Flugannullierung
Begriff
Der Begriff Annullierung (eines Fluges) wurde im Rahmen der EG-Verordnung 261/2004 vom Gesetzgeber in Art. 2 lit. l) VO als Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war, definiert. Allerdings gibt diese Formulierung mitunter noch reichlich Anlass für Interpretationsspielraum, so dass es Aufgabe der Gerichte, insbesondere des EuGH, war, diesen Begriff noch genauer auszulegen, um Klarheit über dessen Reichweite zu schaffen.
- Siehe auch: Anspruch auf Ersatzflug.
Überblick über den Art. 5 der Fluggastrechteverordnung
In dem Art. 5 der Fluggastrechteverordnung werden alle Pflichten des ausführenden Luftfahrtunternehmens im Falle einer Annullierung geregelt. So werden durch den Art. 5 Abs. 1 der Fluggastrechteverordnung die Rechtsfolgenregelungen der Art. 7-9 der Fluggastrechteverordnung dargelegt. Durch Art. 5 Abs. 1 lit. c, Abs. 2, Abs. 4 der Fluggastrechteverordnung wird die Pflicht des Luftfahrtunternehmens bezüglich der rechtzeitigen Unterrichtung über die Annullierung geregelt. In Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung hingegen finden sich Gründe für das eventuell Entfallen der Pflicht zur Leistung von Ausgleichszahlungen. Um die Luftfahrtunternehmen zu animieren die Fluggäste frühzeitig über ei
Genese und Telos
Der Art. 5 der Fluggastrechteverordnung existiert, da Annullierungen ein Ärgernis und eine große Unannehmlichkeit für den betroffenen Fluggast darstellen. Durch die ehemalige Überbuchungs-VO 295/91/EWG wurde der Tatbestand der Annullierung noch nicht vorgesehen aber nun in die Fluggastrechteverordnung eingeführt. Damit die Unannehmlichkeiten verringert werden können, sind nicht nur die in Art. 7-9 der Fluggastrechteverordnung enthaltenen Pflichten zu erfüllen, sondern auch eine anderweitige Beförderung vorzunehmen und die rechtzeitige in Kenntnissetzung des Fluggastes hat zu erfolgen. Damit soll den betroffenen Fluggästen die Chance eingeräumt werden, ihre Pläne noch ändern zu können. Damit die Luftfahrtunternehmen die Annullierung vorzeitig mitteilen, soll als Anreiz ein möglicher Ausschluss der Ausgleichszahlungen dienen. Weiterhin wird durch den Art. 5 der Fluggastrechteverordnung eine Annullierung aus betriebswirtschaftlichen Gründen für die Luftfahrtunternehmen immer unattraktiver. Im Gegenzug wird durch Art. 5 Abs. 1 lit. c der Fluggastrechteverordnung auf die kurzfristigen Dispositionserfordernisse der Luftfahrtunternehmen vor allem im Ferienflugverkehr Rücksicht genommen.
Inhalt der Norm im Einzelnen
Der wichtigste Bestandteil des Art. 5 der Fluggastrechteverordnung ist die Bekanntmachung der Annullierung gegenüber dem Fluggast. Dem Normtext des Art. 5 der Fluggastrechteverordnung zu Folge hat das ob und wann der Bekanntgabe der Annullierung gegenüber dem Fluggast keine Auswirkung auf die Unterstützungsleistungen nach Art. 8 und 9 der Fluggastrechteverordnung, sondern nur auf die Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Fluggastrechteverordnung. Wird ein Fluggast jedoch rechtzeitig über eine Annullierung in Kenntnis gesetzt und erscheint dennoch zu der planmäßigen Abflugzeit am Flughafen und die Ansprüche auf Verpflegung und Unterbringung geltend macht, dann ist dieses Verhalten als rechtswidrig anzusehen. Anders verhält es sich lediglich, wenn der Fluggast bereits nicht mehr rückgängig zu machenden Vorkehrungen für die Anreise zum Flughafen getroffen hat. Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Art. 5 der Fluggastrechteverordnung ist die Regelung bezüglich der außergewöhnlichen Umstände in Absatz 3. Liegen solche vor und gibt es keine zumutbare Möglichkeit zur Vermeidung der Annullierung, dann kann die Pflicht zur Leistung von Ausgleichszahlungen nach Art. 5 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit Art. 7 der Fluggastrechteverordnung entfallen. Der Entlastungstatbestand des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung findet jedoch keine Anwendung auf die Erstattung und anderweitige Beförderung nach Art. 5 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 8 der Fluggastrechteverordnung oder auf die Betreuungsleistungen nach Art. 5 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 9 der Fluggastrechteverordnung. Dies ist sogar bei „höchst außergewöhnlichen Umständen“ nicht der Fall.
Erstattung und anderweitige Beförderung (Art. 5 Abs. 1 lit. a der Fluggastrechteverordnung)
Kommt es zu einer Annullierung des Fluges, dann hat der betroffene Fluggast nach Art. 5 Abs. 1 lit. a der [Fluggastrechteverordnung]] einen Anspruch auf Unterstützungsleistungen nach Art. 8 der Fluggastrechteverordnung (Flugscheinerstattung, ggf. Mit Rückflug zum Abgangsflughafen oder anderweitige Beförderung nach Wahl des Fluggastes). Damit die Rechte ipso iure entstehen, bedarf es keiner anderen Voraussetzungen. Während der Inkenntnissetzung bezüglich der Annullierung, werde die Fluggäste nach Art. 5 Abs. 2 der Fluggastrechteverordnung über eine mögliche anderweitige Beförderung informiert.
Betreuungsleistungen (Art. 5 Abs. 1 lit. b der Fluggastrechteverordnung)
Bei den Betreuungsleistungen nach Art. 9 der Fluggastrechteverordnung (Mahlzeiten, Hotelunterbringung, Beförderung vom und zum Flughafen und zwei Telefongespräche) bedarf es laut Art. 5 Abs. 1 lit. b der Fluggastrechteverordnung keiner weiteren Anforderungen, die über diejenigen des Art. 9 der Fluggastrechteverordnung hinausgehen. Das eine Hotelunterbringung und eine Beförderung zwischen dem Hotel und Airport (Art. 9 Abs. 1 lit. b,c) nur dann zu leisten ist „wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit des neuen Fluges erst am Tag nach der planmäßigen Abflugzeit des annullierten Fluges liegt“, geht hervor bezüglich des „ob“ des Anspruchs auch im Sinne des Art. 9 Abs. 1 lit. b der Fluggastrechteverordnung im Grunde aus der Natur der Sache. Eine Konkretisierung des „wann“ der Entstehung des Anspruchs erfolgt, jedoch ist dabei die Prognose „nach vernünftigem Ermessen“ auslegungsbedürftig. Laut dem EuGH kommt den Betreuungspflichten der Luftfahrtunternehmen keine zeitliche oder finanzielle Begrenzung zu. Begründet wird dies mit dem Wortlaut des Art. 9 der Fluggastrechteverordnung. Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift geht hervor „dass dem Luftfahrtunternehmen alle Betreuungsleistungen gegenüber den Fluggästen, deren Flug annulliert worden ist, zur Gänze während des gesamten Zeitraums obliegen, in dem die betroffenen Fluggäste auf ihre anderweitige Beförderung warten müssen. Durch die Luftfahrtunternehmen soll das Angebot einer unentgeltlichen Hotelunterbringung erfolgen, wenn dies „notwendig“ sein sollte. Diese Ansicht wird auch durch den Zweck der Verordnung bestätigt. Würde man nämlich zeitliche oder finanzielle Grenzen zu lassen, dann wäre der betroffene Fluggast jenseits dieser Grenzen ganz sich selbst überlassen. Ein hohes Schutzniveau des Reisenden kann jedoch nur dann gewährleistet werden, wenn dem Reisenden gerade bei lange anhaltenden außergewöhnlichen Umständen , welche eine Annullierung zur Folge haben, der „Zugang zu den allernötigsten Erzeugnissen und Dienstleistungen“ geboten wird.
