Buchung einer Ferienwohnung ist von Reiserücktrittsversicherung umfasst BGH Urteil IV ZR 161/16

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BGH Urteil zur BUCHUNG einer FERIENWOHNUNG und der Erstattung der Kosten einer stornierten Reservierung von der REISERÜCKTRITTSVERSICHERUNG (BGH Urteil IV ZR 171/16 vom 14.06.2017)

Die Leitsätze werden vom jeweiligen Autor im Sinne einer Zusammenfassung selbst erstellt und sind nicht offiziell.

  • Ein Ehepaar buchte für den 10.09.-24.09.2014 eine Ferienwohnung über die Hapimag AG und zahlte mit 119 Hapimag Punkten (Time-Sharing bzw. Ferienwohnrecht). Durch eine unerwartete Erkrankung mussten die Eheleute die Buchung der Ferienwohnung stornieren. Es entstanden Kosten in Höhe von 100,00 EUR Bearbeitungsgebühren und 579,89 EUR für die eingesetzten Hapimag Punkte, deren Wert das Ehepaar mit 6,05 sFr pro Hapimag Punkt bezifferte.
  • Das Ehepaar hatte eine Reiserücktrittsversicherung bei der beklagten Versicherung abgeschlossen und verlangte nach Stornierung der Ferienwohnung den Schaden über 679,89 EUR. Die Reiseversicherung weigerte sich zu zahlen und berief sich dabei auf die Versicherungsbedingungen, nach denen angeblich lediglich "Mietleistungen" (z.B. Ferienwohnungen) versichert wären, nicht jedoch zeitlich begrenzte Wohnrechte (wie beim Time-Sharing, Timesharing, Teilzeitwohnrecht, Teilzeiteigentum, Teilnutzungsrecht, Wohnnutzungsrecht). Das Ehepaar erhob daraufhin Klage beim Amtsgericht Köln (AG Köln, Urteil vom 29.10.2015, Aktenzeichen 139 C 96/15), welche abgewiesen wurde. Daraufhin ging das Ehepaar in Berufung vor dem Landgericht Köln (LG Köln, Berufungsurteil vom 01.06.2016, Aktenzeichen 20 S 31/15), welche zurückgewiesen wurde.
  • Die Revision vor dem Bundesgerichtshof hatte Erfolg (BGH Urteil vom 14.06.2017, Aktenzeichen IV ZR 171/16).
  • Der BGH entschied, dass die Klausel der Reiserücktrittsversicherung zu unklar formuliert ist und damit gemäß §305c Abs. 2 BGB bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders unwirksam ist. Der Begriff „Mietleistungen“ setzt unzweifelhaft einen Mietvertrag voraus. Durch den Zusatz "Mietleistungen (z. B. Ferienwohnung)" wird die Klausel jedoch unverständlich und unklar, da diese auch so verstanden werden könne, dass die Reiserücktrittsversicherung die Buchung einer Ferienwohnung unabhängig von der vertraglichen Grundlage immer umfasse.
  • Nach der Entscheidung des BGH war die Klausel der Reiserücktrittsversicherung zum Time-Sharing und der Buchung einer Ferienwohnung unwirksam. Die Reiseversicherung hat die Stornokosten der Buchung der Ferienwohnung damit zu übernehmen.



Stornokosten der Reservierung einer Ferienwohnung sind von der Reiserücktrittsversicherung umfasst (BGH Urteil vom 14. Juni 2017)

Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass der Begriff „Entfernung“ im Fall von Flugverbindungen mit Anschlussflügen nur die Entfernung zwischen dem Ort des ersten Abflugs und dem Endziel umfasst, die nach der Großkreismethode zu ermitteln ist, unabhängig von der tatsächlich zurückgelegten Flugstrecke.



Tenor BGH IV ZR 171/16 Urteil vom 14.06.2017

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 1. Juni 2016 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht (LG Köln, Entscheidung vom 01.06.2016, Aktenzeichen 20 S 31/15) zurückverwiesen.



