Pauschalreise: Ansprüche bei Verspätung und Annullierung

Aus PASSAGIERRECHTE
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Bei einer Pauschalreise ist der Transfer zum und vom Urlaubsort zurück nach Hause normalerweise vollständig inbegriffen. Kommt es bei diesem Transfer mit Bus, Bahn oder Flugzeug zu Verspätungen, Ausfällen oder Annullierungen, gelten andere Voraussetzungen, als wenn der Passagier etwa einen Flug separat gebucht hat.

Allgemeines

Kommt es im Rahmen einer Pauschalreise zu einer Flugänderung, Flugannullierung oder Flugverspätung, stellt dies unter Umständen einen Reisemangel dar. Dann steht dem Reisenden grundsätzlich die Möglichkeit offen, den Mangel durch Buchung eines Ersatzfluges selbst zu beheben, sofern der Reiseveranstalter keinen zumutbaren Ersatzflug organisiert.

Zulässige Flugänderungen

Abflugzeit

Fixe Flugzeiten

Die vereinbarten Flugzeiten sind mit Vertragsschluss Teil des Reisevertrages und können grundsätzlich vom Reiseveranstalter nicht einseitig geändert werden.

Wird z.B. bei einer Flugreise der Rückflug annulliert und um mindestens einen Tag verlegt, liegt aufgrund des annullierten vertragsgemäßen Rückflugs ein Reisemangel vor. Das tolerierbare Maß an Verzögerungen ist überschritten, denn der Reisende muss eine Verzögerung seiner Rückreise um ca. 24 Stunden nicht hinnehmen (AG Hannover, Urt. v. 17.12.2015, Az.: 568 C 7273/15; AG Bad Homburg, Urt. v. 18.9.2007, Az.: 2 C 1195/07). Erschwerend kann hinzukommen, dass durch die Annullierung der Rückflug auf einen Werk- bzw. regulären Arbeitstag des Reisenden fällt. Wenn ein Rückflug vereinbart ist stellt zudem die Buchung einer weiteren Hotelübernachtung am Urlaubsort für den Reisenden keine ausreichende Abhilfemaßnahme dar (AG Hannover, Urt. v. 17.12.2015, Az.: 568 C 7273/15).

Vorläufige Flugzeiten

Der Reiseveranstalter kann sich durch eine entsprechende Vereinbarungen im Reisevertrag (etwa die Formulierung „voraussichtliche Flugzeiten“, vergl. BGH, Urt. v. 10.12.2013, Az.: X ZR 24/13) vorbehalten, die Flugzeiten in einem gewissen, beschränkten Rahmen zu verschieben. Eine solche Vereinbarung findet sich dann meist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Gerade bei lange im Voraus gebuchten Reisen kann sich der Reiseveranstalter dieses Recht vorbehalten, die tatsächliche Art der Erfüllung des Vertrages einseitig, d.h. ohne erneute Abstimmung mit dem Reisenden, zu bestimmten (Vgl. § 315 Abs. 1 BGB). Dadurch kann der Veranstalter, sofern es tatsächlich Unwägbarkeiten gibt, die einer Festlegung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entgegenstehen, z.B. die genauen Abflugzeiten für den Hin- und Rückflug oder die Durchführung des Transfers zum Flughafen, erst nach Vertragsschluss festlegen.

Zulässiger Rahmen der Flugzeitfixierung

Innerhalb welchen Zeitrahmens diese Veränderung der Flugzeit erfolgen darf, ist in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt.

Durch den BGH abschließend geklärt ist allerdings, dass der Reisende berechtigterweise erwarten darf, dass die Reisezeiten nicht ohne sachlichen Grund geändert werden und dass der aus den vorläufigen Angaben ersichtliche Zeitrahmen nicht vollständig aufgegeben wird. Dass sie aber innerhalb eines beschränkten Rahmens geändert bzw. erst später festgelegt werden, ist dem Reisenden, der berechtigterweise eine gewisse Sicherheit in der zeitlichen Planung der Reise erwarten kann, bei Beachtung der berechtigten Interessen des Reiseveranstalters noch zumutbar (BGH, Urt. v. 10.12.2013, Az.: X ZR 24/13).

Eine Zumutbarkeit ist allerdings nicht mehr gegeben, wenn die vertraglich vereinbarte voraussichtliche Flugzeit nicht mal mehr annähernd mit der später tatsächlich festgelegten Flugzeit übereinstimmt (LG Hannover, Urt. v. 27.04.2017, Az.: 8 S 46/16, auch für die folgenden Ausführungen). Sofern der Reisende so z.B. nach vertraglicher Vereinbarung von einer Abflugzeit am Nachmittag ausgehen durfte und der Flug in die frühen Morgenstunden vorverlegt wird, ist dies für den Reisenden in zeitlicher und finanzieller Hinsicht nicht mehr kalkulierbar und daher unzumutbar. Allgemein anerkannte Grenze der zumutbaren Verspätungszeit sind etwa vier Stunden. Eine unzumutbare Verschiebung der Flugzeit stellt einen Reisemangel dar, der über eine bloße Unannehmlichkeit hinausgeht.

