Was kann ich bei einer Flugverspätung tun?

Aus PASSAGIERRECHTE
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Begriff der Verspätung

Unter einer „großen Verspätung“ ist eine Verzögerung des Abflugs zu verstehen. Der Begriff der „Verzögerung“ ist jedoch nicht in Art. 2 der Fluggastrechteverordnung definiert. Laut dem Wortlaut des Art. 8 der Fluggastrechteverordnung ist jedoch auf den „Abflug“ abzustellen. Somit ist ein Flug nach Art. 6 der Fluggastrechteverordnung als verzögert anzusehen, wenn sein Beginn nach dem in der Buchung vorgesehenen Zeitpunkt stattfindet. Dies ist die sogenannte „Abflugverspätung“.

Voraussetzungen für eine fluggastrechtlich relevante Abflugverspätung

Damit eine Verspätung im Sinne des Art. 6 der Fluggastrechteverordnung angenommen werden kann, muss eine Verzögerung des Abflugs von mindestens zwei Stunden gegeben sein. Erst dann kann man eine in zeitlicher Hinsicht „große Verspätung“ im Sinne des offiziellen Titels der Fluggastrechteverordnung. Geringfügige Abflugverspätungen sollen fluggastrechtlich irrelevant bleiben. Wichtig ist, dass eine solche Verspätung „nach vernünftigem Ermessen absehbar“ sein muss. Absehbar für das ausführende Luftfahrtunternehmen. Wird durch eine Prognose im Vorfeld des regulären Flugantritts deutlich, dass es zu einer Mindestverspätung von zwei Stunden kommen wird, dann gelten die Fluggastrechte ab dem Zeitpunkt der „Absehbarkeit“. Es ist demnach nicht ausschlaggebend, dass erst tatsächlich die Verspätungsdauer von zwei Stunden erreicht ist. Die Fluggastrechte finden bereits dann Anwendung, wenn sich die Prognose ex post als falsch erweisen sollte. Laut der Formulierung „nach vernünftigem Ermessen absehbar“ sollen auch die wirtschaftlichen und zeitlichen Ressourcen der konkret ausführenden Airline Berücksichtigung finden. Das bedeutet so viel, wie das kein unverhältnismäßiger Aufwand zu betreiben ist. Hilfreich könnten jedoch erschwingliche technische Applikationen sein. So werden sich in naher Zukunft „künstlich intelligente“ Flight-Services, wie Google Flights auf die Prognoseentscheidungen auswirken können. Durch selbsterlernte Algorithmen wird eine neue Funktion verfügbar sein, welche mit einer 80 % Wahrscheinlichkeit verspätete Flüge anzeigen kann.

Streckenstaffelung

Liegt die zeitliche Mindestvoraussetzung von zwei Stunden als Prognoseentscheidung vor, dann ist der Tatbestand der Verzögerung erfüllt, wenn die Distanz der Flugstrecke maximal 3.500 km beträgt (Art. 6 Abs. 1 lit. a der Fluggastrechteverordnung – Kurzstrecke). Bei einer Entfernung zwischen 1.500 und 3.500 km und bei allen „innergemeinschaftlichen Flügen“, deren Distanz mehr als 1.500 km beträgt, können erst dann als verspätet eingestuft werden, wenn der Abflug eine Verzögerung von mindestens drei Stunden aufweist (Art. 6, Abs. 1 lit. b der Fluggastrechteverordnung-Mittelstreckenflüge). Alle anderen Flüge, also außergemeinschaftliche Flüge mit einer Flugdistanz von 3.500 km sind ab einem von vier Stunden verzögerten Abflug als verspätet einzustufen (Art. 6 Abs. 1 lit. c der Fluggastrechteverordnung – Langstreckenflug). Es gilt also die folgende übergreifende Formel: Je geringer die Entfernung, desto eher entfalten die Fluggastrechte ihre Wirkung. Die Anspruchsinhalte erhöhen sich mit der zeitlichen Dauer der Verzögerung. Unabhängig von den Distanzen der lit. a-c hat der Fluggast laut Art. 6 Abs. 1 lit. iii ab einer fünfstündigen Verspätung einen Anspruch auf Unterstützungsleistungen nach Art. 8 Abs. 1 lit. a der Fluggastrechteverordnung. Hier steht jedoch nicht die Verspätungsprognose, sondern die wahre Abflugverspätung in Rede.

