streik wird danach geurteilt, wer zum Streik aufgerufen hat und woher der Streik kommt. Streiken also die Piloten oder das Kabinenpersonal eines Flugunternehmens, so gehört es zum betrieblichen Risiko, dass hierdurch Flüge ausfallen. Ein Streik seiner Mitarbeiter ist einem jeweiligen Luftfahrtunternehmen zuzurechnen (vgl. LG Köln, Urt. v. 27.10.2011, 6 S 282/10). Für die Beurteilung ob ein außergewöhnlicher Umstand vorliegt oder nicht, kann es auch darauf ankommen, wann der Streik angekündigt wurde. Das AG Erding hat entschieden, dass ein sehr kurzfristig angekündigter Streik, i.d.R. einen Tag vor Beginn, als außergewöhnlicher Umstand gelten kann; vgl. AG Erding, Urt. v. 27.7.2015,Az. 7 C 1205/14.

Bei einem Fluglotsenstreik im Inland kommt es darauf an, ob das jeweilige ausführende Flugunternehmen den ihm gegebenen Spielraum bei der Entscheidung, ob ein Flug wegen außergewöhnlicher Umstände annulliert wird, fehlerfrei ausgeübt hat. Dabei ist es dem Unternehmen erlaubt, auf den verbleibenden Flugplan Rücksicht zu nehmen (vgl. AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 19.01.2011, 9 C 461/10). Findet der Streik allerdings auf einem Flughafen im Ausland statt, so hat die Luftfahrtgesellschaft dafur Sorge zu tragen, dass Ersatzflugzeuge bereitstehen und die Fluggäste an ihr Ziel befördert werden können (vgl. AG Hannover, Urt. v. 18.04.2012, 416 C 12559/11). Betrifft ein Streik der Fluglotsen den gesamten Luftraum eines Landes und kann das ausführende Luftfahrtunternehmen die Annullierung auch nicht durch ihr zumutbare Maßnahmen verhindern, so liegt ebenfalls ein außergewöhnlicher Umstand vor; vgl. AG Erding, Urt. v. 27.7.2015, Az.: 7 C 1205/14. Auch eine Entscheidung von Eurocontrol, die zur Annullierung mehrerer Flüge führt und auf einem Fluglotsenstreik basiert, kann einen außergewöhnlichen Umstand darstellen; vgl. AG Erding, Urt. v. 27.7.2015,Az.: 7 C 1205/14; AG Geldern, Urt. v. 7.10.2016,Az.: 17 C 55/16; AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 31.1.2011, Az.: 4 C 308/10.

Bei einem Streik des Abfertigungspersonals ist es erheblich, ob sich die dadurch verursachte Flugverspätung bei Einsatz aller zumutbaren finanziellen, materiellen und personellen Mittel hätte verhindern lassen. Hierfür trägt die Airline die Beweis- und Darlegungslast (vgl. AG Hannover, Urt. v. 08.02.2012, 531 C 10491/11). Nur wenn alle Mittel ausgeschöpft wurden, liegt ein außergewöhnlicher Umstand vor.

Streikt das Personal am Flughafen, welches nicht zu der betroffenen Airline gehört, so trifft die Airline kein Verschulden und sie sind von ihrer Zahlungspflicht befreit.

Vogelschlag

→ siehe Hauptartikel: [Vogelschlag]

