Flugverspätung 3500 Kilometer

Aus PASSAGIERRECHTE
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Begriff der Verspätung

Bei einer „großen Verspätung“ handelt es sich um eine Verzögerung des Abflugs. Der Begriff der „Verzögerung“ ist jedoch nicht in Art. 2 der Fluggastrechteverordnung definiert. Laut dem Wortlaut des Art. 8 der Fluggastrechteverordnung ist jedoch auf den „Abflug“ abzustellen. Somit ist ein Flug nach Art. 6 der Fluggastrechteverordnung als verzögert anzusehen, wenn sein Beginn nach dem in der Buchung vorgesehenen Zeitpunkt stattfindet. Dies ist die sogenannte „Abflugverspätung“. Bei einer großen Verspätung steht dem betroffenen Fluggast nach Art. 6 der Fluggastrechteverordnung ein Anspruch auf gestaffelte Unterstützungs- und Betreuungsleistungen nach Art. 8 der Fluggastrechteverordnung zu. Dem Wortlaut des Art. 8 der Fluggastrechteverordnung zu Folge besteht für die betroffenen Fluggäste jedoch kein Anspruch auf Ausgleichszahlungen nach Art. 7 der Fluggastrechteverordnung. Durch den EuGH wurde ein solcher Anspruch für eine verspätete Ankunft jedoch rechtsfortbildend zuerkannt. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass es zu einer Verzögerung der Ankunft von mindestens drei Stunden am Endziel kommt. Große Probleme bereitet früher die Abgrenzung der Verspätung von der Annullierung. Nun existiert eine gängige Kurzformel: Bei einer Annullierung fällt der geplante Flug aus und bei einer großen Verspätung wird der Flug jedoch nach Maßgabe der ursprünglichen Planung weiterhin erfolgen.

Voraussetzungen für eine fluggastrechtlich relevante Abflugverspätung

Um eine Verspätung im Sinne des Art. 6 der Fluggastrechteverordnung annehmen zu können, muss eine Verzögerung des Abflugs von mindestens zwei Stunden gegeben sein. Erst dann kann man eine in zeitlicher Hinsicht „große Verspätung“ im Sinne des offiziellen Titels der Fluggastrechteverordnung. Geringfügige Abflugverspätungen sollen fluggastrechtlich irrelevant bleiben.

Prognoseentscheidung bei Verspätung

Wichtig ist, dass eine solche Verspätung „nach vernünftigem Ermessen absehbar“ sein muss. Absehbar für das ausführende Luftfahrtunternehmen. Wird durch eine Prognose im Vorfeld des regulären Flugantritts deutlich, dass es zu einer Mindestverspätung von zwei Stunden kommen wird, dann gelten die Fluggastrechte ab dem Zeitpunkt der „Absehbarkeit“. Es ist demnach nicht ausschlaggebend, dass erst tatsächlich die Verspätungsdauer von zwei Stunden erreicht ist. Die Fluggastrechte finden bereits dann Anwendung, wenn sich die Prognose ex post als falsch erweisen sollte. Laut der Formulierung „nach vernünftigem Ermessen absehbar“ sollen auch die wirtschaftlichen und zeitlichen Ressourcen der konkret ausführenden Airline Berücksichtigung finden. Das bedeutet so viel, wie das kein unverhältnismäßiger Aufwand zu betreiben ist. Hilfreich könnten jedoch erschwingliche technische Applikationen sein. So werden sich in naher Zukunft „künstlich intelligente“ Flight-Services, wie Google Flights auf die Prognoseentscheidungen auswirken können. Durch selbsterlernte Algorithmen wird eine neue Funktion verfügbar sein, welche mit einer 80 % Wahrscheinlichkeit verspätete Flüge anzeigen kann.

