Nachtflugverbot
In den Erwägungsgründen zu der Verordnung (15. Erwägungsgrund VO (EG) 261/2004) findet sich auch, dass vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände ausgegangen werden soll, wenn eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements des Flughafens zu einem einzelnen Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es bei einem oder mehreren Flügen des betreffenden Flugzeugs zu einer Verspätung kommen kann. Dabei kann es sich um eine Verspätung bis zum nächsten Tag oder auch um eine Annullierung handeln, obgleich vom betreffenden Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um die Verspätungen oder Annullierungen zu verhindern. Siehe auch: Nachtflugbeschränkungen als außergewöhnlicher Umstand.
Maßnahmen des Flugverkehrsmanagement
Zum Flugverkehrsmanagement gehören auch die Regelungen zum Nachtflugverbot eines jeden Flughafens. Damit stellt auch das Nachtflugverbot einen außergewöhnlichen Umstand dar und entbindet die Fluggesellschaften von ihrer Ausgleichszahlungspflicht gegenüber den Fluggästen. Änderungen in der Steuerung des Flugverkehrs am Flughafen durch das Flugverkehrsmanagements sind Maßnahmen, die das einzelne Luftfahrtunternehmen über sich ergehen lassen muss. Sie haben keinen Einfluss auf Entscheidungen und diese fehlende Beherrschbarkeit begründet die Annahme des außergewöhnlichen Umstands für die Fluggesellschaften. Dadurch, dass der Airline die Beherrschbarkeit der Steuerung entzogen ist, muss die Airline mit einem normalen Lauf der Dinge und mit dem Einhalten der Zeiten am Flughafen rechnen. Werden die Zeiten verschoben, so hat die Fluggesellschaft nichts in der Hand, womit sie der Änderung begegnen kann (vgl. AG Frankfurt am Main, Urt. v. 04.12.2013, 31 C 1588/13 (17); AG Erding, Urt. v. 18.04.2011, 2 C 1053/11).
Auch das Amtsgericht Rüsselsheim hat geurteilt, dass das Nachtflugverbot eine Einwirkung von außen auf den Flugbetrieb der Airline ist und somit als außergewöhnlicher Umstand i. S. d. Art. 5 Abs. 3 EG-VO Nr. 261/2004 zu werten ist (vgl. AG Rüsselsheim, Urt. v. 23.10.2013, 3 C 729/13 (36)). Schon in einer früheren Entscheidung führte das Gericht aus, dass es sich bei dem Nachtflugverbot um einen außergewöhnlichen Umstand handelt.
Verweigert das Flugsicherungsunternehmen die Starterlaubnis, obwohl der Start noch vor dem Eintritt des Nachtflugverbots möglich gewesen wäre, so sei dies kein typisches und in der Ausübung der betrieblichen Tätigkeit des Luftfahrunternehmens regelmäßig vorkommendes Ereignis (vgl. AG Rüsselsheim, Urt. v. 11.07.2011, 3 C 846/12 (36)). Diese haftungsausschließenden Umstände begründen die Annahme eines außergewöhnlichen Umstandes.
Wird einem Flugzeug eine Ausnahmestarterlaubnis aufgrund eines Nachtflugverbots nicht erteilt, so kann es sich dabei um einen außergewöhnlichen Umstand handeln, wenn zwischen der Bitte um Starterlaubnis und einer zuvor eingetretenen Verzögerung bei der Abfertigung des Flugzeugs nur wenige Minuten liegen. Das ausführende Luftfahrtunternehmen muss dann aber auch für die eingetretene Verzögerung bei der Abfertigung verantwortlich sein; vgl. LG Darmstadt, Urteil vom 18.12.2013,Az.: 7 S 90/13.
Pflicht zur Zeitreserve in Flugplänen
Eine Pflicht zur Vorhaltung einer allgemeinen und undifferenzierten Mindestzeitreserve bei der Erstellung von Flugplänen gilt nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs nicht (vgl. EuGH, Urt. v. 12.5.2011, C-294/10). Plant ein Luftfahrtunternehmen allerdings eine Abflugzeit relativ kurz vor dem Einsetzen des Nachtflugverbots, so muss es sicherstellen, dass es bei diesem Flug keinerlei Verzögerungen bei der Abfertigung oder bei dem Verlassen der Parkposition gibt (vgl. AG Frankfurt am Main, Urt. v. 08.02.2013, 30 C 2290/12 (47)).
Nachtflugverbot am Zielflughafen
Allerdings gibt es auch Ausnahmen. So stellt eine Nachtflugbeschränkung am Zielflughafen keinen außergewöhnlichen Umstand dar, wenn der Flug nur deshalb in die Zeit des Nachtflugverbotes gefallen ist, weil er mit Abflugverspätung am Startflughafen abgeflogen ist. Dabei handelt es sich um eine im täglichen Flugbetrieb gewöhnliche Folgeerscheinung. Die Luftfahrtunternehmen sind dazu aufgerufen, eine angemessene Zeitreserve in ihre Flugzeiten einzuplanen (vgl. AG Frankfurt am Main, Urt. v. 02.08.2012, 29 C 1297/12).
Anderes gilt, wenn die Verspätung, die dazu führt, dass der Zielflughafen nicht vor Beginn des Nachtflugverbotes erreicht werden kann, auf einem außergewöhnlichen Umstand beruht. Führt also beispielsweise ein Unwetter am Startflughafen zu einer geringen Abflugverspätung, wodurch der Flug wegen eines Nachtflugverbotes am Zielflughafen nicht mehr landen darf, so ist die Verspätung insgesamt durch einen außergewöhnlichen Umstand hervorgerufen worden, vgl. AG München, Urt. v. 10.01.2014, Az.: 212 C 11471/13. Gleiches gilt, wenn es am Flughafen zu einer unvorhersehbaren und für die Fluggesellschaft unbeeinflussbaren Verschiebung der Starterlaubnis kommt und so der Zielflughafen nicht vor Geltungszeit des Nachtflugverbotes erreicht werden kann (AG Charlottenburg, Urt. v. 30.03.2017, Az.: 205 C 85/16, Urteil vom 17.03.2017, 238 C 84/16). Siehe: Nachtflugbeschränkungen als außergewöhnlicher Umstand.
Betreuungsleistungen
Gleichgültig, ob ein außergewöhnlicher Umstand die Airline von ihrer Ausgleichszahlungspflicht befreit oder nicht, muss diese Betreuungsleistungen an ihre Fluggäste leisten. Je nach Verspätung kommen unterschiedliche Leistungen in Betracht.
Siehe auch
Gerichtsstand bei Ausgleichszahlungen