Technischer Defekt

Aus PASSAGIERRECHTE
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Technische Defekte an einem Flugzeug sind rechtlich dann von Bedeutung, wenn sie dafür sorgen, dass ein Flug nur verspätet oder sogar überhaupt nicht starten kann. Ein Luftfahrtunternehmen wird sich möglicherweise auf einen technischen Defekt am betroffenen Flugzeug berufen, wenn eine Ausgleichszahlung von ihm gefordert wird. In den meisten Fällen ist ein technisches Problem jedoch keine Begründung dafür, keine Ausgleichszahlung leisten zu müssen.


Hintergrund

Die EU-Fluggastrechteverordnung Nr. 261/2004 regelt in Art. 5 die Rechte eines Passagiers bei Flugausfall. Er hat in den meisten Fällen dann einen Anspruch auf eine finanzielle Ausgleichsleistung gegen das verantwortliche Luftfahrtunternehmen. Gemäß Art. 5 Abs. 3 der Verordnung entfällt dieser Anspruch jedoch, wenn Ereignisse für die Verspätung erforderlich sind, die einen „außergewöhnlichen Umstand“ darstellen. In Erwägungsgrund 14 der Verordnung werden technische Defekte am Flugzeug zwar nicht ausdrücklich als außergewöhnliche Umstände genannt, die dortige Aufzählung ist jedoch nicht abschließend. Dies wird im nachfolgenden Erwägungsgrund deutlich: Nach Erwägungsgrund 15 der Verordnung sollen dann außergewöhnliche Umstände angenommen werden, wenn ein Flug verspätet oder annulliert wird, „obgleich vom betreffenden Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um die Verspätungen oder Annullierungen zu verhindern“. Daher können auch technische Defekte einen solchen Umstand herbeiführen.


Keine ausschlussbegründenden Defekte

Der EuGH hat in einem Urteil klargestellt, dass technische Defekte in den meisten Fällen in den Verantwortungsbereich des Luftfahrtunternehmens fallen. Selbst wenn dieses mit technischen Defekten im Einzelfall nicht rechnen konnte, kann es sich dennoch nicht auf außergewöhnliche Umstände berufen, da das Unternehmen es in diesem Fall versäumt hatte, ein voll funktionsfähiges Flugzeug bereitzustellen (EuGH Luxemburg, Urteil vom 22.12.2008, Az. C-549/07). Der EuGH führte in diesem Urteil weiterhin aus, dass sich das Flugunternehmen nicht damit entschuldigen kann, die vorgeschriebenen Wartungs- und Reparaturarbeiten immer ordnungsgemäß durchgeführt zu haben. Zwar hat es damit alles getan, was ihm von Gesetz wegen vorgeschrieben ist, allerdings fallen Fehler, die zwischen solchen Arbeiten entstehen, in den Risikobereich des Flugunternehmens, welches daher hierfür die Verantwortung zu tragen hat (so auch der BGH, Urteil vom 12.11.2009, Az. Xa ZR 76/07).

Meistens ist es ebenso wenig von Bedeutung, wenn ein sehr ungewöhnlicher und seltener Defekt auftritt. Zwar kann eine Fluggesellschaft hiermit nicht rechnen, allerdings ändert dies nichts daran, dass sie die Verantwortung für funktionstüchtige Flugzeuge trägt (LG Darmstadt, Urteil vom 16.06.2010, Az. 7 S 200/08).

Wird Kerosin von minderer Qualität (von einem Dritten) geliefert, welches das Flugzeug beschädigt, so ist dies ebenfalls kein außergewöhnlicher Umstand. Ein Luftfahrtunternehmen ist auch für die Qualität des von anderen gelieferten Treibstoffes (und anderer verbrauchbarer Stoffe) verantwortlich und hat dafür einzustehen, dass dieser einwandfrei benutzbar ist (AG Rüsselsheim, Urteil vom 18.04.2013, Az. 3 C 2265/12 (39))

Unerheblich ist, welcher Teil des Flugzeuges einen technischen Defekt hat. Beispielhaft sind im folgenden Fälle aufgeführt, in denen ein außergewöhnlicher Umstand nicht vorlag:

→ Defekt am Generator der Hilfsturbine (LG Frankfurt a.M., Urteil vom 21.03.2013, Az. 2-24 S 213/12

→ Triebwerkprobleme (AG Rüsselsheim, Urteil vom 07.11.2006, Az. 3 C 717/06 (32))