TATBESTAND Erstattung der Stornokosten einer Ferienwohnung durch Reiserücktrittsversicherung (BGH IV ZR 171/16 Urteil vom 14.06.2017)

Stornierung einer Ferienwohnung wegen unerwarteter schwerer Erkrankung i.S.d. Reiserücktrittsversicherung

Die Klägerin macht als Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemannes (im Folgenden: Versicherungsnehmer) Ansprüche aus einer Reise rücktrittsversicherung geltend, die der Versicherungsnehmer bei der Beklagten im Jahre 2006 abgeschlossen hatte.

Dem Vertrag liegen Allgemeine Versicherungsbedingungen (im Folgenden: AVB) zugrunde, in denen die Beklagte unter anderem Versicherungsschutz für den Fall verspricht, dass eine versicherte Reise aufgrund bestimmter, in § 7 Satz 1 AVB aufgezählter Ereignisse - unter anderem wegen unerwarteter schwerer Erkrankung einer versicherten Person - nicht angetreten werden kann. Die maßgeblichen Klauseln lauten auszugsweise:

"§ 3 Was ist eine versicherte Reise?
1. Als versicherte Reise gelten sowohl Pauschalreisen wie auch einzeln gebuchte Transport- oder Mietleistungen (z.B. nur Flug, ein gebuchtes Hotelzimmer oder eine Ferienwohnung). Eine Reise liegt nicht vor, wenn es sich um eine beruflich oder dienstlich veranlasste Reise handelt. Dazu zählen insbesondere der Weg von und zur Arbeit und Geschäftsreisen.
...
§ 5 Wann erstattet der ... [Versicherer] die Stornokosten einer Reise?
Können Sie eine Reise aus einem der unter § 7 genannten Gründen nicht antreten, übernehmen wir die Stornokosten, die Sie vertraglich auf Grund Ihrer Buchung oder Reservierung bezahlen müssen.
..."


Ferienwohnung durch die Hapimag AG

Der Versicherungsnehmer war Aktionär/Partner der Hapimag AG, einer nach schweizerischem Recht errichteten Aktiengesellschaft, die Ferienanlagen betreibt und nach einem Punkte- und Reservierungssystem ihren Partnern zu Urlaubszwecken zur Verfügung stellt.

Grundlage des Erwerbs der Mitgliedschaft bei der Hapimag AG sind neben deren Statuten die Allgemeinen Bestimmungen Mitgliedschaft. Nach diesen erhält der Partner je Aktie eine jährliche Gutschrift an Wohnpunkten, die das Anrecht vermitteln, nach einem vorgegebenen Punktesystem Urlaub in den jeweils verfügbaren Ferienanlagen der Hapimag AG zu verbringen. Der Partner ist vertraglich verpflichtet, pro Ferienrecht/Aktie einen Jahresbeitrag zu entrichten, der jährlich vom Verwaltungsrat festgesetzt wird und sich an den Kosten der Verwaltung orientiert.


Stornokosten der Ferienwohnung als Schadensersatz

Eine vom Versicherungsnehmer für den Zeitraum 10. bis 24. September 2014 gebuchte Nutzung einer Ferienwohnung der H-AG stornierte er im August 2014, wodurch auf seinem Punktekonto ein Verlust von 119 Punkten entstand. Für die Stornierung stellte die H-AG dem Versicherungsnehmer zudem eine Bearbeitungsgebühr von 100 CHF in Rechnung.

Die Parteien streiten darüber, ob es sich bei der infolge einer Erkrankung des Versicherungsnehmers stornierten Reservierung der Ferienwohnung um eine versicherte Reise handelt. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin einen Ausgleich für die Belastung des Punktekontos und die Erstattung der Bearbeitungsgebühr, wobei sie den geltend gemachten Zahlungsanspruch mit 679,89 € beziffert und behauptet, ein Wohnpunkt habe einen Wert von 6,05 CHF.

In den Vorinstanzen ist die Klage erfolglos geblieben. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE BGH IV ZR 171/16 Urteil vom 14.06.2017

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.


