Frustrierte Aufwendungen
Oft werden Aufwendungen getätigt, weil man auf den Erhalt einer bestimmten Leistung vertraut. Vertraut man beispielsweise auf die ordnungsgemäße Erfüllung des Luftbeförderungsvertrages, wird man für den Zielort häufig schon vor Antritt der Reise Aufwendungen, wie z.B. für einen Mietwagen tätigen. Wird die Leistung nicht getätigt, werden die bereits getätigten Aufwendungen nutzlos. Insofern ist es verständlicher von vergeblichen Aufwendungen zu sprechen. Vergebliche Aufwendungen sind mit dem Vertrag verbundene Auslagen, also freiwillige Vermögensopfer.
Ersatz der vergeblichen (frustrierten) Aufwendungen im Rahmen des entgangenen Gewinns
Da es sich bei vergeblichen Aufwendungen, um freiwillige Vermögensopfer handelt, ist fraglich wie man diese geltend machen kann, da diese Vermögensopfer durch ihre Freiwilligkeit schlecht als Schaden angesehen werden können. Im Rahmen des Luftbeförderungsvertrages kommt die Geltendmachung der Aufwendungen im Rahmen des konkret geltend gemachten entgangenen Gewinns in Betracht. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die Aufwendungen einem Geschäftsabschluss dienten. Kommt das Geschäft aufgrund der Verspätung nicht zustande, könnten die Aufwendungen im Rahmen des entgangenen Gewinns geltend gemacht werden. Die Vermögensopfer werden einfach als Rechnungsposten aufgeführt. Kam es allerdings dazu, dass die gebuchten Leistungen storniert werden konnten, dann sind diese als ersparte Aufwendungen aufzuführen. (Schadenminderungspflicht) Wenn der Reisende eine gebuchte Reise kündigt, vom Vertrag zurücktritt und eine neue, teuere Reise bucht, kann er grundsätzlich dennoch Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit für die zeit der ersten Reise verlangen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes spricht nicht nur der Wortlaut des § 651 f Abs,2 BGB, sondern auch der Sinn und Zweck der Entschädigung, dem Kunden einen Ausgleich für die entgangene Urlaubsfreude zu verschaffen, dafür, dass bei Vereitelung der Reise ohne weiteres eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit geboten ist. Ein Rücktrittsgrund liegt dann vor, wenn die Leistungsänderung für den Reisenden nicht mehr im REhamen des Zumutbaren ist.
Ersatz vergeblicher (frustrierter) Aufwendungen ohne konkrete Geltendmachung eines entgangenen Gewinns
Problematisch ist, ob ein Fluggast seine vergeblichen Aufwendungen auch ersetzt verlangen kann, wenn er keine entgangenen Gewinne geltend macht.
Rentabilitätsvermutung
Für einen Fluggast, welcher geschäftlich reist, kommt zunächst die Rentabilitätsvermutung in Betracht, welche von der Rechtssprechung entwickelt wurde. Es wird vermutet, dass der Gläubiger zumindest die Höhe seiner Aufwendungen wieder erwirtschaftet hätte, wenn der Luftbeförderungsvertrag ordnungsgemäß durchgeführt worden wäre. Dem Fluggast wird dadurch gestattet, Aufwendungen im Sinne eines entgangenen Gewinns über § 252 BGB geltend zu machen. Nach der Schuldrechtsmodernisierung existiert mit § 284 BGB jedoch eine eigene Anspruchsgrundlage für den Ersatz vergeblicher Aufwendungen. Es besteht nun die Frage, ob die Anwendung der Rentabilitätsvermutung noch sachgerecht erscheint, insbesondere weil der Aufwendungsersatz nur alternativ zum Schadensersatz statt der Leistung geltend gemacht werden kann. Die herrschende Meinung ist trotzdem der Auffassung, dass die Möglichkeit besteht, über die Rentabilitätsvermutung die vergeblichen Aufwendungen im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung geltend zu machen. Einschränkend ist jedoch zu sagen, dass diese nicht bei ideellen oder privaten Zwecken greift. Dort verbleibt nur der Schadensersatz neben der Leistung im Rahmen des § 284 BGB. Dem Luftfrachtführer bleibt zudem auch die Möglichkeit zu beweisen, dass tatsächlich gar kein Gewinn bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vertrages erzielt worden wäre. Die Kosten wären also unabhängig von dem Luftbeförderungsvertrag entstanden.
