Nutzlos aufgewendete Urlaubszeit: Unterschied zwischen den Versionen

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|[http://reise-recht-wiki.de/kinder-anspruch-auf-reisepreisminderung-wegen-vertaner-urlaubszeit-urteil-az-2-24-s-135-09-lg-frankfurt.html LG Frankfurt (Main), Urt. v. 26.07.2010, Az.: 2-24 S 135/09]
|[http://reise-recht-wiki.de/kinder-anspruch-auf-reisepreisminderung-wegen-vertaner-urlaubszeit-urteil-az-2-24-s-135-09-lg-frankfurt.html LG Frankfurt (Main), Urt. v. 26.07.2010, Az.: 2-24 S 135/09]
|Erhebliche, umfangreiche Bauarbeiten im Hotel während des gesamten Urlaubs
|Umfangreiche Bauarbeiten im Hotel während des gesamten Urlaubs
|Lärm, Staub, eingeschränkte Nutzbarkeit von Pool/Restaurants/Strand
|Lärm, Staub, eingeschränkte Nutzbarkeit von Pool/Restaurants/Strand
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Version vom 14. November 2018, 12:28 Uhr

Nutzlos aufgewendete (auch "vertane") Urlaubszeit bezeichnet einen Schadenersatzanspruch des Reisenden wegen einer Beeinträchtigung seiner Reise aufgrund eines Mangels des Pauschalreisevertrages. Es handelt sich um einen Anspruch auf Ersatz für immaterielle Schäden, der neben dem Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises besteht.

Allgemeines

Ein Anspruch auf Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter, bzw. vertaner Urlaubszeit, entsteht dem Reisenden, wenn der Pauschalreisevertrag durch den Reiseveranstalter nicht oder nicht wie vereinbart erfüllt wird, also ein Reisemangel vorliegt, der zu einer Beeinträchtigung der Reise führt. Der Mangel muss dem Reiseveranstalter unverzüglich angezeigt werden. Zu Unterscheiden ist zwischen einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise und einer vollständigen Vereitelung der Reise, bei der die Reise nicht wie gebucht durchgeführt wird. Gesetzlich festgeschrieben ist der Anfang im Unterabschnitt "Pauschalreisevertrag, Reisevermittlung und Vermittlung verbundener Reiseleistungen" des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) (§§ 651a-651j), genauer in § 651n Abs. 2 BGB.

Differenzierung nach Art der Beeinträchtigung

Erhebliche Beeinträchtigung der Reise

Eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise liegt vor, wenn die Reise wegen Mängeln der Leistung des Veranstalters so erheblich beeinträchtigt worden ist, dass der Erfolg der Reise nahezu vollständig verfehlt worden ist.

Beispiele (Rechtsprechung)
Urteil Mangel Erhebliche Beeinträchtigung
LG Frankfurt (Main), Urt. v. 26.07.2010, Az.: 2-24 S 135/09 Umfangreiche Bauarbeiten im Hotel während des gesamten Urlaubs Lärm, Staub, eingeschränkte Nutzbarkeit von Pool/Restaurants/Strand
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Vollständige Vereitelung der Reise

Nicht nur, wenn es aufgrund von Mängeln an dem "Urlaubswert" der Reise fehlt, sondern auch, wenn eine Reise gänzlich ausfällt, kann ein Anspruch auf Entschädigung für vertane Urlaubszeit bestehen. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Reisende bewusst eine hochwertige und attraktive Kreuzfahrt bucht, die sehr kurzfristig abgesagt wird (Vgl. BGH, Urt. v. 29.05.2018, Az.: X ZR 94/17). Durch die kurzfristige Absage ist es dem Reisenden nur schwer möglich, eine entsprechende anderweitige Nutzung der vorgesehenen Reisezeit zu finden. Er steht also letztlich, statt einen entspannten Urlaub auf hoher See zu verbringen, gänzlich ohne entsprechende Erholungszeit da, was regelmäßig zu erheblicher Enttäuschung führt.