Entscheidung des Berufungsgerichts LG Köln, Entscheidung vom 01.06.2016, Aktenzeichen 20 S 31/15

I. Dieses hat eine versicherte Reise verneint. Allein in Betracht komme eine "Mietleistung" im Sinne von § 3 AVB. Diese setze einen Mietvertrag im Sinne des § 535 BGB voraus, an dem es fehle. Die Hapimag AG sei in Bezug auf die Ferienanlagen nicht Anbieter von individuellen Mietleistungen, sondern räume ihren Aktionären Nutzungsrechte gemäß deren Guthaben an Wohnpunkten ein. Hierbei handele es sich um ein langfristiges, wenn auch zeitlich begrenztes Wohnrecht als Folge des Erwerbs einer eigentümerähnlichen Stellung, also ein Nutzungsrecht im Rahmen eines Time-Sharing-Modells.


Unklare Klausel der Reiserücktrittsversicherung zur Stornierung einer Ferienwohnung

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts hat die Beklagte nach § 3 Nr. 1 Satz 1 AVB für die Buchung der Ferienwohnung durch den Versicherungsnehmer grundsätzlich Versicherungsschutz zu gewähren. Die von der Beklagten verwendete Klausel ist unklar, so dass die Zweifel bei ihrer Auslegung gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu ihren Lasten gehen.

1. Unklar gemäß § 305c Abs. 2 BGB sind Klauseln, bei denen nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel verbleibt und mindestens zwei unterschiedliche Auslegungen vertretbar sind (Senatsurteile vom 23. Juni 2004 - IV ZR 130/03 , BGHZ 159, 360, 364 m.w.N.; vom 9. Juli 2003 - IV ZR 74/02 , VersR 2003, 1163 unter II 2 c; BGH, Urteil vom 4. Juli 1990 - VIII ZR 288/89 , BGHZ 112, 65, 68 f. m.w.N.).


Ferienwohnung als Mietleistung im Sinne der Reiserücktrittsversicherung

2. § 3 Nr. 1 Satz 1 AVB weist nach der gebotenen Auslegung eine solche Mehrdeutigkeit auf, die nicht beseitigt werden kann.

a) Im Ausgangspunkt richtig gesehen hat das Berufungsgericht allerdings, dass der in der Klausel verwendete Begriff "Mietleistungen" so zu verstehen ist, dass er nur Nutzungsüberlassungen aufgrund eines Mietvertrages im Sinne der §§ 535 ff. BGB erfasst.

aa) Zwar sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei vers tändiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (Senatsurteil vom 6. Juli 2016 - IV ZR 44/15 , BGHZ 211, 51 Rn. 17 m.w.N.; st. Rspr.).

Dieser Grundsatz erfährt aber eine Ausnahme, wenn die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verbindet. In diesen Fällen ist im Zweifel anzunehmen, dass auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen. Ein von der Rechtssprache abweichendes Verständnis kann allerdings dann in Betracht kommen, wenn das allgemeine Spra chverständnis von der Rechtssprache in einem Randbereich deutlich abweicht oder wenn der Sinnzusammenhang der Versicherungsbedingungen etwas anderes ergibt ( Senatsurteile vom 20. Juli 2016 - IV ZR 245/15 , r+s 2016, 462 Rn. 22; vom 21. Mai 2003 - IV ZR 327/02 , r+s 2003, 362 unter 2 a; vom 8. Dezember 1999 - IV ZR 40/99 , VersR 2000, 311 unter II 4 b aa).

bb) Der in der Klausel verwendete Begriff "Mietleistungen" gehört der Rechtssprache an, ohne dass er auch nur in einem Randbereich daneben einem hiervon abweichenden allgemeinen Sprachverständnis zuzuordnen ist. Auch ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer der hier vereinbarten Reiserücktrittsversicherung erkennt, dass der in diesem Begriff enthaltene Wortbestandteil der "Miete" auf rechtliche Kategori en verweist und in Abgrenzung zu anderen Vertragstypen die vorübergehende Gebrauchsüberlassung einer Sache gegen Entgelt voraussetzt.