Gerät ein Vogel in das Triebwerk eines Flugzeugs so spricht man von einem Vogelschlag. Bei der Beurteilung, ob ein Vogelschlag einen außergewöhnlichen Umstand darstellen kann, gibt es unterschiedliche Ansichten. Nach einer Ansicht soll eine Annullierung oder Verspätung, die einen Vogelschlag zum Grund hat, keinen außergewöhnlichen Umstand darstellen (LG Hamburg, Urteil vom 13.01.12, Az.: 318 S 98/11; AG Bremen, Urteil vom 29.12.11, Az.: 9 C 91/11; LG Frankfurt a.M., Urteil vom 29.11.12, Az.: 2/24 S 111/12; LG Darmstadt, Urteil vom 24.07.13, Az.: 7 S 242/12; BGH, Urteil vom 24.09.13, Az.: X ZR 160/12; AG Düsseldorf, Urteil vom 13.03.14, Az.: 22 C 374/14). Als Begründung wird angeführt, dass ein Vogelschlag grundsätzlich immer nur während der Start- oder Landephase auftreten kann. Eine Ausnahme dazu bildet Südamerika, wo dies auch in größeren Höhen passieren kann. Somit kann man davon ausgehen, dass es eine Pflicht des Flughafenbetreibers ist, dafür zu sorgen, dass im unmittelbaren Bereich der Start- und Landebahn Maßnahmen getroffen werden müssen um das Auftreten von Vogelschwärmen zu verhindern.

Nach einer anderen Ansicht stellt ein Vogelschlag einen klassischen außergewöhnlichen Umstand dar, auf den sich Airlines berufen können. Der BGH hat dazu geurteilt, dass ein Unternehmen seine Flugzeuge trotz regelmäßiger Wartung nicht vor Vogelschlägen schützen kann. Die Flugrouten von Vögeln sind nicht vorhersehbar und Gegenmaßnahmen stellen keine sichere Verhinderung von Vogelschlägen dar (vgl. BGH, Urt. v. 24.09.2013, X ZR 160/12).

Crew

Erkrankt ein Crewmitglied, so ist darin kein außergewöhnlicher Umstand zu sehen. Eine Erkrankung eines Crewmitglieds liegt im Risikobereich des Unternehmens und muss in den normalen Betriebsablauf eingeplant werden. Die Art der Erkrankung spielt dabei keine Rolle (vgl. AG Rüsselsheim, Urt. v. 17.09.2010, 3 C 598/10 (31)).

Kann ein Flugzeug aufgrund von Hindernissen nicht starten, so beginnt jedoch schon die Arbeitszeit der Crew. Im schlimmsten Falle, ist die Arbeitszeit abgelaufen, ohne dass das Flugzeug am Ziel angekommen ist oder gar abgehoben hat. Für einen solchen Fall ist es der Airline zumutbar, eine Ersatzcrew bereit zu halten, um eine weitere Verspätung des Fluges zu verhindern (vgl. LG Frankfurt, Urt. v. 02.09.2011, 2/24 S 47/11; EuGH, Urt. v. 12.05.2011, C-294/10).

Siehe: Außergewöhnliche Umstände

Betreuungsleistungen

Ungeachtet des Bestehens eines Ausgleichszahlungsanspruches ist das Luftfahrtunternehmen immer zur Erbringung von Betreuungsleistungen für die gestrandeten Fluggäste verpflichtet, Art. 9 VO (EG) Nr. 261/2004. Hierzu zählen:

  • Erfrischungen und Mahlzeiten in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit
  • zwei unentgeltliche Telefonanrufe oder zwei Telexe oder zwei Telefaxe oder E-Mails versenden
  • Hotelunterbringung (AG Erding, Urteil v. 15.11.2006, 4 C 661/06)

Ein Fluggast kann aufgebrachte Kosten im Rahmen der Verspätung oder Annullierung vom Luftfahrtunternehmen in einem gewissen Umfang erstattet verlangen (vgl. AG Simmern, Urteil v. 20.04.2007, 3 C 688/06).

Durchsetzung und gerichtliche Verfolgung

Durchsetzung und Abtretung des Anspruchs

Die Ansprüche müssen gegenüber der Fluggesellschaft geltend gemacht werden, bei welcher der Flug gebucht wurde; sie ist der richtige Anspruchsgegner. Selbst wenn ein Flug über einen Reisevermittler, also z.B. über eine Flugsuchmaschine im Internet oder einen sonstigen Dritten, gebucht wurde, ist trotzdem das ausführende Luftfahrtunternehmen der richtige Anspruchsgegner des Passagiers, z.B. im Falle einer Annullierung (Vgl.: EuGH, Urt. v. 11.05.2017, Rs. C-302/16).