Abflugbegriff

Der Abflug liegt dann vor, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, dass das Flugzeug sich komplett in der Luft befindet. Schon begrifflich setzt ein Abflug einen Flugmoment voraus. Damit ist weder das Entfernen der Bremsklötze, noch das Verlassen der Parkbucht, noch das Rollen auf dem Abflugfeld als Abflug im Sinne der Norm anzusehen. Wird der Startvorgang eingeleitet, dann jedoch abgebrochen, dann kommt es somit nicht zu einem pünktlichen Start des Fluges. Es bedarf jedoch nicht nur des vollständigen Abhebens, sondern das Abheben muss sich endgültig in Richtung auf den Zielflughafen darstellen. Ist das Flugzeug schon in der Luft und muss jedoch wegen technischen Gründen wieder umkehren, dann ist auch noch kein Abflug im Sinne des Art. 6 der Fluggastrechteverordnung gegeben. Auf die verspätete Ankunft kommt es für den Tatbestand des Art. 6 der Fluggastrechteverordnung nicht an. Kommt es zu einem verspäteten Abflug aber dennoch zu einer pünktlichen Ankunft, dann muss Art. 6 der Fluggastrechteverordnung keine Anwendung finden.

Ansprüche des Fluggastes bei Verspätung des Fluges

Dem Fluggast wird durch Art. 6 der Fluggastrechteverordnung ein Anspruch auf unentgeltliche Mahlzeiten und Erfrischungen nach Art. 9 Abs. 1 lit. a der Fluggastrechteverordnung eingeräumt. Weiterhin hat der Fluggast nach Art. 9 Abs. 2 der Fluggastrechteverordnung einen Anspruch auf zwei Telefonate, Telexe, Telefaxe oder E-Mails. Einen Anspruch auf Ausgleichszahlung kann der betroffene Fluggast bei einer 3-stündigen Verspätung am Endziel geltend machen, da die mit einer 3-stündigen Verspätung verbundenen Unannehmlichkeiten für den Fluggast auf derselben Stufe mit denen stehen, die mit einer Annullierung verbunden wären; AG Hannover, Urteil vom 14.3.2017, Az.: 523 C 12833/16; AG Königs Wusterhausen, Urteil vom 18.12.2017, Az.: 4 C 1217/17 (2). Die Berechnung der Höhe der Ausgleichszahlungen richtet sich stets nach der unmittelbaren Entfernung zwischen dem Abflugort und dem letzten Zielort. Danach ergeben sich folgende mögliche Ausgleichszahlungen: • 250€ pro Person bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500km oder weniger • 400€ pro Person bei allen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500km und 3500km • 600€ pro Person bei allen Flügen über eine Entfernung von mehr als 3500km.

Bei einer Abflugverspätung von mindestens fünf Stunden steht dem Fluggast laut dem Art. 8 Abs. 1 lit. a der Fluggastrechteverordnung die Wahl zwischen der vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten und einem frühestmöglichen Rückflug zum ersten Abflugort (Art. 6 Abs. 1 lit. iii der Fluggastrechteverordnung zu.

Informations- und Hinweispflicht des ausführenden Luftfahrtunternehmen gegenüber dem Fluggast

Durch die Luftfahrtunternehmen muss durch einen deutlich sichtbaren Aushang bei der Abfertigung dafür gesorgt werden, dass die Fluggäste die Information vorfinden, dass bei einer Annullierung, Nichtbeförderung oder großen Verspätung von wenigstens zwei Stunden eine schriftliche Auskunft durch die Fluggäste am Abfertigungsschalter eingeholt werden kann. Kann ein solcher Aushang nicht vorgefunden werden, dann muss den betroffenen Fluggästen wenigstens ein schriftlicher Hinweis ausgehändigt werden, in dem sie die Regeln bezüglich der Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen vorfinden können. Weiterhin hat der betroffene Fluggast ein Recht darauf, die schriftlichen Kontaktinformationen zu erhalten zu der einzelstaatlichen Stelle. Kommt es nicht zu der ordnungsgemäßen Information des betroffenen Fluggastes, jedoch dazu, dass sich der betroffene Fluggast auf eine viel zu geringe Ausgleichsleistung einlässt, dann hat der betroffene Fluggast das Recht auf einen zusätzlichen Ausgleich.