Beispiele (Rechtsprechung)
Urteil Mangel Erhebliche Beeinträchtigung
LG Frankfurt (Main), Urt. v. 26.07.2010, Az.: 2-24 S 135/09 Bauarbeiten im Hotel während des gesamten Urlaubs (Lärm, Staub)
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Umfang der Entschädigung

Der Umfang bzw. die Höhe der Entschädigung richtet sich nach dem Umfang der die erhebliche Beeinträchtigung begründenden Reisemängel, die zu einer nutzlosen Aufwendung der Urlaubszeit bei dem Reisenden geführt haben, sowie nach der Höhe des Reisepreises. Dies gilt gleichermaßen im Falle einer Vereitelung der Reise. (BGH, Urt. v. 29.05.2018, Az.: X ZR 94/17, BGH, Urt. v. 17.04.2012, X ZR 76/11).

Bei einem vollständig ausbleibenden Urlaub ist nach einer Ansicht stets der volle Reisepreis als Entschädigung zuzuerkennen (u.a. "Führich, Reiserecht", 7. Aufl. 2015, § 11 Rn. 66). Dieser Ansicht hat der BGH ausdrücklich widersprochen (vgl. BGH, Urt. v. 29.05.2018, Az.: X ZR 94/17, Rn. 15). Nach Ansicht des Gerichts ist dem Gesetzeswortlaut (§ 651f Abs. 2 BGB) nicht zu entnehmen, dass bei der vollständigen Vereitelung des Urlaubs die Höhe der Entschädigung nicht auch im Ermessen des Tatrichters liegen soll.

Die vollständige Vereitelung einer Reise stellt sich zwar als größte denkbare Beeinträchtigung der geschuldeten Reiseleistung dar. Die Entschädigung für vertane Urlaubszeit ist als immaterieller Ersatzanspruch aber gerade nicht darauf gerichtet, einen gerechten Ausgleich für eine mangelhafte Leistungserfüllung durch den Veranstalter herzustellen. Dies soll durch den Schadenersatz für die mangelhafte Reiseleistung geschehen, also durch materielle Schadenersatzansprüche. Statt dessen soll der Reisende hier dafür entschädigt werden, dass er seine Urlaubszeit nicht so verbringen konnte, wie mit dem Veranstalter vereinbart. Dies betrifft typischerweise auch das physische und psychische Wohlbefinden des Reisenden, das unter Umständen viel mehr in Mitleidenschaft gezogen wird, wenn die Reise unter groben Mängeln leidet, als wenn sie gänzlich ausfällt (vgl. BGH, Urt. v. 29.05.2018, Az.: X ZR 94/17). Andererseits kann eine kurzfristige Absage einer Reise ebenfalls erhebliche Beeinträchtigungen mit sich bringen.

  • Es ist daher also in beiden Fällen alleine auf das individuell festzustellende tatsächliche Maß der Beeinträchtigung abzustellen.

Richtiger Anspruchsgegner

Reiseveranstalter

Richtiger Anspruchsgegner ist der Reiseveranstalter. Dies ist derjenige, der die Reise im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung veranstaltet.

Reisevermittler

Ein Anspruch gegen den Reisevermittler besteht hingegen grundsätzlich nicht. Denn Zweck der Reisevermittlung ist gerade nicht die Durchführung der gebuchten Reise sondern lediglich ihrer Vermittlung und Buchung beim Reiseveranstalter (LG Düsseldorf, Urt. v. 29.10.2004, Az.: 22 S 37/04). Weiterhin besteht nach den Regelungen des BGB (§ 253 BGB) ein Anspruch auf den Ersatz von immateriellen Schäden nur, sofern dies ausdrücklich festgeschrieben ist - so wie eben gerade in § 651n Abs. 2 BGB hinsichtlich des Anspruchs gegenüber dem Reiseveranstalter (und nicht auch gegenüber dem Reisevermittler).

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt jedoch dann, wenn der Vertrag mit dem Reisevermittler, wie etwa bei einem Reisevertrag mit einem Reiseveranstalter bei einer Pauschalreise, unmittelbar auf die Urlaubsgestaltung gerichtet ist. Dies bedeutet, das der Vertrag nicht allein auf die Vermittlung eines Reisevertrages mit einem Dritten gerichtet ist, sondern konkret auch die Art der Gestaltung des Urlaubs betrifft. Beispiele für solcherlei Verträge sind z.B. die reine Ferienhausmiete, die Miete eines Wohnmobils und ggf. auch ein Bootschartervertrag (BGH, Urt. v. 17.01.1985, Az.: VII ZR 163/84).

