Schlussanträge des Generalanwalts L. A. Geelhoed vom 1. Februar 2005 (Rechtssache C-415/03)
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
L. A. GEELHOED
vom 1. Februar 2005
Rechtssache C-415/03
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
gegen
Hellenische Republik
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Artikel 3 und 4 der Entscheidung 2003/372/EG – Fehlendes Ergreifen von Maßnahmen zur Rückforderung einer mit dem EG‑Vertrag unvereinbaren und einer rechtswidrig gewährten Beihilfe“
I – Einleitung
1. In der vorliegenden Rechtssache beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 3 und 4 der Entscheidung 2003/372/EG der Kommission vom 11. Dezember 2002 über Beihilfen Griechenlands zugunsten von Olympic Airways (im Folgenden: Entscheidung) und dem EG-Vertrag verstoßen hat, dass sie nicht gemäß Artikel 3 der Entscheidung alle Maßnahmen, die zur Rückzahlung der als rechtswidrig und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar angesehenen Beihilfen (mit Ausnahme derjenigen, die Beiträge an die IKA betreffen) erforderlich sind, fristgemäß ergriffen oder jedenfalls nicht gemäß Artikel 4 der Entscheidung die ergriffenen Maßnahmen der Kommission mitgeteilt hat.
A – Vorgeschichte des Rechtsstreits
2. Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist umfassend in der Entscheidung dargestellt worden. Ich beschränke mich hier auf die Gegenüberstellung von tatsächlichen Gesichtspunkten und Verfahrensaspekten, die im vorliegenden Verfahren von Bedeutung sind, in dem es allein um den angeblichen Verstoß der Hellenischen Republik gegen die Verpflichtungen aus den Artikeln 3 und 4 der Entscheidung geht.
3. 1996 leitete die Kommission gegen diesen Mitgliedstaat wegen dem Unternehmen Olympic Airways gewährten Beihilfen das Verfahren des Artikels 88 Absatz 2 EG ein, das zur Entscheidung 1999/332/EG der Kommission vom 14. August 1998 führte, die Bürgschaften, eine Verringerung der Schuldenlast und eine Umwandlung von Schulden, die 1994 genehmigt worden waren, sowie eine Kapitalzuführung in Höhe von insgesamt 40,8 Mrd. GRD betraf, die in drei Tranchen von 19, 14 und 7,8 Mrd. GRD zu erfolgen hatte. Diese Beihilfen waren mit einem Umstrukturierungsplan verbunden, der für den Zeitraum 1998 bis 2002 revidiert wurde und besonderen Bedingungen unterlag.
4. Mit Beschluss vom 6. März 2002 leitete die Kommission das Verfahren des Artikels 88 Absatz 2 EG mit der Begründung ein, dieser Umstrukturierungsplan sei nicht durchgeführt und bestimmte in der Entscheidung über die Genehmigung der Beihilfen vorgesehene Bedingungen seien nicht erfüllt worden. Zusammen mit dem Beschluss über die Verfahrenseinleitung erging eine Anordnung zur Auskunftserteilung nach Artikel 10 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999.
5. Mit Schreiben vom 9. August 2002 forderte die Kommission die Hellenische Republik zu erneuter Auskunftserteilung auf und verlangte insbesondere die Vorlage von Bilanzen und Zahlen betreffend die Zahlung von Betriebskosten an den Staat. Die von den griechischen Behörden hierzu gegebenen Antworten sah die Kommission als unzureichend an.
6. Am 11. Dezember 2002 genehmigte die Kommission die Entscheidung, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Sie hebt darin insbesondere auf die Feststellung ab, dass die meisten Ziele des Umstrukturierungsplans nicht erreicht und die Auflagen, mit denen die Entscheidung 1999/332 versehen gewesen sei, nur zum Teil erfüllt worden seien. Außerdem stellt die Kommission darin fest, dass die Entscheidung über die Genehmigung der Beihilfen missbräuchlich durchgeführt worden sei. Sie bezieht sich weiter auf das Bestehen neuer Betriebsbeihilfen, die im Wesentlichen darin bestünden, dass der griechische Staat die Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Monate Oktober bis Dezember 2001, von Mehrwertsteuer auf Treibstoffe und Ersatzteile, von den Flughäfen für den Zeitraum 1998 bis 2001 geschuldeten Mieten in Höhe von 2,46 Mio. Euro, von Flughafengebühren in Höhe von 33,9 Mio. Euro und der so genannten Spatosimo‑Steuer (einer Fluggaststeuer für den Ausbau dieser griechischen Flughäfen) in Höhe von 61 Mio. Euro oder die Verlängerung der Fristen für alle diese Zahlungen toleriere.
7. Die Entscheidung der Kommission lautet:
„Artikel 1
Die von Griechenland der Olympic Airways gewährten Umstrukturierungsbeihilfen in Form
- a) von dem Unternehmen bis zum 7. Oktober 1994 gewährten Darlehensbürgschaften in Anwendung von Artikel 6 des griechischen Gesetzes Nr. 96/75 vom 26. Juni 1975,
- b) von neuen Darlehensbürgschaften von insgesamt 378 Mio. USD für Darlehen zur Beschaffung neuer Flugzeuge bis zum 31. März 2001 sowie für Investitionen im Zusammenhang mit dem Umzug von Olympic Airways an den neuen Flughafen Spata,
- c) einer Verringerung der Schuldenlast des Unternehmens um 427 Mrd. GRD,
- d) einer Umwandlung von Schulden des Unternehmens in Höhe von 64 Mrd. GRD in Eigenkapital,
- e) einer Kapitalzuführung von 54 Mrd. GRD, die auf 40,8 Mrd. GRD reduziert wurde, in drei Tranchen von 19 Mrd., 14 Mrd. und 7,8 Mrd. GRD in den Jahren 1995, 1998 und 1999
wird im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag als nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen, da die folgenden Bedingungen, unter denen die Beihilfe ursprünglich genehmigt wurde, nicht mehr erfüllt sind:
- a) die vollständige Umsetzung des Umstrukturierungsplans zur Erlangung der langfristigen Bestandsfähigkeit des Unternehmens,
- b) die Einhaltung von 24 besonderen Zusagen, die mit der Genehmigung der Beihilfe verknüpft waren, sowie
- c) die regelmäßige Überwachung der Umsetzung der Umstrukturierungsbeihilfe.
