Nutzlos aufgewendete Urlaubszeit: Unterschied zwischen den Versionen

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|u.a. mangelhafter Fitnessraum, mangelhafte Umkleidekabine und mangelhafte Dusche
|u.a. mangelhafter Fitnessraum, mangelhafte Umkleidekabine und mangelhafte Dusche
|Insgesamt inakzeptabler Zustand für einen Urlauber
|Insgesamt inakzeptabler Zustand für einen Urlauber hinsichtlich Hygiene und Ausstattung der Hotelanlage
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Version vom 15. November 2018, 14:43 Uhr

Nutzlos aufgewendete (auch "vertane") Urlaubszeit bezeichnet einen Schadenersatzanspruch des Reisenden wegen einer Beeinträchtigung seiner Reise aufgrund eines Mangels des Pauschalreisevertrages. Es handelt sich um einen Anspruch auf Ersatz für immaterielle Schäden, der neben dem Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises besteht.

Allgemeines

Rechtliche Grundlage

Ein Anspruch auf Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter, bzw. vertaner Urlaubszeit, entsteht dem Reisenden, wenn der Pauschalreisevertrag durch den Reiseveranstalter nicht oder nicht wie vereinbart erfüllt wird, also ein Reisemangel vorliegt, der zu einer Beeinträchtigung der Reise führt. Der Mangel muss dem Reiseveranstalter unverzüglich angezeigt werden (siehe: Mängelanzeigepflicht). Zu Unterscheiden ist zwischen einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise und einer vollständigen Vereitelung der Reise, bei der die Reise nicht wie gebucht durchgeführt wird. Gesetzlich festgeschrieben ist der Anfang im Unterabschnitt "Pauschalreisevertrag, Reisevermittlung und Vermittlung verbundener Reiseleistungen" des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) (§§ 651a-651j), genauer in § 651n Abs. 2 BGB.

Entwicklung (Rechtsprechung)

Ob ein Urlaub an und für sich überhaupt einen Vermögenswert haben kann, war lange Zeit umstritten. Der BGH hat erst in den 1970er Jahren seine Rechtsprechung dazu konkretisiert und festgestellt, dass zumindest ein Erholungsurlaub schon als solcher Vermögenswert besitzt. Denn ein solcher Urlaub dient regelmä0ßig der Erhaltung oder Wiedererlangung der Arbeitskraft (BGH, Urt. v. 10.10.1974, Az.: VII ZR 231/73). Auch hinsichtlich des Begriffes der „Urlaubszeit“ sorgt der BGH kurz daraufhin für Klarheit. Er ist nach Ansicht des Gerichts nicht dahin zu verstehen, daß Entschädigung nur solchen Reisenden zustehen soll, die im Erwerbsleben stehen. Eine begriffliche Unterscheidung derart, dass nur im Erwerbsleben stehende Personen „Urlaub“ bekämen, während die übrigen bloß Ferien machten, würde zu sehr am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften und entspricht nicht dem wirklichen und auch zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers (BGH, Urt. v. 21.10.1982, Az.: VII ZR 61/82). Demnach haben auch Nicht-Erwerbstätige einen Anspruch auf Ersatz für "nutzlos aufgewendete Urlaubszeit".

Tatbestände der Beeinträchtigung

Erhebliche Beeinträchtigung der Reise

Eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise liegt vor, wenn die Reise wegen Mängeln der Leistung des Veranstalters so erheblich beeinträchtigt worden ist, dass der Erfolg der Reise nahezu vollständig verfehlt worden ist. Nach einer in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht liegt eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise vor, wenn hinsichtlich materieller Ersatzansprüche ein Reisemangel in dem Ausmaß vorliegt, dass eine eine Reisepreisminderung in Höhe von mindestens 50% des Reisepreises gerechtfertigt ist (Vgl.: LG Frankfurt (Main), Urt. v. 31.08.2006, Az.: 2-24 S 281/05, LG Hannover, Urt. v. 09.03.1989, Az.: 3 S 335/88). Die Minderungsquote kann dabei als starkes Indiz dienen, so dass etwa bei einer Quote unter 50% noch nicht von einer erheblichen Beeinträchtigung auszugehen ist, sofern keine besonderen Umstände vorliegen, wie z.B. die völlige Nutzlosigkeit einzelner Tage (AG München, Urt. v. 21.06.1996, Az.: 111 C 5600/96).