Streckenstaffelung im Falle einer Verspätung

Liegt die zeitliche Mindestvoraussetzung von zwei Stunden als Prognoseentscheidung vor, dann ist der Tatbestand der Verzögerung erfüllt, wenn die Distanz der Flugstrecke maximal 3.500 km beträgt (Art. 6 Abs. 1 lit. a der Fluggastrechteverordnung – Kurzstrecke). Bei einer Entfernung zwischen 1.500 und 3.500 km und bei allen „innergemeinschaftlichen Flügen“, deren Distanz mehr als 1.500 km beträgt, können erst dann als verspätet eingestuft werden, wenn der Abflug eine Verzögerung von mindestens drei Stunden aufweist (Art. 6, Abs. 1 lit. b der Fluggastrechteverordnung-Mittelstreckenflüge). Alle anderen Flüge, also außergemeinschaftliche Flüge mit einer Flugdistanz von 3.500 km sind ab einem von vier Stunden verzögerten Abflug als verspätet einzustufen (Art. 6 Abs. 1 lit. c der Fluggastrechteverordnung – Langstreckenflug). Es gilt also die folgende übergreifende Formel: Je geringer die Entfernung, desto eher entfalten die Fluggastrechte ihre Wirkung. Die Anspruchsinhalte erhöhen sich mit der zeitlichen Dauer der Verzögerung. Unabhängig von den Distanzen der lit. a-c hat der Fluggast laut Art. 6 Abs. 1 lit. iii ab einer fünfstündigen Verspätung einen Anspruch auf Unterstützungsleistungen nach Art. 8 Abs. 1 lit. a der Fluggastrechteverordnung. Hier steht jedoch nicht die Verspätungsprognose, sondern die wahre Abflugverspätung in Rede. Bei einer Flugverspätung von mindestens drei Stunden, kann dem Fluggast bei einer Flugdistanz von über 3.500 Kilometern die höchst mögliche Ausgleichszahlung zustehen in Höhe von 600 Euro.

Relevanz des Abflugbegriffes bei einer Verspätung

Der Abflug liegt dann vor, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, dass das Flugzeug sich komplett in der Luft befindet. Schon begrifflich setzt ein Abflug einen Flugmoment voraus. Damit ist weder das Entfernen der Bremsklötze, noch das Verlassen der Parkbucht, noch das Rollen auf dem Abflugfeld als Abflug im Sinne der Norm anzusehen. Wird der Startvorgang eingeleitet, dann jedoch abgebrochen, dann kommt es somit nicht zu einem pünktlichen Start des Fluges. Es bedarf jedoch nicht nur des vollständigen Abhebens, sondern das Abheben muss sich endgültig in Richtung auf den Zielflughafen darstellen. Ist das Flugzeug schon in der Luft und muss jedoch wegen technischen Gründen wieder umkehren, dann ist auch noch kein Abflug im Sinne des Art. 6 der Fluggastrechteverordnung gegeben. Auf die verspätete Ankunft kommt es für den Tatbestand des Art. 6 der Fluggastrechteverordnung nicht an. Kommt es zu einem verspäteten Abflug aber dennoch zu einer pünktlichen Ankunft, dann muss Art. 6 der Fluggastrechteverordnung keine Anwendung finden.

Ansprüche ausweislich des Wortlauts von Art. 6 der Fluggastrechteverordnung bei Verspätung

Laut dem Wortlaut stehen dem Fluggast keine Ausgleichszahlungen nach Art. 7 der Fluggastrechteverordnung zu. Stattdessen wird dem Fluggast durch Art. 6 der Fluggastrechteverordnung ein Anspruch auf unentgeltliche Mahlzeiten und Erfrischungen nach Art. 9 Abs. 1 lit. a der Fluggastrechteverordnung zugesprochen. Weiterhin steht dem Fluggast nach Art. 9 Abs. 2 der Fluggastrechteverordnung ein Anspruch auf zwei Telefonate, Telexe, Telefaxe oder E-Mails zu. Verzögert sich der Abflug auf den tag nach der angekündigten Flugzeit, dann schuldet das ausführende Luftfahrtunternehmen eine Hotelunterbringung und die Beförderung vom Flughafen zum Hotel und vice versa (Art. 9 Abs. 1 lit. b,c der Fluggastrechteverordnung. Kommt es zu einer Abflugverspätung von mindestens fünf Stunden, dann hat der Fluggast laut dem Art. 8 Abs. 1 lit. a der Fluggastrechteverordnung die Wahl zwischen der vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten und einem frühestmöglichen Rückflug zum ersten Abflugort (Art. 6 Abs. 1 lit. iii der Fluggastrechteverordnung. Seit dem Sturgeon Urteil (Urt. v. 19.11.09, Rs. C-402/07) des EuGH sind Ausgleichszahlungen im Falle ab einer Verspätung von drei Stunden jedoch rechtsfortbildend zu leisten.