Artikel 2
Die staatliche Beihilfe, die Griechenland in Form der Tolerierung einer andauernden Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, von Mehrwertsteuern auf Kraftstoffe und Ersatzteile durch Olympic Aviation, von Mieten an verschiedene Flughäfen, von Flughafengebühren an den Internationalen Flughafen Athen (AIA) und andere Flughäfen sowie der Spatosimo-Steuer gewährt hat, ist nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.
Artikel 3
(1) Griechenland ergreift die erforderlichen Maßnahmen, um die in Artikel 1 genannten, nicht mit dem EG-Vertrag vereinbaren Beihilfen in Höhe von 14 Mrd. GRD (41 Mio. Euro) und die in Artikel 2 genannten und rechtswidrig zur Verfügung gestellten Beihilfen von dem Empfänger zurückzufordern.
(2) Die Rückforderung der Beihilfe erfolgt unverzüglich nach den nationalen Verfahren, sofern diese die sofortige, tatsächliche Vollstreckung der Entscheidung ermöglichen. Die zurückzufordernde Beihilfe umfasst Zinsen von dem Zeitpunkt an, ab dem die rechtswidrige Beihilfe dem Empfänger zur Verfügung stand, bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung. Die Zinsen werden auf der Grundlage des für die Berechnung des Subventionsäquivalents der Regionalbeihilfen verwendeten Bezugssatzes berechnet.
Artikel 4
Griechenland teilt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung die Maßnahmen mit, die ergriffen wurden, um der Entscheidung nachzukommen.
…“
8. Mit Schreiben vom 11. Februar 2003 teilte die griechische Regierung der Kommission mit, sie habe einen unabhängigen Dritten beauftragt, zu prüfen, ob Olympic Airways noch Verbindlichkeiten gegenüber dem Staat habe und eine bevorzugte Behandlung genossen habe. Aufgrund der eingeholten Auskünfte erklärte die griechische Regierung, sie werde die Artikel 3 und 4 der Entscheidung nicht anwenden.
9. Die Kommission teilte der griechischen Regierung am 6. März 2003 mit, dass diese verpflichtet sei, der Entscheidung nachzukommen. Am 12. Mai 2003 richtete sie an die griechische Regierung ein Schreiben mit zusätzlichen Erläuterungen zur Bestimmung des Umfangs der neuen Beihilfen und ersuchte sie um detaillierte Auskünfte über den Vollzug der Rückzahlung der 41 Mio. Euro und um Nachweise für die Begleichung der in Artikel 2 der Entscheidung genannten Schulden von Olympic Airways.
10. Die griechischen Behörden antworteten mit Schreiben vom 26. Juni 2003. Hinsichtlich der Erstattung der zweiten Tranche der Kapitalzuführung von insgesamt 41 Mio. Euro erklärten sie, sie beabsichtigten, bis Ende August 2003 über die Rückforderung dieser Beihilfe zu entscheiden; die rechtlichen Wirkungen der Entscheidung und das angewandte Verfahren würden noch geprüft. Auch werde Olympic Airways die gegenüber den Flughäfen bestehende Mietschuld in Höhe von 2,46 Mio. Euro begleichen.
11. Hinsichtlich der Verbindlichkeit von insgesamt 27,4 Mio. Euro gegenüber der IKA (Verwaltung der Sozialversicherung) verwiesen die griechischen Behörden auf eine getroffene Vereinbarung sowie eine Zahlung von 5,28 Mio. Euro, so dass von der Tolerierung einer Schuld keine Rede mehr sein könne.
12. Wegen der dem Flughafen Spata geschuldeten Flughafengebühren in Höhe von 33,9 Mio. Euro verwiesen die griechischen Behörden darauf, dass ihnen aufgrund der Natur der Verwaltung des Flughafens die Zuständigkeit fehle. Sie wiesen allerdings auf eine Zahlung von 4,83 Mio. Euro hin, die aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung vorgenommen worden sei, und legten einen entsprechenden Zahlungsbeleg vor. Im Übrigen solle nach dieser Vereinbarung die Schuld in zwölf Vierteljahresraten getilgt werden. Der Gesamtbetrag werde im April 2005 abgezahlt sein.
13. Was die Verbindlichkeit in Höhe von 61 Mio. Euro an so genannten Spatosimo-Steuern angehe, so sei aufgrund von entsprechenden Vereinbarungen eine Zahlung in Höhe von 22,8 Mio. Euro geleistet worden. Hinsichtlich dieses Betrages sowie anderer Zahlungen legten die griechischen Behörden Belege vor. Wegen der Verbindlichkeit gegenüber Ministerien und öffentlichen Stellen in Höhe von 28,9 Mio. Euro verwiesen sie darauf, dass die betreffenden Verpflichtungen unklar seien, da zu den an die Beschäftigten ausgestellten Flugzeugtickets keine Angaben vorlägen.