Linienflug und Charterflug

Die vertraglich nicht vorbehaltene Umbuchung von einem Linienflug auf einen Charterflug durch den Reiseveranstalter stellt einen Reisemangel dar, der über eine bloße Unannehmlichkeit hinausgeht (LG Hannover, Urt. v. 27.04.2017, Az.: 8 S 46/16).

Anforderungen an den angebotenen Ersatzflug

Allgemeine Anforderungen

Der vom Reiseveranstalter organisierte Ersatzflug muss zu Bedingungen stattfinden, die dem ursprünglich gebuchten Transfer überwiegend entsprechen. Ansonsten liegt ein Reisemangel vor.

Änderung der Beförderungsklasse

Eine Änderung der Beförderungsklasse beim Ersatzflug kann ebenfalls einen Reisemangel darstellen. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Reisender eine Beförderung in der Premium Economy Class gebucht hat, jedoch der Ersatzflug eine Beförderung in der Economy Class vorsieht (LG Frankfurt (Main), Urt. v. 12.10.2017, Az.: 2-24 S 20/17). Sofern der Passagier aufgrund einer körperlichen Beeinträchtigung gar auf die gebuchte höherer Beförderungsklasse für einen angenehmen Flug angewiesen ist, kann er den Ersatzflug ablehnen. Eine Kündigung (§651l BGB) des Reisevertrages und die Rückforderung des Reisepreises ist in diesem Fall gerechtfertigt. Die Nichtbeförderung in der gebuchten Beförderungsklasse (Premium Economy Class) stellt einen Reisemangel dar, ohne, dass es auf ein Verschulden des Reiseveranstalters ankommt. Die Reise ist durch diesen Reisemangel "erheblich beeinträchtigt" (§ 651l BGB), da der Passagier auf den erhöhten Beförderungskomfort angewiesen war (LG Frankfurt (Main), Urt. v. 12.10.2017, Az.: 2-24 S 20/17).

Siehe auch: EuGH Urteil zu Herabstufung in eine niedrigere Klasse bei mehreren Flügen auf einem Flugschein unter einem Gesamtpreis zusammengefasst Rs. C-C 255/15 Mennens gegen Emirates Direktion für Deutschland.

Selbstabhilfe des Passagiers

Grundsatz

Die unzumutbare Verschiebung der Flugzeit stellt einen Reisemangel dar. Gemäß § 651 i Abs. 3 Nr. 2 BGB kann der Reisende bei einer unzumutbaren Verschiebung des Rückfluges nach Ablauf einer dem Reiseveranstalter gesetzten angemessenen Frist Abhilfe schaffen, etwa durch Buchung eines Ersatzfluges, und dann Ersatz der entstandenen Kosten verlangen. Der Reiseveranstalter kann sich aber grundsätzlich auf ein Verweigerungsrecht wegen unverhältnismäßigen Aufwands berufen (§ 275 Abs. 2 BGB, § 651 c Abs. 2 BGB).

Mitteilung an den Veranstalter

Bevor der Passagier durch Buchung eines Ersatzfluges den Reisemangel selbst behebt, muss grundsätzlich auf der Reiseveranstalter über den Mangel informiert werden. Sofern der Reiseveranstalter dem Reisenden die Annullierung bzw. Verschiebung des Fluges mitgeteilt hat, kann aber selbstverständich davon ausgegangen werden, dass dem Veranstalter den Reisemangel bekannt ist (AG Hannover, Urt. v. 17.12.2015, Az.: 568 C 7273/15).

Ablehnung der Umbuchung durch den Veranstalter

Eine Flugänderung, die nur knapp über der zeitlichen Zumutbarkeitsgrenze der Änderung liegt, stellt sich in der Regel nicht als besonders erheblich dar, wenn ein Passagier aufgrund entsprechender Regelungen im Reisevertrag eine Verschiebung der Abflugzeit in einem gewissen Zeitrahmen akzeptieren muss (sofern eine solche Regelung getroffen wurde). Eine Unverhältnismäßigkeit des Aufwands durch die Beschaffung eines Fluges im vertragsgemäßen Zeitrahmen muss aber in jedem Fall trotzdem vom Reiseveranstalter dargelegt werden (z.B. Unzumutbarkeit aufgrund hoher Kosten). Sofern der Veranstalter die Unverhältnismäßigkeit nicht ausreichend darlegen kann spielt es keine Rolle, ob die Zumutbarkeitsgrenze nur minimal überschritten ist, denn eine Abwägung zwischen finanziellem Aufwand und Zumutbarkeit findet insofern nicht statt.

Lehnt der Reiseveranstalter eine Umbuchung des Reisenden auf den Flug einer andere Fluggesellschaften mit dem Hinweis ab, eine solche Alternative sei schon faktisch nicht verfügbar, kann der Reisende auf eigene Kosten einen Ersatzflug für den ursprünglich vorgesehenen Tag der Rückreise buchen, wenn dies entgegen der Ansicht des Veranstalters tatsächlich möglich ist, d.h., wenn ein solche Alternative durch ein Angebot einer anderen Fluggesellschaft besteht (AG Hannover, Urt. v. 17.12.2015, Az.: 568 C 7273/15).

