Europäische Flugverordnung
Die Europäische Flugverordnung kann als die wichtigste europäischen Regelung angesehen werden. Die Europäische Flugverordnung trägt die offizielle Bezeichnung VO 261/04 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004. Zudem wird die Europäische Flugverordnung oftmals auch als europäische Fluggastrechteverordnung bezeichnet oder als VO 261/04 abgekürzt. Die Europäische Flugverordnung verfolgt das Ziel einer gemeinsamen Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste. Diese Regelungen der Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen der Europäischen Flugverordnung finden Anwendung für die Fälle derAnnullierung des Flugs, einer großen Verspätung des Flugs und der Nichtbeförderung gegen den Willen des Fluggastes.
Ziel der Europäischen Flugverordnung
Durch die Europäische Flugverordnung soll ein hohes Schutzniveau sowohl für Fluggäste als auch für Verbraucher geschaffen werden. Das Ziel, welches die VO 261/04 verfolgt ist die Stärkung der Rechte der Fluggäste. Dies soll vor allem durch standardisierte Leistungen ermöglicht werden, indem ein sofortiger Ersatz der Unannehmlichkeit erfolgt ((vgl. EuGH, Urt. v. 22.06.2016, Az.: C-255/15); EuGH, Urt. v. 10.01.06, Az.: C-344/04. Allem voraus genießt vor allem das hohe Schutzniveau Priorität. Aus diesem Grund müssen alle Bestimmungen der VO 261/04 weit ausgelegt werden (vgl. EuGH, Urt. v. 22.12.2008, Az.: C-549/07) und C-432/07). Werden Ausnahmen von den Grundsätzen der VO 261/04 gemacht, dann sind diese Ausnahmen so eng wie möglich zu halten (vgl. EuGH, Urt. v. 22.12.2008, Az.: C-549/07). Der BGH hält sich dementsprechend auch an die soeben genannten Auslegungsgrundsätze ((vgl.[ https://reise-recht-wiki.de/ankunftsverspaetung-nach-verspaetung-des-zubringerfluges-einer-anderen-fluggesellschaft-urteil-az-x-zr-138-15-bgh.html BGH, Urt. v. 19.07.2016, Az.: X ZR 138/15]).
Ansprüche bei Annullierung
Nach Art. 2 lit. l ist immer dann von einer Annullierung auszugehen, wenn es zu der Nichtdurchführung eines geplanten Fluges kommt, für den zumindest ein Platz reserviert war. In solchen Fällen bietet die VO 261/04 Schutz für den von der Annullierung betroffenen Fluggast. Der Fall der Annullierung ist in Art. 5 der Flugverordnung geregelt. Immer dann, wenn es zu einer Annullierung kommt, kann sich für den betroffenen Fluggast ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen nach der VO 261/04 ergeben. Der Anspruch auf Ausgleichszahlungen ergibt sich aus Art. 7 der europäischen Flugverordnung. [Die Höhe der Ausgleichszahlungen bemisst sich einerseits nach dem Ausmaß der Verspätung und andererseits nach der Entfernung.
Laut Art. 7 der VO 261/04 können dem betroffenen Fluggast Ansprüche in folgender Höhe zustehen bei einer Annullierung:
• Ausgleichszahlung in Höhe von 250 Euro bei einer Flugstrecke von weniger als 1.500 Kilometern
• Ausgleichszahlung in Höhe von 400 Euro bei einer Flugstrecke zwischen 1.500 und 3.500 Kilometern
• Ausgleichszahlung in Höhe von 600 Euro bei einer Flugstrecke von mehr als 3.500 Kilometern
Zu Ausgleichszahlungen nach Art. 7 der VO 261/04 kommt es immer dann, wenn der von der Annullierung betroffene Fluggast nicht rechtzeitig über die Annullierung in Kenntnis gesetzt wurde. Das bedeutet, dass der Fluggast im Falle einer Annullierung nur dann keinen Anspruch auf Ausgleichszahlungen nach Art. 7 der VO 261/04 hat, wenn:
• der Fluggast über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet wurde oder
• der Fluggast über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet wurde und ein Angebot zur anderweitigen Beförderung erhalten hat, das es ihm ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und sein Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder
• der Fluggast wurde über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhielt ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihm ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und sein Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.