Einzuleitende Schritte durch den Fluggast bei Verpätung

Nicht selten stellt sich nun die Frage was ein Fluggast bei einer Flugverspätung tun kann. Grundsätzlich kann der von der Verspätung betroffene Fluggast während der Verspätung und unmittelbar danach nicht viel tun. Grundsätzlich ist das ausführende Luftfahrtunternehmen dafür zuständig die dem betroffenen Fluggast zustehenden Ansprüche selbstständig einzuräumen. Erfolgen für den von einer Verspätung betroffenen Fluggast jedoch z.B. keine Unterstützungs- und Betreuungsleistungen durch das ausführende Luftfahrtunternehmen, dann sollte der Fluggast dieses natürlich auf seine Rechte aufmerksam machen und die ihm zustehenden Rechte einfordern. Bezüglich der Forderung von Ausgleichszahlungen verhält sich die Situation bereits etwas anders. Es gibt wohl kaum ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, welches einem von einer Verspätung betroffenen Fluggast von alleine die ihm zustehenden Ausgleichszahlungen einräumt ohne das dieser seine Ansprüche eigenständig bei dem ausführenden Luftfahrtunternehmen geltend macht. Sollte es also zu einer Verspätung auf dem Flug kommen, sollte der von der Verspätung betroffene Fluggast seinen Anspruch auf Ausgleichszahlungen bei dem ausführenden Luftfahrtunternehmen geltend machen. Durch den von der Verspätung betroffenen Fluggast sollte aufgeführt werden wann und auf welchem Flug die Verspätung aufgetreten ist und wie lange die Verspätung angedauert hat. Weiterhin sollte der Fluggast jegliche Beweise, über die dieser verfügt, seinem Schreiben beifügen. Durch den von der Verspätung betroffenen Fluggast ist jedoch zu beachten, dass die Ausgleichszahlung grundsätzlich durch Barzahlung, durch elektronische oder durch gewöhnliche Überweisung oder durch Scheck erfolgt. Ausgleichszahlungen können zwar auch in Form von Reisegutscheinen oder anderer Dienstleistungen erfolgen, jedoch nur mit dem schriftlichen Einverständnis des Fluggastes. Weiterhin sollte der Fluggast die Verjährungsfrist des Anspruchs auf Ausgleichszahlungen von drei Jahren nach § 195 BGB nicht außer Acht lassen. Er muss also darauf achten, dass er seinen Anspruch auf Ausgleichszahlungen in der dreijährigen Frist geltend macht.

Musterschreiben Geltendmachung des Anspruchs auf Ausgleichszahlungen

Felix Flieger - Immelmannstraße 11 - 11111 Fliegerhorst


Einschreiben / Rückschein Airline (Anschrift Airline) Fliegerhorst den 10.05.2016


Ausgleichsanspruch nach FluggastrechteVO Fluggäste: Felix Flieger, Franziska Flieger Flugnummer: NR 111


Sehr geehrte Damen und Herren,

in vorbezeichneter Angelegenheit teile ich die nachfolgende Flugunregelmäßigkeit mit und mache Ausgleichsansprüche nach der FluggastrechteVO geltend: Ich/Wir wollte/n am 05.03.2016 mit einem Flugzeug Ihres Unternehmens von München (MUC) nach Köln (CGN) befördert werden. Dieser Flug mit der Flugnummer NR 1111 sollte ursprünglich um 11.11 Uhr starten und um 12.12 Uhr landen. Wegen mir nicht näher bekannter Details war der Flug aber überbucht / kurzfristig annulliert worden / erheblich verspätet. (Deswegen landete der Flug erst um 15.15 in Köln.) Ausweislich der FluggastrechteVO steht jedem Fluggast in diesem Fall ein Betrag in Höhe von 600,00 € / 400,00 € / 250,00 € zu. Sie werden gebeten, den sich aus der Flugirritation ergebenen erstattungsfähigen Betrag in Höhe von insgesamt 600,00 € / 400,00 € / 250,00 € spätestens bis zum 24.05.2016* [* Datum zwei Wochen nach Absendedatum] auf mein unten angegebenes Konto anzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen

Unterschrift Flieger