14. Da die Kommission diese Erklärungen als unzureichend ansah, hat sie die vorliegende Klage eingereicht, mit der sie beantragt hat,
- festzustellen, dass die Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 3 und 4 der Entscheidung und dem EG-Vertrag verstoßen hat, dass sie nicht gemäß Artikel 3 der Entscheidung alle Maßnahmen, die zur Rückzahlung der als rechtswidrig und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar angesehenen Beihilfen (mit Ausnahme derjenigen, die Beiträge an die IKA betreffen) erforderlich sind, fristgemäß ergriffen oder jedenfalls nicht gemäß Artikel 4 der Entscheidung die ergriffenen Maßnahmen der Kommission mitgeteilt hat;
- der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.
15. Die griechische Regierung beantragt, die Klage abzuweisen und die Kosten der Kommission aufzuerlegen.
II – Beurteilung
A – Vorbemerkungen
16. Nach den Akten sind zwischen der Kommission und der Hellenischen Republik drei verschiedene Punkte streitig:
- Rückforderung eines Betrages von 41 Mio. Euro. Hierbei handelt es sich um die zweite Tranche der Umstrukturierungsbeihilfe nach Artikel 1 der Entscheidung, die Olympic Airways im September 1998 gezahlt wurde. Dieser Betrag wird ausdrücklich in Artikel 3 Absatz 1 der Entscheidung erwähnt;
- Rückforderung der „neuen Beihilfe“, auf die Artikel 2 der Entscheidung abstellt. Deren Höhe wird in der Entscheidung selbst nicht ausdrücklich genannt. Die verschiedenen Bestandteile dieser Beihilfe und die jeweiligen Beträge werden in den Begründungserwägungen 200 bis 209 der Entscheidung beschrieben;
- Auswirkungen des griechischen Gesetzes Nr. 3185/2003 (im Folgenden: griechisches Gesetz) auf die Vollstreckung der Entscheidung nach nationalem Recht.
17. Ich schlage vor, meine Prüfung mit dem dritten Punkt zu beginnen, da dieser der Vollstreckung der Entscheidung nach nationalem Recht entgegenstehen könnte, soweit es danach rechtlich unmöglich sein könnte, die Beihilfen für Vermögensgegenstände zurückzufordern, die Olympic Airways zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung noch besaß. Überdies stellt sich, falls das griechische Gesetz die angemessene Durchführung der Entscheidung erschweren oder unmöglich machen sollte, die Frage, ob der Erlass dieses Gesetzes nicht selbst schon einen Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen begründet.
18. Wie ich bereits in Nummer 2 dieser Schlussanträge ausgeführt habe, ist Gegenstand der vorliegenden Rechtssache allein der angebliche Verstoß gegen die Verpflichtungen aus der Entscheidung. Daher ist das Vorbringen, das auf angebliche Irrtümer oder Ungenauigkeiten bei der Beurteilung des der vorliegenden Rechtssache zugrunde liegenden Sachverhalts gestützt wird, in der vorliegenden Rechtssache unzulässig.
B – Das griechische Gesetz
19. Erst in der Erwiderung hat die Kommission das griechische Gesetz erstmals erwähnt. Die Tatsache des Erlasses dieses Gesetzes selbst hat sie natürlich nicht berücksichtigen können. Die Klageschrift ist am 25. September 2003 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragen, das Gesetz aber schon am 26. September 2003 im griechischen Amtsblatt veröffentlicht worden.
20. Die Kommission stellt fest, dass das griechische Gesetz in Artikel 27 den für die Umstrukturierung der Olympic-Gruppe notwendigen Rahmen geschaffen habe. Diese Maßnahme habe sich neben der Übertragung des Personals auch auf die Übertragung der Vermögensgegenstände des ehemaligen Unternehmens Olympic Airways – d. h. der Flugzeuge und der damit verbundenen staatlichen Garantien, der gemeinhin „Slots“ genannten mit dem Flug zusammenhängenden Rechte, des Namens, des Marktanteils, der vertraglichen Beziehungen und der verschiedenen gesunden Forderungen – auf die neue Gesellschaft „Olympic Airlines“ erstreckt, die schuldenfrei erfolgt sei, ohne dass es möglich gewesen wäre, Forderungen gegen das ehemalige Unternehmen von der neuen Gesellschaft einzuziehen. Für diese neue Gesellschaft, auf die die Verbindlichkeiten von Olympic Airways nicht übertragen worden seien, habe somit eine besondere Regelung des Schutzes vor den Gläubigern des ehemaligen Unternehmens gegolten. Eine entsprechende Behandlung sei auch für die übrigen Tätigkeitsbereiche von Olympic Airways vorgesehen gewesen.
21. Indem die nationalen Behörden aber für die Vermögensgegenstände der neuen Gesellschaft Olympic Airlines eine besondere Regelung des Schutzes vor ihren Gläubigern geschaffen hätten, hätten sie eine Rückforderung der Beihilfen nach Maßgabe der Entscheidung verhindert. Dabei sei die Schuldenlast im Wesentlichen bei Olympic Airways verblieben, die über keine Vermögensgegenstände verfügt habe, um die einzelnen Verbindlichkeiten substanziell zu tilgen. Das daraus folgende Hindernis für die tatsächliche Rückzahlung der Beihilfen sei somit auf gesetzgeberischer Ebene angelegt gewesen und habe zum großen Teil bereits real bestanden.
