Flugbereichsgrenze

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Die Flugbereichsgrenze, auch Flugenveloppe, Service- oder Performance-Enveloppe eines Flugzeuges beschreibt dessen Fähigkeiten und Möglichkeiten in Bezug auf die Bauweise, Ladefaktor, Fluggeschwindigkeit oder Flughöhe. Der Begriff kann auch andere Messgrößen wie Manövrierbarkeit beschreiben. Das Fliegen außerhalb der Flugbereichsgrenze kann gefährlich sein.
Die Flugbereichsgrenze ist einer von mehreren Begriffen, die alle auf eine ähnliche Art und Weise verwendet werden. Es ist die älteste und vielleicht am häufigsten verwendete Bezeichnung, die noch in den Entwicklungsjahren der Luftfahrt verwendet wurde. Modernere Begriffe sind Mehrleistung (Extra-Power) oder Doghouse Plot.

Obwohl es einfach ist, Flugzeuge anhand von solchen simplen Parametern wie maximale Fluggeschwindigkeit oder absolute Dienstgipfelhöhe zu vergleichen, könnte die Prüfung der Flugbereichsgrenze viel mehr Informationen liefern. Ein größerer Flugbereich weist typischerweise auf eine bessere Gesamtleistung hin. Wenn das Flugzeug nicht an den Limits seiner Flugbereichsgrenze betrieben wird, ist sein Leistungsüberschuss für solche Vorgänge wie Anstieg oder Manövrieren größer. Flugzeuge der allgemeinen Luftfahrt haben in der Regel eine sehr kleine Flugbereichsgrenze.

Mehrleistung

Mehrleistung oder Spezifischer Leistungsüberschuss (extra power und specific extra power) ist ein sehr einfaches Verfahren zur Bestimmung der Flugbereichsgrenze eines Flugzeuges. Es ist leicht zu berechnen, der Nachteil ist jedoch, dass die Werte wenig über die tatsächliche Leistung des Flugzeuges in verschiedenen Flughöhen aussagen.
Mithilfe einer bestimmten Reihe von Parametern lässt sich benötigte Energie für ein bestimmtes Flugzeug und bestimmte Flugbedingungen berechnen. Dazu gehören in erster Linie die Flughöhe und Fluggeschwindigkeit, mit denen ein zum Beispiel ein Geradeausflug aufrechterhalten werden kann. Verglichen mit der maximalen Leistung des Triebwerkes kann sich ein Leistungsüberschuss ergeben. Wenn beispielsweise 60% der Triebwerkleistung bereits dafür verbraucht wird, dass das Flugzeug in der Luft bleibt, sind 40% der Mehrleistung sehr wenig. Mit dieser Leistung muss das Flugzeug manövrieren – aufsteigen, sich drehen oder beschleunigen. Bei nur 40% Mehrleistung des Triebwerkes können Flugzeuge in einem sehr geringen Maße manövriert werden, was bei bestimmten Vorgängen (zum Beispiel Drehung) unter gleichen Bedingungen Probleme bereiten kann.
Ein Kampfflugzeug kann bei gleichen Bedingungen wesentlich mehr Leistung benötigen, da seine Tragflächen bei niedriger Fluggeschwindigkeit ineffizient sind. Moderne Jet-Triebwerke können eine beträchtliche Menge an Mehrleistung liefern, mit der eine hohe Steigrate, dauerhafte Manöver und sehr hohe Geschwindigkeiten erreicht werden können.

Doghouse Plot

Ein Doghouse Plot beschreibt im Allgemeinen das Verhältnis zwischen Geschwindigkeit auf einem Horizontalflug und Flughöhe. Es ist schwieriger zu ermitteln, als die Mehrleistung, gibt aber mehr Auskunft, zum Beispiel die ideale Flughöhe.
Ein Doghouse Plot wird typischerweise als ein Diagramm dargestellt, das wie ein umgedrehtes U aussieht. Die Außenkanten des Diagramms beschreiben die möglichen Bedingungen, die ein Flugzeug beim Geradeausflug erreichen kann. Die Außenfläche der Kurve repräsentiert den Null-extra-power-Zustand. Die Fläche unter der Kurve beschreibt alle möglichen Flugbedingungen, bei denen das Flugzeug noch Mehrleistung zur Verfügung hat.
Der Flug außerhalb der Enveloppe ist möglich, da das Diagramm nur den Zustand des Horizontalfluges darstellt.

