Flugnavigation
Die Grundprinzipien der Flugnavigation sind identisch mit den Prinzipien der allgemeinen Navigation und umfassen den Prozess der Planung, Aufzeichnung und Steuerung der Bewegungen eines Luftfahrzeuges in der Luft von einem Ort zum anderen. Die Flugnavigation ist erfolgreich, wenn das Flugzeug unterwegs nicht verschwindet (auch nicht kurzzeitig), keine Rechtsvorschriften verletzt werden, keine Gefährdung der Sicherheit von Personen an Bord oder auf dem Boden stattfindet. Flugnavigation unterscheidet sich in gewissen Details von der allgemeinen Navigation der Fahrzeuge auf dem Boden. Das Luftfahrzeug bewegt sich mit relativ hoher Geschwindigkeit, sodass weniger Zeit zur genauen Einschätzung seiner Position in der Strecke bleibt. Flugzeuge können nicht in der Luft halten und schnell ihre Position ermitteln. Luftfahrzeuge sind durch die Menge an Kraftstoff, den sie tragen können, sicher begrenzt, während ein Oberflächenfahrzeug mit leeren Tanks zum Stehen kommt und auf die Hilfe warten kann. Die meisten Luftfahrzeuge können nicht während des Fluges gerettet werden. Ferner sind Kollisionen mit Hindernissen oder anderen Luftfahrzeugen in aller Regel tödlich für die meisten Insassen. Deshalb ist ein konstantes Positions- und Situationsbewusstsein kritisch für Flugzeugpiloten.
Streckenplanung
Der erste Schritt der Streckenplanung ist die Festlegung der Destination. Wenn ein Privatpilot einen Flug nach Sichtflugregeln plant, wird er typischerweise eine Luftfahrtkarte verwenden. Auf dieser Karte sind kontrollierte Lufträume, Funknavigationshilfen und Flugplätze sowie Gefahren wie Berge, große Funkmasten usw. abgebildet. Die Karten umfassen auch Details wie Städte, Straßen und Waldgebiete, um die visuelle Navigation zu unterstützten. Die Streckenauswahl geschieht unter Beachtung der kontrollierten Lufträume, die nicht betreten werden dürfen, eingeschränkt sind oder Gefahren darstellen. Die gewählte Route wird auf der Karte aufgezeichnet, die gezogene Linie nennt sich Spur. Das Ziel der darauf folgenden Navigation ist, diese Spur so genau, wie möglich zu befolgen.
Ein fliegendes Flugzeug bewegt sich relativ zum umgebenden Luftkörper, daher ist die Verfolgung einer genauen Spur nicht so einfach, außer es besteht keinen Wind, was nahezu unmöglich ist. Der Pilot muss die Richtung anpassen, um die Wirkung des Windes auszugleichen. In der Regel werden solche Abweichungen für jede Flugetappe mit Hilfe von Wetterprognosen vor dem Flug kalkuliert. Die Prognosen zur Windrichtung und -geschwindigkeit sind oft sehr genau, aber da das Wetter nie mit 100%er Zuverlässigkeit vorausgesagt werden kann, muss der Pilot auf weitere Anpassungen während des Fluges vorbereitet sein. Die Flugzeit hängt sowohl von der eigentlichen Geschwindigkeit des Flugzeuges als auch von der Windrichtung ab – ein Rückenwind wird die Flugzeiten verkürzen, ein Gegenwind erhöhen.