22. Außerdem habe im vorliegenden Fall keine Gründung einer Tochtergesellschaft durch die Gesellschaft, die die Beihilfen empfangen habe, stattgefunden, sondern eine Übertragung auf eine andere Gesellschaft der Unternehmensgruppe. So habe der griechische Staat, der ausschließlicher oder Hauptaktionär der fraglichen Gesellschaften gewesen sei, für eine wirtschaftliche Kontinuität zwischen Olympic Airways und Olympic Airlines im Wege der Umschuldung gesorgt, mit der eine Übernahme der rentabelsten Aktiva des ehemaligen Unternehmens Olympic Airways durch die neue Gesellschaft ohne jede Gegenleistung verbunden gewesen sei. Nach dem griechischen Gesetz sei die neue Gesellschaft vor den Gläubigern des ehemaligen Unternehmens geschützt. So komme es, dass der griechische Staat nahezu ein Jahr nach Erlass der Entscheidung gesetzgeberische Maßnahmen ergriffen habe, die die tatsächliche Rückzahlung der Beihilfen nach nationalem Recht verhinderten. Er habe mit diesem Versuch, der Entscheidung jede praktische Wirksamkeit zu nehmen, genau das Gegenteil von dem getan, wozu er nach der Entscheidung verpflichtet gewesen wäre.
23. In ihrer Gegenerwiderung geht die griechische Regierung nicht direkt auf die substanziierten Vorhaltungen in Bezug auf die Ziele sowie die wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen des griechischen Gesetzes ein.
24. Sie macht zunächst geltend, das Vorbringen der Kommission sei unzulässig, da die Kommission, weil sie kein Vorverfahren durchgeführt habe, nicht über den Zweck des vorliegenden Verfahrens, die Durchführung der Entscheidung durch die Hellenische Republik zu erwirken, hinausgehen könne. In diesem Zusammenhang weist sie auf das von der Kommission mit Entscheidung vom 16. März 2004 nach Artikel 88 Absatz 2 EG eingeleitete Verfahren zur Untersuchung der neuen vermuteten staatlichen Beihilfen zugunsten von Olympic Airways hin. In diesem Verfahren würden hauptsächlich gerade das griechische Gesetz und die Umwandlung der Unternehmensgruppe Olympic Airways nach Maßgabe dieses Gesetzes untersucht. Solange das Verwaltungsverfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG zur Prüfung der neuen Beihilfen noch laufe, könne sich die Kommission nicht auf Argumente und Gründe stützen, die Gegenstand dieser Prüfung seien. Andernfalls nähme sie durch voreilige Behauptungen das Ergebnis dieser Prüfung vorweg.
25. Sodann gibt die griechische Regierung einen summarischen Überblick über die Begründung des griechischen Gesetzes. Dieses Gesetz stelle die Rechtsgrundlage für die Umstrukturierung von Olympic Airways dar, die zum Ziel habe, die Flugtätigkeiten dieser Gesellschaft so schnell wie möglich abzugeben und die Privatisierung ihrer übrigen Tätigkeiten zu erleichtern. Hierdurch sei der griechische Staat in die Lage versetzt worden, den größtmöglichen Teil aller von ihm zugunsten von Olympic Airways ab 1994 getätigten Investitionen zurückzuerlangen. Von diesen Schritten habe dieses Unternehmen die Kommission von Anfang an in Kenntnis gesetzt.
26. Das griechische Gesetz verhindere schließlich auch nicht die Wiedereinziehung der in der Entscheidung genannten staatlichen Beihilfen. Das Wiedereinziehungsverfahren sei bereits gesondert in Gang gesetzt worden und nehme nach den Bestimmungen des griechischen Rechts seinen Lauf.
27. Die Auffassung der griechischen Regierung, dass das auf das griechische Gesetz gestützte Vorbringen der Kommission unzulässig sei, ist meines Erachtens nicht haltbar. Insoweit ist zwischen der Prüfung der Vereinbarkeit der in diesem Gesetz vorgesehenen Maßnahmen mit Artikel 88 Absatz 1 EG einerseits und der Beurteilung der rechtlichen und finanziellen Auswirkungen dieses Gesetzes auf die Durchführung der – seinem Erlass im Übrigen vorausgegangenen – Entscheidung andererseits zu unterscheiden.
28. Im Rahmen der vorliegenden Vertragsverletzungsklage kommt es allein darauf an, ob das griechische Gesetz rechtliche oder wirtschaftliche Behinderungen für die tatsächliche Durchführung der Entscheidung zur Folge hat.
29. Aus der Entscheidung geht hervor, dass sie die Wiedereinziehung der Beihilfen bezweckt, mit denen der griechische Staat die wirtschaftlichen und kommerziellen Tätigkeiten von Olympic Airways widerrechtlich unterstützt und dadurch den Wettbewerb in der zivilen Luftfahrt verfälscht hat. Damit dieser Zweck erreicht wird, müssen die finanziellen Folgen der Wiedereinziehung von dem Unternehmen getragen werden, das für die durch die fraglichen Beihilfen begünstigten wirtschaftlichen Tätigkeiten sowohl in wirtschaftlicher als auch in finanzieller Hinsicht tatsächlich verantwortlich ist.
30. Die Anwendung des griechischen Gesetzes hatte nach den Informationen, die die Kommission zu diesem erteilt hat, denen im Übrigen die griechische Regierung nicht widersprochen hat, die Wirkung, dass die Bewirtschaftung aller Lufttransporttätigkeiten von Olympic Airways auf eine neue Gesellschaft, die Olympic Airlines, übertragen wurde. Dieser Vorgang habe die „schuldenfreie“ Übertragung aller damit zusammenhängenden Vermögensgegenstände umfasst, ohne dass es nach nationalem Recht möglich gewesen wäre, die Forderungen gegen die ehemalige Olympic Airways von der neuen Gesellschaft zurückzufordern, der ein Teil des Vermögens übertragen worden sei.
