Reiserücktritt wegen Schwangerschaft

Aus PASSAGIERRECHTE
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Ein Ereignis, bei welchem die Reise unzumutbar wird und mithin Versicherungsschutz aus einer Reiserücktrittsversicherung besteht, ist eine Schwangerschaft. In Zusammenhang mit der Schwangerschaft muss insbesondere geklärt werden, was man eigentlichen unter einer Schwangerschaft versteht, wer schwanger sein muss und welche Besonderheiten es gibt. Dies soll im Folgenden geklärt werden.

Begriff der Schwangerschaft

Was genau eine Schwangerschaft ist, sollte jedem einleuchten. Jedoch bedarf es auch hier einer Definition, welche in einer rechtlichen Prüfung angewandt werden kann. Eine angemessene Beschreibung wäre, dass eine Schwangerschaft einen Zustand darstellt, der bei normalem Verlauf und ohne Komplikationen zu der Geburt eines Kindes führt. Eine Eileiterschwangerschaft fällt nicht darunter. Aber auch diese genießt Versicherungsschutz, denn darin kann eine unerwartet schwere Erkrankung gesehen werden. Problematisch kann es dann werden, wenn die Schwangerschaft nach einer ärztlichen Kinderwunschbehandlung eintritt. Sinn der Gewährleistung des Versicherungsschutzes aus einer Reiserücktrittsversicherung ist, dass Ereignisse unerwartet eintreten und der Reiseantritt nicht mehr zumutbar ist. Bei einer solchen Behandlung ist jedoch der Eintritt der Schwangerschaft beabsichtigt und kann daher nicht immer als unerwartet bezeichnet werden. Das selbe gilt auch für hormonelle Probleme nach einer solchen Behandlung, da es in der allgemeinen Lebenserfahrung liegt, dass solche Probleme eintreten können.

Fällt die Adoption eines Kindes unter den Begriff der Schwangerschaft?

Fraglich ist, ob die Adoption eines Kindes unter den Begriff der Schwangerschaft fällt. Jedoch ergibt sich schon aus der Definition der Schwangerschaft und dem Merkmal der Unerwartetheit, dass die Adoption eines Kindes nicht dem Ereignis der Schwangerschaft gleichzusetzen ist. Zum einen ist eine Adoption in der Regel nicht unerwartet, da es sich dabei um ein längeres Verfahren handelt. Im Gegensatz zu einer Schwangerschaft ist sie in der Regel also voraussehbar. Zudem würde die rechtliche Gleichsetzung von Adoption und Schwangerschaft in gesetzlichen Regelungen des öffentlichen Rechts zu einer Analogie führen, welche nicht zulässig wäre. Selbst wenn ein Paar überraschend die Möglichkeit hat, ein Kind zu adoptieren, besteht kein Versicherungsschutz. Die Adoption ist also kein Ereignis im Sinne der Reiserücktrittsversicherung, welches den Reiseantritt unzumutbar macht.

Ausnahme von der Reiseunfähigkeit

Jedoch ist nun auch zu erwähnen, dass der bloße Eintritt einer Schwangerschaft nicht in jedem Fall den Eintritt des Versicherungsschutzes begründet. Anhaltspunkt ist immer, ob der Reiseantritt für die Schwangere irgendwelche gesundheitlichen Risiken mit sich bringt. Das ist nicht immer der Fall. Das wirkliche gesundheitliche Risiko, welches für die Schwangere bestehen kann, ist wohl auch abhängig von ihrem Reiseziel. Deswegen kann man wohl sagen, dass Reisen innerhalb Mitteleuropas, also innerhalb einer gemäßigten Klimazone, für die Gesundheit der Schwangeren nicht so riskant sind, wie Reisen an tropische Orte. Jedoch kann das nicht verallgemeinert werden. Insofern ist das wohl abhängig vom Einzelfall und des allgemeinen gesundheitlichen Zustandes der schwangeren Person. Auch die Art und Weise, wie das Reiseziel erreicht werden soll, ist von Bedeutung für die Beurteilung der Unzumutbarkeit. Sind beispielsweise lange Wege mit einem Bus und lange Fahrtstrecken zu bewältigen, kann wohl davon ausgegangen werden, dass das gesundheitlich riskant für die Schwangere ist. Maßgeblich wird immer die Aussage des Arztes sein. Wird allerdings eine Reise erst gebucht, wenn eine Risikoschwangerschaft bereits bestand, ist nicht mehr von einer unerwarteten Schwangerschaft auszugehen und der Schwangeren kann dann kein Versicherungsschutz wegen einer etwaigen Reiseunfähigkeit gewährt werden.

