Gerichtsstand bei Gepäckschäden

Aus PASSAGIERRECHTE
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Bei verspätetem Gepäck haben Passagiere gewisse Ansprüche gegen ihre Vertragspartner. Dabei ist immer maßgeblich, ob es sich um einen Luftbeförderungsvertrag oder einen Reisevertrag handelt. Fraglich ist, bei welchem Gericht der Anspruch geltend gemacht werden muss. Wo der Passagier seine Rechte bei einer Gepäckverspätung oder sogar einem Gepäckverlust geltend machen kann, soll im Folgenden erörtert werden.

Richtiger Anspruchsgegner

Unabhängig davon, wo ein Passagier seine Rechte geltend machen muss, ist auch die Geltendmachung gegenüber dem richtigen Anspruchsgegner erforderlich. Wie schon kurz angerissen, ist dabei die Vertragsart maßgeblich. Handelt es sich um einen Luftbeförderungsvertrag ist der Luftfrachtführer der richtige Anspruchsgegner. Bei einem Reisevertrag ist wiederum der Reiseveranstalter der richtige Anspruchsgegner. Jedoch bringt einem das Wissen des richtigen Anspruchsgegners nichts, wenn man nicht weiß, wo man seinen Anspruch geltend machen muss. Dies soll im Folgenden noch erläutert werden.

Gerichtsstand

Der allgemeine Gerichtsstand für Zivilklagen ergibt sich aus § 12 ZPO. Danach muss man jemanden, gegen den man einen Anspruch geltend machen will, dort verklagen, wo derjenige seinen Wohnsitz hat. Wohnt man also beispielsweise in München und möchte jemanden verklagen, der in Berlin lebt, muss man den Anspruch in Berlin geltend machen. Die Ansprüche bei Gepäckverlust oder Gepäckverspätung ergeben sich in erster Linie aus dem Montrealer Übereinkommen.

Zentrale Norm: Art. 33 MÜ

Der Gerichtsstand für solche Ansprüche ergibt sich aus Art. 33 MÜ. Daher ist dies auch die zentrale Norm dafür, um zu erläutern, wo man seinen Schadensersatzanspruch geltend machen muss. Diese Regelung weicht in Teilen vom Grundsatz aus der Zivilprozessordnung ab. Es kommt nämlich nicht nur der Wohnsitz des Luftfrachtführers in Betracht, sondern auch andere Orte, wie beispielsweise seine Hauptniederlassung. Bevor man auf die einzelnen Orte eingeht, an welchen die Ansprüche geltend gemacht werden können, sollte die Norm an sich verstanden werden. Diese Regelung ist deshalb von so großer Bedeutung, da sich die meisten Ansprüche der Gepäckschadenshaftung aus dem Montrealer Übereinkommen und insbesondere aus Art. 17 Abs. 2 MÜ ergeben. Deswegen ist die Norm für den Gerichtsstand in demselben Übereinkommen von überragender Bedeutung.

Normzweck und Entstehung der Norm

Zum besseren Verständnis sollte die Entstehungsgeschichte der Norm und der Zweck derselben vertieft werden. Hauptzweck der Norm ist es, dem Kläger die verschiedenen Gerichtsstände zur Verfügung zu stellen. Für die Haftung für Gepäckschäden kommen dabei vier verschiedene Gerichtsstände in Betracht. Die Norm soll sicherstellen, dass das Montrealer Übereinkommen und seine Regelungen im jeweiligen Vertragsstaat effektiv zur Anwendung kommen. Zudem entspricht die Norm den Interessen der Parteien zu wissen, wo sie klagen müssen bzw. wo sie verklagt werden. Art. 33 Abs. 1, 4 MÜ entspricht dem Art. 28 des Warschauer Abkommens. Der Art. 33 MÜ wurde um einen fünften Gerichtsstand erweitert. Dabei handelt es sich um den Wohnsitz des Reisenden, welcher allerdings nur für körperliche Schäden oder auch Tod in Betracht kommt. Auf diesen wird hier jedoch nicht weiter eingegangen, da hier insbesondere der Gerichtsstand bei Reisegepäckverspätungen oder Gepäckverlusten dargestellt werden soll.