Eine anwaltliche Vertretung ist bei der außergerichtlichen Geltendmachung zunächst grundsätzlich nicht erforderlich. Siehe: Rechtsanwaltskosten, Anspruch auf Ausgleichszahlung - gerichtliche Verfolgung.

Die Abtretung eines Anspruchs aus der Fluggast-VO ist grundsätzlich zulässig. auf Der Fluggast kann seinen Anspruch nach Maßgabe des Art. 14 II Rom I VO seinen Anspruch aus der Flugastrechte-VO gemäß Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Rom I- VO an ein Unternehmen abtreten, sofern sich der gewöhnliche Aufenthalt des Kunden mit seinem Abgangs- oder Bestimmungsort deckt. Sollte dementsprechend ein Kunde mit Lebensmittelpunkt in Deutschland grenzüberschreitend mit Hilfe eines Luftbeförderers ein Ziel erreicht haben, gilt für das hypothetische Abtretungsverbot das deutsche Sachrecht und nicht das vom Vertragspartner gewählte ausländische Recht. Decken sich Abgangs- und Bestimmungsort nicht mit dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kunden greift kraft objektiver Anknüpfung aus Art. 5 Abs. 2 Satz 2 wiederum i.V.m. Art. 20 Rom I-VO das Recht des Landes, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Damit ein Luftfahrtunternehmen die zustehenden Ausgleichszahlungen tätigt, muss der Fluggast seinen Anspruch im Zweifelsfall durchsetzen. Die aktuelle Rechtslage bietet dem Reisenden Institutionen, die bei der Durchsetzung der Fluggastrechte helfen sollen. So ist jeder Mitgliedstaat der europäischen Union dazu gehalten, eine Stelle für die Durchsetzung der Verordnung zu benennen. Diese benannte Stelle soll sicherstellen, dass die Fluggastrechte gewahrt bleiben. Zuständig ist diese Stelle für diejenigen Flüge, die von in seinem Hoheitsgebiet gelegenen Flughäfen starten und für Flüge, die aus einem Drittland einen dieser Flughäfen anfliegen. Ein Flugpassagier, der seine Rechte aus der Fluggastrechteverordnung verletzt sieht, kann bei dieser Stelle eine Beschwerde einlegen. Die von dem Mitgliedstaat bestimmte Stelle muss Sanktionen festlegen, die bei Verstößen greifen und wirksam, abschreckend sowie verhältnismäßig sein sollen Art. 16 VO (EG) Nr. 261/2004. Deutschland hat als Mitgliedstaat das Luftfahrtbundesamt zu seiner Durchsetzungsstelle ernannt. Eine zeitliche Einschränkung zur Erhebung der Ansprüche und deren Durchsetzung gibt es nicht. Es gelten die allfälligen Verjährungsfristen (i. d. R. drei Jahre). Dazu muss er zunächst selber tätig werden und sich mit dem Luftfahrtunternehmen in Verbindung setzen. Verzögert sich die Zahlung oder lehnt die Fluggesellschaft die Zahlung ab, so muss in der Regel ein Fachanwalt für Reiserecht eingeschaltet werden.

Siehe: Rechtsanwaltskosten

Gerichtsstand

Die Frage des Gerichtsstandes ist nicht in der europäischen Fluggastrechteverordnung geregelt, sondern ist nach nationalen Bestimmungen zu ermitteln. Unabhängig vom Vertragsstatut ist der Erfüllungsort nach der Zivilprozessordung (§ 29 ZPO) sowohl der Ort des vertragsgemäßen Abfluges als auch der Ort der vertragsgemäßen Ankunft des Flugzeugs. Damit ist der Ort gemeint, an dem die Reise begann bzw. beginnen sollte (vgl. BGH, Urt. v. 18.01.2011, X ZR 71/10).