Dieser Ansicht ist der EuGH unter Auslegung von Art. 5 Pauschalreiserichtlinie entgegengetreten (EuGH, Urt. v. 12.03.2002, Rs. C-168/00, "Leitner/Tui Deutschland GmbH"). § 651n Abs. 2 BGB ist demnach richtlinienkonform so auszulegen, dass bereits deutlich unter der 50%-Grenze liegende Minderungen für die Bejahung einer Urlaubsbeeinträchtigung ausreichen (Vgl.: LG Duisburg, Urt. v. 24.09.2009, Az.: 12 S 154/08).

Bauarbeiten

Urteil Mangel Erhebliche Beeinträchtigung
LG Frankfurt (Main), Urt. v. 26.07.2010, Az.: 2-24 S 135/09 Umfangreiche Bauarbeiten im Hotel während des gesamten Urlaubs Lärm, Staub, eingeschränkte Nutzbarkeit von Poolanlage und Strand, Verlegung des Restaurants in den Bar-Bereich und in Folge dessen mangelhafte kulinarische Versorgung
LG Düsseldorf, Urt. v. 21.01.2000, Az.: 22 S 26/99 Umfangreiche Bauarbeiten rund um die Urlaubsanlage ab 6 Uhr morgens Beeinträchtigung des Aufenthalts durch Staub und Lärm (Poollandschaft, Zimmer, Gemeinschaftsräume)

Allgemeinzustand der Anlage

Urteil Mangel Erhebliche Beeinträchtigung
LG Frankfurt (Main), Urt. v. 31.08.2006, Az.: 2-24 S 281/05 u.a. mangelhafter Fitnessraum, mangelhafte Umkleidekabine und mangelhafte Dusche Insgesamt inakzeptabler Zustand für einen Urlauber hinsichtlich Hygiene und Ausstattung der Hotelanlage

Probleme bei der Beförderung

Kommt es zu erheblichen Verzögerungen, Annullierungen oder anderen Problemen bei der An- bzw. Abreise zum/vom Urlaubsziel, kann dies die Urlaubszeit- und Qualität beeinträchtigen. Bei einer Pauschalreise ist es üblich, dass die An- bzw. Abreise von der durch den Reiseveranstalter angebotenen Leistung enthalten ist, so dass der Reiseveranstalter auch für die Beförderung verantwortlich ist. Durch Verzögerungen bei der Anreise kann sich der Gesamtzuschnitt der Reise und ihr tatsächlicher Erholungswert wesentlich verändern. Beispielsweise bei einer mehrstündigen Verzögerung des Hinfluges bei einer nur einwöchigen Urlaubsreise wirkt sich der Wegfall der Nachtruhe nach einem anstrengenden Reisetag auch auf den nächsten Tag aus und verkürzt daher den vertragsgemäß geschuldeten Urlaub. Das gleiche gilt für eine Vorverlegung des Rückflugtages oder eine zusätzliche mehrstündige beeinträchtigende Busfahrt zu einem anderen als ursprünglich vorgesehnen Flughafen (AG Düsseldorf, Urt. v. 10.09.2004, Az.: 47 C 1816/04).

Urteil Mangel Erhebliche Beeinträchtigung
AG Düsseldorf, Urt. v. 10.09.2004, Az.: 47 C 1816/04 Mehrstündige Verspätung des Hinfluges, Vorziehen des Rückfluges um 12 Stunden und von einem weiter entfernten Flughafen Erhebliche Beeinträchtigung des Gesamterholungswertes der nur einwöchigen Reise

Vollständige Vereitelung der Reise

Nicht nur, wenn es aufgrund von Mängeln an dem "Urlaubswert" der Reise fehlt, sondern auch, wenn eine Reise gänzlich ausfällt, kann ein Anspruch auf Entschädigung für vertane Urlaubszeit bestehen. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Reisende bewusst eine hochwertige und attraktive Kreuzfahrt bucht, die sehr kurzfristig abgesagt wird (Vgl. BGH, Urt. v. 29.05.2018, Az.: X ZR 94/17). Durch die kurzfristige Absage ist es dem Reisenden nur schwer möglich, eine entsprechende anderweitige Nutzung der vorgesehenen Reisezeit zu finden. Er steht also letztlich, statt einen entspannten Urlaub auf hoher See zu verbringen, gänzlich ohne entsprechende Erholungszeit da, was regelmäßig zu erheblicher Enttäuschung führt.