Problematik Zubringer- und Anschlussflug bei Verspätung

Erfolgte eine gemeinsame Buchung des Zubringer- und Anschlussfluges im Sinne einer Flugreise, dann kommt es zu der Problematik, ob bei einer Unterbrechung des Fluges immer noch von einem Flug auszugehen ist oder dann mehrere Flüge anzunehmen sind. Diese Problematik ist in der Fluggastrechteverordnung nicht geregelt. Diese Bestimmung erlangt Wichtigkeit sowohl für die Bestimmung des ausführenden Luftfahrtunternehmens, als auch für die Berechnung der Flugstrecke der Ausgleichszahlung. Für diese Bestimmung muss zwischen verschiedenen Fallkonstellationen unterschieden werden. Durch den BGH wird die Auffassung, dass auf jeden einzelnen Flug anzustellen ist. Das soll selbst dann so gehandhabt werden, wenn alle Flüge von dem gleichen Luftfahrtunternehmen ausgeführt werden und als Anschlussverbindungen zusammen gebucht werden. Laut dem BGH muss der Begriff des Fluges aus dem Sinn und Zweck der Fluggastrechteverordnung entnommen werden und vor allem aus den Vorschriften, die diesen Begriff verwenden. Bei der Bestimmung des Begriffes „Flug“ ist es nicht von Bedeutung, dass der Erst- und Folgeflug Teil eines Beförderungsvertrages sind und gemeinsam gebucht wurden. Das geht daraus hervor, dass die Fluggastrechteverordnung sich auf die Gesamtheit der Fluggäste eines Fluges bezieht, welcher von einem bestimmten Luftfahrtunternehmen auf einer bestimmten Flugroute durchgeführt wird und mit welchem die Fluggäste von einem Flughafen zu einem anderen Flughafen befördert werden. So entschied der BGH in seiner Entscheidung (Az.: Xa ZR 113/08) vom 28.05.09, dass bei einem Flug von Frankfurt a.M. nach Phönix (USA) und der Kombination, dass der erste Flug bis nach Washington D.C. (ausgeführt durch die Lufthansa) und der Weiterflug zum Endziel Phönix durch den Code-Share Partner United Airlines nicht in den Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung fällt. In diesem Fall kam es zu einer geringen Flugverspätung und dadurch dazu, dass der Anschlussflug nicht wahrgenommen werden konnte. Der BGH stuft den gebuchten Weiterflug mit einem anderen ausführenden Luftfahrtunternehmen (und vertraglichen Code-Share-Partner) nach dem Umsteigen als einen neuen inneramerikanischen Flug in einem Drittstaat ein und versagt somit die Anwendung der Fluggastrechteverordnung.

Problematik Zwischenlandung ohne Wechsel des Flugzeuges

Bei einem „Direkt-Flug“, welcher eine Zwischenlandung einlegt, jedoch ohne den Wechsel des Flugzeuges und welcher durch ein Luftfahrtunternehmen unter einer einheitlichen Flugnummer ausgeführt wird und bei dem die Zwischenlandung nur aus „technischen Gründen“ erfolgt, wie z.B. einem Tankstopp, ist als Flug im Rahmen des Art. 3 der Fluggastrechteverordnung über die komplette Strecke wie z.B. Frankfurt a.M. nach Dubai (Zwischenlandung) und Bangkok zu verstehen und damit der räumliche Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung eröffnet. In diese Fall ist davon auszugehen, dass der Flug an dem Flughafen angetreten wurde, an dem der erste Zustieg erfolgt ist und damit im vorliegenden Beispiel in Frankfurt a.M.. Die Zwischenlandung beruht in diesem Fall ausschließlich auf wirtschaftlichen oder technischen Gründen und der Weiterflug nach der Zwischenlandung ist als Teil des bereits angetretenen Fluges anzusehen. Für die Anwendbarkeit der Fluggastrechteverordnung ist im Falle einer Nichtbeförderung, Flugannullierung und großen Verspätung des Weiterfluges der erste Abflugort ausschlaggebend. Von einem Direktflug ist auch dann auszugehen, wenn bei einem Zwischenstopp ohne das ein Wechsel des Flugzeugs und des ausführenden Luftfahrtunternehmens erfolgt und kurzzeitig Fluggäste aus und wieder in die gleiche Maschine einsteigen. Dass soll einem Missbrauch durch das Luftfahrtunternehmen vorbeugen und auch dem Schutzbedürfnis des Fluggastes diesen. Die Fluggastrechteverordnung findet demnach für die gesamte Flugstrecke Anwendung, auch wenn das [[Flugzeug durch die Fluggäste in einem Drittstaat für kurze Zeit verlassen wird.