Buchung einer Ferienwohnung als Mietvertrag oder als Reisevertrag im Sinne einer Pauschalreise

Auf die Buchung des Aufenthalts in einer Ferienwohnung - wie hier - trifft das zu, wenn ihr ein Gebrauchsüberlassungsvertrag unmittelbar mit dem Eigentümer zugrunde liegt (OLG MünchenZMR 1993, 524; LG RavensburgZMR 1993, 224, 225; LG Düsseldorf ZMR 1990, 379; MünchKomm-BGB/Tonner, 6. Aufl. § 651a Rn. 28; ders., NJW 1981, 1921, 1925; Staudinger/Staudinger, BGB [2016] § 651a Rn. 32; vgl. auch BGH, Urteil vom 12. Mai 1980 - VII ZR 158/79 , BGHZ 77, 116, 121 f. ), allerdings schon dann nicht mehr, wenn der Vertragspartner des Urlaubers sich darauf beschränkt, die Verpflichtung zur Verschaffung einer Ferienwohnung für einen bestimmten Zeitraum zu übernehmen. Ein derartiger Vertrag ist Werkvertrag ( BGH, Urteil vom 18. Oktober 1973 - VII ZR 247/72 , BGHZ 61, 275, 279 ; Staudinger aaO Rn. 33), auf den jedoch die Bestimmungen des Reisevertragsrechts entsprechende Anwendung finden ( BGH, Urteile vom 23. Oktober 2012 - X ZR 157/11 , NJW 2013, 308 Rn. 25; vom 9. Juli 1992 - VII ZR 7/92 , BGHZ 119, 152, 161 ff. ; anders Staudinger aaO Rn. 33 f.). Er unterfällt auch nicht dem in § 3 Nr. 1 Satz 1 AVB verwendeten Begriff der "Pauschalreise".

b) Durch die Aufnahme des Klammerzusatzes in § 3 Nr. 1 Satz 1 AVB, in dem unter anderem eine Ferienwohnung beispielhaft genannt wird, ist die Regelung unklar geworden.


aa) Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann einerseits den Klammerzusatz so verstehen, dass die Buchung des Aufenthalts in einer Ferienwohnung vom Begriff der versicherten Reise erfasst wird, gleichviel auf welcher vertraglichen Grundlage sie erfolgt. Andererseits kann der Klammerzusatz aber auch so verstanden werden, dass die Buchung einer Ferienwohnung nur dann in den Versicherungsschutz einbezogen ist, wenn der ihr zugrunde liegende Vertrag ein miet- oder reiserechtliches Gepräge aufweist. Insgesamt lassen sich beide Auslegungen vertreten.


bb) Verbleibende Zweifel über die richtige Auslegung der Klausel werden auch nicht dadurch beseitigt, dass neben Pauschalreisen nur "einzeln gebuchte" Transport- oder Mietleistungen als versicherte Reise gelten sollen. Anders als die Revisionserwiderung meint, wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer dem Erfordernis der Einzelbuchung einer Mietleistung nicht entnehmen, dass die Klausel an die Einräumung eines konkreten Nutzungsrechts in Bezug auf ein individualisiertes Objekt sowie eine Entgeltleistung als Gegenleistung gerade für dieses Nutzungsrecht anknüpft. Er wird vielmehr bei der Frage, welche Voraussetzungen eine einzeln gebuchte Transport- oder Mietleistung erfüllen muss, um als versicherte Reise zu gelten, zusätzlich den Begriff der "Pauschalreise" in den Blick nehmen und erkennen, dass dieser eine Gesamtheit von Reiseleistungen verlangt, an der es bei den daneben aufgeführten versicherten Leistungsarten fehlen kann. In dieser Abgrenzung der Leistungsarten erschöpft sich zugleich die Bedeutung, die der durchschnittliche Versicherungsnehmer dem Merkmal "einzeln gebucht" für die Frage des Deckungsumfangs der Reiserücktrittsversicherung beimessen wird.

Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer auch keine Klarheit aus der Möglichkeit gewinnen, den Verfall von Wohnpunkten und damit den geminderten Ertrag der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung des Versicherungsnehmers an der Hapimag AG mit einer gesonderten Punkteversicherung abzusichern. Derartige versicherungswirtschaftliche Überlegungen, die sich aus dem Bedingungswortlaut unmittelbar nicht erschließen, sind für die Auslegung der konkreten Klausel nicht maßgeblich ( Senatsurteil vom 27. Juni 2012 - IV ZR 212/10 , VersR 2012, 1253 Rn. 19 m.w.N.).

Stornokosten als ersatzfähiger Schaden einer Reiserücktrittsversicherung

III. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend ( § 561 ZPO ).