§ 284 BGB
Der Anwendungsbereich des § 284 BGB ist weiter als die Anwendung der Rentabilitätsvermutung. Die Aufwendungen werden in einem viel größeren Umfang umfasst. Die Anspruchsgrundlage kann für private oder auch geschäftliche Aufwendungen angewendet werden.
Die einzelnen Voraussetzungen
Um die Aufwendungen ersetzt zu verlangen, müssen die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage gegeben sein. Das sind zum einen die Voraussetzungen des Schadensersatzes statt der Leistung und die Voraussetzungen des § 284 BGB.
Schuldverhältnis
Die erste Voraussetzung der §§ 280 Abs. 1, 3, 281, 284 BGB ist das Vorliegen eines Schuldverhältnisses. Ein Schuldverhältnis ist ein Rechtsverhältnis zwischen mindestens zwei Personen, aufgrund dessen mindestens eine Person zur Leistung oder Rücksicht gegenüber der anderen verpflichtet ist. Ein Vertrag stellt ein solches Schuldverhältnis dar. Bei dem Luftbeförderungsvertrag handelt es sich also um ein Schuldverhältnis.
Pflichtverletzung
Weitere Voraussetzung ist eine Pflichtverletzung. Im Rahmen des Reiserechts handelt es sich bei der Verspätung um eine solche. Die pünktliche Beförderung wird zum Vertragsinhalt und somit zur Leistungspflicht des Luftfrachtführers. Kommt es zu einer Flugverspätung, liegt somit eine Pflichtverletzung vor.
Vertretenmüssen
Des Weiteren muss der Luftfrachtführer die Pflichtverletzung auch zu vertreten haben. Zu vertreten hat ein Schuldner gemäß § 276 BGB grundsätzlich Vorsatz und Fahrlässigkeit. Problematisch ist hierbei, dass im Rahmen des Vertretenmüssens die Beweislast beim Schuldner, also beim Luftfrachtführer liegt. Im Zweifel wird das Luftfahrtunternehmen allerdings nicht beweisen können, dass es die Verspätung nicht zu vertreten hat.
Nachfristsetzung
Weiterhin ist eine Nachfristsetzung erforderlich. Dass gerade im Rahmen des Luftbeförderungsvertrages eine Nachfristsetzung sinnvoll ist, ist im Beitrag zum relativen Fixgeschäft näher erläutert. Diese muss seitens des Fluggastes erfolgen. Dieser muss eine Frist setzen, indem er die Leistung nach der Verspätung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt spätestens fordert.
vergebliche Aufwendungen im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung
Schließlich sind auch vergebliche Aufwendungen im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung erforderlich. Die Aufwendungen müssen also gerade getätigt worden sein, weil man davon ausging, dass die vertragliche Leistung erfüllt wird. Bei dem Luftbeförderungsvertrag kommen da beispielsweise Kosten für Unterkunft oder Mietwagen am Zielort in Betracht. Aber auch eine Taucherbrille, welche man extra für die Reise ans Meer gekauft hat, könnte unter Umständen als vergebliche Aufwendung im Sinne des § 284 BGB eingestuft werden. Wichtig ist, dass die Aufwendung tatsächlich vergeblich geworden ist und sie auch wirklich im Vertrauen auf die ordnungsgemäße Leistung getätigt wurde. Geht jemand davon aus, dass die vertragliche Leistung nicht erfüllt werden wird, dann tätigt er sämtliche Aufwendungen nicht mehr im Vertrauen auf diese Leistung.