Unterrichtung und Ausgleichszahlung (Art. 5 Abs. 1 lit. c, Abs. 2,4 der Fluggastrechteverordnung
Überblick
Bei einer Annullierung des Fluges kommt es grundsätzlich zu Ausgleichsansprüchen nach Art. 7 der Fluggastrechteverordnung, wenn nicht gerade Art. 5 Abs. 1 lit. c der Fluggastrechteverordnung durch den Halbsatz „es sei denn“ entgegensteht. Die Formulierung, welche die Information enthält, dass dem Fluggast ein solcher Anspruch seitens der Airline eingeräumt wird, ist sprachlich nicht genau formuliert, denn es handelt sich bei dem Anspruch auf Ausgleichszahlungen um einen gesetzlichen Anspruch, welcher ex lege zustande kommt. Im Gegensatz zu lit. a und lit. b erscheint die Formulierung als misslungen, da die Fluggastrechte jeweils „angeboten“ werden müssen. Das könnte den Eindruck erwecken, dass die Ausgleichszahlungen nur auf Verlangen der Fluggäste zu leisten sind, während die Unterstützungs- und Betreuungsleistungen von den Airlines aktiv an die Passagiere herangetragen werden müssen. Betrachtet man den Art. 7 Abs. 1 der Fluggastrechteverordnung jedoch näher, dann wird deutlich, dass die Pflicht zur Leistung von Ausgleichszahlungen nicht auf keinen Fall erst durch die Geltendmachung des Reisenden zustande kommt. Weiterhin wäre unklar, warum es zu einer anderen Bewertung der Annullierung kommen sollte, als bei der Nichtbeförderung (Art. 4 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung). Weiterhin soll den Luftfahrtunternehmen durch eine zeitlich gestaffelte Lösung durch den europäischen Normgeber die Möglichkeit eingeräumt werden, der Ausgleichszahlungspflicht des Art. 7 der Fluggastrechteverordnung zu entziehen. Um sich einer solchen Ausgleichszahlungspflicht entziehen zu können, muss jedoch eine rechtzeitige Informierung des Fluggastes bezüglich des Ausfalls des Fluges erfolgen. Kommt es zu einer kurzfristigen Informierung, dann muss zusätzlich eine andere Beförderungsofferte hinzukommen. Dabei ist es nicht ausschlaggebend, ob die Annullierung selbst kurzfristig erfolgt oder bereits länger feststeht. Die Informierung des Fluggastes erfolgt immer dann rechtzeitig, wenn diese mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit stattfindet (lit. c i). Eine Zahlungspflicht kann nach lit. c ii auch dann entfallen, wenn die Unterrichtung des Fluggastes durch das Luftfahrtunternehmen in weniger als zwei Wochen aber mindestens sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit erfolgt und durch das Luftfahrtunternehmen ein anderes Beförderungsangebot unterbreitet wird, indem ein Abflug nicht mehr als zwei Stunden vor Plan und die Ankunft am Endziel höchstens vier Stunden nach Plan möglich gemacht wird. Kommt es zu einer Unterrichtung des Luftfahrtunternehmens in weniger als sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit, dann kommt es zu einer Reduzierung der Fristen für die anderweitige Beförderung auf nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflug- und höchstens zwei Stunden nach der geplanten Ankunft am Endziel (lit. c iii). Informationen zu einer möglichen anderweitigen Beförderung haben nach Art. 5 Abs. 2 der Fluggastrechteverordnung bereits bei der Unterrichtung über Annullierung zu erfolgen. Werden alle diese soeben genannten Verpflichtungen eingehalten und Voraussetzungen erfüllt, dann ist Art. 7 der Fluggastrechteverordnung nicht komplett anwendbar und es kommt nicht zu einem Widerspruch mit der Regelung des Art. 7 Abs. 2 der Fluggastrechteverordnung. Die Art. 5 Abs. 1 lit. c ii) und iii) sind selbstständig neben Art. 5 Abs. 3 anwendbar.
Einzelheiten zu den Unterrichtungsobliegenheiten
Der Fluggast gilt dann als unterrichtet, wenn ihn die Nachricht erreicht hat. Dazu kann man sich an der Zugangsdefinition einer Willenserklärung im deutschen Recht orientieren und das obwohl keine Willenserklärung vorliegt und eine unionsrechtlich autonome Auslegung denkbar wäre. Demzufolge muss die Nachricht in den Machtbereich des Empfängers gelangen und der Reisende muss die Möglichkeit der Kenntnisnahme haben. Nicht ausschlaggebend ist das Absenden der Informationen durch das Flugunternehmen. Weiterhin hat die Benachrichtigung der Annullierung nicht an den Reiseveranstalter oder Reisevermittler zu erfolgen. Kommt es also zu einem Fehler bei der Weiterleitung der Nachricht durch den genannten beteiligten oder sogar zu dem Unterlassen der Weitergabe, dann darf dies nicht zu Lasten des Fluggastes gehen. Sollte es dennoch zu einer solchen Situation kommen, dann besteht für das ausführende Luftfahrtunternehmen dennoch das Recht bei seinen Vertragspartnern Regress zu nehmen. Es existieren keine Formvorgaben bezüglich der Unterrichtung. Aus diesem Grund kann die Unterrichtung mündlich (telefonisch, elektronisch oder schriftlich (z.B. postalisch) erfolgen. Das Luftfahrtunternehmen kann sich dabei den Kommunikationskanälen bedienen, die der Fluggast bei der Buchung mitgeteilt hat (Adresse, Mail, Telefonnummer). Damit kann gewährleistet werden, dass der Reisende auch tatsächlich Kenntnis von der Annullierung erlangt. Gibt der Reisende an die Nachricht nicht erhalten zu haben, dann obliegt die Beweislast „ob und wann der Fluggast über die Annullierung“ informiert wurde dem ausführenden Luftfahrtunternehmen.
Flugumbuchung nach Flugausfall
Flugausfall und Entschädigung
Anschlussflug verpasst Entschädigung nach Umbuchung
Weiterflug verpasst Entschädigung für Flugumbuchung
Auslegung
Mit einer verbraucherfreundlichen Auslegung bestätigte der EuGH die Auffassung, dass der Begriff Annullierung nicht ausschließlich auf nicht gestartete Flüge anzuwenden ist, sondern auch all jene Fälle umfassen würde, in denen das Flugzeug zunächst gestartet war, in der Folge aber aus diversen Gründen zum Ausgangsflughafen zurückkehren muss, so dass die Fluggäste umgebucht werden müssen oder gar nicht mehr befördert werden können. Damit wird z.B. auch der Fall umfasst, dass ein Flugzeug zunächst startet, dann aber auf Grund eines nicht vorhersehbaren technischen Defekts zum Flughafen zurückfliegen muss und der Fluggast auf einen Flug am nächsten Tag umgebucht wird. Das ist deswegen von großer Bedeutung, da dem Fluggast in einem solchen Fall dieselben Rechte zustehen, die ihm zustehen würden, wenn der Flug von Anfang an ohne rechtzeitige Mitteilung annulliert worden wäre. So steht einem Fluggast z.B. auch ein pauschaler Ausgleichsanspruch nach Art. 7 VO zu, zumindest sofern sich das Luftfahrtunternehmen nicht auf höhere Gewalt berufen kann.
Des Weiteren wurde ebenso vom EuGH entschieden, dass es für das Vorliegen einer Annullierung nicht darauf ankommt, ob die Fluggesellschaft den Flug ausdrücklich annulliert, sondern es immer in Bezug auf den betreffenden Fluggast darauf ankommt, ob die ursprüngliche Planung des Fluges aufgegeben wurde. Dies ist etwa dann automatisch der Fall, wenn der ursprünglich geplante und verspätete Flug auf einen anderen Flug verlegt wird. Es ist nämlich nicht erforderlich, dass der ursprünglich geplante Flug gar nicht mehr stattfindet, allein das Aufgeben der ursprünglichen Planung im Einzelfall wird vom Gericht als hinreichendes Kriterium anerkannt.
Ein Beispiel: Die Fluggäste A, B und C wollen alle am Tag XY um 15 Uhr von Frankfurt nach New York fliegen. Allerdings hat der entsprechende Flug eine Abflugsverspätung von über einer Stunde und ist zudem überbucht, so dass Fluggast C erst 10 Stunden befördert werden kann und Fluggast A auf einen anderen Flug umgebucht wird, der um 17 Uhr am selben Tag startet und New York problemlos erreicht. Fluggast B dahingegen startet nach 68 minütiger Verspätung mit dem geplanten Flug, jedoch muss das Flugzeug auf Grund eines Triebwerksschaden bereits nach kurzer Strecke zum Frankfurter Flughafen zurückkehren und kann nicht wieder in die Lüfte steigen. Erst fünf Stunden später wird ihm ein weiterer Flug nach New York angeboten.
