Fixgeschäft im Sinne der VO 261/2004

Aus PASSAGIERRECHTE
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Fraglich ist, ob die EG-Verordnung 261/2004 den Luftbeförderungsvertrag als Fixgeschäft einstuft bzw. vom Fixgeschäftscharakter des Luftbeförderungsvertrages ausgeht. Hinsichtlich dieser Problematik muss näher auf die verschiedenen Arten der Fixgeschäfte, im Hinblick auf die Verordnung, eingegangen werden.

Luftbeförderungsvertrag als absolutes Fixgeschäft im Sinne der Verordnung

Die Fluggastrechteverordnung weist darauf hin, dass es sich bei dem Luftbeförderungsvertrag nicht um ein absolutes Fixgeschäft handelt. Dies lässt sich durch Auslegung ermitteln. Der Charakter eines absoluten Fixgeschäfts besteht darin, dass die Leistungszeit eine so herausragende Bedeutung hat, dass bei Überschreiten dieser Zeit Unmöglichkeit gemäß [ http://reise-recht-wiki.de/bgb.html#point275 275 BGB] eintritt. Die Verordnung geht in ihrem Grundsatz aber gerade nicht davon aus, dass mit Überschreiten der Leistungszeit Unmöglichkeit eintritt. Das ist im Regelfall auch nicht der Fall. Die eigentliche Leistung, nämlich die Beförderung, ist im Fall einer Verspätung immer noch möglich. Sie geht davon aus, dass das Leistungsinteresse beim Fluggast noch besteht. Dem Gast entstehen Ansprüche auf etwaige Unterstützungsleistungen. Näher erläutert werden die einzelnen Leistungen und die Voraussetzungen dafür im Artikel „ Flugverspätung nach VO 261/2004 und Abgrenzung zu Art. 19 MÜ. Wichtig ist zu beachten, dass das Luftfahrtunternehmen lediglich verpflichtet ist diese Leistungen anzubieten. Eine Pflicht zur Annahme der Unterstützungsleistungen besteht hingegen für den Fluggast nicht. Auch die Staffelung der unterschiedlichen Unterstützungsleistungen, bezogen auf die Stundenanzahl der Verspätung und Streckenweite, lässt darauf schließen, dass die EG-Verordnung 261/2004 Verspätungen gewährt, ohne dass der Eintritt der Unmöglichkeit zwingende Rechtsfolge ist. Die Tatsache, dass solche Leistungen angeboten werden, lässt schon darauf schließen, dass grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass der Fluggast sein Interesse an der Beförderung nicht verloren hat. Dies dürfte auch der Regelfall sein. Wenn nun die Beförderung faktisch noch stattfinden kann und der Fluggast auch noch ein Interesse an dieser Beförderung hat, wäre es gegen die eigentlichen Interessen der Vertragsparteien, dass Unmöglichkeit eintritt. Diese Rechtsfolge ist von den Parteien regelmäßig nicht gewollt. Folglich kann davon ausgegangen werden, dass die Verordnung den Luftbeförderungsvertrag nicht als absolutes Fixgeschäft einstuft. Zumindest lässt es sich ihr nicht zweifelsfrei entnehmen.

Luftbeförderungsvertrag als relatives Fixgeschäft im Sinne der Verordnung

Der EG-Verordnung 261/2004 lässt sich aber auch nicht überzeugend entnehmen, dass es sich bei dem Luftbeförderungsvertrag um ein relatives Fixgschäft handelt. Der Charakter eines relativen Fixgeschäfts besteht darin, dass die Leistungszeit von so wesentlicher Bedeutung ist, dass der Vertrag mit deren Einhaltung stehen und fallen soll. Das bedeutet, dass bei Überschreiten der Leistungszeit das Interesse an der Leistung beim Gläubiger entfällt. Der Fluggast hätte also, wenn es sich beim Luftbeförderungsvertrag um ein relatives Fixgeschäft handelt, kein Interesse mehr an einer Beförderung. Jedoch gewährt Art. 6 i.Vm. Art. 9 FluggastrecheVO dem Fluggast Unterstützungsleistungen im Falle von Verspätungen. Unterstützungsleistungen, wie Nahrung und eventuell Unterkunft, würden allerdings ihren Zweck verfehlen, wenn man von einem entfallenen Beförderungsinteresse ausgehen würde. Sie dienen ja gerade dazu die Gäste bis zur Beförderung zu versorgen. Würde es kein Interesse an einer Beförderung geben, würde es ja gar keinen Grund dafür geben einen Fluggast zu versorgen. Es gäbe ja mithin keinen Zeitpunkt bis zu dem die Unterstützung angeboten werden müsste. Die einzig sinnvolle Erklärung wäre, dass davon ausgegangen wird, dass der Fluggast immer noch ein Interesse an der Leistung hat. Allerdings geht die Verordnung von der Möglichkeit des Entfallens des Leistungsinteresses aus, indem sie dem Fluggast die Rückerstattung des Flugpreises und eine Beförderung zum ursprünglichen Abflugort gewährt. Insofern lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen, ob es sich laut der EG-Verordnung 261/2004 beim Luftbeförderungsvertrag um ein relatives Fixgeschäft handelt.