Urteil Mangel Erhebliche Beeinträchtigung Umfang
AG Hannover, Urt. v. 08.05.2008, Az.: 514 C 17158/07 Keine Fertigstellung der Anlage bei Urlaubsbeginn, Ersatzhotels erreichen nicht vergleichbaren Standard - Ausfall der Reise Frustration wegen Absage des gebuchten Urlaubs 50 % des Reisepreises
LG Frankfurt (Main), Urt. v. 29.10.2009 Absage einer Donaukreuzfahrt durch den Reiseveranstalter Frustration wegen Absage des gebuchten Urlaubs 50 % des Reisepreises
LG Stuttgart, Urt. v. 16.01.1986, Az.: 16 S 222/85 Kein Antritt der Reise wegen erheblicher Umbaumaßnahmen im Hotel Nutzlose Aufwendung der Urlaubszeit bei einem nicht gleichwertigen Aufenthalt zuhause 50 % des Nettoeinkommens
LG Frankfurt (Main), Urt. v. 19.09.1988, Az.: 2-24 S 123/88 Beförderung zum Urlaubsort scheitert daran, dass die Urlauber nicht wie vereinbart abgeholt werden Nutzlose Aufwendung der Urlaubszeit bei einem nicht gleichwertigen Aufenthalt zuhause 50 % des Nettoeinkommens

Keine erhebliche Beeinträchtigung

Eine erhebliche Beeinträchtigung kommt nicht in Betracht, wenn kein erheblicher Reisemangel vorliegt. Sofern also kein Mangel der Reise besteht, der überhaupt erst einen immateriellen Schaden hätte verursachen können, ist der Tatbestand der erheblichen Beeinträchtigung nicht gegeben.

Urteil Beeinträchtigung Grund
AG Viersen, Urt. v. 14.12.2010, Az.: 3 C 223/10 Mangelnde Entspannung wegen Unsicherheit des Reisenden bezüglich der Rückbeförderung Nicht unbegründete aber nicht durch den Veranstalter ausgelöste Unsicherheit hinsichtlich der Durchführung des Rückfluges stellt keinen Reisemangel dar
LG Duisburg, Urt. v. 24.09.2009, Az.: 12 S 154/08 Bauarbeiten in geringem Umfang an Balkonen und Dach, Geruchsbelästigung, Strandentfernung von 600m statt "wenige Meter" Minderungsquote von nur unter 25% als Indiz für eine mangelnde Erheblichkeit der Beeinträchtigungen hinsichtlich immaterieller Schäden

Umfang der Entschädigung

Der Umfang bzw. die Höhe der Entschädigung richtet sich nach dem Umfang der die erhebliche Beeinträchtigung begründenden Reisemängel, die zu einer nutzlosen Aufwendung der Urlaubszeit bei dem Reisenden geführt haben, sowie nach der Höhe des Reisepreises. Dies gilt gleichermaßen im Falle einer Vereitelung der Reise (BGH, Urt. v. 29.05.2018, Az.: X ZR 94/17, BGH, Urt. v. 17.04.2012, X ZR 76/11).

Berechnungsgrundlage

Die Berechnung des Umfangs der Entschädigung erfolgt durch eine freie Gesamtwürdigung der Beeinträchtigung, d.h. unter Berücksichtigung aller nur denkbaren einschlägigen Umstände.

Rechtsklarheit und Vorhersehbarkeit des Entschädigungsumfangs sind relativ und treten hinter den Grundsatz der Einzelfallgerechtigkeit zurück. Der Gesetzgeber hat nämlich bewusst davon abgesehen, einen starren Maßstab für die Bemessung der Entschädigung festzulegen, weil dem Tatrichter ein weiterer Ermessensspielraum zur Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eingeräumt werden soll (LG Hannover, Urt. v. 09.03.1989, Az.: 3 S 335/88 unter Verweis auf § 18 Abs. 2 Bundestags-Drucksache 7/5141 vom 6.5.1976). Als Faktoren kommen Grad und Schwere der Urlaubsbeeinträchtigung, das Nettoeinkommen des Urlaubers, der gezahlte Reisepreis und das Verschulden des Veranstalters in Betracht (LG Hannover, Urt. v. 09.03.1989, Az.: 3 S 335/88).

Berechnung nach Minderungsquote

Dabei kann nach einer Ansicht in der Rechtsprechung als Vergleichswert die Minderungsquote hinsichtlich eines aufgrund des Reisemangels bestehenden materiellen Ersatzanspruches herangezogen werden (Vgl. LG Frankfurt (Main), ständige Rechtsprechung der Kammer, zuletzt: Urt. v. 26.07.2010, Az.: 2-24 S 135/09).