Obwohl alle drei Fluggäste in diesem Beispiel jeweils ein anderes Schicksal erlitten, liegt in allen drei Fällen eine Annullierung vor, da die ursprüngliche Planung des Fluges jeweils aufgegeben wurde. Somit stehen auch jedem der drei Fluggäste dieselben Rechte zu, die er wegen Annullierung des Fluges geltend machen kann.
Rechte bei Annullierung des Fluges
Rechte bei Annullierung
Die Rechte, die dem Fluggast bei Annullierung eines Fluges zustehen, ergeben sich vor allem aus der EG-Verordnung 261/2004. Allerdings kann das Luftfahrtunternehmen bei frühzeitiger Mitteilung an den Fluggast und der Möglichkeit anderweitiger Beförderung zumindest einem Ausgleichsanspruch entgehen. Somit ergeben sich folgende Ansprüche:
Art. 7 der Verordnung
- Ausgleichszahlung in Höhe von 250 Euro bei einer Flugstrecke von weniger als 1.500 Kilometern
- Ausgleichszahlung in Höhe von 400 Euro bei einer Flugstrecke zwischen 1.500 und 3.500 Kilometern
- Ausgleichszahlung in Höhe von 600 Euro bei einer Flugstrecke von mehr als 3.500 Kilometern
Diese Ausgleichszahlungen müssen gewährt werden außer der Fluggast wird über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet oder wird über die Annullierung 7 bis 14 Tage vorher unterrichtet und bekommt einen Alternativflug angeboten, der nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugszeit beginnt und nicht mehr als vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit endet, oder wird weniger als sieben Tage vor Flugantritt von der Annullierung informiert und bekommt einen Alternativflug angeboten, der weniger als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugszeit beginnt und weniger als zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit endet, oder die Annullierung geht nachweislich auf außergewöhnliche Umstände zurück, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn die Fluggesellschaft alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hätte, um den Flug dennoch stattfinden zu lassen.
Für Annullierungen und Verspätungen stehen dem Reisenden keine Ausgleichszahlungen zu, wenn die Luftfahrtgesellschaft außergewöhnliche und unvermeidbare Umstände nachweisen kann (Wetter, Sicherheit, Streik), Art. 5 Abs. 3 VO-EG Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung). Dies bedeutet, dass bestimmte Umstände, die nicht in den Verantwortungsbereich der Fluggesellschaft fallen, für Verspätung oder Annullierung verantwortlich waren. Grundsätzlich ist unter einem außergewöhnlichen Umstand ein Vorkommnis zu verstehen, welches sich auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Die Ausgleichszahlungen gelten nach deutschem Recht nicht als Schadensersatzleistungen. Außergewöhnliche Umstände müssen von der Fluggesellschaft vorgebracht und nachgewiesen werden.
Bietet die Fluggesellschaft eine anderweitige Beförderung gemäß Artikel 5 Abs. 2 und Artikel 8 an und kommt der Fluggast mit einer Verspätung am Ziel an, so muss diese mindestens drei Stunden betragen. Andernfalls besteht kein Anspruch auf Ausgleichszahlungen (LG Hannover, Urt. v. 09.02.2015, Az: 14 S 53/14; siehe ferner Anspruch auf Ausgleichsleistungen bei Annullierung).
Das Luftfahrtunternehmen trägt im Fall einer Annullierung die Beweislast bezüglich der rechtzeitigen Unterrichtung der Fluggäste über die Annullierung. Kann das ausführende Luftfahrtunternehmen diesen Nachweis nicht erbringen, muss die Airline eine Ausgleichsleistung zahlen; vgl. EuGH, Urteil vom 11.5.2017,Az.: C-302/16. Dies gilt nicht nur bei einem unmittelbar zwischen dem Fluggast und dem Luftfahrtunternehmen geschlossenen Beförderungsvertrag, sondern auch bei einem über einen Online-Reisevermittler geschlossenen Beförderungsvertrag; siehe Urteil des EuGH vom 11.5.2017.
Allerdings wird für das Entstehen eines Anspruchs auf Ausgleichszahlung ebenfalls vorausgesetzt, dass der Fluggast tatsächlich am Flughafen warten musste. Der Fluggast verliert bei einer Verspätung seiner Maschine in dem Moment seinen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung, in dem er seine Buchung für den sich verspätenden Flug storniert und einen Ersatzflug bei einer anderen Airline bucht, da er so nicht am Flughafen warten muss. So hat es das Amtsgericht Rüsselsheim in seinem Urteil vom 13.6.2013 entschieden (Az.: 3 C 574/13 (34).
Reist der Fluggast kostenlos oder zu einem nicht-öffentlichen Vergünstigungstarif, so hat er im Fall einer Verspätung, Annullierung oder Nichtbeförderung keinen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung ; vgl. LG Darmstadt, Urteil vom 18.12.2013, Az.: 7 S 90/13. Auch keinen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung haben Flugreisende die im Rahmen einer Pauschalreise über einen Drittanbieter zu einem nicht-öffentlichen Ermäßigungstarif gebucht haben.
Die Entfernung wird sowohl bei Direktflügen als auch bei mehreren Teilflügen i.S.v. Anschlussflügen („von A nach B über C“) gemäß Art. 7 Abs. 1 VO-EG Nr. 261/2004 nach der Großkreismethode berechnet (EuGH, Urt. v. 07.09.2017, Rs. C-559/16). Dies hängt damit zusammen, dass sich die in der Verordnung festgelegten Ausgleichsleistungen ihrer Art und Höhe nach an der Schwere der Beeinträchtigung für die Fluggäste orientieren sollen (EuGH, Urt. v. 10.01.2006, Rs. C-344/04). Der Grad der Unannehmlichkeit einer Ankunftsverspätung bei einem verspäteten Direktflug oder einem Flug mit Anschlussflug unterscheidet sich nicht, da die Unannehmlichkeiten in einem solchen Fall in dem erlittenen Zeitverlust gegenüber der ursprünglichen Reiseplanung bestehen, der immer bei Ankunft am Endziel festgestellt wird. Es ist also unerheblich, ob der Passagier mit einem Direktflug verspätet seinen Zielflughafen erreicht oder ob er zwischendurch umgestiegen ist und dabei eine größere Flugstrecke zurückgelegt hat. Es kommt nur auf die Distanz zwischen dem Flughafen, an dem der Passagier seine Flugreise angetreten hat und dem Endziel an.
Art. 8 der Verordnung
- vollständige Erstattung des Flugpreises binnen 7 Tagen sowohl für noch anzutrende als auch für schon zurückgelegte Flüge, wenn diese aufgrund des Reiseplans des Fluggastes zwecklos geworden sind, sowie gegebenenfalls einen Rückflug zum Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt
- ODER eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt
- ODER vorbehaltlich verfügbarer Plätze eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes.
Art. 9 der Verordnung
- Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit,
- Hotelunterbringung und Transport zwischen Flughafen und Unterbringung, wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit des neuen Fluges erst am Tag nach der planmäßigen Abflugzeit des annullierten Fluges liegt,
- zwei unentgeltliche Telefonate, Faxe oder E-Mails.
Sonderfälle
Buchung über Reisevermittler
Sofern ein Flug über einen Reisevermittler, also z.B. über eine Flugsuchmaschine im Internet oder einen sonstigen Dritten, gebucht wurde, ist trotzdem das ausführende Luftfahrtunternehmen im Falle einer Annullierung richtiger Anspruchsgegner des Passagiers für Ausgleichszahlungen (EuGH, Urt. v. 11.05.2017, Rs. C-302/16). Denn allein die Fluggesellschaft muss sicherstellen, dass der Passagier über die Annullierung tatsächlich fristgerecht informiert wird.
- Siehe auch: Flugbuchung über Reisevermittler.