Siehe: Anspruch auf Ausgleichszahlung - gerichtliche Verfolgung

Informationsrecht

Ein Fluggast kann verlangen, dass er Informationen über seine Rechte im Falle einer Nichtbeförderung, Annullierung oder Verspätung erhält. Außerdem sollen schriftliche Hinweise an die Passagiere ausgehändigt werden, welchen zu entnehmen ist, welche Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen gegeben sind. Im Falle einer Verspätung müssen diese Hinweise erst zwei Stunden nach der eigentlich geplanten Abflugzeit ausgehändigt werden, vgl. Art. 14 VO (EG) Nr. 261/2004.

Gesetzesgrundlage

Der Reisevertrag ist in den §§ 651 a ff. BGB geregelt und stellt einen besonderen Vertragstypus im Bürgerlichen Gesetzbuch dar. Ein Reisevertrag wird zwischen dem Kunden und einem Reiseveranstalter geschlossen. Ein Reisevertrag ist auf die Herbeiführung eines Erfolges, nämlich einer bestimmten Gestaltung der Reise in eigener Verantwortung des Reiseveranstalters gerichtet. Dabei muss es sich um eine Bündelung von Reiseleistungen handeln, also müssen mindestens zwei Einzelleistungen vorliegen (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 19.03.1997, 13 U 53/95).

Anwendungsbereich

Das Reiserecht aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch ist nur anwendbar, wenn eine Gesamtheit von Reiseleistungen vorliegt. Vertragsgegenstand des Reisevertragsrechts ist die „Reise“, die der Gesetzgeber als „Gesamtheit von Reiseleistungen“ definiert. Dies beinhaltet schon nach dem Wortlaut, dass mindestens zwei Einzelleistungen, die von dem Reiseveranstalter „gebündelt“ werden, vorliegen müssen. Die einzelnen Teilleistungen können dabei unmittelbar mit der Reise zusammenhängen (Beförderung/Unterkunft/Verpflegung). Notwendig ist dies jedoch nicht. Es ist ohne weiteres möglich, dass einzelne Teilleistungen aus anderen Bereichen stammen und nur gelegentlich der Reise durchgeführt werden.

Ansprüche

Liegt eine Gesamtheit von Reiseleistungen vor, so können für den Reisenden Ansprüche erwachsen, wenn ein Reisemangel vorliegt.

Reisemangel

Damit einem Reisenden Ansprüche entstehen, muss zunächst ein Reisemangel vorliegen. Dieser Reisemangel kann sich aus einem Fehler oder einer zugesicherten Eigenschaft der Reise ergeben.

Fehler

Ein Fehler der Reise liegt vor, wenn die Reise von der vereinbarten Beschaffenheit abweicht und dadurch ihr Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vertraglich vorausgesetzten Nutzen aufgehoben oder gemindert ist. Es ist von einem subjektiven Fehlerbegriff auszugehen, also zunächst auf das Abweichen der Ist- von der vertraglich vereinbarten Sollbeschaffenheit abzustellen (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 23.02.1988, 14 U 182/86).

Wurden allerdings keine genauen Vereinbarungen über die Beschaffenheit der Reise vereinbart, so ist die normale und objektive Beschaffenheit der Reiseleistung maßgeblich und es ist auf die Erwartungshaltung eines Durchschnittsreisenden abzustellen (vgl. BGH Urt. v. 06.11.1985, IVa ZR 96/84).

Ein Fehler muss sich im konkreten Fall auf den Reisenden ausgewirkt haben. Außerdem ist zu beachten, dass das typische Merkmal eines Reisevertrages die Bündelung von Einzelleistungen ist. Bezogen auf eine Fehlerhaftigkeit bedeutet dieses, dass eine fehlerhafte Einzelleistung zu einer fehlerhaften Gesamtleistung wird (vgl. BGH, Urt. v. 20.03.1986, VII ZR 187/85).

Zugesicherte Eigenschaft

Eigenschaften einer Reise sind alle Verhältnisse, die wegen ihrer Art und Dauer nach der Verkehrsanschauung Einfluss auf die vertragsgemäße Beschaffenheit der Reise haben. Hierzu zählen z.B. Hotellage, Zimmerausstattung, Verpflegung, Hoteleinrichtungen, Zielort und dessen Umgebung sowie Beförderungsmittel. Wird eine Eigenschaft zugesichert kommt es, anders als bei einem Fehler, der auf Grund des subjektiven Fehlerbegriffs ebenfalls vorliegt, nicht auf eine Beeinträchtigung des Wertes oder der Tauglichkeit der Reise an. Liegt eine Zusicherung vor, so kommt eine verschuldensunabhängige Haftung für die Übernahme einer Garantie bzw. eines Beschaffungsrisikos in Betracht.