Anders als die Revisionserwiderung meint, setzen Stornokosten im Sinne von § 5 AVB, deren Übernahme die Beklagte bei Eintritt des Versicherungsfalles verspricht, weder die Erbringung einer Geldleistung aufgrund der Buchung oder Reservierung noch die Rückabwicklung eines Vertrages über eine konkrete Reiseleistung voraus. Das ergibt die Auslegung der Klausel.

Stornokosten sind Vermögenseinbuße

1. Deren Wortlaut kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer entnehmen, dass die Beklagte die Kosten übernimmt, die er vertraglich auf Grund seiner Buchung oder Reservierung bezahlen muss . Dass die versprochenen Versicherungsleistungen dabei ausschließlich an die Zahlung von Geld anknüpften, erschließt sich dem durchschnitt lichen Versicherungsnehmer aus dem Verb "bezahlen" nicht. Vielmehr wird er aus dem ihm erkennbaren Sinn der Reiserücktrittsversicherung ableiten, dass sich das Leistungsversprechen des Versicherers darauf be zieht, für eine konkrete Vermögenseinbuße aufzukommen, die dem Versicherungsnehmer wegen des Nichtantritts einer Reise aufgrund eines versicherten Ereignisses entsteht. Als derartige Vermögenseinbuße sieht der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht nur Geldleistungen, sondern auch sonstige Vermögensnachteile - wie den Verlust von Wohnpunkten bei einem hier in Rede stehenden Punkte- und Reservierungssystem - an.

Stornierung der Buchung einer Ferienwohnung als Gestaltungserklärung (Kündigung)

2. Schließlich kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer dem Bedingungswerk auch nicht entnehmen, dass der Begriff "Stornokosten" die Rückabwicklung eines Vertrages über eine konkrete Reiseleistung voraussetzt, an der es vorliegend mit Blick auf die fortbestehende Beteiligung des Versicherungsnehmers an der Hapimag AG fehlen könnte. Allein der Umstand, dass der Stornierung einer nach § 3 Nr. 1 AVB versicherten Reise in der Mehrzahl der Fälle ein Rücktritt von einem Reise-, Miet- oder Werkvertrag zugrunde liegen wird, rechtfertigt es nicht, begrifflich nur rückabgewickelte Verträge als vom Versicherungsschutz umfasst anzusehen. Hinzu tritt, dass die unverzügliche Stornierung der Reise in § 14 Satz 8 Nr. 1 AVB als Obliegenheit ausgestaltet ist, deren Verletzung nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers Einfluss auf die Leistungspflicht des Versicherers haben soll. In Anbetracht dessen erschließt sich dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer erst recht nicht, dass sich schon das Leistungsversprechen des Versicherers auf Verträge beschränkt, die durch eine Gestaltungserklärung in ein Abwicklungsschuldverhältnis umgewandelt worden sind.

Unerwartete Erkrankung im Sinne der Reiserücktrittsversicherung

IV. Da sich das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang weder mit der von der Beklagten bestrittenen Behauptung der Klägerin, der Stornierung der Buchung habe eine unerwartete schwere Erkrankung des Versicherungsnehmers im Sinne von § 7 Nr. 1 AVB zugrunde gelegen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 21. September 2011 - IV ZR 227/09 , r+s 2012, 135 Rn. 3 ff.), noch mit der Anspruchshöhe befasst hat, ist die Sache mangels Entscheidungsreife zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.



Veröffentlichungen / Beiträge zur Erstattung von Stornokosten wegen Kündigung der Buchung einer Ferienwohnung durch Reiserücktrittsversicherung

Bundesgerichtshof Urteil vom 14.06.2017, Aktenzeichen IV ZR 161/16
Veröffentlicht in: Neue Juristische Wochenschrift, NJW 2017, 3300
Veröffentlicht in: Neue Juristische Wochenschrif Rechtsprechungs-Report, NJW-RR 2017, 992
Veröffentlicht in: VersicherungsRecht, VersR 2017, 1012
Wikipedia Artikel zum Time Sharing Geschäftsmodell der Hapimag AG
Wikipedia Artikel zum Time Sharing bzw. Ferienwohnrecht