Alle Starrflügelflugzeuge haben eine minimale Geschwindigkeit definiert, mit der sie einen Horizontalflug aufrechterhalten können. Wenn das Flugzeug weiter aufsteigt, erhöht sich diese Geschwindigkeit. Da die Tragfläche nicht größer wird, ist die einzige Möglichkeit, das Gewicht des Flugzeuges mit weniger Luft zu stützen, die Geschwindigkeit zu erhöhen.

Dienstgipfelhöhe

Die Dienstgipfelhöhe ist die maximale Dichtehöhe, die ein Flugzeug unter bestimmten Bedingungen und unter Berücksichtigung seiner Flugbereichsgrenze erreichen kann. Es ist ein Punkt, an dem die Steiggeschwindigkeit unter einen vorgegebenen Punkt fällt.
Die Dienstgipfelhöhe ist die maximale nutzbare Flughöhe eines Flugzeuges. Beim Fliegen mit einer sauberen Konfiguration, mit der besten Steiggeschwindigkeit für diese Höhenlage, unter Einsatz aller Triebwerke und höchstmöglicher Dauerleistung wird die benötigte Steigrate erzeugt.
Die absolute Dienstgipfelhöhe ist die Höhe, bei der die Anstiegsrate gleich Null ist.
Die absolute Dienstgipfelhöhe ist die größte Flughöhe, auf der ein Flugzeug den Horizontalflug noch aufrechterhalten kann. Es ist auch die Flughöhe, auf der die Schubkraft der Triebwerke bei voller Leistung dem Gesamtwiderstand beim minimalen Luftwiderstand entspricht. Mit anderen Worten ist es die Höhe, bei der die maximale verfügbare Schubkraft der minimal benötigten entspricht, sodass die maximale Aufstiegsrate (ohne Abnahme der Fluggeschwindigkeit) gleich Null ist. Für die meisten kommerziellen Jet-Flugzeuge beträgt die maximale Dienstgipfelhöhe etwa 12.800 Meter, bei einigen Business-Jets 15.500 Meter. Während die Dienstgipfelhöhe dieser Flugzeuge größer ist, als die Standardbetriebshöhe, ist sie ohne Nachbrenner oder andere Vorrichtungen, welche die Schubkraft erhöhen, auch fast unmöglich zu erreichen (da die vertikale Fluggeschwindigkeit asymptotisch gegen Null geht). Anderer Faktor, der es unmöglich macht, die Dienstgipfelhöhe auch bei solchen Vorrichtungen zu erreichen, ist die sogenannte Coffin Corner. Ein Flug bei absoluter Obergrenze ist auch aufgrund der geringen angezeigten Fluggeschwindigkeit, die beibehalten werden kann, ökonomisch nicht vorteilhaft: während die tatsächliche Fluggeschwindigkeit (true airspeed, TAS) typischerweise größer ist, als die angezeigte (indicated airspeed, IAS), reicht der Unterschied nicht aus, um den erhöhten Treibstoffverbrauch durch geringere Geschwindigkeit zu kompensieren. Die absolute Dienstgipfelhöhe ändert sich mit der Lufttemperatur und dem Flugzeuggewicht.

Coffin Corner

Als Coffin Corner wird die Dimension bezeichnet, bei der sich die Mindestfluggeschwindigkeit und Höchstgeschwindigkeit konvergieren. In diesem Zustand ist es sehr schwierig, das Flugzeug in einer horizontalen Lage zu halten. Da ein Geradeausflug zumindest die Überziehgeschwindigkeit voraussetzt, würde jegliche Geschwindigkeitsreduktion zu einem Strömungsabriss und Flughöhenverlust führen. Jegliche Erhöhung der Fluggeschwindigkeit würde zum Verlust des Auftriebs oder zum Einnicken mit dem Bug und somit zum Verlust der Flughöhe führen.

Wenn das Flugzeug sich in einem horizontalen Geradeausflug mit konstanter Geschwindigkeit befindet, sind der Auftrieb an den Hauptflügeln und die Kraft, welche auf das Höhenleitwerk einwirkt, gleich dem Flugzeuggewicht. Die Schubkraft und die Widerstandskraft sind gleich. In den meisten Fällen kann sich dieses Gleichgewicht bei verschiedenen Fluggeschwindigkeiten einstellen, die minimale ist, jedoch, die Überziehgeschwindigkeit. Die angezeigte Fluggeschwindigkeit, bei der ein Strömungsabriss eintritt, kann in Abhängigkeit vom Flugzeuggewicht unterschiedlich sein, ändert sich jedoch nicht signifikant mit der Flughöhe.