Zugesicherte Eigenschaften kommen zustande, wenn der Reisende das Verhalten des Reiseveranstalters nach Treu und Glauben dahingehend verstehen durfte, dass die Eigenschaft verbindlicher Vertragsbestandteil geworden ist. Dieses kann sich aus einer Reisebestätigung aber auch durch eine andere schriftliche oder mündliche Erklärung ergeben (vgl. BGH Urt. v. 19.11.1981, VII ZR 238/80)

Unannehmlichkeiten

Unannehmlichkeiten sind geringfügige Mängel im Reiserecht, die der Reisende hinzunehmen hat. Hierzu gehören insbesondere die Fälle, in denen einen die Erwartungshaltungen der Reisenden von ihrer Heimat geprägt sind, jedoch bei (exotischen) Reisezielen nicht gewährleistet werden können.

Mängel bei der Beförderung mit dem Flugzeug

Bei Reisen mit dem Flugzeug ist immer zu prüfen, welcher Abflugtag und welche Abflugzeit mit dem Reiseveranstalter vereinbart wurden (vgl. BGH Urt. v. 16.09.2014, X ZR 1/14). Eine bloße Verspätung ist nach dem Pauschalreiserecht für einen Passagier hinzunehmen, insbesondere, wenn es sich um eine Billigreise handelt (vgl. AG Düsseldorf, Urt. v. 16.06.1997, 46 C 548-97). Ist die Verspätung aber erheblich, so ist eine Minderung gerechtfertigt (vgl. AG Frankfurt, Urt. v. 09.07.1991, 31 C 4032/90-15). Erheblich ist eine Verspätung in jedem Falle dann, wenn ein gesamter Urlaubstag verloren geht. Eine etwaige Zwischenlandung stellt an sich noch keinen Mangel dar, es sei denn, es wurde ein Flug ohne Zwischenlandung zugesichert. Das Gleiche gilt auch für einen Wechsel der Fluggesellschaft.

Minderung

Durch § 651 m BGB wird dem Reisenden beim Vorliegen eines Mangels eine Herabsetzung des Reisepreises gewährt. Diese Minderung tritt kraft Gesetzes ein. Die Minderung tritt neben einen etwaigen Schadensersatzanspruch aus § 651 n BGB, wobei allerdings die im Rahmen der Minderung ausgeglichene Vermögenseinbuße nicht noch einmal als Schaden geltend gemacht werden können.

Da die Minderung grundsätzlich kraft Gesetzes eintritt, wenn ein Reisemangel vorliegt, muss nur ein solcher Mangel vorliegen. Allerdings darf der Reisende es nicht schuldhaft unterlassen haben, den Mangel anzuzeigen. Wird erst verspätet eine Anzeige gemacht, so kommt eine Minderung erst ab diesem Zeitpunkt in Betracht (vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 23.03.1989, 18 U 271/88). Eine Mangelanzeige muss gegenüber dem Reiseveranstalter erfolgen und bedarf keiner besonderen Form.

Besteht ein Mangel nicht während der gesamten Reisezeit, so ist eine Minderung anteilig für die betroffenen Tage zu berechnen. Gerade bei einem Mangel bei der Beförderung mit dem Flugzeug ist dieses von Bedeutung. Hier ist die Minderung aus dem Tagespreis der Reise zu berechnen.