Frustrationstheorie
Nach der Frustrationstheorie sollen Aufwendungen immer einen Schaden darstellen, wenn sie infolge des schädigenden Ereignisses nutzlos geworden sind. Diese Theorie wird allerdings von der Rechtsprechung abgelehnt. Begründet wird dies durch die fehlende gesetzliche Grundlage dieser Theorie. Man könnte Schäden geltend machen, die in einem völligen Missverhältnis stehen würden, nur weil jemand einen luxuriösen Lebensstil pflegt. Der Luftfrachtführer würde unverhältnismäßig hohe Summen zahlen bzw. ersetzen müssen.
Schädigende Ereignisse
Es erscheint allerdings auch schon ohne juristischen Sachverstand als unfair, wenn jemand aufgrund eines schädigenden Ereignisses, zum Beispiel die Verspätung beim Luftbeförderungsvertrag, bestimmte Leistungen, für die er bezahlt hat, nicht in Anspruch nehmen kann und dafür dann keine Entschädigung erhalten soll. Dem Geschädigten entgeht die Leistung und diese weist immer einen gewissen Wert auf. Der Schaden könnte also zumindest in der Höhe des Marktwertes der Leistung bestehen. Beispielhaft ist dies vor allem bei Theater- oder Konzertkarten. Diese stehen häufig in keinem Zusammenhang zum Luftbeförderungsvertrag. Stimmen der Literatur möchten aber auch solche Genussleistungen als ersatzfähig gelten lassen. Auch die Rechtsprechung ist derselben Ansicht und möchte entgangene geldwerte Leistungen im Rahmen des positiven Interesses ersetzen. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass endgültig entgangene geldwerte Leistungen in der Höhe des Marktwertes zu ersetzen sind. Die Leistung gilt vor allem dann als endgültig entgangen, wenn sie weder in Anspruch genommen wurde, noch storniert oder umgebucht werden konnte.
Zu ersetzen sind demnach zum Beispiel: * Kosten für Übernachtung * Kosten für Mietwagen * Kosten für Bahnreise oder Kreuzfahrt * Kosten für Theater- oder Konzertkarten
Zu beachten ist jedoch, dass die Fluggäste eine sogenannte Schadenminderungspflicht haben. Das bedeutet, dass diese sämtliche Anstrengungen unternehmen müssen, um eventuell den Schaden zu mindern. Beispiele wären zum Beispiel Stornierungen oder Umbuchungen. Der Schaden muss also möglichst gering gehalten werden.
Mehrkosten
Nach § 651c Abs. 3 BGB könne der Reisende, wenn der Veranstalter seiner Pflicht zur Abhilfe nicht nachkommt, selbst Abhilfe schaffen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen. Dazu gehörten auch die Aufwendungen für eine Ersatzreise. Dem steht auch nicht entgegen, das die Ersatzreise ein anderes Ausmaß hatte als die ursprüngliche Reise. Für die Erforderlichkeit der Kosten der Selbstabhilfe sei darauf abzustellen, ob ein verständiger Durchschnittsreisender diese Kosten für erforderlich halten durfte. Dies sei nicht schon deshalb zu verneinen, weil es sich um ein anderes Reiseziel handelte.
Rechtsprechung
Gericht/Urteil | Aktenzeichen | Amtliche Leitsätze/Grober Inhalt |
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BGH, Urteil vom 19.04.1991 | V ZR 22/90 |
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BGH, Urteil vom 10.12.1986 | VIII ZR 349/85 |
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OLG Stuttgart, Urteil vom 25.08.2004 | 3 U 78/04 |
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OLG Köln, Urteil vom 06.04.2001 | 20 U 165/00 |
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OLG München, Urteil vom 29.11.1985 | 10 U 1855/85 |
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LG Frankfurt, Urteil vom 26.07.2007 | 2-24 S 290/06 |
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