Mitteilung der Änderung der Flugverbindung sieben Tage vor Abflug
Der Kläger hatte bei der Beklagten einen Flug gebucht. Die Beklagte hat den Flug kurzfristig annulliert und dem Kläger einen Ersatzflug angeboten. Dies nahm der Kläger an und landete dann mit dem Ersatzflug später als ursprünglich geplant am Zielort. Diese Verzögerung ergab sich aus einer späteren geplanten Ankunftszeit aber auch aus einer Verspätung des Ersatzfluges. Deswegen forderte der Kläger von der Beklagten Entschädigung. Vor dem Amtsgericht beantragte die Beklagte die Abweisung mit der Begründung, dass die Fluggastrechteverordnung so auszulegen sei, dass für eine Entschädigung ein Zeitverlust von insgesamt 3 Stunden erforderlich sei. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass ein Anspruch nach Art. 5 Abs. 1 lit. c) sublit. iii) VO (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung) ausgeschlossen sei. Die Vorschrift sei einschränkend dahingehend auszulegen, dass ein Gesamtzeitverlust von 3 Stunden zu verlangen sei. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Eine einschränkende Auslegung des Art. 5 Abs. 1 lit. c) sublit. iii) Fluggastrechteverordnung sei wegen des eindeutigen Wortlauts nicht möglich. Auch sei eine Vergleichbarkeit zu der Rechtsprechung zur sog. großen Verspätung zu Fällen der Annullierung nicht gegeben. Das Amtsgericht hat die Berufung zugelassen. Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) Fluggastrechteverordnung ist nicht dahingehend auszulegen, dass ein Anspruch auf Leistung einer Ausgleichszahlung auch dann entfällt, wenn der Fluggast bis zur Ankunft einen Gesamtzeitverlust von weniger als drei Stunden erleidet. Einer solchen Auslegung steht der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegen, der zwischen einer Zeitverschiebung vor der planmäßigen Abflugzeit (eine Stunde) und nach der planmäßigen Ankunftszeit (zwei Stunden) unterscheidet. Auch der EuGH berücksichtigt diese Differenzierung (vgl. EuGH, Urt. v. 23.10.2012 – C-581/10 und C 629/10, Rn. 31, zitiert nach juris) und stellt demnach nicht auf einen Gesamtzeitverlust ab. In Anbetracht dessen ist es verfehlt, unter Rekurs auf die zur großen Verspätung ergangene Rechtsprechung des EuGH die differenzierende Regelung des Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) Fluggastrechteverordnung zu übergehen. Eine extensive Auslegung des Ausnahmetatbestandes des Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii Fluggastrechteverordnung lässt sich auch nicht mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz begründen. Entgegen der Ansicht der Berufung ist auch ein Fluggast, dessen Flug annulliert wird, nicht besser gestellt als ein Fluggast, dessen Flug verspätet abfliegt. Im Ergebnis sprechen Sinn und Zweck der Regelung und der Fluggastrechteverordnung maßgeblich dafür, dass es für die Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) Fluggastrechteverordnung auf den tatsächlichen Ankunftszeitpunkt ankommt. Für eine Privilegierung des Luftverkehrsunternehmens durch die Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) Fluggastrechteverordnung in Fällen, in denen lediglich die theoretische Möglichkeit bestanden hätte, nicht mehr als zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit am Endziel anzukommen, besteht nach dem Verordnungszweck kein Grund. Dies berücksichtigt die Fluggastrechteverordnung, indem u.a. der Schaden ausgeglichen werden soll, der in einem Zeitverlust der betroffenen Fluggäste besteht und der angesichts seines irreversiblen Charakters nur mit einer Ausgleichszahlung ersetzt werden kann. Dieser Schaden entsteht auch den Fluggästen annullierter Flüge, wenn diese bei der in Anspruch genommenen Ersatzbeförderung vor dem Erreichen ihres Zielorts eine längere Beförderungszeit als die ursprünglich von dem Luftfahrtunternehmen angesetzte hinnehmen müssen.
Ausgleichszahlung bei Flugumbuchung durch den Reiseveranstalter
Fluggäste klagten gegen eine Luftfahrtgesellschaft wegen der Umbuchung ihres Fluges ohne ihr Einverständnis. Das Berufungsgericht wies die Klage ab, weil die nicht einvernehmliche Umbuchung vom Reiseveranstalter und nicht von der Luftfahrtgesellschaft vorgenommen worden war. Die Änderungen der Luftbeförderung durch den Reiseveranstalter unterliege in gleicher Weise wie die Verlegung des Fluges durch das Luftfahrtunternehmen dem Anwendungsbereich der Verordnung. Dies ergebe sich aus Art. 3 Abs. 2 b der Verordnung. Die Gründe für die Verlegung seien unmaßgeblich.Die Verlegung auf einen anderen Flug entbinde analog der Bestimmung in Art. 3 Abs. 2 a der Verordnung von der Verpflichtung, sich zur ursprünglich angegebenen Zeit zur Abfertigung einzufinden. Der Pauschalreiseveranstalter habe sich sowohl in seinen Reise- und Zahlungsbedingungen als auch mit Übersendung der Reiseunterlagen wirksam die Änderung der Beförderungsleistungen vorbehalten. Es sei nicht Wille des Verordnungsgebers gewesen, dass es Reiseveranstaltern in der EU nicht mehr erlaubt sein dürfe, im Rahmen der Bedarfsluftfahrt Flugzeitänderungen und Änderungen der Beförderungsleistungen vorzunehmen. Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 bestimmt, dass ein ausführendes Luftfahrtunternehmen es zunächst zu versuchen hat, Fluggäste gegen eine entsprechende Gegenleistung unter Bedingungen, die zwischen dem betreffenden Fluggast und dem ausführenden Luftfahrtunternehmen zu vereinbaren sind, zu einem freiwilligen Verzicht auf ihre Buchung zu bewegen, wenn für dieses absehbar ist, dass Fluggästen die Beförderung zu verweigern ist. Falls sich nicht genügend Freiwillige finden, kann es nach Abs. 2 Fluggästen gegen ihren Willen die Beförderung verweigern. Dann muss es aber nach Abs. 3 unverzüglich diesen Fluggästen eine Ausgleichsleistung nach Art. 7 und die Unterstützungsleistungen nach Art. 8 und 9 erbringen. Diese dem Luftfahrtunternehmen auferlegte Vorgehensweise ergibt keinen Sinn, wenn das Luftfahrtunternehmen gar keinen Einfluss darauf hat, dass und welchen Fluggast es befördert oder nicht, sondern dies von dritter Seite, z. B. dem Reiseveranstalter, bestimmt wird. Aus dem Wortlaut der Bestimmung lässt sich nicht entnehmen, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen sich Entscheidungen des Reiseverantstalter|Reiseveranstalters zurechnen lassen und hierfür einstehen müsste.Dies ergibt sich weiterhin nicht aus Art. 3 der Verordnung. Die Bestimmung regelt den Anwendungsbereich der Verordnung. Nach Art. 3 Abs. 2 gilt sie unter der Bedingung, dass die Fluggäste über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügen (Ziffer a) oder von einem Luftfahrtunternehmen oder Reiseunternehmen von einem Flug, für den sie eine Buchungen besaßen, auf einen anderen Flug verlegt wurden. Ungeachtet des Grundes hierfür:
- gilt nach Abs. 5 diese Verordnung für alle ausführenden Luftfahrtunternehmen, die Beförderungen für Fluggäste im Sinne der Abs. 1 und 2 erbringen.
- Art. 4 bis 6 der Verordnung regeln sodann verschiedene Leistungsstörungen, bei deren Vorliegen dem Fluggast die in Art. 7 – 9 aufgeführten Ansprüche zustehen.
Reaktivierung des Fluges
Auch im Falle einer Reaktivierung des Fluges stehen dem Fluggast die o.g. Rechte grundsätzlich uneingeschränkt zu (Vgl. AG Königs-Wusterhausen, Urt. v. 18.12.2017, Az.: 4 C 1217/17). Die Fluggesellschaft kann sich dabei nicht auf das die ursprüngliche Annullierung rechtfertigende Ereignis für einen Haftungsausschluss gemäß Art. 5 Abs. 3 VO-EG 261/2004 berufen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Reaktivierung lange im Voraus oder kurzfristig erfolgt (siehe auch: Reaktivierung nach Streikabsage).
Fristen
Eine Fluggesellschaft muss dem Passagier keine Entschädigung zahlen, wenn sie die in der Verordnung genannte Frist einhält: So können Fluggäste gemäß Art. 5 der Verordnung einen Anspruch wegen einer Annullierung haben, es sei denn,
i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder
ii) sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder
iii) sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.
