Flugverspätung Folgekosten

Aus PASSAGIERRECHTE
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Wie die Ereignisse um tagelange Streiks an europäischen Flughäfen oder die Folgen der Sperrung des europäischen Luftraums wegen der verschiedenen isländischen Vulkanaschewolken gezeigt haben, hat der Anspruch auf Betreuungsleistungen gemäß Artikel 9 der Verordnung Nr. 261/2004 seine besondere Berechtigung. Eine Flugverspätung ist oft schon ärgerlich genug. je länger sich der Abflug verzögert, desto unangenehmer wird in der Regel der Aufenthalt am Flughafen. Um genau diesem Unmut entgegenzuwirken, sieht Artikel 9 der FluggastrechtevO verschiedene Betreuungsleistungen vor.

Rechtsnatur

Die Betreuungsleistungen nach Artikel 9 der Verordnung sind standardisierte sofortige Maßnahmen zur Wiedergutmachung des Schadens, der Mit den Unannehmlichkeiten einhergeht, die Nichtbeförderung, Annullierung und Verspätung mit sich bringen. Sie sind keine Schadensersatzleistungen, da sie verschuldensunabhängig sind und keine Entlastungsmöglichkeiten ermöglichen. Diese Ansprüche sind zwingendes Recht und dürfen weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Verstößt eine Luftfahrtgesellschaft gegen Artikel 9 VO kann der Reisende Schadensersatzansprüche geltend machen. Der Entschädigungsanspruch besteht zusätzlich zu Ausgleichszahlung und ist nicht auf diese gemäß Artikel 12 VO anzurechnen. Betreuungsleistungen stellen keinen Schadensersatz dar.

Außergewöhnliche Umstände

Die Betreuungsleistungen sind auch bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände zu erbringen. Artikel 5 Abs. 3 der VO ist weder unmittelbar noch analog anwendbar. Auch bei Annullierung eines Fluges wegen außergewöhnlicher Umstände von erheblicher Dauer muss der Pflicht zur Betreuung nachgekommen werden. Wird dem nicht nachgekommen, hat der Fluggast einen Anspruch auf Schadensersatz in der Höhe der von ihn aufgewendeten Kosten einer selbst beschafften Unterkunft oder Verpflegung.

Zeitliche Komponente

Betreuungsleistungen nach Artikel 9 der VO werden ab einer Verspätung von zwei, drei und vier Stunden je nach Flugentfernung gewährt. Der Anspruch entsteht in dem Zeitpunkt, in welchem nach vernünftigen Ermessen die Verspätung absehbar ist. Nach Artikel 6 Abs. 2 müssen die Leistungen innerhalb der von Artikel 6 Abs. 1 genannten Frist erbracht werden. Sinn und Zweck der Unterstützungsleistungen bei großer Verspätung ist es, verschuldensunabhängig und ohne Bürokratie die Wartezeit der Fluggäste angenehmer zu gestalten. Die Ansprüche dürfen aber hinsichtlich Fürsorge und Grundbedürfnissen nicht überstrapaziert werden. Daher müssen die Betreuungsleistungen nach Artikel 9 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 nicht automatisch bereits bei mitgeteilter Abflugverzögerung zustehen, sondern erst in Zusammenhang mit dem Erreichen der entfernungsunabhängigen Zeitgrenzen. Sämtliche Betreuungsleistungen nach Artikel 9 sind während des gesamten Zeitraums zuzustehen, in welchem die Passagiere auf ihre verspätete oder anderweitige Beförderung warten, mit Ausnahme der Hotelunterbringung.

Durchführbarkeit

Ein Anspruch auf Betreuungsleistungen besteht nur, wenn die Erbringung grundsätzlich durchführbar und nicht unmöglich ist. Bei der Hotelunterbringung muss differenziert werden. Findet sich kein Hotel, muss das Luftfahrtunternehmen dennoch für eine Übernachtungsmöglichkeit sorgen. Befinden sich Fluggäste im Transitbereich eines Flughafens, und ist ihnen eine (Wieder-)Einreise in das Land des Flugahfens oder das verlassen des Transitbereichs nicht erlaubt ,so ist die Möglichkeit einer Hotelübernachtung nicht möglich. Dann muss die Fluggsellscaft dennoch die zeit vor Ort angenehm gestalten, etwa durch Decken, Liegen, u.ä. Dies gilt auch, wenn aufgrund eines ausgedehnten Ereignisses der bedarf an Unterbringungsmöglichkeiten das Angebot erheblich übersteigt.