Anwendungsbereich

Das Montrealer Übereinkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag, welcher vor allem für die Staaten verbindlich ist, welche ihn ratifiziert haben. Es stellt sich daher die Frage, wie weit sein Anwendungsbereich reicht und ob es Rechtsquellen gibt, welche demselben vorgehen könnten und die Zuständigkeiten der Gerichte von den in Art. 33 MÜ genannten doch abweichen können.

Verhältnis zu anderen Rechtsquellen

Das Abkommen von Montreal kollidiert in der hier behandelnden Materie insbesondere mit der EuGVVO und dem Übereinkommen von Lugano.

Im Verhältnis der Regelungen zur EuGVVO ist der Art. 33 MÜ lex specialis. Das heißt als spezielleres Gesetz findet der Art. 33 MÜ vorrangig Anwendung. Nur da, wo das Montrealer Übereinkommen keine Regelung trifft, wird das EuGVVO ergänzend hinzugezogen. Das ergibt sich insbesondere aus Art. 71 I EuGVVO. Der Art. 33 MÜ regelt die internationale Entscheidungszuständigkeit. Insbesondere die Anerkennung und Vollstreckung (Art. 32 ff. EuGVVO), die Berücksichtigung der Rechtshängigkeit von Amts wegen (Art. 27 EuGVVO) und die Verfahrensaussetzung zur Vermeidung widersprechender Entscheidungen (Art. 28 EuGVVO) sind Bereiche, in denen die EuGVVO ergänzend hinzugezogen wird.

Das Übereinkommen von Lugano ist als Parallelabkommen zum Vorgänger der EuGVVO entstanden. Es soll den Anwendungsbereich der EuGVVO auf europäische Länder ausweiten, welche nicht Mitglied der Europäischen Union sind. Deswegen sind die Regelungen denen der EuGVVO sehr ähnlich. Daher wirken auch diese Regelungen ergänzend.

Im Verhältnis zum nationalen Recht gilt das Montrealer Übereinkommen vorrangig. Als völkerrechtlicher Vertrag sind die Regelungen desselben mindestens als geltendes Bundesrecht anzusehen.

Internationale oder örtliche Zuständigkeit?

In manchen Staaten, insbesondere solchen des Common-law-Rechtskreises (wie die USA), wird die Auffassung vertreten, dass der Art. 33 MÜ nur die internationale Zuständigkeit regelt. Das bedeutet, dass das Montrealer Übereinkommen nur regelt, in welchem Land man seinen Anspruch geltend macht, nicht aber an welchem konkreten Ort. Dem kann jedoch nur widersprochen werden. In Art. 33 Abs. 1 MÜ ist nicht nur von dem Mitgliedsstaat des Übereinkommens die Rede, in welchem die Klage erhoben werden soll, sondern vom Ort. Der Wortlaut der Norm knüpft also nicht nur an die internationale, sondern konkret an die örtliche Zuständigkeit an. Für Gepäckschäden oder Gepäckverlust ist die örtliche Zuständigkeit demnach klar geregelt, was durch §§ 44, 56 LuftVG im Grunde bestätigt wird.

Vereinbarung eines Klageortes

Die Parteien können nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit selbstverständlich vereinbaren, wo der Anspruch geltend gemacht werden soll. Allerdings wäre eine Vereinbarung vor dem Schadenseintritt unzulässig. Eine solche wäre nicht ausreichend bestimmt genug und man weiß vorher nicht, wo der Schaden eintritt. Daher könnte eine solche Vereinbarung den Passagier unangemessen benachteiligen. Nachdem der Schaden eingetreten ist, ist eine solche Vereinbarung jedoch immer möglich. Dann sind dem Reisenden nämlich alle relevanten Informationen bekannt und eine Benachteiligung wäre nicht ersichtlich.

Maßgebliche Reglungen für Gepäckschadensersatz

Den Ersatz für Schäden, welche im Zusammenhang mit Gepäck entstehen, regeln die Art. 17 bis 19 MÜ. Wo man diese Ansprüche geltend machen muss, regelt Art. 33 Abs. 1 MÜ. Der zweite Absatz der Norm gilt nur für Personenschäden. Daher sind die maßgeblichen Normen die eben genannten.

Wo kann kann man seine Ansprüche für Gepäckschadenersatz geltend machen?