Fristwahrung bei Flugannulierung durch Reisevermittler
Der europäische Gerichtshof hat in der Entscheidung vom 11. Mai 2017 in der Rechtssache C‑302/16 entschieden, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen den in diesen Bestimmungen vorgesehenen Ausgleich im Fall einer Flugannullierung, über die der Fluggast nicht mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet worden ist, auch dann zu zahlen hat, wenn das Luftfahrtunternehmen den Reisevermittler, über den der Beförderungsvertrag mit dem betroffenen Fluggast geschlossen wurde, mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit über die Annullierung unterrichtet hat und der Fluggast vom Reisevermittler nicht innerhalb dieser Frist informiert worden ist.
Außergewöhnliche Umstände-Instanzrechtsprechung
Technische Defekte
Laut vielen Entscheidungen des BGH und EuGH kann die Berufung auf eine fehlerhafte Wartung schon generell nicht als außergewöhnlicher Umstand in Betracht kommen (EuGH, Urt. v. 22.12.08, Az.: C-549/07; EuGH, Urt. v. 17.09.15; Az.: C-257/14). Grundsätzlich gilt, dass die meisten technischen Defekte, welche weder auf einen Wartungsmangel, noch auf einen Fabrikationsfehler, Sabotageakte oder terroristische Handlungen zurückgeführt werden kann, nach überwiegender Ansicht keinen außergewöhnlichen Umstand darstellen kann.
Ausführlich zu technischen Defekten als außergewöhnlicher Umstand: Technischer Defekt
Politische Instabilität
Kommt es im Zielland zu politischen Unruhen, dann ist es nach der Ansicht des AG Rüsselheim (Urt. v. 09.10, Az.: 3 C 2404/14-38) zulässig, dass die Hin- und Rückflüge dorthin annulliert werden. Dabei sei es unerheblich, ob die annullierten Flüge theoretisch durchführbar gewesen wären, ist dabei nicht von Bedeutung.
Auch dazu: Höhere Gewalt
Enteisung des Flugzeuges
Ob ein außergewöhnlicher Umstand angenommen werden kann, wenn die mangelnde Bevorratung von Enteisungsmitteln durch den Bodenverkehrsdienstleister vorliegt, wird unterschiedlich bewertet. Das AG Wusterhausen (Urt. v. 03.05.11, Az.: 20 C 83/11) bejaht in diesem Fall einen außergewöhnlichen Umstand. In der Entscheidung vom 08.06.11, Az.: 9 C 113/11 wird hingegen durch das AG Wusterhausen in einem solchen Fall ein außergewöhnlicher Umstand verneint.
Siehe auch: Enteisung
Verspätung des Pushback-Fahrzeuges
In der verspäteten Ankunft des Pushback-Fahrzeuges ist in der Regel kein außergewöhnlicher Umstand zu sehen.
Siehe dazu auch: Außergewöhnliche Umstände
Fehlerhafte Sicherung eines Luftfahrzeugs
Laut dem AG Frankfurt a.M. (Urt. v. 05.11.09, Az.: 32 C 1379/09-41) liegt kein außergewöhnlicher Umstand vor, wenn ein Flugzeug in der Parkposition nicht durch Bauklötze gesichert war und aus diesem Grund beim Rückwärtsrollen beschädigt wurde.
Beschädigungen des Flugzeugs durch Dritte
Wird ein [[Flugzeug] durch Bedienstete des Flughafens beschädigt bei Be- und Endladevorgängen, dann fällt dies in Sphäre des Luftfahrtunternehmens und ist als Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens anzusehen (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 15.11.11, Az.: 16 U 39/11; LG Darmstadt, Urt. v. 26.03.10, Az.: 7 S 201/09; AG Frankfurt a.M., Urt. v. 05.11.09; Az.: 32 C 1379/09-41; AG Frankfurt a.M., Urt. v. 03.02.10, Az.: 29 C 2088/09).
Ausführlicher dazu: Außergewöhnliche Umstände
Verspätete Abfertigung
Verspätungen bei der Abfertigung durch das Bodenpersonal sind Teil des Risikobereichs des Luftfahrtunternehmens [[AG Hannover, Urt. v. 06.12.12, Az.: 522 C 7701/12).
Siehe auch: Außergewöhnliche Umstände
Flugangst
Kommt es zu einer Abflugverzögerung, weil ein Fluggast Flugangst verspürt und sich aus diesem Grund dazu entscheidet wieder aus dem Flugzeug auszusteigen, dann kann darin ein außergewöhnlicher Umstand zu sehen sein, da das Angstgefühl des Fluggastes, diesen dazu bewegt, das Flugzeug zu verlassen und dies nicht von der Fluggesellschaft beherrschbar ist (AG Erding, Urt. v. 16.01.17, Az.: 3 C 2378/16; LG Landshut, Urt. v. 11.04.17 und 25.04.17, Az.: 12 S 209/17).
Umbuchung eines Fluggastes
Die Umbuchung eines Fluggastes durch den Reiseveranstalter stellt keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung dar.
Erkrankung oder Tod
Eine Erkrankung oder der Tod von Crew-Mitgliedern ist nicht als außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung anzusehen. Begründet wird dies damit, dass dies der Risikosphäre des Luftfahrtunternehmens unterliegt. Bei der Erkrankung oder dem Tod eines Fluggastes ist zu differenzieren, ob das Ereignis sich während des in Rede stehenden Fluges ereignet hat oder bereits während des vorhergehenden Fluges. Ereignet sich die Erkrankung oder der Tod auf dem vorhergehenden Flug, dann ist dies nicht mehr Teil des Risikobereichs des Luftfahrtunternehmens.
Näher dazu: Außergewöhnliche Umstände
Wetterbedingungen
Kommt es zu schlechten Wetterbedingungen wie starkes Gewitter, Schneefall, Frost oder Glätte oder Nebel, dann ist darin ein äußerer Umstand zu sehen, der nicht von einem Luftfahrtunternehmen beherrscht werden kann. Entscheidend bei Wetterbedingungen ist vor allem die zeitliche Distanz zu den schlechten Wetterbedingungen. Sind die schlechten Wetterbedingungen bereits mehr als 24 Stunden vor dem eigentlichen Flug aufgetreten und haben seitdem andere Flüge stattgefunden, dann kann ein solches Ereignis eher nicht mehr außergewöhnlicher Umstand eingestuft werden.
Siehe dazu: Schlechte Wetterbedingungen
Naturkatastrophen
Flugausfälle und Verspätungen, die aufgrund von Naturkatastrophen wie Erdbeben und Überschwemmungen stattfinden, stellen grundsätzlich außergewöhnliche Umstände dar. Begründet wird dies damit, dass solche Ereignisse den Luftfahrtunternehmen nicht zugerechnet werden können.
Näher dazu: Außergewöhnliche Umstände
Vogelschlag
Bei einer Annullierung oder Verspätung aufgrund eines Vogelschlags wird in den meisten Fällen von der Rechtsprechung ein außergewöhnlicher Umstand abgelehnt.
Dazu ausführlich: Vogelschlag
Nachtflugverbot
Bezüglich der Frage, ob bei einer Verspätung oder Annullierung aufgrund eines Nachtflugverbotes ein außergewöhnlicher Umstand angenommen werden kann, werden verschiedene Auffassungen vertreten.
Ausführlich dazu: Nachtflugverbot
Streik
Auch die Frage, ob ein Streik des fliegenden Personals, der Fluglotsen oder des Bodenpersonals als außergewöhnlicher Umstand behandelt werden kann, wird unterschiedlich durch die Gerichte bewertet.
Dazu ausführlich hier: Streik
Weitere Situationen die als außergewöhnliche Umstände gelten könnten, sind hier nochmals aufgeführt: Außergewöhnliche Umstände
Kausalität
Die außergewöhnlichen Umstände müssen für die Annullierung kausal sein. Nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung muss die Annullierung und nach der Sturgeon-Entscheidung des EuGH auch die große Verspätung eines Fluges auf einen außergewöhnlichen Umstand zurückzuführen sein, also kausal sein. Kommt es demnach dazu, dass das Luftfahrtunternehmen seinen Flugplan aufgrund von einem außergewöhnlichen Umstand (Streik, Massenerkrankung) umplant, dann kann die Annullierung, große Verspätung oder Nichtbeförderung des nachfolgenden, umgeplanten Fluges nicht mehr kausal auf den Streik, sondern vielmehr auf die unternehmerische Entscheidung zurückzuführen ist, auch wenn diese mittelbar durch einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung hervorgerufen wurde (AG Düsseldorf, Urt. v. 02.03.17, Az.: 51 C 482/16; LG Frankfurt a.M., Urt. v. 29.10.15, Az.: 2-24 S 68/15; LG Frankfurt a.M., Urt. v. 11.05.17, Az.: 2-24 S 136/16).