31. Wenn die dem Gerichtshof von der Kommission erteilten Informationen zutreffen, könnte die tatsächliche Durchführung der Entscheidung durch die Anwendung des griechischen Gesetzes verhindert werden. Erstens könnten die zur Rückforderung der Beihilfen von Olympic Airways bereits unternommenen Schritte nicht mehr zum angestrebten Ergebnis führen, da diese Gesellschaft über keine zur Rückzahlung der in Frage stehenden Beträge ausreichenden Aktiva mehr verfügen würde. Zweitens wäre der Zweck der Entscheidung, einen unverfälschten Wettbewerb im Luftfahrtsektor wiederherzustellen, vereitelt, da die durch eine Erstattung entstehenden finanziellen Belastungen keine Rückwirkungen mehr auf die wirtschaftlichen und kommerziellen Vorgänge hätten, die durch die betreffenden Beihilfen widerrechtlich begünstigt worden waren. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Aktiva von Olympic Airways noch für die Rückzahlung der Beihilfen ausreichten, würden alle Wettbewerbsvorteile aus den rechtswidrigen Beihilfen noch bei der neuen Gesellschaft Olympic Airlines vorhanden sein.
32. Hierbei kommt dem Urteil in den Rechtssachen Italien und SIM 2 Multimedia/Kommission besondere Bedeutung zu, worauf die Kommission zu Recht hingewiesen hat. In diesen Rechtssachen ging es um eine Übertragung der Vermögensgegenstände eines Unternehmens in Schwierigkeiten.
33. In den Randnummern 76, 77 und 78 dieses Urteils hat der Gerichtshof ausgeführt, dass „die Anforderungen hinsichtlich der Rückforderung von mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfen es nicht von vornherein ausschließen, dass eine Gesellschaft, die sich in … Schwierigkeiten befindet, Maßnahmen zur Sanierung … treffen kann“. Würde man jedoch einem solchen Unternehmen ohne weiteres erlauben, während des formellen Untersuchungsverfahrens über die das Unternehmen individuell betreffenden Beihilfen eine Tochtergesellschaft zu gründen, auf die es dann seine rentabelsten wirtschaftlichen Tätigkeiten übertragen würde, so wäre letztlich jeder Gesellschaft die Möglichkeit zugestanden, diese Aktiva dem Vermögen der Muttergesellschaft bei der Rückforderung der Beihilfen zu entziehen, was mit der Gefahr verbunden wäre, dass die Rückforderung dieser Beihilfen ganz oder teilweise wirkungslos würde. Damit die Entscheidung nicht wirkungslos bleibt und die Wettbewerbsverzerrung nicht fortdauert, kann die Kommission verlangen, dass die Rückforderung nicht auf das ursprüngliche Unternehmen beschränkt bleibt, sondern auf das Unternehmen erstreckt wird, das die Tätigkeit des ursprünglichen Unternehmens unter Einsatz der übertragenen Produktionsmittel fortsetzt, wenn bestimmte Elemente der Übertragung die Feststellung erlauben, dass die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den beiden Unternehmen bestehen bleiben.
34. In der vorliegenden Rechtssache ist von der Gesellschaft, die die Beihilfen erhalten hat, keine Tochtergesellschaft gegründet worden, sondern die wichtigsten Vermögensgegenstände des ehemaligen Olympic-Unternehmens, bei dem die Schulden im Wesentlichen verbleiben, sind kraft Gesetzes auf eine andere Gesellschaft der Gruppe übertragen worden. Meiner Ansicht nach hat der griechische Staat, der ausschließlicher oder Hauptaktionär der fraglichen Gesellschaften ist, durch die Beteiligung des Gesetzgebers die wirtschaftliche Kontinuität zwischen Olympic Airways und Olympic Airlines unter den genannten Bedingungen sicherstellen wollen. Das läuft auf eine Vereitelung der tatsächlichen Rückzahlung der Beihilfen nach nationalem Recht und damit auf eine Fortsetzung der Wettbewerbsverzerrung hinaus.
35. Daraus folgt, dass die Ergebnisse des griechischen Gesetzes der Entscheidung zuwiderlaufen und somit bewirken, dass die griechische Regierung ihre Verpflichtungen aus der Entscheidung nicht erfüllt. Darüber hinaus muss die griechische Regierung alle von diesem Gesetz ausgehenden Hindernisse für eine Durchführung der Entscheidung, die deren Tragweite gerecht wird, d. h. die die durch die Beihilfen verursachte Wettbewerbsverzerrung aufhebt, beseitigen.
36. Ich füge das letztgenannte Erfordernis hinzu, um hervorzuheben, dass eine Erstattung der Beihilfen, die nicht zu Lasten der tatsächlich begünstigten wirtschaftlichen Tätigkeiten ginge, nicht als ordnungsgemäße Durchführung der Entscheidung angesehen werden könnte. Die Erstattung muss mit anderen Worten die von der Entscheidung gewollten Wirkungen für die Wettbewerbsbedingungen haben.
C – Rückzahlung der Beihilfe von 41 Mio. Euro
37. Nach Artikel 4 der Entscheidung hat die Hellenische Republik der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Bekanntgabe die Maßnahmen mitzuteilen, die ergriffen wurden, um der Entscheidung nachzukommen.
38. Nach Artikel 3 Absatz 2 der Entscheidung hat die Rückforderung der in den Artikeln 1 und 2 der Entscheidung genannten Beihilfen unverzüglich nach den nationalen Verfahren zu erfolgen, sofern diese die sofortige, tatsächliche Vollstreckung der Entscheidung ermöglichen.