Wie schon erwähnt beantwortet Art. 33 Abs. 1 MÜ diese Frage. Allerdings kann es passieren, dass Gerichte in Staaten, in denen das Montrealer Übereinkommen nicht gilt, sich für zuständig erklären, da diese nicht an dasselbe gebunden sind. Wurde die Klage bereits bei einem anderen Gericht in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union geltend gemacht, kann ein deutsches Gericht die Klage gem. Art. 27 Abs. 2 EuGVVO ablehnen.

Wohnsitz der Fluggesellschaft

Nach Art. 33 Abs. 1 MÜ ist zunächst der Wohnsitz des Luftfrachtführers ein möglicher Klageort. Damit sind die §§ 12, 13 ZPO aufgegriffen worden. Wo jemand seinen Wohnsitz hat, ist bei Privatpersonen immer relativ leicht zu beantworten. Eine Fluggesellschaft ist allerdings eine juristische Person, welche gar keinen Wohnsitz hat. Was als Wohnsitz derselben zu bestimmen ist, ist abhängig vom Staat. In Deutschland ist die Satzung der Fluggesellschaft maßgeblich. In Frankreich ist der Wohnsitz mit der Hauptniederlassung gleichzusetzen. In den USA stellt der Gesellschaftssitz den Wohnsitz dar.

Hauptniederlassung der Fluggesellschaft

Des Weiteren ist die Hauptniederlassung der Fluggesellschaft ein möglicher Klageort, um einen Anspruch auf Gepäckschadensersatz geltend zu machen. Die Hauptniederlassung ist der Ort, an dem die Geschäfte tatsächlich geleitet werden. Die Judikatur geht davon aus, dass ein Luftfrachtführer nur eine Hauptbetriebsleitung hat. Aufgrund der oft internationalen Ausrichtung von Fluggesellschaften, kann es nämlich sein, dass Geschäfte an mehreren Orten geleitet werden. Es muss dann geprüft werden, wo der tatsächliche Geschäftsmittelpunkt der Gesellschaft liegt.

Ort der vertragsschließenden Geschäftsstelle

Der dritte mögliche Klageort, um Gepäckschadensersatz geltend zu machen, ist der Ort der Geschäftsstelle, an dem der Vertrag geschlossen wurde. Bei dem geschlossenen Vertrag handelt es sich nicht um einen gesonderten Vertrag für die Gepäckbeförderung, sondern diese ist Bestandteil des Luftbeförderungsvertrags Eine Definition der vertragsschließenden Geschäftsstelle lässt sich dem Montrealer Übereinkommen nicht entnehmen. Da das Übereinkommen in mehren Sprachen gefasst ist, ist durch die verschiedenen Textfassung nicht ganz klar, welche Anforderungen an die rechtliche und organisatorische Natur der Geschäftsstelle im Verhältnis zum Luftfrachtführer gestellt werden. In der französischen Rechtsprechung wird ein enger Geschäftsstellenbegriff vertreten. Danach muss der Vertrag durch eine rechtlich oder zumindest organisatorisch zum Betrieb des [[Luftfrachtführer]s gehörende Niederlassung oder Filiale abgeschlossen worden sein. Der BGH sieht das jedoch anders. Die Geschäftsstelle muss nicht zwangsläufig zum Luftfrachtführer gehören oder organisatorisch in denselben eingegliedert sein und damit von ihm beherrscht werden. Der Sinn der Vorgängernorm des Art. 33 Abs. 1 MÜ (Art. 28 WA) und auch der aktuellen Regelung ist, dass die Rechtsverfolgung erleichtert werden soll. Daher ist auch eine selbständige Agentur als Geschäftsstelle anzusehen. Ansonsten könnte eine Fluggesellschaft durch kaufmännische Organisation beeinflussen, ob der Kläger an einem bestimmten Ort klagen kann. Das wird wohl kaum das Ziel einer verbraucherschützenden Vorschrift sein.

Trotzdem kommt es immer wieder zu Abgrenzungsschwierigkeiten. Beispielsweise können auch anderen Agenten, wie Reisebüros, sowie andere Fluggesellschaften, als Geschäftsstelle i.S.d. Art. 33 Abs. 1 MÜ. Dafür muss zwischen dem Agenten und dem vertraglichen Luftfrachtführer eine dauerhafte und feste Vertragsbeziehung bestehen. Das muss für andere auch erkennbar sein.