Der Point of no Return (Punkt ohne Wiederkehr – PNR) bezeichnet einen Zeitpunkt des Fluges, in dem das Flugzeug gerade noch genug Treibstoff hat, um zum Ausgangsflugplatz zurückzukehren. Über diesen Punkt hinaus besteht diese Möglichkeit nicht mehr und die Maschine muss entweder zum Ziel- oder zum Ausweichflughafen fortsetzen. Ähnliche Bedeutung hat der Equal time point (Punkt gleicher Zeit, ETP), auch Critical Point (Kritischer Punkt, CP) genannt, an dem es genauso lange dauern würde, den Flug fortzusetzen, wie zum Startflugplatz zurückzufliegen. Der ETP richtet sich nicht nach der Treibstoffmenge, sondern nach dem Wind, der die Geschwindigkeit des Luftfahrzeuges beeinflusst. Bei Nullwind befindet sich der ETP auf der halben Strecke zwischen zwei Flughäfen, in der Wirklichkeit wird dieser in Abhängigkeit der Windrichtung und -stärke verschoben.
Für Flugzeuge, die über den Ozean fliegen, müssen drei Arten des ETP kalkuliert werden:
- ETP beim Ausfall eines Triebwerkes oder eines der Triebwerke
- ETP bei Druckverlust
- Normaler ETP
Jeder dieser ETP kann verschiedene Punkte entlang der Strecke darstellen. Zum Beispiel, in einer Situation mit einem ausgefallenen Triebwerk und einem Druckverlust, müsste die Maschine auf einer niedrigeren Höhe gesteuert werden, was sich wiederum auf dem Treibstoffverbrauch, der Flug- und Fahrgeschwindigkeit auswirkt. Jede Situation würde daher einen anderen ETP aufweisen.
Verkehrsflugzeuge dürfen nicht auf einer Strecke fliegen, wo es keine geeigneten Landeplätze gibt. Die ETP-Berechnungen dienen daher einer Planungsstrategie, sodass Crews immer einen Ausweichflughafen mit einer sicheren Umleitung und Landung haben.
Im letzten Schritt wird notiert, welche Lufträume oder -bereiche betreten werden und was in diesem Zusammenhang beachtet werden muss – welche Flugverkehrskontrollstellen müssen kontaktiert werden, mit entsprechenden Frequenzen, visuelle Meldepunkte usw. Ferner ist es wichtig zu wissen, welche Luftdruckbereiche entlang der Strecke auftreten, damit der Pilot sich nach der barometrischen Höhenmessung bei der entsprechenden Stelle nachfragen kann. Schließlich sollte der Pilot eine alternative Route im Kopf haben, für den Fall, dass die ursprüngliche Strecke nicht geflogen werden kann – unerwartete Wetterbedingungen sind der häufigste Grund. Manchmal muss der Piloten einen Flugplan für eine abweichende Destination vorbereiten und auch dafür sorgen, dass es ausreichend Treibstoff vorhanden ist, um diese zu erreichen. Je gründlicher die Vorbereitungen für den Flug gestaltet werden, umso sicherer kann man während des Fluges sein.
Planung nach Instrumentenflugregeln
Die Vorbereitung eines Fluges nach IFR ist in vielerlei Hinsicht ähnlich wie die Planung nach Sichtflugregeln (VFR). Es unterscheidet sich dahin gehend, dass bei IFR spezielle Diagramme verwendet werden, die die Strecken von einer Befeuerungsstelle zur nächsten mit der niedrigsten möglichen Sicherheitshöhe, Peilungen in beide Richtungen und die Distanz, die für jede Strecke aufgezeichnet wurde, anzeigen. IFR-Piloten können auch eine abweichende Strecke fliegen, aber in diesem Fall müssen sie alle Berechnungen selbst ausführen, wobei die Kalkulation der niedrigsten möglichen Sicherheitshöhe die schwierigste ist. Der Pilot muss dann die Wetterbedingungen, Mindestanforderung für die Landung auf dem Zielflughafen und abweichende Anforderungen beachten. Er muss auch alle Regeln befolgen, einschließlich der rechtlichen Fähigkeit einen bestimmten Instrumentenanflug durchzuführen, je nachdem, wann dieser zuletzt durchgeführt wurde.