Sonderfälle

Ansprüche minderjähriger Kinder

LG Frankfurt (Main), Urt. v. 26.07.2010, Az.: 2-24 S 135/09


20. Es ist auch davon auszugehen, dass all diese Mängel rechtzeitig gerügt worden sind im Sinne von § 651d II BGB.

21. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer trägt der Reiseveranstalter für den Einwendungstatbestand des § 651 d II BGB, also eine unterlassene Mängelrüge, grundsätzlich die Beweislast. Die Kammer vertritt die Ansicht, dass in diesem Zusammenhang eine abgestufte Prüfung vorzunehmen ist.

22. Im Ausgangspunkt hat im Bestreitensfall der Reiseveranstalter nachzuweisen, dass eine rechtzeitige Mängelanzeige am Urlaubsort unterblieben ist. Die Kammer ist der Ansicht, dass die Frage der Beweislast bei § 651 d II BGB einer differenzierten Lösung bedarf, die insbesondere der Tatsache Rechnung trägt, dass der dem Reiseveranstalter obliegende Beweis ein Negativbeweis ist, der bekanntermaßen mit Schwierigkeiten verbunden ist. Unter diesen Umständen wird der Reiseveranstalter sich zunächst damit begnügen können, dass er sich auf den Ausnahmetatbestand des § 651 d II BGB beruft, wenn er gleichzeitig vorträgt, dass eine Person vorhanden war, die für die Entgegennahme der Mängelanzeige zuständig war, und dass bei dieser Person eine Mängelanzeige entweder überhaupt nicht oder erst zu einem bestimmten(späteren) Zeitpunkt eingegangen ist. Es liegt dann im Rahmen der Darlegungslast des Reisenden, vorzutragen, dass, wann durch wen und wem gegenüber er früher die Mängelrüge abgegeben hat. Ein bei der Beweisaufnahme sich ergebendes non-liquet muss aber dann zum Nachteil des Reiseveranstalters ausschlagen. Auch für die Tatsache der Erreichbarkeit der Reiseleitung ist der Reiseveranstalter im Ergebnis beweisbelastet (vgl. Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26.06.2008, Az. 2-24 S 86/07). Allerdings trägt der Reisende die Beweislast dafür, dass er ohne Verschulden an der rechtzeitigen Abgabe der Mängelanzeige gehindert war; außerdem muss er nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen die Beweislast für die Tatsachen tragen, aus denen sich ganz ausnahmsweise eine Entbehrlichkeit der Mängelanzeige herleiten lässt (vgl. zum Ganzen Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 31.08.2006, RRa 2007, 69, 71; Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17.03.1986, NJW-RR 1986, 540 ff.; ebenso LG Kleve, RRa 1997, 72-74; Seyderhelm, Reiserecht, 1997, § 651 d BGB, Rn. 124).

23. Die Kläger haben ausreichend substanziiert dargelegt, dass sie die Mängel bzgl. Baustelle / Baulärm gegenüber der ersten Reiseleiterin der Beklagten, Frau …, am 28.04.2007 gerügt hätten. Dies hat die Beklagte zwar bestritten, jedoch hat sie – auch nach Hinweise des Berufungsgerichts dafür keinen Beweis angeboten. Danach ist die beweisbelastete Beklagte für ihre Behauptung beweisfällig geblieben. Die vorliegende Gesprächsnotiz vom 08.05.2007 (Bl. 26 d.A.) von der zweiten Reiseleiterin, Frau …, führt nicht zu einer Umkehr der Beweislast. Diese Privaturkunde kann die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit nur in Bezug auf die Reiseleiterin Frau … entfalten, aber gerade nicht in Bezug auf die vorherige Reiseleiterin Frau …. Danach kann aus dieser Gesprächsnotiz nicht die Vermutung hergeleitet werden, dass eine Kontaktaufnahme der Kläger mit der Reiseleitung der Beklagten frühestens am 07.05.2007 erfolgt ist.

24. Aber auch hinsichtlich des Mangels „Verpflegung“ kann sich die Beklagte nicht erfolgreich auf eine verspätete Mängelrüge berufen.

25. Nach dem Wechsel der Reiseleitung mit Beginn Mai 2007 haben die Kläger ausreichend substanziiert dargelegt, dass die neue Reiseleiterin Frau … zunächst nicht mehr erreichbar war, da die Sprechzeiten ohne entsprechende Information geändert worden seien. Dem ist die darlegungs und beweisbelastete Beklagte auch nach Hinweis des Berufungsgerichts nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Vielmehr hat dies die Zeugin … inzident bestätigt.

c.