Keine zumutbare Möglichkeit der Vermeidung der Annullierung
Abstrakte Anforderungen
Es kann nicht ausschlaggebend sein, ob die außergewöhnlichen Umstände hätten vermieden werden können, denn das kann wohl nur sehr selten der Fall sein. Aus diesem Grund ist die Norm als sprachlich misslungen anzusehen. So müssen von dem Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen werden um eine Annullierung zu verhindern. Jedoch können Naturgewalten meisten auch dann nicht vermieden werden, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden. Durch das ausführende Luftfahrtunternehmen müssen nicht alle tatsächlich zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Sondern nur solche die zumutbar sind und das entscheidet sich auch nach der technischen und wirtschaftlichen Tragbarkeit im Einzelfall. Dadurch kommt ein individuell-konkreter und subjektiver Maßstab zur Anwendung. Einem Luftfahrtunternehmen ist es unmöglich jeder denkbaren Störung entgegen zu wirken. Denn dies würde auch zu einem äußerst hohen wirtschaftlichen Aufwand für die Luftfahrtunternehmen führen, welche diese höchstwahrscheinlich wieder auf die Fluggäste über die Beförderungspreise umlegen würden. Maßnahmen, die nur einzelne Fluggäste betreffen, wie z.B. Umbuchungen fallen nicht unter den Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung, da es dadurch nicht zu einer Vermeidung der Annullierung kommen kann.
Mögliche Maßnahmen im Einzelnen
Der Einsatz von Ersatzflugzeugen könnte als eine mögliche Maßnahme in Frage kommen. Dafür müssen die Ersatzflugzeuge jedoch vor Ort sein und auch verfügbar sein. Das ist bei dem Heimatflughafen der jeweiligen Fluggesellschaft sicherlich häufig der Fall. Eine Pflicht Ersatzflugzeuge an strak frequentierten Flughäfen für solche Fälle bereit zu halten, existiert nicht. Laut dem BGH ist es nicht zumutbar ein Luftfahrtunternehmen zu verpflichten bei einem drei Mal wöchentlich angeflogenen Flughafen eine Ersatzmaschine bereitzuhalten. Zumutbar wäre ebenfalls die Umbuchung aller Reisenden auf eine andere Fluggesellschaft oder auch das Chartern einer Ersatzmaschine. Laut dem EuGH ist es jedoch nicht ausreichend die gesetzlich vorgeschriebenen Mindesterfordernisse an Wartungsarbeiten einzuhalten und damit einen technischen Defekt als vermeidbar zu erklären. Zumutbar ist bei schlechten Wetterbedingungen sich im Vorfeld über meteorologische Besonderheiten zu informieren und dann eventuell eine Umleitung des Fluges in Betracht zu ziehen. Je länger das Luftfahrtunternehmen von den schlechten Wetterbedingungen Kenntnis hatte, umso mehr scheint es zumutbar das eine Vermeidung der Annullierung möglich wäre. Sollte das schlechte Wetter jedoch kurzfristig eintreten, dann ist es durchaus zulässig, dass die Fluggesellschaft zunächst eine Besserung abwartet. Schließlich ist dies auch nicht ganz unrealistisch. Dennoch kommt es hier zu Spannungen. Einerseits sollte das Luftfahrtunternehmen eine mögliche Besserung der Wetterverhältnisse abwarten aber andererseits sollten die Fluggäste stets so früh wie möglich über eine Annullierung in Kenntnis gesetzt werden. Von Fluggesellschaften kann nicht erwartet werden über technische Ausrüstungen zu verfügen, die flugsicherheitstechnisch nicht notwendig sind. Das wäre vor allem für Lowcost Gesellschaften kaum zu bewältigen. Bei einem Streik kann durchaus erwartet werden, dass Handlungen zur Vermeidung der Annullierung vorgenommen werden. Besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es zu der Überschreitung der maximalen Dienstzeit der Crew kommt, dann erscheint es als zumutbar eine Ersatzcrew bereitzuhalten. Kommt es zu einem Nachtflugverbot, so sollte zumindest der Versuch unternommen werden, eine Ausnahmegenehmigung zu erwirken. Erleidet der Folgeflug eine erhebliche Verspätung aufgrund eines Vorkommnisses auf dem Vorflug, dann muss das Luftfahrtunternehmen detailliert darlegen, welche Maßnahmen unternommen wurden, damit die Verspätung des Vorfluges sich nicht auf die nachfolgenden Flüge ausgewirkt hat. Oder jedoch gerade warum es dem Luftfahrtunternehmen eben nicht möglich gewesen ist die nötigen Maßnahmen einzuleiten (Ag Königs Wusterhausen, Urt. v. 08.06.16, Az.: 4 C 617/16). Weiterhin muss durch das Luftfahrtunternehmen klar dargelegt werden, welche Zeitreserven zwischen dem Vorflug bzw. den Vorflügen und dem streitgegenständlichen Flug vorlagen und inwiefern Verspätungen aufgrund von außergewöhnlichen Umständen in dem Flugumlauf eingeplant und berücksichtigt wurden (AG Erding, Urt. v. 26.01.12; Az.: 5 C 1252/12; AG Erding, Urt. v. 23.07.12, Az.: 3 C 719/12; AG Hannover, Urt. v. 30.09.1, Az.: 532 C 7883/12; AG Köln, Urt. v. 12.05.14, Az.: 142 C 600/13). Erhält das Luftfahrtunternehmen bereits zwei tage vor dem planmäßigen Abflug des Fluges Kenntnis darüber, dass auf dem gegenständlichen Flug mit Unregelmäßigkeiten im Flugbetrieb zu rechnen ist, dann muss es sich laut dem BG Schwechat, Urt. v. 07.10.15, Az.: 1 C 399/15 k näher darüber informieren und Organisationsmaßnahmen treffen, damit sichergestellt werden kann, dass die Fluggäste ihr Endziel rechtzeitig erreichen. Das kann z.B. durch Umbuchungen der Fluggäste auf andere verfügbare Flüge geschehen oder auch durch Umsteigeverbindungen. Wichtig ist es weiterhin nicht nur Flüge des eigenen Unternehmens in Betracht zu ziehen, sondern auch die Flüge von anderen Luftfahrtunternehmen zu erwägen. Weiß ein Luftfahrtunternehmen bereits zwei Tage vor dem geplanten Abflug über das Vorliegen eines technischen Problems Bescheid, bei dem Flugzeug was für den baldigen Flug vorgesehen ist, dann muss dargelegt werden, warum es nicht zumutbar war, ein eigenes anderes oder auch ein anderes eines anderen Luftfahrtunternehmens Ersatzflugzeug zu benutzen.
Nachweisproblematik
Darlegungs- und Beweislast bei dem ausführenden Luftfahrtunternehmen
Das ausführende Luftfahrtunternehmen trägt die Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Entlastungstatbestände bei Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstandes, der Kausalität und der Unvermeidbarkeit trotz des Ergreifens von zumutbaren Maßnahmen. Von dem Luftfahrtunternehmen kann durchaus eine Auskunft bezüglich des „wann“, „wo“ und „was“ erwartet werden. Die Vermeidungsmöglichkeiten die von einer Fluggesellschaft vorgenommen wurden, müssen jedoch detailliert dargelegt werden. Das bedeutet, dass ein Luftfahrtunternehmen darlegen muss, dass es alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat bzw. versucht hat zu ergreifen (LG Korneuburg, Urt. v. 23.03.17, Az.: 22 R 150/16 p). Vor allem welche Ressourcen in personeller, materieller und finanzieller Hinsicht beansprucht wurden. Auch müssen die Gründe dargelegt werden, warum es nicht zumutbar war auf ein bestimmtes Mittel zu zugreifen. Bezüglich der Umsteigezeiten vertritt das AG Hannover in seinem Urteil vom 14.03.17 (Az.: 523 C 12833/16) die Ansicht, dass bei Einhaltung der Mindest-Umsteigezeit (Minimum Connecting Time, MCT) zwischen Zubringer- und Anschlussflug, dem Fluggast die Beweislast obliegt, ob ein Verschulden gegeben ist oder nicht. Kommt es jedoch zu einer Unterschreitung der Mindest-Umsteigezeit, dann trifft die Darlegungs- und Beweislast den Fluggast, welcher den Anschlussflug nicht in der Lage war zu erreichen.