Anspruch auf Folgekosten

Angemessenheit der Kosten

Ein Fluggast kann jedoch bei einer Pflichtverletzung nur solche Beträge erstattet bekommen, die sich in Anbetracht der dem jeweiligen Fall zugrundeliegenden Einzelheiten als "notwendig, angemessen und zumutbar" erweisen, um den Ausfall der Betreuung des Fluggastes durch das Luftfahrtunternehmen auszugleichen. Dies ist jedoch Sache der nationalen Gerichte.

Folgekosten

Werden keine Betreuungsleistungen erbracht, besteht ein Anspruch auf Schadensersatz. Der Ersatz fiktiver Kosten aus Verletzung einer Pflicht zur Betreuung der Fluggäste (Folgekosten) müsste direkt aus der Verordnung abgeleitet sein. Der Reisende, der gezwungenermaßen eine Nacht im Wartebereich verbracht hat, und keine Möglichkeit hatte, Verpflegung zu kaufen, darf dem pflichtwidrig handelten Unternehmen keinen Vorteil im Vergleich zu dem Unternehmen bieten, das seinen Fluggästen die Verpflegung gewährte. Die Pflichtverletzung muss nicht unbedingt schuldhaft erfolgen. Der Anspruch auf Ersatz der Kosten infolge einer Betreuungspflichtverletzung ist kein weitergehender Schadensersatz nach Artikel 12 Abs. 1 Satz 2. Sie sind auch nicht nach Artikel 12 anzurechnen, da diese zusätzlich zu den Ausgleichsansprüchen bestehen. Wenn die Fluggesellschaft ein Verschulden trifft, richten sich die Folgekosten nach dem Montrealer Übereinkommen. Wenn ein Passagier wegen eines Flugausfalls erst nach Mitternacht sein Ziel erreicht, muss die Fluggesellschaft dessen Taxifahrt nach Hause zahlen.

taxikosten als Folgekosten

Dies gilt dann, wenn die Weiterfahrt zum Wohnort mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht in angemessener Zeit möglich ist. Infolge von Flugannullierungen oder Flugverspätungen fallen häufig weitere Kosten an – etwa für ein Taxi oder eine Hotelübernachtung. Selbstverständlich sind diese Kosten auch von der Fluggesellschaft zu tragen. Es stellt sich nur die Frage, ob die zusätzlich anfallenden Kosten bereits mit der pauschalen Ausgleichszahlung als abgegolten gelten oder ob sie auf die Pauschalentschädigung hinzugerechnet werden müssen.

Die Fluggastrechteverordnung selbst eröffnet die Möglichkeit, dass Taxikosten etc. mit der pauschalen Entschädigung verrechnet werden können, die Pauschalleistung also weitere Kosten bereits umfasst. Problematisch ist jedoch, dass die pauschale Entschädigung einen anderen Typ des Schadensersatzes darstellt (immaterieller Schadensersatz) als der Schadensersatz für etwa angefallene Taxikosten (materieller Schadensersatz).

Nach deutschem Recht sind beide Schadensersatzformen nicht miteinander verrechenbar (Urteil des BGH vom 09.03.1982, Az. VI ZR 317/80). Daraus folgt, dass Taxikosten etc. auf die Pauschalentschädigung hinzugerechnet bzw. addiert werden müssen. Der EuGH hat entschieden, dass auch bei Annullierung eines Flugs wegen „außergewöhnlicher Umstände“ von erheblicher Dauer ein Luftfahrtunternehmen der Pflicht zur unentgeltlichen Betreuung der Fluggäste nachkommen muss. Kommt ein Luftfahrtunternehmen dieser Verpflichtung nicht nach (gleich, ob es keine beschaffen kann oder es nicht will), kann der Fluggast unter Beachtung der Grundsätze der Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB) selbst eine Unterkunft buchen. In diesen Fällen kann der Fluggast einen Anspruch auf jeden Fall Schadensersatz in Höhe der von ihm aufgewendeten Kosten einer selbst beschafften Unterkunft oder Verpflegung verlangen.

Siehe auch

Flugverspätung und Hotel

Flugverspätung Taxi