26. Danach berechnet sich die Minderung wie folgt:

27. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Kläger im Hinblick auf die Minderung keine Gesamtgläubiger sind.

28. Danach können die Kläger die Minderung jeweils nur getrennt auf der Grundlage ihres jeweiligen Reisepreises geltend machen.

29. Abzüglich der nicht zu berücksichtigenden Visakosten von 25,- Euro beläuft sich der maßgebliche Reisepreis pro Person auf 1.306,- Euro.

30. Bei einem zu berücksichtigenden Reisepreis von 1.306,- Euro pro Person ergibt sich bei einer 14tägigen Reise ein Tagesreisepreis von 93,29 Euro pro Person.

31. Bei einer Minderungsquote von insgesamt 60% für die festgestellten Reisemängel für 10 Tage ergibt sich bei einem Tagesreisepreis von 93,29 Euro pro Person ein Minderungsbetrag von 559,70 Euro pro Person.

2.

32. Die Kläger haben jeweils einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude gem. § 651f II BGB in Höhe von jeweils 450,- Euro.

33. Nach der weiterhin ständigen Rechtsprechung der Kammer (Urteil v. 31.08.2006, Az. 2-24 S 281/05, RRa 2007, 69ff.; Urteil v. 07.12.2007, Az. 2-24 S 53/07, RRa 2008, 76ff.; Urteil v. 17.12.2009, Az. 2-24 S 140/09; RRa 2010, 27, 29) liegt eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise im Sinne von § 651f II BGB vor, wenn Reisemängel in dem Ausmaße vorliegen, dass eine Reisepreisminderung in Höhe von mindestens 50% gerechtfertigt ist.

34. Diese Voraussetzung liegt hier wie oben gezeigt für 10 Tage vor.

35. Nach der nunmehrigen ständigen Rechtsprechung der Kammer ist als geeigneter Maßstab für die Bemessung der Entschädigung nach § 651f II BGB auf den Reisepreis abzustellen, zu dem die Entschädigung in angemessenem Verhältnis zu stehen hat (vgl. z.B. RRa 2006, 264, 266; RRa 2008, 27, 28).

36. Die Kammer berücksichtigt bei der Bemessung der Entschädigung insoweit regelmäßig die festgestellte Minderungsquote, die hier bei 60% liegt.

37. Bei einem zu berücksichtigenden Reisepreis für die Kläger von jeweils 1.306,- Euro ist daher der von den Klägern geltend gemachte Entschädigungsbetrag von jeweils 450,- Euro jedenfalls als angemessen und ausreichend anzusehen.

3.

38. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 I, 288 I, 247 BGB.

4.

39. Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von 4,50 Euro gem. § 651f I BGB.

40. Zwar ist diese Schadensposition grundsätzlich gem. § 651f I BGB ersatzfähig. Jedoch lässt sich nicht feststellen, in welcher Person der Kläger diese Schadensposition entstanden ist. Insoweit lässt sich nicht feststellen, welchem Kläger dieser höchstpersönliche Schadenersatzanspruch zusteht. Eine Gesamtgläubigerschaft liegt insoweit nicht vor.

5.

41. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten gem. § 651f I BGB.

42. Die Kosten, die einem Reisenden durch Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung reisevertraglicher Ansprüche zustehen, stellen einen adäquat kausalen Schaden aus der Schlechterfüllung des Reisevertrages dar. Grundsätzlich ist es einem Reisenden gestattet, schon bei der Anmeldung von Ansprüchen sich anwaltlicher Hilfe zu bedienen, da dies zur Wahrung seiner Rechte notwendig ist. Hier haben sich die Kläger bereits zur Anmeldung der reisevertraglichen Ansprüche gem. § 651g I BGB eines Rechtsanwalts bedient.

43. Jedoch haben die Kläger die Rechtsanwaltsvergütungsforderung nicht ausreichend schlüssig vorgetragen. Insbesondere wird die Höhe der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten nicht ausreichend nachvollziehbar dargelegt. Diesbezüglich fehlt es an einer Darlegung der nach dem RVG abgerechneten konkreten Gebührentatbestände. Eine konkrete Berechnung nach Gebührentatbeständen ist nicht erfolgt.

Siehe auch