Flugzeugenteisung

Aus PASSAGIERRECHTE
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Enteisung ist die Entfernung von Eis, Schnee oder Frost von einer Oberfläche. Dabei wird Einfrierschutz in Form von Chemikalien aufgetragen, um sowohl die Eisbelagerung zu entfernen, als auch erneute Vereisung zu vermeiden.
Eisschutzsysteme wurden entwickelt, um Ansammlung vom atmosphärischen Eis auf der Oberfläche des Flugzeuges zu vermeiden. Die Vereisung des Flugzeuges erschwert sein Gewicht, wodurch das Flugzeug mehr Treibstoff braucht, als normal und kann wichtige Steuerungssysteme stören bis hin zum vollen Verlust der Kontrolle über das Flugzeug.
Die Verfahren zur Entfernung vom bereits angesammelten Eis nennen sich De-icing. Maßnahmen, bei denen die Neubildung von Eis verhindert werden soll, nennt man Anti-Icing.

Methoden

Gummimatten

Eine Gummimatte besteht aus einer dicken Membran aus Gummi, die über der Oberfläche angebracht wird, die vor Vereisung geschützt werden muss. Wenn auf der Oberfläche sich Eis bildet, wird die Gummimatte durch ein pneumatisches System mit gepresster Luft aufgeblasen. Die Veränderung in der Größe bricht jede Eisansammlung und das Eis wird mit der Umgebungsluft weggetragen. Die Matten werden wieder auf ihre normale Größe verkleinert.
Die Gummimembranen müssen einmal in 2-3 Jahren ausgewechselt werden. Sie müssen auch vor jedem Flug überprüft werden, da entweichende Luft die Wirksamkeit des Systems verringert.

Elektrothermische Systeme

Elektrothermische System nutzen Widerstandsschaltung im Rumpf des Flugzeuges, um Wärme zu erzeugen, wenn Strom produziert wird. Die Wärme kann kontinuierlich produziert werden, um das Flugzeug vor Vereisung zu schützen, oder periodisch, um das angesammelte Eis von den wichtigen Oberflächen zu entfernen. Die periodische Aktivierung des Systems wird wegen geringeren Stromverbrauches bevorzugt.
Die Boeing 787 Dreamliner ist ein Beispiel für die kommerzielle Verwendung des elektrothermischen Eisschutzsystems. Das System soll nur die Hälfte des Stromes verbrauchen, den eine Zapfluftanlage benötigt.

Thermawing ist ein elektrisches Eisschutzsystem, das für die allgemeine Luftfahrt entwickelt wurde. Thermawing setzt eine flexible, elektrisch leitende Graphitfolie, die auf die Flügelvorderkante angebracht wird. Elektroheizgeräte erwärmen die Folie und schmelzen das Eis.

Ein neuer Vorschlag verwendet Rußpartikeln, die aus Kohlenstoffnanoröhren hergestellt sind. Ein dünner Faden wird auf einer Wickelmaschine gesponnen, um eine 10 Mikrometer dicke Folie, was einem A4-Blatt äquivalent ist, zu erstellen. Die Folie ist aufgrund von Luftspalten zwischen den Nanoröhrchen ein schlechter elektrischer Leiter. Stattdessen manifestiert sich Strom in einer nahezu sofortigen Temperaturerhöhung. Es erhitzt sich doppelt so schnell wie Nichrom – das Heizelement für die Enteisung während des Fluges, verwendet halb so viel Energie bei einem Zehntausendstel des Gewichtes. Die benötigte Menge, um die Tragflächen eines Jumbo-Jets abzudecken, beläuft sich auf 80 Gramm. Die Materialkosten betragen 1% der Kosten für Nichrom. Aerogel-Heizelemente können auf niedriger Leistung weiterhin angelassen werden, um die Bildung von Eis zu verhindern.

Zapfluftanlage

Ein Zapfluftsystem wird von den meisten größeren Jets verwendet, um die Temperatur der Flugzeugoberflächen oberhalb des Wassergefrierpunktes zu halten. Die heiße Luft aus den Triebwerken wird in die Piccolo-Röhre in den Tragflächen, Leitwerken und Triebwerkseinlässen geblasen. Die verbrauchte Luft entweicht durch Löcher in den unteren Oberflächen der Tragflächen.