In den letzten Jahren wurden strikte Flugrouten „Leuchtfeuer-zu-Leuchtfeuer“ durch Strecken ersetzt, die auf Performance Based Navigation (PBN) basieren. Wenn Fluganbieter ihre Pläne zusammenstellen, können mit dem PNB-Ansatz eine Gesamtgenauigkeit, Integrität, Verfügbarkeit, Kontinuität und Funktionalität aller Navigationshilfen erreicht werden, die im entsprechenden Luftraum vorhanden sind. Sobald diese Bestimmungen vorgenommen wurden, entwickelt der Betreiber eine Strecke, die sowohl die Zeit als auch den Treibstoff spart und gleichzeitig allen geltenden Sicherheitsvorschriften entspricht – und damit die Leistungsfähigkeit des Luftfahrzeuges und des Luftraumes verbessert.
Während des Fluges müssen die Piloten den Plan strikt einhalten, sonst ist das Risiko zu hoch, dass das Flugzeug zu weit vom Weg abkommt. Das trifft insbesondere auf Nachtflüge und Flüge über ein merkmalsarmes Gelände. Dies bedeutet, dass der Pilot so genau, wie möglich die berechneten Positionen, Höhen und Geschwindigkeiten einhalten muss, es sei denn, es werden Sichtflugregeln angewandt. Obwohl Anpassungen einkalkuliert werden, muss der Pilot das Gelände kontinuierlich mit einer Karte vergleichen. Üblicherweise fliegt der Pilot bis zu einem Punkt, wo Besonderheiten des Bodens erkannt werden können. Wenn die Windrichtung nicht den Erwartungen entspricht, muss die Direktion mit speziellen Methoden berichtigt werden. Zum Beispiel, um eine Abweichung von zwei Grad wieder auszugleichen, kann das durch die Einstellung der Position auf vier Grad korrigiert werden.
Der Kompass ist das primäre Instrument zur Bestimmung der Position, aber Piloten greifen meistens zum Kurskreisel, einem gyroskopischen Gerät, das wesentlich genauer ist. Die Kompassmessung wird durchgeführt, um jede Präzession des Kurskreisels zu korrigieren. Der Kompass selbst wird nur dann konstante Werte anzeigen, wenn das Luftfahrzeug sich lange genug im Geradeausflug befand.
Sollte der Pilot nicht in der Lage sein, die Flugroute zu beenden, muss er eine andere fliegen. Da es sich um eine ungeplante Strecke handelt, muss der Pilot die geeignete Richtung für die neue Route im Kopf rechnen können. Die Verwendung des E6B (Ein Bordcomputer, eine Form von Rechenschieber) während des Fluges ist unpraktisch, Kopfrechentechniken liefern ein besseres und schnelleres Ergebnis. Manchmal ist es erforderlich, nur vorübergehend einen anderen Kurs zu nehmen, zum Beispiel, um einen Gewitterfront umzugehen. In solchen Fällen kann der Pilot für eine bestimmte Dauer etwa 60 Grad von der gewünschten Richtung nehmen und, sobald die Gefahr nicht mehr besteht, um 120 Grad in die entgegengesetzte Richtung zurückkehren und für dieselbe Dauer fliegen. Ohne Höhenströmung wird dieses Manöver das Luftfahrzeug wieder auf die ursprüngliche Strecke bringen, die Flugzeit erhöht sich jedoch um die Länge der Umleitungsroute.
Luftfahrzeuge werden üblicherweise mit mehreren Navigationsgeräten ausgestattet.
