Voraussetzungen für das Vorliegen von Höherer Gewalt
Höhere Gewalt liegt dann vor, wenn Umstände auf einem betriebsfremden, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen Dritter herbeigeführten Ereignis beruhen, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar war, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden konnte und auch nicht wegen seiner Häufigkeit in Kauf zu nehmen ist (BGH NJW 1990, 1167).
Höhere Gewalt liegt nach deutscher Rechtsprechung vor, wenn ein schadenverursachendes Ereignis von außen einwirkt, also seinen Grund nicht in der Natur der gefährdeten Sache hat (objektive Voraussetzung) und das Ereignis auch durch die äußerst zumutbare Sorgfalt weder abgewendet noch unschädlich gemacht werden kann (subjektive Voraussetzung); LG Hannover, Urteil vom 11.1.2017, Az.: 8 O 299/16. Solche Umstände umfassen beispielsweise politische Instabilität in mindestens einem der Reiseländer, Wetterumstände, die die Reise unmöglich machen und unerwartete Sicherheitsrisiken. Doch selbst wenn diese Umstände vorliegen, müssen die insbesondere technisch und wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen überprüft werden, die das Unternehmen getroffen hat oder hätte treffen können, um die Reise dennoch zu ermöglichen. Dabei muss stets beachtet werden, dass der Umstand nicht Teil der gewöhnlichen Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens sein darf. Er darf für die Fluggesellschaft also nicht vorhersehbar gewesen sein.
Höhere Gewalt: Außergewöhnliche Umstände nach der Fluggastrechteverordnung
Nach der Fluggastrechteverordnung (VO-EG Nr. 261/2004) stehen dem Passagiere Ausgleichsansprüche bei Verspätung und Annullierung zu. Allerdings nicht bei "höherer Gewalt", die im Rahmen der Verordnung als "außergewöhnliche Umstände" bezeichnet werden. Für Annullierungen und Verspätungen stehen dem Reisenden keine Ausgleichszahlungen zu, wenn die Luftfahrtgesellschaft außergewöhnliche und unvermeidbare Umstände nachweisen kann (Wetter, Sicherheit, Streik), Art. 5 Abs. 3 VO-EG Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung). Dies bedeutet, dass bestimmte Umstände, die nicht in den Verantwortungsbereich der Fluggesellschaft fallen, für Verspätung oder Annullierung verantwortlich waren. Grundsätzlich ist unter einem außergewöhnlichen Umstand ein Vorkommnis zu verstehen, welches sich auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Die Ausgleichszahlungen gelten nach deutschem Recht nicht als Schadensersatzleistungen. Außergewöhnliche Umstände müssen von der Fluggesellschaft vorgebracht und nachgewiesen werden.
Siehe dazu:
Technische Probleme
Technische Mängel fallen nur dann unter außergewöhnliche und unvermeidbare Umstände, wenn sie außerhalb der gewöhnlichen Wartungsintervalle auftreten und somit nicht zu erwarten waren. Hängen sie beispielsweise mit Wetterereignissen zusammen (Blitzschlag, Hagelschäden etc.), sind außergewöhnliche und unvermeidbare Umstände gegeben. Auch Schäden durch Produktionsfehler, Sabotage oder terroristische Akte fallen unter solche Umstände. Es gilt jedoch stets, dass das Unternehmen alle Wartungsarbeiten durchgeführt hat, die technisch und wirtschaftlich tragbar waren. Der technische Defekt als solcher ist jedoch dann nicht der außergewöhnliche Umstand und stellt auch keine höhere Gewalt dar. Vielmehr ist es die höhere Gewalt (wie z.B. eine Naturkatastrophe), die den technischen Defekt zur Folge hat, welche als außergewöhnlicher Umstand eingestuft wird.
Wetterumstände und Naturkatastrophen
Wetterbedingungen
Allgemein ist anerkannt, dass Wetterverhältnisse, die einen Start, einen planmäßigen Flug oder eine Landung am Zielflughafen (Vgl.: AG Offenbach, Urt. v. 06.01.2006, 33 C 2/06) nicht zulassen, als außergewöhnlicher Umstand angesehen werden (Vgl.: AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 15.06.2011, 4 C 572/10). Allerdings muss die Fluggesellschaft alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um den Flug auch bei schlechtem Wetter durchzuführen. Zumutbar ist z.B. das Warten auf eine Besserung des Wetters oder etwa das Bedenken einer alternativen Flugroute. Wenn nicht mit einem baldigen Wegfall des schlechten Wetters zu rechnen ist, so liegt ein außergewöhnlicher Umstand vor, etwa bei mehrtägigem, hartnäckigen Nebels (BGH, Urt. v. 25.03.2010, Az.: Xa ZR 96/09). Auch Blitzschlag, Schneefall oder starker Wind werden regelmäßig als außergewöhnlicher Umstand gewertet.