Elektromechanische Methoden

Elektromechanisches Enteisungssystem EMEDS (Electro-mechanical Expulsion Deicing Systems) setzt mechanische Kraft ein, um das Eis von der Oberfläche des Flugzeuges zu klopfen. Üblicherweise werden Aktoren unterhalb der Verkleidung installiert. Der Aktor bewegt sich und induziert eine Schockwelle in der geschützten Oberfläche, um das Eis zu entfernen.
Hybride elektromechanische Systeme kombinieren EMEDS mit elektrischer Beheizung. Die Hitze verhindert die Neubildung von Eis an der Vorderkante der Tragflächen und die Aktoren des EMEDS entfernen das Eis, das sich hinter dem beheizten Bereich der Tragflächen bildet.

TKS Eisschutz

Der Eisschutz der britischen Firma TKS ist eine Technologie, bei der eine glykolhaltige Flüssigkeit auf die Flügeloberflächen aufgetragen wird und so entweder die Bildung des Eises nicht zulässt oder die Bindungen in der bestehenden Eisstruktur bricht und es so entfernt. Das System wurde während des Zweiten Weltkrieges in Großbritannien entwickelt.

Passive Systeme

Passive Systeme basieren auf dem Einsatz von hydrophoben Oberflächen. Entsprechend hergestellte Textilien, die durch eine hohe Wasserbeständigkeit und einen natürlichen Selbstreinigungseffekt gekennzeichnet sind, können wasserabweisend sein und so die Eisbildung beseitigen.

Flugunfälle wegen Vereisung haben eine Kombination von Ursachen:

  • Erhöhtes Gewicht
  • Erhöhter Luftwiderstand
  • Abnahme oder Verlust des Antriebs
  • Verlust der Schubkraft
  • Energieverlust durch Ansaugen von Induktionseis

Eisbildung auf verschiedenen Flügeloberflächen verändert sich die Umströmung der Tragflächen und kann einen negativen Einfluss auf ihre aerodynamische Eigenschaften nehmen. Der primäre und induzierte Widerstand kann zunehmen, die Schubkraft nimmt ab. Es kann zu einem Strömungsabriss und im schlimmsten Fall zu einem Absturz kommen. Sowohl der Verlust der Schubkraft als auch das erhöhte Gewicht werden den Piloten dazu veranlassen, unter einem höheren Anstellwinkel zu fliegen. Wenn der kritische Anstellwinkel überschritten wird, kommt es zu einem Strömungsabriss. Dies kann bei jeder Fluggeschwindigkeit und jeder Flughöhe passieren.

Enteisungsflüssigkeit

Es gibt mehrere Arten von Enteisungsflüssigkeiten, die in zwei Kategorien unterteilt werden können:

  • Flüssigkeiten zum Enteisen – erhitztes Glykol mit Wasser (auch Newtonsches Fluid)
  • Anti-icing-Flüssigkeiten – nicht erhitzte, unverdünnte Glykolflüssigkeiten, die die Neubildung von Eis verhindern

Anti-icing-Flüssigkeiten gewährleisten einen nachhaltigen Schutz gegen erneute Ablagerung von Eis, während das Flugzeug sich auf dem Boden befindet. Wenn das Flugzeug zum Starten auf dem Rollfeld rollt und sich beschleunigt, verändert sich die Rheologie des Fluides und es wird wesentlich dünner. Es bleibt eine dünne glatte Schicht auf der Oberfläche des Flugzeuges, die die aerodynamischen Eigenschaften des Flugkörpers nicht stört. In einigen Fällen werden beide Arten der Flüssigkeiten aufgetragen – zuerst das erhitzte Glykol-Wasser-Gemisch, um Ablagerungen und Verunreinigungen zu entfernen, danach die dickflüssige Glykol-Flüssigkeit, damit sich kein neues Eis vor dem Abflug bilden kann. Dies nennt man ein zweistufiges Verfahren.

Enteisungsflüssigkeiten auf Methanol-Basis werden seit Jahren eingesetzt, um Tragflächen und Leitwerke von kleinen bis mittelgroßen Flugzeugen zu bearbeiten. Methanol kann nur Frost und leichtes Grundeis vor dem Flug entfernen.