Problematik Zwischenlandung mit Wechsel des Flugzeuges

Zwar vertritt der EuGH die Ansicht, dass bei einem einheitlich gebuchten Hin- und Rückflug von getrennten Flügen auszugehen ist, jedoch ist eindeutig geklärt, dass der Art. 3 I a VO so auszulegen ist, dass die Fluggastrechteverordnung auch für Flugbeförderungen Anwendung findet, die wegen einer einheitlichen Buchung vorliegt und eine planmäßige Zwischenlandung in einem Drittstaat zwischen dem Abflug in der EU und der Ankunft in einem Drittstaat erfolgt ist. Davon ist auch ein Wechsel des Fluggerätes umfasst. Liegt ein direkter Anschlussflug vor, welcher durch das gleiche EU- Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, dann steht dem Fluggast im Falle einer Annullierung, großen Verspätung oder einer Nichtbeförderung am Umsteigeflughafen nicht nur im Gebiet der EU ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen zu, sondern auch dann, wenn der Umsteigeflughafen der letzte Zielort außerhalb des Gebietes der EU liegt. Durch den EuGH wurde am 07.09.17 bestätigt, dass bei zwei aufeinander folgenden Flügen, der zweite Flug als unmittelbarer direkter Anschlussflug ist und der Zielort des Anschlussfluges das Endziel ist.

Die spielt vor allem bei der Berechnung der Höhe der Ausgleichsleistung eine Rolle, da bei direkten Anschlussflügen die Berechnung der Streckenentfernung vom Startflughafen bis zum Zielflughafen des Anschlussfluges berechnet wird. Da der Flughafen des ersten Fluges nur als Zwischenlandeort fungiert, ist dieser nicht zu berücksichtigen bei einer Ankunftsverspätung von mindesten drei Stunden am Endziel. Somit kommt den Fluggästen eines verspäteten Fluges nur dann ein Ausgleichsanspruch zu, wenn sie aufgrund der Verspätung ihr individuelles Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreichen. Das isst auch dann der Fall, wenn es zu einer verspäteten Ankunft am Endziel kommt, weil ein selbst nicht in den Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung fallender oder ein selbst nicht verspäteter Anschlussflug nicht geschafft wird. Die Auslegung des Art. 7 I der Fluggastrechteverordnung muss so erfolgen, dass durch den Begriff der „Entfernung“ im Fall von Flugverbindungen mit Anschlussflügen nur die Entfernung zwischen dem Ort des ersten Abflugs und dem Endziel umfasst wird, welche nach der Großkreismethode zu ermitteln ist, unabhängig welche Flugstrecke wirklich zurückgelegt wurde. Auch durch den BGH wird bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs eines Fluggastes für die Annullierung eines Fluges nicht nur auf den Zielort des annullierten Fluges abgestellt. Sondern der Zielort des direkten Anschlussfluges findet auch Berücksichtigung, solange der Fluggast aufgrund der Annullierung sein Ziel verspätet erreicht. Richtet man sich nach dem Sinn und Zweck der Fluggastrechteverordnung, dann sprechen die einzelnen Flugabschnitte dafür, die Flugreise als „einen Flug“ zu betrachten, denn der anfängliche Abflugort liegt in der EU und alle Teilstrecken werden durch ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft bedient.

In seinem Urteil vom 31.05.18 wurde durch den EuGH klargestellt, dass die Fluggastrechteverordnung auch für eine Fluggastbeförderung Anwendung findet, bei der der Weiterflug durch ein [[Luftfahrtunternehmen eines Drittstaates erfolgt. Voraussetzung ist, dass eine einheitliche Buchung vorliegt und zwischen dem Abflugort von einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats (hier Berlin) und der Ankunft auf dem Flughafen im Gebiet eines Drittstaates (Agadir) eine planmäßige Zwischenlandung außerhalb der EU (hier Casablanca) mit einem Wechsel des Fluggeräts beinhaltet. Aufgrund der einheitlichen Buchung sind beide Flüge als Gesamtheit im Sinne eines Beförderungsvorgangs einzustufen. Laut dem EuGH ist es unerheblich, ob der Anschlussflug durch ein anderes Fluggerät vorgenommen wurde, denn die Fluggastrechteverordnung enthält dazu keine weiteren Ausführungen.

Siehe auch