In höheren Lagen ist die Luftdichte geringer, als auf dem Meeresspiegel. Dadurch ist die tatsächliche Fluggeschwindigkeit progressiv größer, als die angezeigte. Zum Beispiel, die angezeigte Überziehgeschwindigkeit (also die Geschwindigkeit, bei der ein Strömungsabriss passiert) kann konstant sein, die tatsächliche nimmt jedoch mit der Höhe zu.

Wenn ein Flugzeug sich unterhalb seiner Überziehgeschwindigkeit verlangsamt, ist es nicht mehr in der Lage, genug Auftrieb zu erzeugen, um die auf das Flugzeug einwirkende Kräfte zu hemmen. Dies führt zum Verlust an Flughöhe. Der Verlust der Flughöhe kann den Piloten dazu veranlassen, den Anstellwinkel zu erhöhen. Der Anstellwinkel beschreibt die Lage der Tragflächen, bei der sie positive Schubkraft erzeugen. Die Erhöhung des Anstellwinkels setzt das Flugzeug in einen Steigflug. Wenn die Tragflächen jedoch den kritischen Anstellwinkel erreichen, wird dessen Erhöhung keinen zusätzlichen Auftrieb mehr produzieren, da die Luftströmung an den Oberkanten der Tragflächen sich aufspaltet. Auch infolge eines Manövers mit dem Ziel einen Strömungsabriss zu verhindern oder abzufangen, kann das Flugzeug seine Lage kritisch ändern, außer Kontrolle geraten oder an Flughöhe verlieren. In jedem Fall, wenn das Flugzeug mit zunehmender Geschwindigkeit fällt, kann es Strukturschäden erleiden.

Nähert sich das Flugzeug seiner Coffin Corner an, wird der Unterschied zwischen Mindest- und Höchstgeschwindigkeit immer kleiner. Kleine Änderungen können auch nur an einer der Tragflächen eintreten. Zum Beispiel, eine Drehung verursacht kleinere Geschwindigkeit an der inneren und größere an der äußeren Tragfläche. Das Flugzeug kann beide Grenzen auf einmal überschreiten. Auch könnten Turbulenzen eine plötzliche Änderung der Fluggeschwindigkeit bis hin zu einer außerhalb der Grenzen hervorrufen. Einige Flugzeuge sind, jedoch, in der Lage, die Coffin Corner routiniert zu „betreiben“.

Flugbereichsschutz

Der Flugbereichsschutz ist als Funktion in mehreren Flugzeugsystemen vorhanden. Es ist eine Erweiterung der Flugzeugsteuerungssysteme mit dem Ziel, den Piloten an den Eingaben zu hindern, die die Flugbereichsgrenze des Flugzeuges übersteigen würden. Es kommt vor allem in modernen Fly-by-wire-Flugzeugen zum Einsatz. Der Vorteil des Systems ist es, dass es den Piloten in einer kritischen Situation in seinen Handlungen einschränkt, sodass dieser schnell reagieren kann, ohne die Sicherheit des Fluges zu gefährden.

Flugbereichsschutzsysteme berechnen die Flugbereichsgrenze des Flugzeuges, fügen eine Sicherheitsmarge hinzu und verwenden diese Informationen in Situationen, wo der Pilot versucht, das Flugzeug außerhalb des Möglichen zu fliegen. Das System blockiert Steuer- und Bedienelemente, sodass entsprechende Befehle nicht erst ausgelöst werden. Der Flugbereichsschutz bringt das Flugzeug dazu, solche inkorrekten Eingaben zu ignorieren.

Abfangen ungewöhnlicher Flugzeuglagen

Bei großen Transportflugzeugen bedeutet eine ungewöhnliche Flugzeuglage eine Nicklage des Bugs über einem bestimmten Winkel, einen Querneigungswinkel von mehr als 45° oder einen Flug innerhalb dieser Parameter, jedoch mit einer für diese Bedingungen ungeeigneten Fluggeschwindigkeit.
Die erste Priorität ist es zu überprüfen, dass die wichtigen Parameter nicht überschritten wurden. Ist dies nicht der Fall, so sollen die Parameter so schnell wie möglich berichtigt werden.
Eine sehr wichtige Priorität ist es, niemals einen Strömungsabriss zuzulassen, da das Flugzeug in diesem Zustand nicht steuerbar ist. Zuerst soll der Strömungsabriss abgefangen werden, bevor jegliche normale Fluglage wieder hergestellt wird.