39. Was die Wiedereinziehung des in Artikel 1 der Entscheidung genannten Betrages von 41 Mio. Euro angeht, über den keinerlei Ungewissheit bestand, so hat die griechische Regierung der Kommission erst mit Schreiben vom 26. Juni 2003 mitgeteilt, dass sie über eine Wiedereinziehung dieser Beihilfe „vor Ende August 2003“ entscheiden werde. Der Rechtsakt der zuständigen Behörden, mit dem die Schuld von Olympic Airways in Höhe von 41 Mio. Euro zuzüglich Zinsen gegenüber dem griechischen Staat festgestellt wurde, erging schließlich am 25. September 2003. Nach den Angaben der griechischen Regierung stellt dieser Rechtsakt den zur Wiedereinziehung erforderlichen Titel dar.
40. Zur Durchführung des Rechtsakts über die Feststellung der Schuld erging am 1. Oktober 2003 der rechtsverbindliche Bescheid zur Zahlung des Schuldenbetrags. Am 23. Oktober 2003 legte Olympic Airways nach den Bestimmungen des nationalen Rechts Widerspruch gegen diesen Bescheid beim zuständigen Verwaltungsgericht ein und stellte gleichzeitig Antrag auf Aussetzung des Vollzugs dieses Bescheides. Durch Beschluss vom 26. Januar 2004 wurde dem Aussetzungsantrag stattgegeben.
41. In der mündlichen Verhandlung hat die griechische Regierung die Verspätung bei der Wiedereinziehung der 41 Mio. Euro mit den Schwierigkeiten bei der Ermittlung von Art und Umfang der in Artikel 2 der Entscheidung genannten Beihilfen begründet. Sie hat erklärt, vor einer Wiedereinziehung aller Beihilfen habe sie eine Lösung dieser Probleme mit der Kommission erreichen wollen. Sie sei dann nach den Vorschriften des nationalen Verwaltungsrechts über die Einziehung von Geldbeträgen von Privatpersonen vorgegangen.
42. Es ist festzustellen, dass seit der Bekanntgabe der Entscheidung keinerlei Ungewissheit mehr über die Verpflichtungen bestand, die sich aus ihr für die griechischen Behörden ergaben. Außerdem besteht nach dem Wortlaut der Entscheidung ein klarer, eindeutiger Unterschied zwischen der Beihilfe von 41 Mio. Euro und den weiteren fraglichen Beihilfen. Es war somit kein rechtliches oder praktisches Hindernis mehr für eine Wiedereinziehung der 41 Mio. Euro durch die Hellenische Republik innerhalb der in der Entscheidung vorgesehenen Frist gegeben. Folglich hat die griechische Regierung, indem sie die fragliche Beihilfe verspätet eingezogen hat, gegen ihre Verpflichtungen aus der Entscheidung verstoßen.
43. Es hat sich gezeigt, dass hinsichtlich der Wiedereinziehung der 41 Mio. Euro seit dem ersten – verspäteten – Vorgehen der griechischen Regierung kein Fortschritt mehr erzielt worden ist. Ein solcher Stillstand lässt sich nicht mit einer Berufung allein auf das nationale Recht rechtfertigen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes muss die Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe zwar mangels Gemeinschaftsvorschriften über das Verfahren zur Rückforderung solcher Beihilfen grundsätzlich nach den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften erfolgen, doch waren diese Vorschriften so anzuwenden, dass die nach dem Gemeinschaftsrecht gebotene Rückforderung nicht praktisch unmöglich gemacht wird und dass das Interesse der Gemeinschaft in vollem Umfang berücksichtigt wird.
44. Das Interesse der Gemeinschaft, das an einer ordnungsgemäßen Durchführung der Entscheidungen über die Rückzahlung rechtswidrig gewährter Beihilfen besteht, besteht jedoch auch daran, dass diese Entscheidungen zügig durchgeführt werden. Wie ich bereits bei früherer Gelegenheit festgestellt habe , ist nämlich der Zeitpunkt, zu dem die Wiederherstellung der verfälschten Wettbewerbsbedingungen stattfindet, bestimmt nicht ohne wirtschaftliche Bedeutung. Die Unternehmen, die in den Genuss unrechtmäßig gewährter staatlicher Beihilfen gekommen sind, können bisweilen die Wettbewerbsbedingungen derart verfälschen, dass die Wettbewerbslage dauerhaft beeinträchtigt wird. Deshalb dient die Verpflichtung, die für die Rückforderung der als rechtswidrig erklärten Beihilfen gesetzten Fristen einzuhalten, auch dem nach Artikel 87 EG geschützten Interesse daran, eine Verfälschung des Wettbewerbs in der Gemeinschaft zu verhindern. Daraus leite ich ab, dass die hohen Anforderungen, die der Gerichtshof an die Rechtfertigung einer fehlenden oder nicht ordnungsgemäßen Erfüllung der Rückforderungsverpflichtung stellt, auch für die nicht fristgemäße Erfüllung dieser Verpflichtung gelten. Auch hierfür gilt als Maßstab die „völlige Unmöglichkeit“.
45. Insoweit geht aus keiner Stelle der Akten hervor, dass die griechische Regierung die Entscheidung – vor oder nach Ablauf der Frist – ordnungsgemäß durchgeführt hätte. Wie sich aus meiner Beurteilung der Auswirkungen des griechischen Gesetzes ergibt, hat sie mit diesem Gesetz vielmehr die ordnungsgemäße Durchführung der Entscheidung nach nationalem Recht zumindest erschwert, wenn nicht sogar ganz unmöglich gemacht. Daher hat die griechische Regierung auch gegen ihre Verpflichtung verstoßen, die bereits verspätet begonnene Durchführung der Entscheidung mit der gehörigen Sorgfalt fortzusetzen.