Fazit

Schließlich kann man der EG-Verordnung 261/2004 nicht entnehmen, ob es sich bei dem Luftbeförderungsvertrag um ein Fixgeschäft handelt. Ein absolutes Fixgeschäft ist eher schwierig anzunehmen, da die Leistungszeit nicht eine solche herausragende Bedeutung hat, dass die Leistung bei Überschreiten der Zeit unmöglich wird. Auch ein relatives Fixgeschäft ist insofern schwierig anzunehmen, als dass die Flugastrechteverordnung regelmäßig darauf ausgelegt ist, dass ein Beförderungsinteresse beim Fluggast noch besteht. Müsste man sich für eine der beiden Arten entscheiden, scheint es vertretbarer ein relatives Fixgeschäft anzunehmen. Bei diesem könnten die Parteien zudem flexibler auf etwaige Verspätungen reagieren. Empfehlenswert ist es jedoch eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen. Es sollte auf die individuellen Vereinbarungen abgestellt werden. Falls solche vorliegen, kann der genaue Fixgeschäftscharakter durch Auslegung ermittelt werden. Dies ist auch deshalb sinnvoll, da die Flugzeiten für den Luftfrachtführer sowieso verbindlich sind.

Rechtsprechung

Gericht, Datum Aktenzeichen Amtliche Leitsätze/Inhalt
BGH, Urteil vom 08.05.2009 Xa ZR 113/08
  • Bei einem Flugbeförderungsvertrag, handelt es sich in der Regel nicht um ein absolutes Fixgeschäft.
OLG Frankfurt, Urteil vom 26.09.2007 21 U 23/07
  • Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits hängt von der Beantwortung der Frage ab, ob in der Verzögerung des gebuchten Fluges um rund 25 Stunden eine Annullierung im Sinne des Art. 2 lit. l der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 oder eine Verspätung im Sinne der Vorschriften dieser Verordnung zu sehen ist.
  • Vor dem BGH vorgelegt.
OLG Frankfurt, Urteil vom 20.02.1997 1 U 126/95
  • Von einem Fixgeschäft ist auszugehen, wenn eine Fluggesellschaft, deren Flüge planmäßig stattfinden, verpflichtet ist, Passagiere, die einen Flug gebucht haben, mit diesem Flug zu befördern.
  • Kann dieser bestimmte Flug zur vorgesehenen Zeit nicht stattfinden, so liegt ein Fall verschuldeter Unmöglichkeit vor, der die Fluggesellschaft schadensersatzpflichtig macht.
AG Rüsselsheim, Urteil vom 07.11.2006 3 C 988/06 (32)
  • Die Flugzeit in der Reisebestätigung ist für den Veranstalter verbindlich.
AG Simmern, Urteil vom 10.06.2005 3 C 687/04
  • In Art. 19 Warschauer Abkommen ist der Fall der Verspätung d.h. die nicht zeitgerechte Erfüllung des Luftbeförderungsvertrags, nicht jedoch die Nichtbeförderung geregelt.
  • Wird ein Linienflug nicht zur vorgesehenen Zeit durchgeführt, so besteht kein Anspruch mehr auf Beförderung, da es sich um ein absolutes Fixgeschäft handelt und Unmöglichkeit eingetreten ist.
  • Die Fürsorgepflicht des Luftfahrtunternehmens kann nicht so weit gehen, dem Fluggast, der auf Grund höherer Gewalt einen Flug nicht nutzen kann, weitere Vermögensaufwendungen zu ersparen.