Verschiedene Flugzeugtypen haben unterschiedliche Flugeigenschaften und benötigen entsprechend variierende Techniken. Ein Pfeilflügelflugzeug verhält sich anders, als ein Starrflügelflugzeug. Flugzeuge mit modernen Flight-by-wire-Systemen und Flugbereichsschutz haben zusätzlich die Funktion, ohne manuelle Beteiligung des Piloten von ungewöhnlichen Fluglagen auszugleiten. Die Crew-Mitglieder müssen jedoch dessen bewusst sein, dass verschiedene Systemausfälle und Fehler diese Schutzmechanismen abschwächen oder außer Kraft setzen können.

Ein Upset ist nicht notwendigerweise eine Abweichung vom kontrollierten Flug, aber es umfasst anomale Fluglagen und grobe Geschwindigkeitsabnormalitäten. Das Erkennen und Vermeiden ist mindestens genauso wichtig, wie das Abfangen. Eine ungewöhnliche Situation im Sinne dieses Abschnittes trifft oft schleichend ein, das Bewusstwerden passiert jedoch oft plötzlich. So kann dieser „Schreckfaktor“ die erste Reaktion der Crew beeinträchtigen. Deshalb ist es wichtig, erst herauszufinden, was wirklich passiert, bevor jegliche Steuerungsbefehle getätigt werden. Unabhängig von der Ursache muss das Verfahren zur Wiederherstellung der normalen Fluglage schnellstmöglich begonnen werden. Ein grundlegender Ablauf ist dargestellt wie folgt:

  • Überprüfen der Querneigung und der Nicklage auf dem künstlichen Horizont
  • Vergleichen der Daten des künstlichen Horizontes mit Angaben anderer Messsysteme

Wenn der Bug zu tief liegt:

  • Die Geschwindigkeit erhöht sich wahrscheinlich
  • Die Flughöhe nimmt wahrscheinlich ab
  • Variometer (Anzeige der vertikalen Geschwindigkeit) indiziert vermutlich einen Abstieg

Wenn der Bug zu hoch liegt, gelten die umgekehrten Annahmen.
Für beide Situationen:

  • Überprüfen anderer Indikatoren der Fluglage
  • Beurteilung des Energiezustandes des Flugzeuges
  • Deaktivierung des Autopiloten
  • Bremsen zurückziehen
  • Eingeben richtiger Steuerbefehle in Übereinstimmung mit Herstellerempfehlungen

In Situationen, wo eine ungewöhnliche Fluglage eintritt, müssen Piloten sich folgender Sachen bewusst sein:

  • “Schreckfaktror“ – die Reaktion soll nicht zu übereilig sein.
  • Notwendigkeit vollständiger Steuerungseingänge – Flugsteuerung ist ineffektiv, wenn das Flugzeug kurz vor dem Erreichen des kritischen Anstellwinkels oder Strömungsabrisses ist. Eine vollständig manuelle Steuerung kann ungewöhnlich, aber sehr notwendig sein.
  • Kontraintuitive Reaktion – nachdem in der Ausbildung das Abfangen eines Strömungsabrisses sehr betont wird, wofür eine Erhöhung der Schubkraft und kleine Senkung der Nicklage notwendig ist, kann es kontraintuitiv sein, die Schubkraft nach dem kritischen Anstellwinkel zu reduzieren. Wenn ein Strömungsabriss dann passiert, wenn der Bug bereits tief liegt, sollte er weiter nach unten gezogen werden, um den Anstellwinkel zu verringern. Die Flughöhe kann unter diesen Umständen nicht beibehalten werden und sollte vorübergehend nicht die erste Priorität sein.
  • Untypische Triebwerkeffekte – Triebwerkleistung kann durch ungewöhnliche Fluglagen beeinträchtigt werden. Großer Anstell- oder Schiebewinkel kann die Luftströmung in den Triebwerken reduzieren und eine Überspannung oder einen Strömungsabriss in den Triebwerken herbeiführen.

Siehe auch