Umfang bei Ausfall des Urlaubs

Berechnungsgrundlage

Entschädigung in Höhe des vollen Reisepreises

Bei einem vollständig ausbleibenden Urlaub ist nach einer Ansicht stets der volle Reisepreis als Entschädigung zuzuerkennen (u.a. "Führich, Reiserecht", 7. Aufl. 2015, § 11 Rn. 66). Dieser Ansicht hat der BGH ausdrücklich widersprochen (vgl. BGH, Urt. v. 29.05.2018, Az.: X ZR 94/17, Rn. 15). Nach Ansicht des Gerichts ist dem Gesetzeswortlaut (§ 651f Abs. 2 BGB) nicht zu entnehmen, dass bei der vollständigen Vereitelung des Urlaubs die Höhe der Entschädigung nicht auch im Ermessen des Tatrichters liegen soll. Die vollständige Vereitelung einer Reise stellt sich zwar als größte denkbare Beeinträchtigung der geschuldeten Reiseleistung dar. Die Entschädigung für vertane Urlaubszeit ist als immaterieller Ersatzanspruch aber gerade nicht darauf gerichtet, einen gerechten Ausgleich für eine mangelhafte Leistungserfüllung durch den Veranstalter herzustellen. Dies soll durch den Schadenersatz für die mangelhafte Reiseleistung geschehen, also durch materielle Schadenersatzansprüche. Statt dessen soll der Reisende hier dafür entschädigt werden, dass er seine Urlaubszeit nicht so verbringen konnte, wie mit dem Veranstalter vereinbart. Dies betrifft typischerweise auch das physische und psychische Wohlbefinden des Reisenden, das unter Umständen viel mehr in Mitleidenschaft gezogen wird, wenn die Reise unter groben Mängeln leidet, als wenn sie gänzlich ausfällt (vgl. BGH, Urt. v. 29.05.2018, Az.: X ZR 94/17). Andererseits kann eine kurzfristige Absage einer Reise ebenfalls erhebliche Beeinträchtigungen mit sich bringen.

Entschädigung in Höhe des halben Reisepreises

Nach einer weiteren Ansicht in der Rechtsprechung kann ein Reisender bei einer Reisevereitelung als Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit grundsätzlich einen Betrag von zumindest 50 % des Reisepreises verlangen (LG Frankfurt (Main), Urt. v. 29.10.2009). Dieser Annahme kann jedoch nur Indizwirkung zukommen. Das tatsächliche Maß der Beeinträchtigung muss im Einzelfall dennoch ergänzend berücksichtigt werden.

Entschädigung anhand des Nettoeinkommens

Die Ansicht in der Rechtsprechung, den Entschädigungsumfang im Falle einer Vereitelung der Reise alleine am Nettoeinkommen des Reisenden zu fixieren (LG Frankfurt (Main), Urt. v. 11.02.1980, Az.: 2/24 S 138/79; LG Stuttgart, Urt. v. 16.01.1986, Az.: 16 S 222/85), vermag nicht zu überzeugen. Zwar kann das Nettoeinkommen ein Indiz für die individuelle Belastung des Reisenden durch die Beeinträchtigung der Reise sein. Wird aber das in der "vertanen" Urlaubszeit nicht erzielte Nettoeinkommen als alleiniger Maßstab herangezogen, so wird verkannt, dass die "nutzlos aufgewendeten Urlaubszeit" gerade nicht materielle (etwa entgangenen Gewinn) sondern immaterielle Einbußen, nämlich die ausgebliebene urlaubstypische Erholung, ausgleichen soll. Der Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit ist ein immaterieller Schadensersatz, bei dem als Berechnungsgröße der Reisepreis im Vordergrund steht. Das Einkommen des Reisenden stellt daher keine geeignete Bezugsgröße dar (LG Bremen, Urt. v. 06.10.2004, Az.: 4 S 201/04 unter Verweis auf: Führich, Reisevertragsrecht, 4. Auflage Rn. 352b). Das Heranziehen des durchschnittlichen Nettoeinkommens zur Bestimmung der wertmäßigen Bedeutung eines Urlaubstages ist hingegen legitim. Denn für die Einordnung des objektive Wert einer Reise kann dies, allerdings als ein Faktor von vielen, in die Gesamtwürdigung einfließen (Vgl.: LG Frankfurt (Main), Urt. v. 19.09.1988, Az.: 2-24 S 123/88).