→ Defekt am Funkgerät (AG Rüsselsheim, Urteil vom 17.04.2013, Az. 3 C 3319/12 (36))

→ Nicht schließender Fahrwerkschacht (LG Frankfurt a.M., Urteil vom 06.02.2012, Az. 2-24 O 219/11)

Ausschlussbegründende Defekte

Grundsätzlich gilt, dass ein technischer Defekt an einem Flugzeug dann als außergewöhnlicher Umstand gilt, wenn die Ursache des Defektes nicht im Einflussbereich des Flugunternehmens liegt. Dies kann dann der Fall sein, wenn ein bestimmter Flugzeugtyp bereits „serienmäßig“ fehlerhaft produziert wurde, der Fehler also bereits bei Auslieferung des fertigen Flugzeuges vorlag. Es reicht jedoch nicht aus, wenn lediglich ein Flugzeug aus der Baureihe fehlerhaft geliefert wird, weil dies ein Risiko ist, das vom Flugunternehmen getragen werden muss (LG Baden-Baden, Urteil vom 28.06.2013, Az. 1 S 47/12). Wird ein technischer Defekt durch einen anderen außergewöhnlichen Umstand hervorgerufen, so gilt das gesamte Ereignis als außergewöhnlicher Umstand. Beispielhaft hierzu ist ein Fall, in dem eine Biene in das Staurohr eines Geschwindigkeitsmessers geriet und diesen außer Betrieb setzte (AG Rüsselsheim, Urteil vom 24.07.2013, Az 3 C 2159/12 (36)). Zwar ist dies auch ein technischer Defekt, die Ursache hierfür ist jedoch dermaßen ungewöhnlich und vom Flugunternehmen nicht vorhersehbar, dass das ganze Ereignis als außergewöhnlich galt.

Sabotage- oder Terrorakte, die ein Flugzeug beschädigen, gelten ebenfalls regelmäßig als außergewöhnlicher Umstand, da diese nicht von der Fluggesellschaft zu verantworten sind. Die Art des Defektes ist dabei nicht von Bedeutung, es kommt hier nur auf die Ursache an.


Die Tatsache, dass einer der oben genannten Umstände vorliegt, kann jedoch nicht ausreichen, um einen außergewöhnlichen Umstand zu rechtfertigen. Es muss auch erwiesen werden, dass der Umstand Auslöser für eine Verspätung oder Annullierung war, die auch dann nicht hätte vermieden werden können, wenn das Luftfahrtunternehmen alle ihm zumutbaren Maßnahmen getroffen hätte.

Umstrittene Defekte

Beschädigen Mitarbeiter eines Flughafens das Flugzeug während des Betriebes am Flughafen und rufen dadurch einen technischen Defekt hervor, so kann auch dies als außergewöhnlicher Umstand gelten. Denn für den Bodenbetrieb eines Flughafens ist der Flughafenbetreiber zuständig, der Flugunternehmer hat hierauf keinen Einfluss. Nicht jedes Gericht folgt jedoch dieser Auffassung, andere sehen die Mitarbeiter in diesem Fall als Erfüllungsgehilfen der Airline, die damit auch für deren Fehlverhalten verantwortlich ist und keinen außergewöhnlichen Umstand geltend machen kann (etwa AG Frankfurt a.M., Urteil vom 10.04.2014, Az. 30 C 3491/13(25)).

In seltenen Fällen wurde von Gerichten auch angenommen, dass ein technischer Defekt dann einen außergewöhnlichen Umstand darstellt, wenn er besonders ungewöhnlich ist (so etwa für den Fall eines defekten Sensors zum Einfahren des Fahrwerks: LG Berlin, Urteil vom 07.02.2008, Az. 57 S 26/07). Dies ist jedoch umstritten, andere Gerichte schlossen explizit aus, dass dies für einen technischen Defekt ausreichen soll.


Beweislast

Da das Luftfahrtunternehmen sich auf einen außergewöhnlichen Umstand bei technischen Defekten beruft, trägt es auch die Beweislast für diesen Umstand. Der Passagier muss daher nicht darlegen, dass gerade kein außergewöhnlicher Umstand vorgelegen hat. Hierzu gehört zum einen der Beleg, dass ein technischer Defekt selbst vorlag, zum anderen, dass dieser außergewöhnlich gewesen sein soll.