Start- und Flugabbruch

Aus PASSAGIERRECHTE
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Vorbemerkung

Für die von einem Start- bzw. Flugabbruch betroffenen Fluggäste, handelt es sich dabei in den meisten Fällen um ein einschneidendes und verunsicherndes Erlebnis.

Drei Konstellationen des Start- und Flugabbruches

Es gibt grundsätzlich drei Konstellationen im Zusammenhang mit dem Start- und Flugabbruch, die gleichzeitig als Annullierung eingestuft werden. Die erste Konstellation stellt den Fall dar, in dem der Beförderungsvorgang nach dem Schließen der Flugzeugtüren nicht fortgesetzt wird (LG Frankfurt a.M., Urteil vom 22.Juni 2011, Az.: C-151/11). Die zweite Konstellation befasst sich mit der Situation, in der der Startvorgang abgebrochen werden muss. Und die dritte Situation ist die, in der das Flugzeug gezwungen ist, nach dem Start den Flug abzubrechen und zum Ausgangsflughafen zurückkehren muss.

Der Start- bzw. Flugabbruch als Annullierung

Einstufung als Annullierung

Eine Annullierung ist nicht nur dann anzunehmen, wenn das Flugzeug gar nicht startet, sondern auch dann, wenn das Flugzeug von der Startbahn abhebt, jedoch danach, aus welchen Gründen auch immer, wieder zum Ausgangsflughafen zurückkehren muss und die Fluggäste aus diesem Grund auf andere Flüge umgebucht werden müssen. In solchen Fällen sollte stets die individuelle Situation eines jeden Fluggastes beachtet werden, da nicht bei allen Fluggästen, die den abgebrochenen Flug gebucht hatten, die Notwendigkeit besteht, diese mit einem anderen Flug zu befördern. Ein Flugabbruch ist also als Annullierung i.S.v. Art. 2 lit. l einzustufen, wenn die anfängliche Flugplanung durch das ausführende Luftfahrtunternehmen endgültig aufgegeben wird bzw. wenn der Flug nach einer nicht planmäßigen Zwischenlandung fortgesetzt wird und das vielleicht sogar mit einer Verspätung.

Die Flugroute als entscheidendes Element

Zurückzuführen ist dies auf die Flugroute, welche ein wesentliches Element des Fluges darstellt und die Strecke aufzeigt, die ein Flugzeug vom Ausgangsflughafen zum Bestimmungsflughafen in einer festgelegten Abfolge durchzuführen hat. Ein Flug kann nur dann als durchgeführt angesehen werden, wenn er nach seinem Start auch den nach seiner Flugroute vorgesehenen Bestimmungsort erreicht. Der alleinige Start eines Flugzeuges im Einklang mit der Flugroute ist nicht ausreichend. Diese Auslegung kommt dem Wortsinn „Durchführung eines Fluges“ am nächsten.

Bedeutung des Grundes für den Start-bzw. Flugabbruch

Der Rechtsprechung zufolge ist der Grund des Umkehrens nicht von Bedeutung. Aus diesem Grund sind sämtliche Fälle des Startabbruchs als Annullierung einzustufen, sofern es überhaupt zu einem Start, also einem Abheben gekommen ist. Am wichtigsten ist vielmehr, dass das Flugzeug den nach der anfänglichen Flugroute vorgesehenen Bestimmungsort nicht erreicht hat. Man kann also durchaus von einer „faktischen Annullierung“ ausgehen, wenn der Flug sein Endziel nicht erreicht, sondern nur bis zu einem Ausweichflughafen durchgeführt wird. Aus welchem Grund ein Flug abgebrochen wird, spielt für die Einstufung des Flugabbruchs als Annullierung keine Rolle. Dies könnte nur für das ausführende Luftfahrtunternehmen von Bedeutung sein, im Hinblick auf dessen Entlastung nach Art. 5 Abs. 3 der EG-Verordnung 261/2004. Obwohl wohl davon auszugehen ist, dass kein Pilot freiwillig einen Flugabbruch einleiten würde ohne Not.

Ausnahmen der Annullierung bei einem Start-bzw. Flugabbruch

Umgekehrt könnte man in Erwägung ziehen, diejenigen Fälle von der Annullierung auszuschließen, bei denen das Flugzeug zwar nicht an den Startflughafen zurückkehrt, jedoch auf der Strecke zwischen dem Ausgangsflughafen und dem Bestimmungsflughafen eine technisch bedingte Zwischenlandung vornehmen muss und die Passagiere dann jedoch mit der gleichen aber nun reparierten Maschine bis zu ihrem Endziel befördert werden. Der gleiche Fall ist gegeben, wenn eine notwendige Reparatur kurz nach dem Abheben am Startflughafen vorgenommen wird und dasselbe Flugzeug mit einer gewissen Verzögerung erneut startet. Zu beachten bleibt jedoch die Entlastungsmöglichkeit für das ausführende Luftfahrtunternehmen nach Art. 5 Abs. 3 der EG-Verordnung 261/2004. Diese bleibt in allen Fällen unberührt.

Relevante Gerichtsentscheidungen

LG Frankfurt, Urt. v. 29.11.2011, Az.: 2-24 S 130/11

Auch bei einem angebrochenen Startversuch kann der Fluggast einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen haben. Hat der Flug eine Verspätung und erreicht der betroffene Fluggast aus diesem Grund seinen gewünschten Zielort nicht rechtzeitig, dann ist es für die Geltendmachung des Anspruchs auf Ausgleichszahlungen irrelevant, ob die Maschine bereits einmal gestartet ist.

http://reise-recht-wiki.de/ersuchen-einer-vorabentscheidung-zum-start-bzw-startabbruch-urteil-az-2-24-s-108-10-lg-frankfurt.html

AG Köln, Urt. v. 16.06.2016, Az.: 124 C 506/15

Kommt es bei einem Flug zu einem Startabbruch, welcher auf einem außergewöhnlichen Umstand beruht und führt dieser zu einer Verspätung, dann muss das Luftfahrtunternehmen keine Ausgleichszahlungen an den betroffenen Fluggast leisten.

http://reise-recht-wiki.de/aussergewoehnlicher-umstand-durch-von-aussen-wirkende-kraefte-beim-startvorgang-urteil-az-124-c-506-15-ag-koeln.html

AG Köln, Urt. v. 24.04.2017, Az: 142 C 517/15

Im vorliegenden Fall ist es zwar zu einem Startabbruch gekommen, jedoch basierte dieser nicht auf einem außergewöhnlichen Umstand und aus diesem Grund ist das ausführende Luftfahrtunternehmen dazu verpflichtet dem Fluggast Ausgleichszahlungen für die Verspätung des Fluges zu leisten.

http://reise-recht-wiki.de/startabbruch-wegen-wirbelschleppen-des-zuvor-gestarteten-flugzeuges-urteil-az-142-c-517-15-ag-koeln.html

EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Az.: C-83/10

Eine Annullierung ist nicht nur dann anzunehmen, wenn das Flugzeug gar nicht startet, sondern auch dann, wenn es zwar von der Startbahn abhebt, aber anschließend, aus welchen Gründen auch immer, zum Ausgangsflughafen zurückkehren muss und die Fluggäste auf andere Flüge umgebucht werden müssen

LG Hamburg, Urt. v. 25.2.2011, Az.: 332 S 104/10

Da der Grund des Umkehrens nicht relevant ist, dürften sämtliche Fälle des Startabbruchs von der Annullierung erfasst sein, sofern überhaupt ein Start, also ein Abheben, vorlag.

Siehe auch

Annullierung

Flug

Flugzeug

Fluggast

Verspätung