Flugverspätung Anwaltskosten
Auch wenn ein Fluggast einen Anspruch auf Ausgleichszahlung aus der Fluggastrechteverordnung gegenüber einer Fluggesellschaft hat, kann die Sorge vor mit der Durchsetzung verbundenen Rechtsanwaltskosten die Geltendmachung des bestehenden Anspruchs verhindern.
Dieser Artikel beschäftigt sich daher mit der Ersatzfähigkeit von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten, also mit der Frage, ob die Kosten für einen beauftragten Rechtsanwalt vom anspruchsberechtigten Fluggast zu tragen sind.
Welche Rechtsanwaltskosten können entstehen?
Leistet ein Rechtsanwalt beratende Tätigkeiten, fallen hierfür regelmäßig Gebühren an, die in Art und Höhe gesetzlich vorgeschrieben sind. Zu differenzieren ist in diesem Artikel zwischen zwei Arten von möglichen Rechtsanwaltskosten:
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sind solche Kosten, die durch die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts zur erstmaligen Geltendmachung eines rechtlichen Anspruchs entstehen.
Abgrenzung zu gerichtlichen Anwaltskosten
Neben den hier gegenständlichen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten können natürlich - so es zu einer gerichtlichen Verhandlung kommt - auch für die anwaltliche Vertretung in dieser Kosten entstehen. Diese sind jedoch - unter anderem - nach § 91 ZPO von der unterliegenden Partei zu tragen.
Demnach hat ein erfolgreich auf Rechte aus der Fluggastrechteverordnung gegen ein Luftfahrtunternehmenklagende Fluggast selbst keine Kosten für Rechtsanwalts- und Gerichtsgebühren zu tragen, wenn das Urteil zu seinen Gunsten ausfällt.
Wer muss vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zahlen?
Wenig Probleme beider Beantwortung dieser Frage bereiten also solche Fälle, in denen eine gerichtliche Entscheidung zu Gunsten des Fluggastes ergangen ist, denn hier hat die gegnerische Seite angefallene Gebühren zu tragen.
Denkbar ist aber auch der Fall, dass ein Fluggast bereits vor einem Gerichtsverfahren einen Rechtsanwalt hinzuzieht. Sollte nun das Luftfahrtunternehmen dem Begehren des Fluggastes stattgeben kommt es zu keiner gerichtlichen Verhandlung und auch zu keinem Urteil, es stellt sich die Frage, ob die angefallenen Kosten für die anwaltliche Tätigkeit ebenfalls von dem Luftfahrtunternehmen zu tragen sind.
Rechtslage nach der Fluggastrechteverordnung
In der Fluggastrechteverordnung selbst finden sich keine Regelungen über die Kostenverteilung bei der Durchsetzung der in der Verordnung garantierten Fluggastrechte. Die Klärung dieser Frage ist daher nach nationalem Recht zu beurteilen.
Rechtslage nach deutschem Recht
Grundsätzlich handelt es sich bei der Geltendmachung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten im Wesentlichen um eine Form des Schadensersatz. Notwendig ist natürlich, dass der vom Fluggast begehrte Anspruch auch objektiv besteht. Es muss sodann zwischen zwei Fallszenarien unterschieden werden:
Vorherige Aufforderung durch Fluggast
In der ersten denkbaren Konstellation hat der Fluggast das entsprechende Luftfahrtunternehmen bereits selbst kontaktiert und zur Leistung der begehrten Sache - regelmäßig eine Ausgleichszahlung aus Artikel 7 der Fluggastrechteverordnung - aufgefordert (Mahnung). Wenn dies ohne Erfolg bleibt und der Fluggast nun einen Rechtsanwalt hinzuzieht, hat das beklagte Luftfahrtunternehmen die entstandenen Kosten zu tragen:
In solchen Fällen handelt es sich nämlich um einen Verzugsschaden nach §§ 280 Absatz 1 und 2, 286 BGB. Denn hätte das Luftfahrtunternehmen spätestens auf die Mahnung des Fluggastes hin die diesem zustehende finanzielle Entschädigung gezahlt, wäre für ihn keine Notwendigkeit entstanden einen Rechtsanwalt zu beauftragen.