Wer muss schwanger sein?

Fraglich ist weiterhin, wer eigentlich schwanger sein muss, damit eine Reiseunfähigkeit gegeben ist. Die Schwangerschaft muss wohl bei der versicherten Person vorliegen. Jedenfalls genügt es nicht zur Begründung des Versicherungsschutzes, dass eine nicht mitreisende Person schwanger wird. Das würde zu einer viel zu großen Ausweitung der Versicherungshaftung führen. Ist allerdings der Beistand der versicherten Person erforderlich, weil es unerwartete Komplikationen bei einer anderen schwangeren Person gibt, ist Versicherungsschutz möglich, wenn die Schwangerschaftskomplikationen als unerwartete schwere Erkrankung klassifiziert werden können.

Zusammenfassung: Wann und für wen besteht Versicherungsschutz?

Schließlich lässt sich zusammenfassen, dass Versicherungsschutz vor allem dann besteht, wenn nach einer Reisebuchung unerwartet eine Schwangerschaft eintritt und eine Reise wegen gesundheitlicher Risiken in Bezug auf die Schwangerschaft unzumutbar ist. Der Versicherungsschutz besteht für die versicherte Person, welche im Regelfall auch die Schwangere ist. Allerdings sind, wie oben beschrieben, auch Ausnahmen möglich.

Rechtsprechung

Gericht   Aktenzeichen   Was folgt aus dem Urteil?
LG Köln 24 S 40/06
  • In diesem Fall hatte das Paar nach Reisebuchung von einer Zwillingsschwangerschaft erfahren.
  • Nach mehreren Untersuchungen riet der behandelnde Arzt von einer Reise ab.
  • Sie stornierten die Reise und verlangten den zu zahlenden Betrag der Stornierungskosten von der Reiserücktrittsversicherung.
  • Die Versicherung zahlte jedoch nur einen Bruchteil der Kosten mit der Begründung, dass paar habe dadurch, dass sie nicht unverzüglich die Reise storniert haben, nachdem sie von der Schwangerschaft erfahren hatten und somit ihrer Schadenminderungspflicht nicht nachgekommen wären
  • Das Paar klagte und das Gericht gab dem Paar zum Teil Recht.
  • Aus dem Urteil geht hervor, dass einem Paar eine gewisse Bedenkzeit zusteht, ob es die Reise trotz Schwangerschaft antreten möchte oder nicht. Um dies abwägen zu können, könne man nicht gleichzeitig verlangen, dass das Paar unverzüglich die Reise storniere. Dies sei zudem auch im Interesse des Versicherers. Denn entscheidet sich das Paar doch zu einer Reise, trifft den Versicherer gar keine Verpflichtung.
AG München, Urteil vom 03.04.2012 224 C 32365/11
  • In diesem Fall war die Ehefrau bereits bei Reisebuchung schwanger. Die Schwangerschaft verlief bis dahin komplikationslos.
  • Jedoch kam es nach der Reisebuchung zu Schwangerschaftskomplikationen, weshalb die Reise storniert werden musste.
  • Da es sich dabei nicht mehr um eine unerwartete Schwangerschaft handelte, da die Frau bereits bei Reisebuchung schwanger war, ist Versicherungsschutz wegen einer Schwangerschaft nicht mehr gegeben.
  • Das Gericht stellte jedoch fest, dass es sich bei Schwangerschaftskomplikationen um eine unerwartet schwere Erkrankung handelt und somit der Versicherungsschutz besteht.
AG München, Urteil vom 27.10.1999 191 C 27394/99
  • Eine Schwangere buchte eine Reise als sie bereits schwanger war. Später wurde ihr von ihrem Arzt abgeraten zu reisen. Sie stornierte die Reise und wollte die Stornierungskosten ersetzt haben.
  • Der Versicherer wollte nicht zahlen.
  • Das Gericht gab dem Versicherer recht und begründete das damit, dass das maßgebliche Ereignis zur Begründung des Versicherungsschutzes nicht der Rat des Arztes, sondern der Eintritt der Schwangerschaft ist.