Weiterhin werden Ausgleichszahlungen nach Art. 7 der VO 261/04 ausgelöst, wenn die Annullierung nicht auf einen außergewöhnlichen Umstand zurückgeht. Laut Art. 5 Abs. 3 der VO 261/04 ist das ausführendes Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 der VO 261/04 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Als außergewöhnliche Umstände kommen unter anderem in Betracht:
• schlechtes Wetter
• Naturkatastrophen
• Streik
• Terrorwarnungen
• Vogelschlag.
Nach Art. 7 Abs. 3 der VO 261/04 können die dem Fluggast zustehenden Ausgleichszahlungen durch Barzahlung, durch elektronische oder gewöhnliche Überweisung, durch Scheck oder, mit schriftlichem Einverständnis des Fluggasts, in Form von Reisegutscheinen und/oder anderen Dienstleistungen erfolgen.
Ansprüche bei großer Verspätung
Im Gegensatz zu der Annullierung und Nichtbeförderung wird der Begriff der Verspätung in der VO 261/04 nicht weiter erläutert. Eine Verspätung ist jedoch anzunehmen, wenn sich der Abflug um eine bestimmte Anzahl von Stunden im Vergleich zur planmäßigen Abflugzeit verzögert. Die Ansprüche bei Verspätung eines Fluges sind in Art. 6 der VO 261/04 geregelt. Bei einer Verspätung steht dem betroffenen Fluggast ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen zu. Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um eine Verspätung annehmen zu können.
• Flugstrecke Entfernung weniger als 1.500 km - Abflugverspätung von 2 oder mehr Stunden
• Flugstrecke Entfernung größer als 1.500 km innergemeinschaftlich, ansonsten 1.500 - 3.500 km - Abflugverspätung von 3 oder mehr Stunden
• Flugstrecke größer als 3.500 km - Abflugverspätung von 4 oder mehr Stunden
Grundsätzlich hat der von der Verspätung betroffene Fluggast jedoch einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen zwischen 250 und 600 Euro. In all den zuvor genannten Fällen erhält der betroffene Fluggast auch Unterstützungsleistungen nach Art. 9 der VO 261/04. Welche sich wie folgt zusammensetzen:
• Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit
• Hotelunterbringung und Transport zwischen Flughafen und Unterbringung
• zwei unentgeltliche Telefonate, Faxe oder E-Mails.
Und sollte es zu einer Verspätung von über fünf Stunden kommen, dann hat der betroffene Fluggast weiterhin einen Anspruch auf Unterstützungsleistungen nach Art. 8 der VO 261/04. Diese beinhalten:
• die vollständige Erstattung des Flugpreises binnen 7 Tagen sowohl für noch anzutretende als auch für schon zurückgelegte Flüge, wenn diese aufgrund des Reiseplans des Fluggastes zwecklos geworden sind, sowie gegebenenfalls einen Rückflug zum Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt
• oder eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt
• oder vorbehaltlich verfügbarer Plätze eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes
Ansprüche bei Nichtbeförderung
Laut Art. 2 lit. j der VO 261/04 bedeutet "Nichtbeförderung" die Weigerung, Fluggäste zu befördern, obwohl sie sich unter den in Artikel 3 Absatz 2 genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben, sofern keine vertretbaren Gründe für die Nichtbeförderung gegeben sind, z. B. im Zusammenhang mit der Gesundheit oder der allgemeinen oder betrieblichen Sicherheit oder unzureichenden Reiseunterlagen. Damit eine Nichtbeförderung jedoch tatsächlich angenommen werden kann, müssen alle drei Voraussetzungen nebeneinander gegeben sein. Das bedeutet, dass zu zunächst einer Weigerung der Beförderung des Fluggastes kommen muss. Dann darf kein vertretbarer Grund für die Verweigerung der Beförderung vorliegen. Schlussendlich müssen noch die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 der VO 261/04 vorliegen. Zu beachten ist jedoch, dass es durchaus auch Fälle von Beförderungsverweigerungen gibt, welche zulässig sind. Dazu gehören unter anderem:
• das nicht rechtzeitige Erscheinen zur Abfertigung
• Nichtbeförderung aufgrund von gesundheitlichen Gründen
• Nichtbeförderung aufgrund von Sicherheitsgründen
• Nichtbeförderung aufgrund fehlender Reiseunterlagen
• Nichtbeförderung aufgrund von einreiserechtlichen Gründen
Geregelt ist die Nichtbeförderung in Art. 4 der VO 261/04. Kommt es zu einer Nichtbeförderung dann stehen dem von der Nichtbeförderung betroffenen Fluggast laut Art. 4 Abs. 4 der VO 261/04 Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 der VO 261/04 und Unterstützungsleistungen gemäß den Artikeln 8 der VO 261/04 und 9 der VO 261/04 zu. Auch hier bemessen sich die Ausgleichszahlungen nach Entfernung und Ausmaß der Verspätung.