Unmittelbare Beauftragung eines Rechtsanwalts
Anders verhält es sich, wenn der Fluggast unmittelbar einen Rechtsanwalt beauftragt, also gerade nicht selbst die erstmalige Zahlungsaufforderung an das entsprechende Luftfahrtunternehmen abgibt. Die Rechtslage ist hier umstritten, so dass Fluggästen empfohlen werden kann, auf jeden Fall die erste Mahnung selbst zu verfassen.
Im Unterschied zu dem ersten Fallszenario liegt nämlich zunächst kein Verzugsschaden nach §§ 280 Absatz 1 und 2, 286 BGB vor: für diesen ist es regelmäßig zwingend notwendig durch eine Mahnung den Schuldner (d.h. hier das Luftfahrtunternehmen) in Verzug zu setzen (zu Ausnahmen siehe § 286 Absatz 2 BGB). Der Schuldner könnte sich in einer solchen Situation nun darauf berufen, dass er schon auf die - nicht erfolgte - Mahnung des [[Fluggast]es selbst geleistet hätte, womit die Beauftragung eines Rechtsanwalts samt der damit verbundenen Kosten nicht notwendig gewesen wäre.
In der Rechtsprechung anerkannt ist jedoch mittlerweile, dass ein Fluggast die entstandenen Rechtsanwaltsgebühren als Schadensersatz von dem Luftfahrtunternehmen einfordern kann, wenn dieses seinen Informationspflichten aus Artikel 14 der Fluggastrechteverordnung nicht nachgekommen ist.
Siehe ausführlich zu Informationspflichten: Flugverspätung Info
Nach dieser Bestimmung händigt ein ausführendes Luftfahrtunternehmen jedem von einer Annullierung, Beförderungsverweigerung oder mehr als zweistündigen Verspätung betroffenen Fluggast einen schriftlichen Hinweis aus, in dem die Regeln für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen gemäß der Fluggastrechteverordnung dargelegt werden. Sinn und Zweck dieser Unterrichtungspflicht ist, den Passagieren zu ermöglichen, die Ausgleichszahlung selbst gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunternehmen geltend zu machen (Erwägungsgrund 20 FluggastrechteVO). Daraus folgt umgekehrt, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen, wenn es seinen Hinweispflichten aus Art. 14 Abs. 2 FluggastrechteVO genügt hat, grundsätzlich nicht die Kosten für die erstmalige Geltendmachung des Anspruchs durch einen vom Fluggast beauftragten Rechtsanwalt übernehmen muss.
Entscheidend für die Frage, ob in Fällen der vorliegenden Art die Kosten eines mit der erstmaligen Geltendmachung der Ausgleichszahlung beauftragten Rechtsanwalts erstattungsfähig sind, ist nur, ob die gemäß Art. 14 Abs. 2 FluggastrechteVO erteilten Informationen denFluggast in die Lage versetzt haben, seinen Anspruch gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunternehmen geltend zu machen, ob sie ihn also hinreichend klar darüber unterrichtet haben, unter welcher genauen Unternehmensbezeichnung und Anschrift er welchen nach der Entfernung gestaffelten Betrag (Art. 7 Abs. 1 Fluggastrechte-VO) verlangen kann und gegebenenfalls welche Unterlagen er beifügen soll. Sind die erteilten Instruktionen lückenhaft, unverständlich oder sonst so unklar, dass der Fluggast nicht sicher erkennen kann, was er tun muss, kann sich die Frage der Erstattungsfähigkeit für die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe bei der ersten Geltendmachung des Anspruchs durchaus in anderem Licht darstellen (BGH, Urteil vom 25.02.2016 - X ZR 35/15).
Dieser Ansicht wird vereinzelt entgegengehalten, dass durch mediale Berichterstattung und Internet selbst dem durchschnittlichen Fluggast die Existenz der Fluggastrechteverordnung und der enthaltenen Rechte bewusst sei (so unter anderem AG Charlottenburg, Urteil vom 17.01.2014 - 234 C 237/13), diese sehr umstrittene Auffassung steht jedoch im Widerspruch zu höchstinstanzlichen Entscheidungen des BGH.
Weiterführende Artikel
- Flugverspätung Info zu Informationspflichten aus Artikel 14