Schadensersatz

Nach § 651 n BGB kann der Reisende bei einem Reisemangel Schadensersatz verlangen. Diesen Schadensersatz kann der Reise für Folgendes geltend machen:

  • Körperschäden
  • Schäden am Eigentum
  • reine Vermögensschäden
  • Schmerzensgeld

Außerdem kann der Reisende Ersatz für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit vom Reiseveranstalter verlangen. Die Reise muss erstens entweder vereitelt oder erheblich beeinträchtigt worden sein, und zweitens muss der Reisende nutzlos Urlaubszeit aufgewendet haben. Daraus muss ihm ein Schaden entstanden sein. Darüber hinaus wird dem Reisenden in der Regel erst dann ein Anspruch auf Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit/entgangener Urlaubsfreude gemäß §651 n BGB zugesprochen, wenn ein Reisemangel vorliegt, der zu einer Minderung in Höhe von 25% oder mehr des Gesamtpreises berechtigt; vgl. LG Duisburg, Urteil vom 21.4.2005, Az.: 12 S 80/04.

Außerdem ist ein doppeltes Anzeigeerfordernis zu beachten: Nach der Rechtsprechung muss der Reisende den zu Grunde liegenden Mangel bereits während der Reise gem. § 651d Abs. 2 angezeigt haben, und nach Reiseende ist die Einmonatsfrist des § 651g Abs. 1 BGB einzuhalten (vgl. BGH, Urt. v. 20.09.1984, VII ZR 325/83).

Gerichtsstand

Bei Pauschalreisen hat der Reisende auch die Möglichkeit die Ausgleichszahlung an seinem Wohnsitz geltend zu machen. Bei einer Pauschalreise handelt es sich um eine Verbrauchersache nach Art. 15 EuGVVO, so dass sich der Gerichtsstand auch nach dem Wohnort des Verbrauchers, also dem Reisenden, begründet (vgl. AG Gießen, Urt. v. 23.04.2013, 49 C 381/12). Die Verordnung des Rates über gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) regelt die internationale Zuständigkeit der Gerichte gegenüber dem Beklagten, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat, sowie die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen aus anderen Mitgliedstaaten. Bei einer Pauschalreise handelt es sich um keine Forderung, die nicht beruflicher oder gewerblicher Tätigkeit zugerechnet wird. Somit kann der Reisende auch sein heimisches Gericht anrufen um seinen Anspruch durchzusetzen.

Anspruchskonkurrenz

Verspätet sich oder wird ein Flug annulliert, der Teil einer Pauschalreise ist und kommt es deswegen zu einer beachtlichen Verspätung, so steht einem Reisenden ein Ausgleichanspruch nach der europäischen Fluggastrechteverordnung gegen das Luftfahrtunternehmen und eine Reisepreisminderung bzw. ein Schadensersatzanspruch gegen den Reiseveranstalter zu.

Ob es in einem solchen Fall zu einer Überkompensation kommt, ist in der Rechtsprechung umstritten. Im Kern dieser Diskussion geht es um die Frage, ob sich ein Schadensersatzanspruch mit einem Ausgleichanspruch verrechnen lassen muss, vgl. Art. 12 VO (EG) Nr. 261/2004. So urteilten die Richter des Landgerichts Frankfurt am Main, dass die Anrechnungsvorschrift des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 261/2004 auch solche Ansprüche erfasst, die gegenüber dem Reiseveranstalter als Anspruchsgegner geltend gemacht werden und die nicht auf einem Schadensersatz-, sondern auf einem Minderungsanspruch beruhen (vgl. LG Frankfurt am Main, Urt. v. 29.11.2012, 2-24 S 67/12).

In einer ähnlichen Sache entscheiden die Richter des Landgerichts Darmstadt, dass nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 261/2004 eine nach der Verordnung gewährte Ausgleichsleistung auf einen Schadensersatzanspruch des Fluggastes angerechnet werden, nicht jedoch umgekehrt (vgl. LG Darmstadt, Urt. v. 06.04.2011, 7 S 112/10). Auch das Amtsgericht in Frankfurt am Main entschied, dass eine Ausgleichszahlung nach der europäischen Fluggastrechteverordnung nicht mit einem Schadensersatz von einem Reiseveranstalter verrechnet werden darf (vgl. AG Frankfurt am Main, Urt. v. 04.12.13, 31 C 2243/13 (17)).

Siehe auch