- Radiokompass (ADF) - ein Funknavigationsgerät, das mittels Funkpeilung Signale von einem ungerichteten Funkfeuer oder anderen Sendern mit gleicher Frequenz empfangen kann. ADF zeigt die Richtung des Funkfeuers von dem Flugzeug aus an. Die Crew kann dann die Lage des Funkfeuers auf der Karte einzeichnen. Mit der Verwendung eines zweiten Funkfeuers können zwei Linien gezogen werden, um die Position des Luftfahrzeuges zwischen den beiden Funkfeuern zu lokalisieren. Diese Verfahrensweise wird cross-cut genannt. Alternativ, wenn die Flugstrecke direkt über dem Funkfeuer liegt, kann der Pilot ADF verwenden, um den Kurs relativ zum Funkfeuer beizubehalten, obwohl das „Verfolgen der Kompassnadel“ insbesondere bei einem starken Seitenwind eine schlechte Praxis ist, weil die tatsächliche Route sich spiralförmig um das Funkfeuer drehen wird. Ungerichtete Funkfeuer können auch fehlerhafte Signale aussenden, weil sie sehr lange Wellenlängen benutzen, die sich leicht biegen und von Bodeneinrichtungen und der Atmosphäre gespiegelt werden.
- Trägheitsnavigationssystem (VOR) – ist ein viel feineres System. Es ist das primäre Luftnavigationssystem für Flüge nach Instrumentenflugregeln, besonders in den Ländern mit vielen Navigationshilfen. Bei diesem System sendet das Funkfeuer ein moduliertes Signal in Form von zwei Sinuswellen, die außer Phase mit anderen Geräten sind. Die Phasendifferenz entspricht dem eigentlichen Funkfeuer relativ zum magnetischen Nordpol. So kann der Empfänger die genaue Entfernung von der Station bestimmen. Das cross-cur-Verfahren kommt wieder zum Einsatz, um den Standort festzustellen. Viele VOR-Stationen haben zusätzlich Distance Measuring Equipment (DME) (Entfernungsmessgerät), mit dem unter Verwendung von geeigneten Empfangsgeräten die genaue Entfernung von der Station festgestellt werden kann. Zusammen mit der Richtung wird dadurch die Bestimmung der genauen Position von einem einzelnen Funkfeuer allein ermöglicht. Ferner senden einige VOR-Stationen lokale Wetterinformationen, die für Piloten zu hören sind. Ein Trägheitsnavigationssystem, das mit einem DME zusammengelegt wird, ist ein Teil der Tactical Air Navigation (TACAN). TACAN wird in der Militärluftfahrt verwendet.
- Vor der Satellitennavigation wurde astronomische Navigation auf militärischen Bombern und Transportflugzeugen verwendet, da in den Kriegszeiten alle Navigationshilfen an Bord ausgeschaltet wurden. Anfangs wurde mit Hilfe eines gewöhnlichen Sextanten und einer durchsichtigen Astrokuppel im Dach des Luftfahrzeuges navigiert, bis diese Verfahrensweise von einem schlankeren periskopischen Sextant in den 40er Jahren abgelöst wurde. In den 70er Jahren nutzten Verkehrsflugzeuge vor allem auf Interkontinental-Strecken Trägheitsnavigationssysteme, bis 1983 der Korean Airlines-Flug 007, der eine für den Zivilverkehr gesperrte Zone betreten hat, aufgrund von Kommunikationsproblemen abgeschossen wurde. Seit diesem Vorfall kam auch in der Zivilluftfahrt die GPS-Navigation zum Einsatz.
- Schließlich kann ein Flugzeug vom Boden aus zum Beispiel mit einem Radar oder einer Multilateration beobachtet werden. ATC kann diese Information dann an die Piloten weiterleiten, um eine Position einzustellen oder kann die Position auch anweisen, je nachdem, welche Dienstleistungen die ATC für den Piloten übernimmt.
- Immer häufiger kommt die GPS-Navigation zum Einsatz. GPS bietet sehr präzise Informationen über die Flugzeugposition, Höhe, Geschwindigkeit und den Kurs. GPS bedient die Piloten der allgemeinen Luftfahrt mit derselben Genauigkeit, die einst nur für Flugzeuge mit Flächennavigation verfügbar war. In der letzten Zeit werden immer mehr GPS-unterstützte Instrumentenanflüge durchgeführt und eingeschlossen.