D – Rückzahlung der in Artikel 2 der Entscheidung genannten Beihilfen
46. Den in Artikel 2 der Entscheidung aufgeführten Beihilfen ist gemeinsam, dass sie verschiedene finanzielle Leistungen betreffen, die von Olympic Airways aufgrund Gesetzes oder Vertrages zu erbringen waren, deren Nichtzahlung oder bei denen die Verschiebung der Zahlungsfristen jedoch vom griechischen Staat toleriert wurde.
47. Die Beträge, um die es sich bei den verschiedenen Arten von Beiträgen, Gebühren, vertraglichen Verpflichtungen und Abgaben handelt, sind in den Begründungserwägungen 205 bis 209 der Entscheidung beschrieben worden.
48. Die Entscheidung hat zwischen der Kommission und der griechischen Regierung zu Kontroversen hinsichtlich der Qualifikation dieser Maßnahmen als Beihilfen, der Bestimmung ihrer Höhe und der Modalitäten ihrer Wiedereinziehung geführt, die im vorliegenden Verfahren fortgesetzt worden sind.
49. Streitig sind insbesondere folgende Punkte:
- erstens: Qualifikation des Umstands, dass die Nichtbegleichung der einzelnen Verbindlichkeiten angeblich zu einem Dauerzustand wurde, als staatliche Beihilfe;
- zweitens: Feststellung der Höhe der Beträge in den einzelnen Fällen;
- drittens: Vereinbarungen, die hinsichtlich der Wiedereinziehung dieser Beträge getroffen worden sind.
50. Nach Ansicht der griechischen Regierung entsprechen die in Artikel 2 der Entscheidung aufgeführten Beihilfen nicht exakt den in dieser genannten Beträgen, sondern dem „Vorteil“, der aus der kontinuierlichen Tolerierung der Nichtzahlung dieser Schulden gezogen worden sei. Abzustellen sei insoweit aber auf den unterschiedlichen Grad der Toleranz, den die griechische Regierung gegenüber der Hartnäckigkeit bei der Nichtzahlung gezeigt habe, und dem Toleranzgrad eines privaten Investors.
51. Ich verweise zunächst auf meine Ausführungen, nach denen es in einem Verfahren, das die Nichtdurchführung eines Gemeinschaftsrechtsakts zum Gegenstand hat, unzulässig ist, die Rechtmäßigkeit dieses Rechtsakts ganz oder teilweise in Frage zu stellen. Wenn sich die griechische Regierung hätte dagegen wenden wollen, dass der Umstand, dass die Nichtbegleichung der einzelnen Verbindlichkeiten angeblich zu einem Dauerzustand wurde, als staatliche Beihilfe gewertet worden sei, hätte sie eine Nichtigkeitsklage erheben müssen.
52. Vorsorglich weise ich darauf hin, dass der Begriff der Beihilfe weiter ist als derjenige der Subvention, da er nicht nur positive Leistungen wie Subventionen selbst, sondern auch Maßnahmen umfasst, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat und die somit zwar keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen.
53. Solche Beihilfen sind vortrefflich geeignet, das freie Spiel des Wettbewerbs zu verfälschen, da sie die Betriebskosten eines Unternehmens zu Lasten derjenigen Unternehmen, die ihren steuerlichen und vertraglichen Verpflichtungen regelmäßig nachkommen, erheblich vermindern.
54. Sich daraus ergebende Wettbewerbsverzerrungen können nur dadurch umgangen werden, dass rückständige Schulden rechtzeitig und vollständig einschließlich Zinsen und Sanktionsbeträgen beglichen werden. Allein die Gewährung großzügiger Zahlungserleichterungen zugunsten eines Schuldners könnte diesem, besonders wenn er sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet, beträchtliche Vorteile verschaffen, da er hierdurch entgegen gängiger Handelspraxis seinen finanziellen Verpflichtungen regelmäßig entgehen könnte.
55. Meines Erachtens ist schließlich auch das Argument unhaltbar, dass ein privater Gläubiger genauso gehandelt hätte wie die griechischen Finanzbehörden und Flughäfen. Im Gegenteil hätte ein privater Gläubiger, wenn die akute Gefahr einer Insolvenz des Schuldners bestünde, danach getrachtet, so schnell wie möglich die Zahlung der geschuldeten Beträge mit allen rechtlichen Mitteln zu erlangen.
56. Hinsichtlich der Bestimmung der von Olympic Airways zurückzuzahlenden Beihilfe macht die griechische Regierung geltend, die in Artikel 2 der Entscheidung genannten Beträge seien in den Begründungserwägungen 205 bis 209 der Entscheidung nur ungefähr bestimmt worden. Die Klage sei daher, soweit sie die Höhe der in diesem Artikel genannten Beträge betreffe, wegen deren Ungenauigkeit abzuweisen.
57. Hier stellt sich die Frage, ob die Entscheidungen der Kommission, die die Rückforderung rechtswidrig gewährter Beihilfen zum Gegenstand haben, die Höhe der zurückzuzahlenden Beträge stets genau angeben müssen.
58. Hierzu ist festzustellen, dass weder nach der Rechtsprechung noch nach irgendeiner Bestimmung des Gemeinschaftsrechts von der Kommission verlangt wird, den Betrag der zurückzuzahlenden Beihilfe genau zu ermitteln, wenn sie die Rückzahlung einer für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärten Beihilfe anordnet. Die Kommission kann sich im Allgemeinen auf die Feststellung beschränken, dass der Empfänger der betreffenden Beihilfe zu deren Rückzahlung verpflichtet sei, und es den nationalen Behörden überlassen, die genaue Höhe der zurückzuzahlenden Beihilfe zu errechnen. Diese Aufgabe fügt sich in den weiter gehenden Rahmen der loyalen Zusammenarbeit ein, zu der Kommission und Mitgliedstaaten einander gegenüber bei der Durchführung von Artikel 88 EG verpflichtet sind.