Zusammenfassung

Es sprechen daher im Ergebnis die überzeugenderen Argumente dafür, in allen Fällen alleine auf das individuell festzustellende tatsächliche Maß der Beeinträchtigung unter vorrangiger Berücksichtigung des Reisepreises abzustellen.

Einbeziehung der zuhause verbrachten Urlaubszeit

Sofern nach einer kurzfristigen Vereitelung des Urlaubs der Reisende die Urlaubszeit zuhause verbringt ist fraglich, ob die Urlaubszeit gänzlich vertan ist. Ob ein entgegen der ursprünglichen Planung Zuhause verbrachter Urlaub vertan ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Zwecks, den der Reiseteilnehmer mit der Reise beabsichtigt (LG Stuttgart, Urt. v. 16.01.1986, Az.: 16 S 222/85). Ein Urlaub Zuhause ist im Vergleich zu einem Urlaub auf einer Insel im Süden mit Bademöglichkeiten am Meer, Strandaufenthalt und verschiedenen Unterhaltungsmöglichkeiten bei einer Unterbringung in einem entsprechenden Hotel mit voller Verpflegung grundsätzlich, natürlich nicht gleichwertig. Dies gilt jedenfalls für eine Person, die bereit ist, für einen solchen Aufenthalt ihren Urlaub einzusetzen und erhebliche Geldmittel zu investieren (LG Stuttgart, Urt. v. 16.01.1986, Az.: 16 S 222/85). Doch auch ein Zuhause verbrachter Urlaub hat einen Erholungswert, so dass ein solcher Urlaub nicht gänzlich "vertan" ist, da jedenfalls während dieser Zeit beispielsweise die berufliche Inanspruchnahme regelmäßig entfällt (LG Stuttgart, Urt. v. 16.01.1986, Az.: 16 S 222/85). Häufig wird in einem solchen Fall pauschal nur 50 % des ursprünglichen Urlaubswertes als Entschädigung zugesprochen (Vgl.: LG Frankfurt (Main), Urt. v. 19.09.1988, Az.: 2-24 S 123/88).

Einbeziehung einer Urlaubsalternative

Sofern der Reisende kurzfristig einen Ersatz für die vereitelte Urlaubsreise beschaffen kann, so muss er sich dies unter dem Aspekt einer ggfs. nicht vollkommen "vertanen Urlaubszeit" bei der Geltendmachung des betreffenden Ersatzanspruchs anrechnen lassen.

Richtiger Anspruchsgegner

Reiseveranstalter

Richtiger Anspruchsgegner ist der Reiseveranstalter. Dies ist derjenige, der die Reise im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung veranstaltet.

Reisevermittler

Ein Anspruch gegen den Reisevermittler besteht hingegen grundsätzlich nicht. Denn Zweck der Reisevermittlung ist gerade nicht die Durchführung der gebuchten Reise sondern lediglich ihrer Vermittlung und Buchung beim Reiseveranstalter (LG Düsseldorf, Urt. v. 29.10.2004, Az.: 22 S 37/04). Weiterhin besteht nach den Regelungen des BGB (§ 253 BGB) ein Anspruch auf den Ersatz von immateriellen Schäden nur, sofern dies ausdrücklich festgeschrieben ist - so wie eben gerade in § 651n Abs. 2 BGB hinsichtlich des Anspruchs gegenüber dem Reiseveranstalter (und nicht auch gegenüber dem Reisevermittler).

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt jedoch dann, wenn der Vertrag mit dem Reisevermittler, wie etwa bei einem Reisevertrag mit einem Reiseveranstalter bei einer Pauschalreise, unmittelbar auf die Urlaubsgestaltung gerichtet ist. Dies bedeutet, das der Vertrag nicht allein auf die Vermittlung eines Reisevertrages mit einem Dritten gerichtet ist, sondern konkret auch die Art der Gestaltung des Urlaubs betrifft. Beispiele für solcherlei Verträge sind z.B. die reine Ferienhausmiete, die Miete eines Wohnmobils und ggf. auch ein Bootschartervertrag (BGH, Urt. v. 17.01.1985, Az.: VII ZR 163/84).