Abstrakte Behauptung des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände als Taktik
Durch die Entlastungsmöglichkeit, die den ausführenden Luftfahrtunternehmen zusteht, entsteht für den Reisenden, der klagt ein gewisses Prozessrisiko. Wurde der Flug aufgrund von einem Streik oder schlechten Wetterbedingungen annulliert, gestaltet sich die Lage anders, da für den Fluggast ersichtlich ist, ob ein solcher Umstand gegeben war oder nicht. Anders verhält es sich bei technischen Defekten. Bei technischen Defekten ist es für den Fluggast schwierig sich einen Einblick zu verschaffen darüber, warum das Luftfahrtunternehmen keinen Ausgleich leisten möchte und kann somit bei dem Vorbringen der Gründe im Prozess völlig überrascht werden. Dem Fluggast fehlt es einfach bei technischen Defekten an einem Einblick in die Betriebssphäre des ausführenden Luftfahrtunternehmens, um sich ein eigenes Bild von der Situation zu verschaffen. Den ausführenden Luftfahrtunternehmen gelingt es jedoch nicht gerade häufig sich erfolgreich auf technische Defekte als außergewöhnliche Umstände zu berufen. Selbst, wenn der technische Defekt als außergewöhnlicher Umstand eingestuft werden sollte, so muss durch das Luftfahrtunternehmen dennoch dargelegt werden, dass sich die Annullierung nicht in irgendeiner Weise hätte vermeiden lassen können. Weiterhin lassen sich viele Reisende abschrecken ein Mahnverfahren einzuleiten oder eine Klage zu erheben, da sie oft nicht wissen, was sie unter dem technischen Defekt zu erwarten haben. Dadurch besteht für viele Luftfahrtunternehmen eine Art psychologische Verteidigung. Sollten die betroffenen Fluggäste jedoch dennoch mutig genug sein das Risiko einzugehen, dann stehen ihre Chancen ganz gut, da viele technische Defekte nicht als außergewöhnlicher Umstand eingestuft werden.
Informationsbeschaffungsrecht des Fluggasts?
Noch nicht geklärt ist, ob das ausführende Luftfahrtunternehmen der Pflicht nachkommen muss Nachfragen der Anspruchsteller zu konkretisieren, ob der Sachverhalt eine Entlastung nach Maßgabe von Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung trägt, nach geltendem Recht besteht.
Vertraglicher Auskunftsanspruch
In vielen Konstellationen ist der Fluggast direkt vertraglich verbunden mit dem Luftfahrtunternehmen. In solchen Fallkonstellationen stellt sich die Frage, ob aus dem vertraglichen Schuldverhältnis ein Anspruch auf Auskunftserteilung ergeben kann. Fraglich wäre also ob eine objektive Vertragsverletzung wie die Annullierung zu Auskünften des Luftfahrtunternehmens gegenüber dem Fluggast führen kann, die einen außervertraglichen Anspruch betreffen. Im Ergebnis erscheint ein solches vertragliches Auskunftsrecht nicht zulässig. Begründet wird dies damit, dass niemanden die Pflicht trifft andere Vertragsparteien über alle möglichen Umstände zu informieren, welche für diesen von Interesse sind. Weiterhin dürfte dogmatisch schwierig sein, dass über eine vertragliche Nebenpflicht Auskunft für Umstände zum Bestehen eines gesetzlichen Anspruchs, für dessen Existenz jedoch kein Vertrag notwendig ist, geschuldet sein sollte. Problematisch könnte unionsrechtlich auch gesehen werden, dass es zu einer Ungleichbehandlung der Fluggäste kommen würde, je nachdem, ob diese vertraglich mit einem Luftfahrtunternehmen verbunden sind oder nicht. Damit kommt man zu dem Entschluss, dass kein vertraglich begründeter Auskunftsanspruch bezüglich der außergewöhnlichen Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung bestehen kann.
Verordnungsimmanenter Auskunftsanspruch
Auch der Binnensystematik der Fluggastrechteverordnung kann kein Auskunftsanspruch hergeleitet werden. Eine direkte Anwendung des Art. 14 der Fluggastrechteverordnung ist ausgeschlossen, da die Vorschrift nur die Information der Fluggäste über ihre Rechte in Fällen der Störungen betrifft. Durch Art. 14 der Fluggastrechteverordnung sollen keine konkreten Sachverhaltsumstände geklärt werden.
Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben (§ 242 BGB)
Fraglich ist, ob ein allgemeiner Auskunftsanspruch nach Treu und Glauben im Sinne des § 242 BGB bestehen könnte. Das erste Problem könnte sich bereits dahingehend ergeben, dass in grenzüberschreitenden Konstellationen deutsches Recht überhaupt erst anwendbar sein müsste. Ein solcher Auskunftsanspruch nach Treu und Glauben im Sinne des § 242 BGB dürfte wohl abzulehnen sein mit größter Wahrscheinlichkeit. Zwar kann die Pflicht für das ausführende Luftfahrtunternehmen bestehen, den genauen außergewöhnlichen Umstand zu benennen, so wie z. B. Turbinenschaden durch Vogelschlag, aber es kann keine Pflicht bestehen, darüber hinausgehende detaillierte Auskünfte zu geben. Auch obliegt keine Pflicht einer rechtlichen Bewertung. Diese Problematik isst jedoch noch abschließend zu klären durch den BGH.
Anwendung des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung auch auf „große Verspätungen“
Nicht nur bei Annullierungen, sondern auch bei großen Ankunftsverspätungen kann sich das ausführende Luftfahrtunternehmen im Sinne der Sturgeon-Formel des EuGH entlasten. Entgegen dem Wortlaut des Art. 6 der Fluggastrechteverordnung muss das ausführende Luftfahrtunternehmen Ausgleichsleistungen nach Art. 7 der Fluggastrechteverordnung erbringen.
Keine Anwendung des Art. 5 Abs. 3 auf Nichtbeförderungen
Kommt es zu Nichtbeförderungen im Sinne des Art. 2 lit. j der Fluggastrechteverordnung, dann kann die Pflicht zur Leistung von Ausgleichszahlungen der ausführenden Luftfahrtunternehmen nach Art. 4 Abs. 3 i. V. m. Art. 7 der Fluggastrechteverordnung nicht unter Bezugnahme auf einen außergewöhnliche Umstände gemäß Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung, welcher als Ausnahmetatbestand eng auszulegen ist, abgewendet werden.
Marktführerkampf führt zu Flugausfällen
Im ersten Halbjahr 2018 konnten so viele Flugausfälle verzeichnet werden, wie noch nie. Im Vergleich zum letzten Jahr haben sich die Flugannullierungen verdoppelt:
- 3920 Flugausfälle im Jahr 2017
- 9660 Flugausfälle in den ersten 6 Monaten des Jahres 2018
Gerade im Sommer 2018 kam es zu unzähligen Stornierungen. Diese Zeit ist schließlich die Hochsaison und das Verbindungsnetz ist dann enger, als in den restlichen Jahreszeiten. In dieser Phase kann es immer wieder zu Störungen der geplanten Flugverbindungen kommen, doch in diesem Jahr kam es zu Rekordzahlen der Flugausfälle. Die Fluggäste sind verärgert und müssen sich mit den Begründungen der Manager der Fluggesellschaften zufrieden geben. Diese behaupten, das Wetter sei zu schlecht und unberechenbar gewesen. Auch werden Piloten, die sich den Weisungen widersetzen, überforderte Fluglotsen oder Mängel bei der Abfertigung am Boden vorgeschoben. Diese Gründe können natürlich der Wahrheit entsprechen. Es gibt jedoch noch einen weiteren wichtigen Grund für die Flugannullierungen, der den Passagieren selten direkt gesagt wird:
- der Kampf um die Marktführerposition im deutschen und europäischen Luftraum.