59. In der vorliegenden Rechtssache lassen sich die zurückzuzahlenden Beträge leicht aus Artikel 2 in Verbindung mit den Begründungserwägungen 205 bis 209 der Entscheidung entnehmen. Soweit danach noch Unklarheiten bestehen blieben, wären diese im Rahmen der Zusammenarbeit zu beseitigen.
60. Aus den zwischen Februar und September 2003 zwischen der Kommission und der griechischen Regierung gewechselten Schreiben geht hervor, dass Letztere den in Artikel 2 der Entscheidung gebrauchten Beihilfebegriff sowie die Höhe der zurückzuzahlenden Beträge beanstandet. Die griechische Regierung beruft sich weiter auf eine Reihe rechtlicher Schwierigkeiten, die die Durchführung dieses Artikels 2 in der nationalen Rechtsordnung unmöglich machten, sowie darauf, dass ihr die Befugnis fehle, dem Flughafen Spata gegenüber anzuordnen, die rückständigen Flughafengebühren von Olympic Airways zurückzufordern.
61. Offenbar hat die griechische Regierung jedoch, wenn auch schleppend und zaghaft, mit der Durchführung einiger Teile des Artikels 2 begonnen:
- a) Die den Flughäfen geschuldeten Mieten in Höhe von 2,46 Mio. Euro seien Gegenstand eines Feststellungsverfahrens, damit mit der Wiedereinziehung begonnen werden könne.
- b) Die beim Verkauf von Ersatzteilen und Treibstoffen an Olympic Aviation anfallende Mehrwertsteuer solle im Rahmen der Mehrwertsteuererklärung für 2003 gezahlt und den gesetzlichen Aufschlägen und Geldbußen unterworfen werden.
- c) Wegen der dem Flughafen Spata geschuldeten Flughafengebühren in Höhe von 33,9 Mio. Euro sei am 2. April 2002 mit Olympic Airways eine Schuldenregulierungsvereinbarung geschlossen worden, wonach Olympic Airways Einnahmen im Rahmen von im allgemeinen Interesse liegenden Dienstleistungen abtrete.
- d) Hinsichtlich der so genannten Spatosimo-Steuer in Höhe von 61 Mio. Euro führt die griechische Regierung eine Reihe von Zahlungen an, die in Höhe von etwa 22,8 Mio. Euro belegt sind. Sie habe schließlich der Kommission eine Abschrift der genannten Schuldenregulierungsvereinbarung überreicht, wonach Olympic Airways einen Betrag von 58,3 Mio. Euro an Spatosimo-Steuern in 48 Monatsraten zurückzuzahlen habe. Diese Vereinbarung sei am 31. März 2004 durch eine zweite Vereinbarung ersetzt worden, die ebenfalls eine Laufzeit von vier Jahren habe. Nach dem Vortrag der Kommission wird diese Vereinbarung nicht eingehalten.
- e) Nach Angaben der griechischen Regierung werden die gegenüber Ministerien und öffentlichen Stellen bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 28,9 Mio. Euro mit Forderungen von Olympic Airways aufgerechnet, so dass eine Zahlung zu ihrer Begleichung nicht erforderlich sei. Mangels Buchungsbelegen hat die Kommission jedoch noch nicht feststellen können, dass diese Forderungen tatsächlich bestehen.
62. Aufgrund dessen stelle ich fest, dass die griechische Regierung gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 2 der Entscheidung verstoßen hat. Soweit diese Verpflichtungen einer Erfüllung zugeführt worden sind, hat die griechische Regierung verspätet und sehr lückenhaft gehandelt, ohne dass sie ihr Verhalten mit dem Vorliegen völliger Unmöglichkeit rechtfertigen könnte.
63. Diese Feststellungen hätten genügen können, wäre nicht inzwischen das griechische Gesetz ergangen. Die von mir in den Nummern 19 bis 22 dieser Schlussanträge umschriebenen Folgen der Anwendung dieses Gesetzes können bewirken, dass die Durchführung der von Olympic Airways geschlossenen Schuldenregulierungsvereinbarungen mangels ausreichender Aktiva völlig oder teilweise unmöglich gemacht wird. Außerdem wird dadurch, dass die meisten Vermögensgegenstände dieses Unternehmens auf Olympic Airlines übertragen wurden, die nach nationalem Recht vorzunehmende Rückforderung der Beihilfen von der Gesellschaft verhindert, die die wirtschaftlichen Tätigkeiten übernommen hat, denen diese Beihilfen zugute gekommen sind. Diese Behinderung der Durchführung der Entscheidung allein lässt schon den Schluss zu, dass die griechische Regierung gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 2 und 3 der Entscheidung offensichtlich verstoßen hat.
III – Ergebnis
64. Nach alledem schlage ich vor, der Klage der Kommission stattzugeben und festzustellen,
1. dass die Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Entscheidung 2003/372/EG der Kommission vom 11. Dezember 2002 über Beihilfen Griechenlands zugunsten von Olympic Airways und dem EG-Vertrag verstoßen hat, dass sie nicht gemäß Artikel 3 dieser Entscheidung fristgemäß alle Maßnahmen ergriffen hat, die zur Rückzahlung der als rechtswidrig und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar angesehenen Beihilfen (mit Ausnahme derjenigen, die Beiträge an die IKA betreffen) erforderlich sind;
2. dass die Hellenische Republik die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.