Monoethylene, Diethylene und Propylenglykole sind nicht entflammbare Erdölprodukte. Ähnliche Produkte sind üblicherweise in Automobilkühlsystemen vorzufinden. Glykol hat sehr gute Enteisungseigenschaften, es wird üblicherweise verdünnt mit Wasser und auf 35 °C aufgetragen. Die Flüssigkeit wird üblicherweise gefärbt, damit man sofort erkennen kann, dass das Flugzeug enteist wurde.

Propylenglykol kann das Trinkwasser verunreinigen und Wasserorganismen schädigen. Einige Flughäfen fangen die abfließende Enteisungsflüssigkeit ab und behandeln sie vor der Entsorgung.

Andere

Vereisung von rotierenden Flächen

Eis kann sich auch an den Rotorblättern von Hubschraubern und Flugzeugpropellern ansammeln. Die Ansammlung verursacht Gewichtszuwachs und aerodynamisches Ungleichgewicht, die durch die rasche Drehung der Propeller oder Rotor verstärkt werden.

Vereisung von Triebwerkeinlässen

Vereisungen an der Vorderkante eines Triebwerkeinlasses verursacht Strömungsprobleme und kann zum Ansaugen des Eises führen. In Turbofan-Triebwerken ist eine laminare Luftströmung auf der Vorderseite des Gebläses erforderlich. Aus diesem Grund sind die meisten Schutzeinrichtungen für Triebwerke Anti-icing-Systeme, d. h. sie verhindern die Bildung von Eis.

Flugunfälle aufgrund von Vereisung

  • Der Flug Flight 5925 der North Pacific Airlines stürzte auf dem Weg von Seattle nach Pasco kurz vor der Landebahn ab und tötete sechs Menschen. Die Ursachen waren ein übermäßig steiler und nicht stabilisierter Instrumentenanflug, unsachgemäße Befehle der Flugverkehrskontrolle sowie die Vereisung des Flugzeuges, die in einem Strömungsabriss resultierte.
  • Am 27. Dezember 1991 stürzte die McDonnell Douglas MD-81 der Scandinavian Airlines auf dem Weg von Stockholm nach Warschau in der Nähe vom schwedischen Gottröra ab. Das Flugzeug hatte vom Vorflug am Abend zuvor noch über 2.000 Kilogramm sehr kalten Treibstoff in den Flügeltanks. Es wurde regulär enteist, jedoch nicht weiter überprüft. Beim Start gelangten Eisstückchen in die Triebwerke und behinderten den Luftstrom, welcher einen Strömungsabriss in den Triebwerken (compressor stall) auslöste. Durch die Überspannung versagten schließlich beide Triebwerke. Alle Passagiere sowie Besatzungsmitglieder überlebten die Katastrophe, weswegen der Unfall in den Medien als „das Wunder von Gottröra“ bezeichnet wurde.
  • Der Comair-Flug 3272 stürzte am 9. Januar 1997 aufgrund von vereisten Auftriebsflächen ab und forderte 29 Menschenleben.
  • Der Aero Carribbean Flug 883 war mit 61 Passagieren und 7 Besatzungsmitgliedern an Bord unterwegs von Port-au-Prince nach Havanna. Es stürzte in der Nähe der Provinz Sancti Spíritus aufgrund von starker Vereisung im Zusammenhang mit falschen Entscheidungen der Crew ab. Alle 68 Insassen wurden getötet.

Rechtliches

Insbesondere bei schweren Schneefällen, welche allein den Flughafenbetrieb stark beeinträchtigen können, kann es durch die Notwendigkeit, Flugzeuge mehrfach zu enteisen zu Flugverspätungen kommen. Wenn das Flugzeug mit der Enteisungsflüssigkeit bearbeitet wurde, muss es schnell abheben. Kommt es aufgrund von Verzögerungen im Betrieb zu einem Rückstau vor der Startbahn, kann eine erneute Enteisung erforderlich sein. Starke Schneefälle gehören in der Regel zu außergewöhnlichen Umständen.

Siehe auch

Urteile und Rechtsprechung