Die Air-Berlin-Pleite im Jahr 2017 löste einen Verdrängungskampf aus. Von heute auf morgen schieden mehr als 140 Flugzeuge aus dem Markt aus. Erst sollte Lufthansa den Großteil des Personals und der Maschinen übernehmen. Die EU-Kommission übte Druck aus und somit standen weitere Interessenten zur Auswahl, welche Zuschläge für Flugzeuge und Streckenrechte erhielten. Die Fluggesellschaften sicherten sich also Start- und Landerechte (sog. Slots) im Übermaß, welche in der Praxis nicht bedient werden können, da die Maschinen und das Personal zur Abfertigung fehlt. Wenn die Airlines diese Slots nicht nutzen, verlieren sie die Streckenrechte. Im Kampf um Fluggäste lassen sie also den einen oder anderen Flug ausfallen, um das Verlieren der Start- und Landerechte zu vermeiden. Ersatzflugzeuge und –personal, um die unzähligen Slots bedienen zu können, gibt es kaum noch. Normalerweise konnten in Zeiten von Engpässen zusätzliche Maschinen bestellt oder gebrauchte Flugzeuge gekauft/geleast werden. Derzeit ist diese Möglichkeit nicht vorhanden, da die Nachfrage viel größer ist, als das Angebot. Die Flugzeughersteller sind auf Jahre ausgebucht und die Lieferfristen sind sehr lang. Das enorme Wachstum der europäischen Luftfahrt führt zu einer der größten Krisen in der Hauptsaison und hinterlässt unzählige verärgerte und frustrierte Fluggäste. Fast keine Fluggesellschaft aus dem europäischen Raum weist im Jahr 2018 normale Performance-Werte auf.
Verdacht auf das bewusste Anbieten von nicht-bedienbaren Flugverbindungen
Experten analysierten die Luftverkehrskrise und stellten fest, dass verschiedene Fluggesellschaften scheinbar Flugverbindung angeboten haben, von denen sie vorher schon absehen konnten, dass für die Durchführung und Abwicklung das Personal und/oder die Maschine gar nicht gestellt werden können. Das könnte wiederum bedeuten, dass die betroffenen Airlines wissentlich zu dieser Chaossituation in der Hochsaison beigetragen haben. Experten erklären jedoch, dass es selbst wenn der ein oder andere Flug, der ausgefallen ist, gar nicht erst angeboten worden wäre, zu erhöhten Ticketpreisen aufgrund des geringeren Flugverbindungsangebots gekommen wäre.
Die Entschädigungskosten tragen oft die Reisebüros
Die unzähligen Flugverspätungen und –ausfälle veranlassen die frustrierten Passagiere, Beschwerde einzureichen und eine Entschädigung zu erwirken. Viele Reisende wenden sich dabei an ihre Reisebüros und verlangen Ausgleichszahlungen. Viele Reisebüro-Inhaber sind aufgrund dessen ebenfalls verärgert und richten eine Gruppenbeschwerde an die jeweiligen Fluggesellschaften. Die Reisebüros sind nicht mehr gewillt, die Kosten für die zahlreichen Flugzeiten- und Flughafenänderungen zu tragen.
Kampf um Maschinen begünstigen die Flugausfälle
Die Air-Berlin-Pleite 2017 inklusive der Tochtergesellschaft Niki ist nicht der einzige Umstand, der die Flugausfälle im Jahr 2018 begünstigt. Die Fluggesellschaften Lufthansa und Ryanair stehen im Kampf um Flugzeuge vor Gericht. Lufthansa klagt die Billigfluggesellschaft an, dass der Niki-Nachfolger Laudamotion, von dem Ryanair Anteilseigner ist, Flugzeugleasingraten nicht bezahlt hat und reagiert mit einer kurzfristigen Kündigung des Mietvertrags. Ryanair sucht sich im Gegenzug Unterstützung bei den Wettbewerbshütern der EU-Kommission. Die Angelegenheit wird nun vor Gericht ausgetragen. Ein Richter wird entscheiden, ob Lufthansa die Maschinen schnell zurückfordern kann. Somit würde sie die Flotte des Konkurrenten Laudamotion halbieren. Der Hintergrund des Streits sind viel weniger nicht eingehaltene Verträge, als der derzeitige Engpass der Lufthansa-Tochter Eurowings. Das Zurückholen der Maschinen könnte die Zahl der Flugverspätungen und –annullierungen deutlich sinken. Jedoch würde dies eine neue Lücke aufreißen lassen und Laudamotion in einen Engpass führen. Die Flugausfälle würden zwar eine andere Fluggesellschaft betreffen, sich jedoch nach wie vor auf die gesamte Luftverkehrsbranche auswirken, da es nicht die Zahl der frustrierten und betroffenen Fluggäste mindert.
Ansturm der frustrierten Passagiere auf Fluggastportale
Fluggastportale bieten enttäuschten Passagieren an, das Durchsetzen von Entschädigungsansprüchen bei Flugverspätungen oder Flugausfällen zu übernehmen. Da viele Fluggäste einen Rechtsstreit mit Fluggesellschaften scheuen, schütteln die meisten Airlines die frustrierten Verbraucher erfolgreich mit einer Berufung auf höhere Gewalt oder außergewöhnliche Umstände ab. Jedoch müssen die Airlines in den meisten Fällen Ausgleichszahlungen vornehmen, wenn sie auf Entschädigung verklagt werden. Daher kommen Fluggastportale zum Einsatz, die den rechtlichen Weg für die enttäuschten Reisenden vornehmen. Seit Anfang des Jahres 2018 verzeichnen die Anbieter eine Verdopplung der Anfragen und rechnen mit einem weiteren Anstieg in der Hochsaison bzw. Ferienzeit.
Siehe auch
Urteile und Verordnungen
Urteil, Datum | Aktenzeichen | Zusammenfassung (reise-recht-wiki) |
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AG Simmern, Urteil v. 10.06.2005 | 3 C 687/04 |
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AG Rüsselsheim, Urteil v. 17.03.2006 | 3 C 109/06 (33) | Findet der Flug zwar nicht zur vereinbarten Zeit statt, aber am Folgetag unter derselben Flugnummer, so liegt lediglich eine erhebliche Verspätung des ursprünglichen Fluges vor. |
AG Köln, Urteil vom 5.4.2006 | 118 C 595/05 | Die Fluggesellschaft muss substantiiert darlegen, was für ein technischer Defekt vorgelegen hat, damit ein außergewöhnlicher Umstand bejaht werden kann. Das einfache Verweisen auf einen technischen Defekt reicht nicht aus. |
AG Köln, Urteil v. 17.01.2007 | 118 C 473/06 | Liegt ein technischer Defekt vor der die Flugsicherheit gefährdet, so handelt es sich bei diesem technischen Defekt um einen außergewöhnlichen Umstand gemäß Artikel 5 Absatz 3 der Europäischen Fluggastrechteverordnung. |
AG Frankfurt am Main, Urteil v.13.02.2007 | 30 C 2192/06-45 | Ausschlaggebend für die Frage, ob eine Annullierung oder eine Verspätung vorliegt, kann die Flugnummer und die Zeit zu der der "neue" Flug durchgeführt wird, sein. Wird der Flug an einem anderen Tag mit einer neuen Flugnummer durchgeführt, so liegt in der Regel eine Annullierung vor. Wird der Flug aber noch am selben Tag nur später und unter derselben Flugnummer durchgeführt, so handelt es sich lediglich um eine Verspätung. |
EuGH, Urt. vom 11.05.2017 | C‑302/16 |
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LG Köln Urteil v. 05. Dezember 2017 | 11 S 11/17 | Für einen Anspruch aus Art. 5 Abs. 1 lit. c) sublit. iii) VO (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung) bedarf es keines Gesamtzeitverlustes von 3 Stunden.
Der Zeitverlust im Rahmen dieser Vorschrift bemisst sich nach der tatsächlichen, nicht der geplanten Ankunftszeit des Ersatzfluges. |
LG Darmstadt, Urt. v. 12.07.2006 | 21 S 20/06 | Die ausführende Fluggesellschaft haftet nicht für Änderungen, die ein Reiseveranstalter ohne Kenntnis des Reisenden vornimmt. |