Setzung einer Frist

Grundsätzlich muss der Reisende dem Veranstalter eine angemessene Frist setzen, um den Mangel durch eine Umbuchung zu beseitigen. Eine Fristsetzung zur Abhilfe ist nicht erforderlich, wenn der Reiseveranstalter die Umbuchung verweigert oder selbst angibt, dass eine Beförderung mangels Alternativangebot tatsächlich erst frühestens am darauf folgenden Tag möglich sei (AG Hannover, Urt. v. 17.12.2015, Az.: 568 C 7273/15).

Erforderlichkeit der Kosten für den Ersatzflug

Die Buchung eines Ersatzfluges durch den Passagier, um Abhilfe zu schaffen, ist weiterhin objektiv erforderlich, wenn die dafür aufgewendeten Kosten im Verhältnis zu dem gezahlten Gesamtreisepreis noch nicht überhöht erscheinen (LG Hannover, Urt. v. 27.04.2017, Az.: 8 S 46/16). Auch der Transfer für den Ersatzflug ist im Rahmen des Erforderlichen zu erstatten.

Bucht der Passagier eine Flugreise, deren Rückflug annulliert und um mindestens einen Tag verlegt werden soll, ist der Passagier ebenfalls berechtigt, nach Möglichkeit einen erforderlichen Ersatzflug zu buchen (gemäß § 651c Abs. 3 BGB), wenn der Reiseveranstalter eine Umbuchung des Reisenden auf den Flug einer andere Fluggesellschaften ablehnt. Der Reisende kann auf eigene Kosten einen Ersatzflug für den ursprünglich vorgesehenen Tag der Rückreise buchen, wenn dies tatsächlich möglich ist, d.h., wenn ein solche Alternative durch ein Angebot einer anderen Fluggesellschaft besteht. Aufgrund des annullierten vertragsgemäßen Rückflug liegt ein Reisemangel vor, den der Passagier durch Buchung des Ersatzfluges selbst beheben kann. Vorliegend ist das tolerierbare Maß an Verzögerungen überschritten, denn der Reisende muss eine Verzögerung seiner Rückreise um ca. 24 Stunden nicht hinnehmen (AG Hannover, Urt. v. 17.12.2015, Az.: 568 C 7273/15; AG Bad Homburg, Urt. v. 18.9.2007, Az.: 2 C 1195/07). Erschwerend kann hinzukommen, dass durch die Annullierung der Rückflug auf einen Werk- bzw. regulären Arbeitstag des Reisenden fällt. Wenn ein Rückflug vereinbart ist stellt zudem die Buchung einer weiteren Hotelübernachtung am Urlaubsort für den Reisenden keine ausreichende Abhilfemaßnahme dar. Eine Fristsetzung zur Abhilfe ist nicht erforderlich, wenn der Reiseveranstalter die Umbuchung verweigert oder selbst angibt, dass eine Beförderung mangels Alternativangebot tatsächlich erst frühestens am darauf folgenden Tag möglich sei. Jedenfalls muss dem Reiseveranstalter der Mangel bekannt sein (AG Hannover, Urt. v. 17.12.2015, Az.: 568 C 7273/15).

Sofern die Fluggesellschaft zeitnah mit Hilfe eines Charterflugs und Bussen für Ersatz sorgt, ist eine Ersatzbuchung durch den Passagier nicht erforderlich. Dies gilt auch, wenn der Charterflug nur zu einem in der Nähe gelegenen Flughafen fliegt, der Weitertransfer mit Bussen erfolgt und eine geringe Verzögerung bei der Ankunft zu erwarten ist (LG Landshut, Urt. v. 08.02.2018, Az.: 14 S 3021/17).

Sofern ein Passagier einen Flug in der Economy Class gebucht hatte, kann er bei der Buchung eines Ersatzflugs bei einer anderen Fluggesellschaft nicht ein Ticket in der Business Class buchen und dann Ersatz für die Mehrkosten verlangen. Denn eine Beförderung in der Business Class entspricht nicht "vergleichbaren Reisebedingungen" iSv Art. 8 I b VO-EG Nr. 261/2004, da sich erhebliche Unterschiede bezüglich Service und Sitzkomfort ergeben (LG Landshut, Urt. v. 08.02.2018, Az.: 14 S 3021/17). Allerdings wird in dem Fall, dass dem Passagier kein zumutbarer Ersatzflug angeboten wird und bei anderen Fluggesellschaften nur noch Plätze in der Business Class verfügbar sind, eine Ersatzbuchung als erforderlich angesehen werden müssen.

Weitere Schadensersatzansprüche

Der Passagier hat bei Verspätung und Annullierung eines Fluges weiterhin ggfs. folgende Ansprüche:

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