Es bestehen allerdings auch andere Vertriebsmöglichkeiten. Zumindest ist der Vertrieb über Code-Sharing gerichtsstandbegründend. Jedoch ist das Aufstellen von „self-ticketing“-Automaten wohl nicht als Vertrieb durch eine Geschäftsstelle anzusehen. Der Sinn und Zweck würde zwar dafür sprechen, allerdings würde dies die Auslegung des Begriffs wohl zu weit strapazieren.

Problematisch ist auch die elektronische Buchung über das Internet. Dies erfolgt in der Regel über die Homepage der Fluggesellschaft. Das bedeutet, dass die Vertragspartner nicht erkennen können, wo sich der jeweils andere befindet. Daher würde nie klar sein, wo sich die Geschäftsstelle befindet. Der Passagier könnte einfach bei sich zuhause den Flug buchen. Das würde bedeuten, dass aus Sicht der Fluggesellschaft, der Klageort überall auf der Welt sein könnte, egal wo der Kunde wohnt. Eine solche Ausweitung der Gerichtsstände ist daher abzulehnen.

Schließlich ist auch von Bedeutung, dass die Geschäftsstelle den Vertrag auch tatsächlich abschließt.

Bestimmungsort

Als letzter Klageort für die Gepäckhaftung kommt der Bestimmungsort in Betracht. Der Begriff des Bestimmungsortes wird im Montrealer Übereinkommen allerdings nicht näher definiert. Grundsätzlich ist der Luftbeförderungsvertrag, d.h. die Vereinbarung der Parteien maßgeblich. Bestimmungsort ist daher in der Regel der Ort des letzten, vertragsmäßigen Landeflughafens. Bei einem vereinbarten Hin- und Rückflug ist daher in der Regel der Abflugort der Bestimmungsort. Wird die Beförderung als eine einheitliche Leistung gebucht und von unterschiedlichen Luftfrachtführern durchgeführt, gilt die letzte vereinbarte Landung als Bestimmungsort. Bei gemischten Beförderungen ist der Landeflughafen der Bestimmungsort. Die gesamte Reise muss daher in einzelnen Teilabschnitten betrachtet werden. Verursacht ein Luftfrachtführer einen Schaden am Gepäck oder verliert es, muss geschaut werden, an welchem Ort man mit diesem Flug gelandet ist. Dieser stellt dann den Bestimmungsort dar.

Art. 33 Abs. 2 MÜ

Art. 33 Abs. 2 MÜ liefert einen fünften Gerichtsstand. Allerdings gilt dieser nur bei Schäden wegen Tötung oder Körperverletzung. In solchen Fällen soll der ständige Wohnsitz des Klägers auch als Klageort zur Verfügung stehen. Allerdings steht dieser Gerichtsstand nicht bei Schäden im Zusammenhang mit Gepäck zur Verfügung. Die Klageorte für die Gepäckhaftung sind daher die vier, welche beschrieben worden sind.

Welches Verfahrensrecht findet Anwendung?

Für die Klagen findet das Verfahrensrecht des zuständigen Gerichts Anwendung. Für deutsche Gerichte ist dies daher die Zivilprozessordnung.

Klagen außerhalb des Art. 33 MÜ

Wie bereits erwähnt geht Art. 33 MÜ als speziellere Norm den anderen Verordnungen und Übereinkommen vor. Das bedeutet allerdings auch, dass beispielsweise die oben genannte EuGVVO dem Montrealer Übereinkommen gegenüber subsidiär ist. Das heißt die EuGVVO kommt zur Anwendung, wenn das Montrealer Übereinkommen nicht anwendbar ist. Maßgeblich ist der Art. 5 EuGVVO.

Siehe auch

Bei Feststellung eines Verlustes, einer Zerstörung oder Verspätung des Gepäcks am Zielflughafen: Gepäckverlust
Bei Beschädigung des Gepäcks während des Fluges: Gepäckbeschädigung
Rechtsgrundlage etwaiger Ansprüche ist im Wesentlichen das Montrealer Übereinkommen
Begriff des Gepäcks Gepäck