Flugverspätung Entschädigung prüfen

Aus PASSAGIERRECHTE
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Kommt es bei einer Flugreise zu einer Verspätung, kann Fluggästen eine Entschädigung zustehen. Ob dies der Fall ist, hängt von folgenden Kriterien ab:

Ist ein Anspruch auf Entschädigung entstanden?

Zunächst müssen einige Tatbestandsmerkmale vorliegen, damit im Falle einer Verspätung ein Anspruch auf Entschädigung - korrekterweise Ausgleichszahlung - entsteht.

Art der Verspätung

Grundsätzlich ist nur die Verspätung am Endziel für das Zustandekommen eines Anspruchs auf Ausgleichszahlung relevant. In der sogenannten "Sturgeon"-Entscheidung hat der EuGH ferner entschieden, dass diese Verspätung am Endziel mindestens drei Stunden betragen muss (EuGH, Urt. v. 19.11.09, Az.: C-402/07 und C 432/07). Ist dies der Fall muss die Verspätung als derart schwer angesehen werden, dass sie einer Annullierung gleichzustellen ist.

Anwendbarkeit der Fluggastrechteverordnung

Ob sich ein Fluggast auf die Fluggastrechteverordnung berufen kann, richtet sich gemäß Artikel 3 der Fluggastrechteverordnung nach folgendem Schema:

Abflugort in EU? Sitz der Fluggesellschaft in EU? Anspruch
Ja Ja Ja
Ja Nein Ja
Nein Ja Ja
Nein Nein Nein

Höhe der Entschädigung

Der Ausgleichsanspruch bei einer Flugverspätung von über drei Stunden wird wie folgt gestaffelt:

Entfernung Entschädigung
Bis 1500 Kilometer 250€
Bis 3500 Kilometer 400€
Mehr als 3500 Kilometer 600€

Für detaillierte Informationen siehe: Flugverspätung, Verspätung.

Liegen außergewöhnliche Umstände vor?

Selbst wenn aber ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen entstanden ist, können Fluggesellschaften von ihrer Haftung befreit werden. Dies ist gemäß Art. 5 Abs. 3 VO-EG Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung) der Fall, wenn Außergewöhnliche Umstände vorliegen.
Dies können zum Beispiel technische Defekte, Vogelschlag oder auch schlechte Wetterbedingungen sein (ausführliche Darstellung: Außergewöhnliche Umstände#Überblick außergewöhnlicher Umstände).

Wer trägt die Beweislast?

Für den Laien mag es noch möglich sein zu bestimmen ob er grundsätzlich einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen haben könnte, aber spätestens die Frage ob außergewöhnliche Umstände mit haftungsbefreiender Wirkung für die Fluggesellschaft vorliegen ist aufgrund der unübersichtlichen Fülle an Rechtsprechung wohl kaum von einem durchschnittlichen Fluggast zu bewältigen.

Vermutlich aus diesem Grund setzen nur wenige Fluggäste ihre Ansprüche gegenüber Fluggesellschaften durch: Studien haben ergeben, dass nur ca. 2% der Fluggäste mit einem Anspruch auf Entschädigung auch versuchen diesen Anspruch geltend zu machen ([1], [2]).

Beweislast in der Fluggastrechteverordnung

Tatsächlich werden Fluggäste von der Fluggastrechteverordnung in dieser Hinsicht stark begünstigt. Artikel 5 Absatz 4 der Fluggastrechteverordnung lautet:

"Die Beweislast dafür, ob und wann der Fluggast über die Annullierung des Fluges unterrichtet wurde, trägt das ausführende Luftfahrtunternehmen."

Beruft sich eine Fluggesellschaft daher auf das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände nimmt sie eine Ausnahmeregelung in Anspruch, sie muss daher auch die für diese Regelung erforderlichen Umstände beweisen. Wie bereits oben gezeigt sind Verspätungen von über drei Stunden mit einer Annullierung gleichzusetzen - auch in Fällen einer Verspätung liegt die Beweislast also bei der ensprechenden Fluggesellschaft.

Bezüglich des Umfangs dieser Beweislast muss die Fluggesellschaft sowohl das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände nachweisen, als auch darlegen, dass alle zumutbaren Maßnahmen in dieser Angelegenheit getroffen wurden.
Keineswegs kann eine Fluggesellschaft jedoch eine Forderung eines Fluggastes durch einen bloßen Verweis auf das Vorliegen Vorliegen außergewöhnlicher Umstände abtun. Vielmehr fordert die Rechtsprechung, dass alle relevanten örtlichen, zeitlichen, technischen usw. Einzelheiten detailliert dargelegt werden.

Übersicht zur Rechtsprechung

Die folgende Tabelle soll eine kurze Übersicht zu ausgewählter Rechtsprechung bereitstellen, in der es zentral um die Anforderungen an die Beweislast unter Artikel 5 der Fluggastrechteverordnung ging:

Entscheidung Sachverhalt Tenor
AG Wedding, Urt. v. 19.09.2006, Az: 14 C 672/05 Annullierung eines Fluges mit Verweis auf schlechtes Wetter
  • Bloßer Verweis auf schlechtes Wetter genügt nicht für ein Berufen auf außergewöhnliche Umstände
  • Auch Vorlegen von Wetterverlaufsplänen nicht ausreichend
  • Hingegen notwendig: Beweis, "welche konkreten Witterungsbedingungen in welchem Zeitraum wann zur Streichung [...] geführt haben"
  • ->Beweis nicht erbracht
LG Köln, Urt. v. 19.03.2008, Az: 10 S 391/06 Annulierung eines Fluges wegen defekter Beleuchtung eines Notausgangsschildes
  • Fluggesellschaft trug nicht vor, dass Defekt nicht durch zumutbare Maßnahmen hätte verhindert werden können
  • Kein Vortrag bzgl. Zeitpunkt der Feststellung des Defekts
  • Kein Vortrag bzgl. Dauer der Behebung des Defekts
  • Evtl. wäre in der Zeit zwischen zwei Flügen ausreichend Zeit gewesen, die Beleuchtung zu reparieren
  • ->Beweis nicht erbracht
AG Frankfurt a.M., Urt. v. 24.08.2006, Az: 31 C 1457/06 – 17 Annulierung eines Fluges wegen technischer Probleme
  • Bloßer Verweis auf Vorliegen technischer Probleme nicht ausreichend
  • Auch Aussage der Klägerin, dass beim Tanken Kraftstoff auslief und die Feuerwehr vor Ort war nicht als Beweis zu werten
  • "Es wäre vorzutragen gewesen, welcher Defekt im einzelnen vorlag, worauf er beruhte und wieso er weder vermieden noch durch Maßnahmen der Beklagten ausgeglichen werden konnte."
  • ->Beweis nicht erbracht