• Ausgleichszahlung in Höhe von 250 Euro bei einer Flugstrecke von weniger als 1.500 Kilometern
• Ausgleichszahlung in Höhe von 400 Euro bei einer Flugstrecke zwischen 1.500 und 3.500 Kilometern
• Ausgleichszahlung in Höhe von 600 Euro bei einer Flugstrecke von mehr als 3.500 Kilometern
Weiterhin kommt es zu dem Anspruch auf Unterstützungsleistungen nach Art. 8 der VO 261/04, der sich wie folgt gestaltet: • vollständige Erstattung des Flugpreises binnen 7 Tagen sowohl für noch anzutretende als auch für schon zurückgelegte Flüge, wenn diese aufgrund des Reiseplans des Fluggastes zwecklos geworden sind, sowie gegebenenfalls einen Rückflug zum Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt • oder eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt • oder vorbehaltlich verfügbarer Plätze eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes
Und der weitere Anspruch auf Unterstützungsleistungen nach Art. 9 der VO 261/04, der sich wie folgt gestaltet:
• Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit
• Hotelunterbringung und Transport zwischen Flughafen und Unterbringung
• zwei unentgeltliche Telefonate, Faxe oder E-Mails.
Auch bei einer Umbuchung kann eine Nichtbeförderung angenommen werden oder bei der Zusammenlegung von Flügen, oder bei dem Einsatz von kleineren Ersatzmaschinen oder gar bei der Nichtbeförderung von Kindern oder auch auf Mehrstreckenflügen.
Autonome Auslegung der Europäischen Flugverordnung
Die VO 261/04 ist stets autonom aus sich heraus europaweit auszulegen. Natürlich sind die Auslegungsgrundsätze der einzelnen Mitgliedstaaten zu beachten (EuGH, NJW 2002, 2696; BGH, Urt. v. 29.11.11, AZ.: XI ZR 172/11; EuGH, Urt. v. 07.12.10). Von großer Bedeutung bei der Auslegung sind nicht nur der Wortlaut der einzelnen Vorschriften der [[VO
261/04]], sondern auch die Ziele der Regelung, der systematische Zusammenhang und auch die Charta der Grundrechte der Union in Art. 16 und 17, sowie die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Gleichheit (EuGH, Urt. v. 07.09.17, Az.: C-559/16; EuGH, Urt. v. 11.05.17, Az.: C-302/16; EuGH, Urt. v. 16.11.16, Az.: C-316/15; (vgl. EuGH, Urt. v. 31.01.2013, Az.: C-12/11); EuGH, Urt. v. 19.11.09, RRa 2009, 282; EuGH, Urt. v. 22.12.08, Az.: C-549/07; EuGH, Urt. v. 10.01.06, Az.: C-344/04, EuGH, Urt. v. 26.02.13, Az.: C-617/10). Der Grundsatz des "effet utile" kommt zur Anwendung und daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass jede Norm so ausgelegt werden muss, dass es zu ihrer ganzen Wirkung kommen kann.