Betreuungsleistungen
Bei Verspätungen oder Annullierungen ist die zuständige Fluggesellschaft dazu verpflichtet, den Passagieren Betreuungsleistungen anzubieten. Die Betreuungspflicht der Fluggesellschaft gilt unabhängig davon, wer für die Verspätung oder Annullierung verantwortlich ist oder sie verschuldet hat.
Grundsätzlich stehen Passagieren bei Wartezeiten von mehreren Stunden am Flughafen Verpflegung und Unterkunft sowie zwei kostenlose Telefonate zu. Die Fluggesellschaften sind dazu verpflichtet, mit den Betreuungsleistungen auf die Passagiere zuzugehen und nicht erst auf Begehren der Fluggäste tätig zu werden. Kommt es zu sehr langen Wartezeiten, z.B. über Nacht, kann ein Anspruch auf die Übernahme der Übernachtungskosten in einem Hotel gegen die Fluggesellschaft bestehen.
Leistungen
Gemäß Art. 9 der FluggastrechteVO (EG) 261/2004 sind folgende Leistungen den Fluggästen unentgeltlich anzubieten:
- Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit, wobei eine Mahlzeit eine warme oder kalte Speise darstellt, die reichhaltig sein muss
- zwei Telefonanrufe (oder E-Mails, Telefaxe oder Telexe)
und, falls ein Aufenthalt von einer oder mehreren Nächten notwendig ist:
- Hotelunterbringung
- Beförderung zwischen Flughafen und Hotel.
Wann habe ich Anspruch auf die Leistungen?
Die Betreuungsleistungen beziehen sich auf das Vorliegen einer Nichtbeförderung (Art. 4), Annullierung (Art. 5) oder Verspätung (Art. 6).
Nichtbeförderung
Eine Nichtbeförderung im Sinne des Art. 4 der VO liegt vor, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen:
- dem Fluggast die Beförderung verweigert,
- obwohl sich der Fluggast rechtzeitig am Flugsteig eingefunden hat und
- keine vertretbaren Gründe für die Nichtbeförderung vorliegen.
Fälle der Nichtbeförderung sind insbesondere:
- Überbuchung - wenn die Fluggesellschaft bewusst mehr Tickets verkauft hat als tatsächlich Plätze verfügbar sind
- Umbuchung - wenn der Fluggast auf einen anderen Flug umgebucht wird
- Vorliegen vertretbarer Gründe für die Nichtbeförderung - damit sind vor allem die Sicherheit des Luftverkehrs bzw. der anderen Passagiere gefährdenden Gründe erfasst, wie z.B. Alkoholismus oder Aggressivität.
Die Nichtweiterbeförderung bei verpasstem Anschlussflug zählt nicht als Nichtbeförderung, allerdings kann der Anspruch auf die Betreuungsleistungen durch die lange Wartezeit bis zum nächstmöglichen Flug entstehen.
Annullierung
Der Fluggast hat gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. b der VO Anspruch auf Betreuungsleistungen, wenn der Flug annulliert wurde. Eine Annullierung des Fluges liegt vor, wenn ein geplanter Flug nicht durchgeführt wird, also auch, wenn das Flugzeug nach dem Start zum Abflugflughafen zurückkehren muss.
Falls es zu einer Annullierung kommt, hat der Fluggast Anspruch auf die Betreuungsleistungen. Diese sind jedoch nur zu leisten, wenn der Passagier von der Annullierung erst unmittelbar vor Antritt der Reise informiert werden. Luftfahrtunternehmen können die Betreuungsleistungen anbieten, wenn objektiv Bedarf besteht. Die objektive Betrachtungsweise bezieht auch die absehbare Wartezeit für die Passagiere ein, die für eine etwaige Ersatzbeförderung entsteht.
Verspätung
Eine Verspätung liegt vor, wenn sich der Abflug, abhängig von der Flugdistanz, um zwei, drei oder vier Stunden verzögert. Dabei entsteht der Anspruch auf die Betreuungsleistungen bereits, wenn die Verspätung für die Fluggesellschaft bereits absehbar ist.
Distanz | Verspätung ab |
---|---|
< 1.500 km | 2 Stunden |
1.500 - 3.500 km | 3 Stunden |
> 3.500 km | 4 Stunden |
Auch bei einer Verspätung kann der Fluggast Betreuungsleistungen gemäß Artikel 9 der VO vom Luftfahrtunternehmen fordern. Sollte dieses jedoch die Betreuungsleistungen verweigern, so kann der Fluggast selbst Ausgaben diesbezüglich tätigen und den dadurch entstandenen Schaden später vom Luftfahrtunternehmen ersetzt verlangen. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass nur der Schaden ersetzt verlangt werden kann, der in Anbetracht der Umstände als notwendig, angemessen und zumutbar anzusehen ist.
Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass Ansprüche aus Artikel 9 nicht auf eine mögliche Ausgleichszahlung gemäß Artikel 7 angerechnet werden. Artikel 12 kommt hier also nicht um Tragen.
Besondere Bedürfnisse
Die Luftfahrtgesellschaft hat insbesondere auf besondere Bedürfnisse ihrer Fluggäste zu achten. So muss gemäß Art. 9 auf Personen mit eingeschränkter Mobilität und deren Begleitpersonen, sowie auf allein reisende Kinder besonders Acht gegeben werden. Unter Personen mit eingeschränkter Mobilität fallen ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen, aber auch Familien mit Kindern. Sie sind z.B. bei der Vergabe von Hotelzimmern und der Beförderung zwischen Flughafen und Unterkunft bevorzugt zu behandeln.
Ersatz von Kosten
Kommt die Fluggesellschaft der Verpflichtung nicht nach, Betreuungsleistungen zu erbringen, kann der Fluggast alle Kosten ersetzt verlangen, die ihm infolge dieser Pflichtverletzung entstanden sind. Dabei hat der Flugpassagier die Kosten so gering wie möglich zu halten. (AG Simmern, Urteil v. 20.04.2007, 3 C 688/06)
Anspruch auf Ausgleichszahlung
Der Fluggast hat auch dann automatisch einen Anspruch auf eine Ausgleichsleistung gemäß Artikel 7 der Verordnung, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen keine Unterstützungsleistungen bzw. Betreuungsleistungen gemäß den Artikeln 8 und 9 der Verordnung anbietet; LG Korneuburg, Urteil vom 7.9.2017, Az.: 21 R 246/17z.
Siehe auch
Quellen
Hofmann, Henning/Scheu, Rebeca-Sophia Fluggastrechte auf dem Prüfstand, VuR 2015, S. 369 ff.
Hausmann, Ludwig Europäische Fluggastrechte, JWV Verlag, 1. Aufl. 2012
Staudinger, Ansgar/Keiler, Stephan Fluggastrechte-Kommentar, Nomos, 2016