Auskunftsanspruch

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Auskunftsanspruch des Fluggastes bei außergewöhnlichen Umständen

In Fällen einer „großen Verspätung“ kann sich das ausführenden Luftfahrtunternehmen gem. Artikel 5 Abs. 3 der Fluggastrechtverordnung 261/2004 freisprechen, indem es darlegt und beweist, dass die Verspätung aufgrund von außergewöhnlichen Umständen entstanden ist. Die Verspätung müsste auch eingetreten sein, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Die Tatsache, dass sich das Luftfahrtunternehmen relativ einfach freisprechen kann, würde für den Fluggast ein hohes Risiko für die Zahlung von möglichen Gerichtskosten bedeuten.

Bestehen eines Auskunftsanspruchs?

In einem Rechtsstreit vor dem AG Rüsselsheim hatten Fluggäste eine außergerichtliche Zahlung von Ausgleichansprüchen gefordert. Das Luftfahrtunternehmen hatte die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeführt, diese jedoch nicht dargelegt. Die Fluggäste klagten auf die Erteilung der Auskunft, welche konkreten Umstände vorlagen (AG Rüsselsheim, Urt. V. 20.1.15 – 3 C 3644/14). Das AG Rüsselsheim stimmte den Klägern im Hinblick auf ‘‘‘Treu und Glauben‘‘‘ gem. § 242 BGB zu. Die Fluggäste könnten nicht erst in einem gerichtlichen Verfahren die konkreten außergewöhnlichen Umstände erfahren und damit das Risiko der Prozesskostenzahlung tragen. Der Umfang von Treu und Glauben gem. § 242 BGB ist jedoch umstritten. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung besteht ein Auskunftsanspruch für den Fluggast nur, wenn die Informationen erforderlich sind, um eine schlüssige Klage erheben zu können. Treu und Glauben gebiete es jedoch nicht, dem Antragsteller durch ‘‘‘Detailauskünfte‘‘‘ das Prozessrisiko abzunehmen (AG Charlottenburg, Urt. V. 17.12.15 – 218 C 234/15).

Höchstrichterliche Rechtsprechung

Grundsätzlich existiert im deutschen Zivilrecht keine Auskunftspflicht. Der Gläubiger muss sich demnach selbst Kenntnis über Bestehen und Umfang seines Umfangs machen. Nach Treu und Glauben i.S.v. § 242 BGB besteht ein Auskunftsanspruch, wenn der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Anspruchs im Unklaren ist. Der Fluggast handelt grundsätzlicher in entschuldbarer Ungewissheit über das Bestehen eines Anspruchs, da er gewöhnlicherweise nicht alle Informationen einholen kann, die einen außergewöhnlichen Umstand i.S.v. Artikel 5 Abs. 3 der Fluggastrechtverordnung 261/2004 rechtfertigen. Die Frage nach dem Auskunftsanspruch richtet sich somit danach, ob das Luftfahrtunternehmen unschwer in der Lage ist, mit der ‘‘‘Auskunft‘‘‘ die Ungewissheit der Fluggäste zu vernichten. Unschwer kann eine Auskunft nach dem BGH immer verkündet werden, wenn sie dem Schuldner zumutbar ist (BGH, Urt. v. 6.2.2007–X ZR 117/04). Die Zumutbarkeit richtet sich laut BGH hauptsächlich nach Darlegungs- und Beweisnot des Fluggastes. Dabei muss das Luftfahrtunternehmen dem Anspruchsteller keine Detailauskunft erteilen. Eine grundsätzliche Einordnung des außergewöhnlichen Umstands reicht hier aus.

  • Anspruch aus Verordnung?

Fluggäste könnten einen Informationsanspruch aus Art. 14 der Fluggastrechtverordnung 261/2204 haben. Zweck des aus Art. 14 der Fluggastrechtverordnung 261/2204 ist die Aufklärung über die rechtlichen Möglichkeiten der Fluggäste bei beispielsweise Verspätungen über 2 Stunden. Einen Informationsanspruch, der über den Anspruch aus Art. 14 der Fluggastrechtverordnung 261/2204 hinausgeht, ist der Verordnung nicht zu entnehmen.

  • Anspruch aus nationalem Recht?

Es stellt sich die Frage, ob sich bei zivilrechtlicher Durchsetzung der Ausgleichsansprüche eine Konstellation ergibt, in welcher der Auskunftsanspruch auch solche Tatsachen erfasst, die nicht zum Gewähren einer schlüssigen Klage benötigt werden. Das Problem hierbei ist, dass der Fluggast bei fehlender Eingrenzung des Begriffes außergewöhnlichen Umstände die ‘‘‘Erfolgsaussicht der Klage‘‘‘ nicht einschätzen kann. Wiederum würde eine Detailauskunft die Prozesstaktik des Luftfahrtunternehmens in Gefahr bringen. Das Unternehmen ist nach Auslegung von Treu und Glauben i.S.v. § 242 BGB auch zu keiner Detailauskunft verpflichtet. Die Frage nach der Exkulpierung, also der Freisprechung des Luftfahrtunternehmens, stellt in vielen Prozessen die primäre Rechtsfrage dar. Aufgrund dieser Tatsache fehlt den Fluggästen oft die entscheidende Information, um die Erfolgsaussichten des Verfahrens abschätzen zu können.

  • Fazit

Im Endeffekt kann der Fluggast keinen Auskunftsanspruch über den Grund der Verspätung geltend machen. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus Treu und Glauben gem. § 242 BGB, noch aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Ein Auskunftsanspruch über den Grund der Verspätung bei außergewöhnlichen Umständen im Detail würde das Prozessrisiko vom Kläger auf den Beklagten übertragen. Das beklagte Luftfahrtunternehmen würde bei Offenlegung des konkreten außergewöhnlichen Umstands die komplette Prozesstaktik offenlegen und sich somit schon im Vorfeld des Verfahrens schwächen. Die Fluggesellschaft muss freilich beweisen, dass die Verspätung aufgrund von außergewöhnlichen Umständen entstanden ist und diese nicht vermeidbar gewesen wäre. Ein Auskunftsanspruch welche außergewöhnlichen Umstände vorliegen besteht jedoch nicht.

Quellen

Führich, Ernst Reiserecht, 7. Aufl. 2015, C.H. Beck

Lorenz, Stephan Beck'scher Online-Kommentar, 35. Edition 2015

Geier, Artur Auskunftsanspruch des Fluggastes auf Information über außergewöhnliche Umstände, RRa 5/2015, S. 218 ff.