Spezielle Sachverhalte

Ansprüche minderjähriger Kinder

Grundsätzlich können auch Kinder einen Anspruch auf Schadenersatz wegen "vertaner" Urlaubszeit haben, da es um den Ersatz eines immateriellen Schadens geht, der unabhängig davon besteht, wer die Reise bezahlt oder erwirtschaftet hat (BGH, Urt. v. 21.10.1982, Az.: VII ZR 61/82). Da im Einzelfall maßgeblich ist, inwieweit die Reise für den einzelnen Reisenden beeinträchtigt worden ist, kann nicht automatisch von den mitreisenden Eltern auch auf die mitreisenden Kinder abgestellt werden. Kinder kann wohl etwa ein Urlaub enttäuschen, bei dem die erwarteten Angebote für Spiel und Sport ausbleiben, während die Eltern die erholsame Ruhe genießen und z.B. Störungen durch Baustellenlärm oder Verschmutzung als wesentliche Beeinträchtigungen wahrnehmen dürften. Nach überwiegender Ansicht ist deshalb bei der Bestimmung, ob Kindern Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit zu gewähren ist, nicht auf einen Erholungswert, sondern auf einen Erlebniswert des Urlaubs abzustellen (AG Kleve, Urt. v. 20.07.1998, Az.: 3 C 239/98, LG Bremen, Urt. v. 06.10.2004, Az.: 4 S 201/04). Jedenfalls sofern das Reiseangebot aber ausdrücklich Leistungen bewirbt, die explizit zur Unterhaltung mitreisender Kinder dienen sollen, und ein Reisemangel die Nutzbarkeit dieser Anlagen einschränkt (z.B. um ein spezieller Swimming Pool für Kinder) muss auch Kindern ein Ersatzanspruch zustehen (LG Frankfurt (Main), Urt. v. 26.07.2010, Az.: 2-24 S 135/09).

Nach einer weiteren Ansicht ist auch die Bemessung des Reisepreises für die mitreisenden Kinder maßgeblich. Wird das Kind bei der Bemessung des Reisepreises wie ein Erwachsener behandelt, so soll es auch bei der Bemessung der "vertanen" Urlaubszeit entsprechend behandelt werden. Ein kostenlos mitreisendes Kleinkind ist hingegen hinsichtlich immaterieller Ansprüche nicht erheblich. Vertragspartner des Reiseveranstalters werden nämlich die Eltern, die mit ihrem Kind einen Urlaub verbringen wollen. Genau dieses Ziel wird im Schadensfalle beeinträchtigt, so dass eine Berücksichtigung der Interessen des Kleinkindes nicht in Betracht kommen (LG Bremen, Urt. v. 06.10.2004, Az.: 4 S 201/04).

Keine Anwendbarkeit bei Klinikaufenthalten

Der zur Behandlung einer Erkrankung erforderliche stationäre Klinikaufenthalt ist einem Erholungsurlaub nicht gleichzusetzen, auch dann nicht, wenn mit dem Aufenthalt auch bis zu einem gewissen Grad Erholung erstrebt wird (beispielsweise durch Auswahl einer überdurchschnittlich ausgestatteten Klinik in einer als besonders erholsam empfundenen Umgebung). Denn bei der klinischen Heilbehandlung stehen medizinische Leistungen im Vordergrund. Ist der hauptsächliche Vertragszweck die Heilung oder Linderung eines bestimmten Leidens und nur Erholung in gewissem Umfang als erstrebte Nebenwirkung durch Störungen beim Klinikaufenthalt ausgeblieben, genügt zum Ausgleich der geltend gemachten Leistungsmängel eine Herabsetzung der Vergütung. Schadensersatz nach den für „vertanen“ Urlaub entwickelten Grundsätzen kann nicht verlangt werden (BGH, Urt. v. 21.05.1981, Az.: VII 172/80).

Ansprüche außerhalb einer Pauschalreise

Sofern keine Pauschalreise vorliegt, bei welcher der Reiseveranstalter auch für die Beförderung zum Urlaubsort verantwortlich ist, besteht regelmäßig kein Anspruch, da § 651n Abs. 2 BGB nicht anwendbar ist. Bucht ein Reisender einen Flug zum Urlaubsziel selbstständige, so schließt er selbstständig einen Beförderungsvertrag mit der Fluggesellschaft ab. Kommt es zu Verzögerungen und Problemen beim Flug, muss er sich an die Fluggesellschaft als Vertragspartner wenden und nicht an den Veranstalter des separat gebuchten Urlaubs. Auf einen Luftbeförderungsvertrag ist § 651n Abs. 2 BGB aber im Gegensatz zum Reisevertrag nicht anwendbar (AG Frankfurt, Urt. v. 17.07.2007, Az.: 31 C 1093/07).

Siehe auch