Bei der Bewertung von Wetterbedingungen ist die Entscheidung des Piloten ausschlaggebend. Seine Entscheidung kann vom Gericht nur eingeschränkt überprüft werden (LG Kleve, Urt. v. 07.04.2011, Az.: 6 S 116/10). Wenn sich eine Fluggesellschaft auf schlechte Wetterverhältnisse beruft, so liegt die Beweislast für die ausschlaggebenden Wetterereignisse bei der Gesellschaft. Sie muss darlegen, welche konkreten Witterungsbedingungen in welchem Zeitraum wann zur Entscheidung des Piloten oder zur Streichung des ursprünglich vergebenen Starts durch die Flugsicherung geführt haben.
Siehe dazu ausführlich: Schlechte Wetterbedingungen.
Naturkatastrophen
Auch Naturkatastrophen wie Vulkanausbrüche, Tsunamis oder Brände sind für eine Fluggesellschaft nicht kontrollierbar und stellen daher unter Umständen Außergewöhnliche Umstände dar.
Streik
Auch ein Streik gilt unter Umständen als Entlastungsgrund. Dieser muss nicht nur das ausführende Unternehmen selbst betreffen, sondern kann sich auch auf Dritte beziehen, durch deren Streik die Reisedurchführung erheblich gestört wird. Allerdings beruht dieser nicht auf höherer Gewalt, sondern stellt dann, wenn überhaupt, selbst den außergewöhnlichen Umstand dar.
Politische Instabilität
Fraglich ist, ob politische Instabilität als außergewöhnlicher Umstand gilt. In Ländern, in denen andere politische Systeme vorherrschen, kann man schnell von einer Instabilität sprechen. Insbesondere, wenn der Zielflughafen nicht gesperrt ist, wird man jedoch davon ausgehen müssen, dass die Sicherheitslage nicht derart angespannt ist, dass eine Beförderung nicht stattfinden kann. Vielmehr muss auch hier dargelegt werden, warum die eigentliche Beförderung nicht stattfinden konnte. An der Beförderung ist das Unternehmen nicht gehindert, nur weil die Lage politisch instabil ist. Allerdings könnte man einen außergewöhnlichen Umstand annehmen, wenn, wie schon beschrieben, der Zielflughafen gesperrt ist oder offizielle Reisewarnungen bestehen.
Terroranschläge
Dieselbe Problematik besteht bei Terroranschlägen. Für gewöhnlich gehören sie zum allgemeinen Lebensrisiko, was den Reisenden letztendlich nicht zur Last gelegt werden dürfe. Andererseits kann auch die Fluggesellschaft nicht vorhersehen, dass es zu einem Terroranschlag kommt. Auch die Rechtsprechung urteilt diesbezüglich anders aus. Es kommt immer auf den Einzelfall an und darauf, wie das Luftfahrtunternehmen darlegen kann, dass es den Terroranschlag nicht vorhersehen konnte. Grundsätzlich wird man jedoch annehmen können, dass ein Terroranschlag nicht zum allgemeinen betrieblichen Ablauf gehört und damit im Regelfall auch nicht vorhersehbar ist. Allerdings ist, wie bereits dargelegt, auch hier eine Einzelfallbetrachtung notwendig. Jedoch wird es schwer anzunehmen und zu argumentieren, dass das Luftfahrtunternehmen den Terroranschlag hätte vorhersehen müssen. Nur wenn das Luftfahrtunternehmen darlegen kann, dass es alle ihm zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um den Flug trotzdem stattfinden zu lassen, kann es sich vollends exkulpieren.
Beweislast
Versucht ein Luftfahrtunternehmen, außergewöhnliche Umstände geltend zu machen, so muss es stets eindeutig beweisen, dass es ihm nicht möglich war, Maßnahmen zu treffen, um den Flug dennoch stattfinden zu lassen. Hierbei werden alle möglichen Maßnahmen untersucht und überprüft, warum ein Ergreifen derselben durch das Unternehmen nicht zumutbar gewesen wäre. Wichtig ist außerdem, dass dem Reisenden im Falle von außergewöhnlichen Umständen zwar keine Ausgleichsleistungen zustehen, wohl aber Betreuungsleistungen.
Bezüglich der Unterbringung im Rahmen der Betreuungsleistungen ist eine einfache, zweckmäßige Unterkunft vollkommen ausreichend. Weigert sich ein Luftfahrtunternehmen solche Leistungen zu erbringen, entsteht dem Reisenden ein Schadensersatzanspruch in Höhe der ihm entstandenen Unterbringungs- und Verpflegungskosten.
Die Exkulpation wirkt gemäß Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO nur bezüglich der Ausgleichszahlungen.
Rechtsprechung
Die folgende Tabelle soll punktuell die Rechtsprechung zum Thema der höheren Gewalt aufzeigen. Sie ist keinesfalls abschließend.
Gericht, Urteil vom… |
Aktenzeichen |
Zusammenfassung (siehe Reiserecht-Wiki)
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LG Frankfurt, Urteil vom 01.04.2015 |
2-24 S 150/14 |
- Die Klägerinnen buchten bei der Beklagten eine Reise nach Ägypten, die sie im Februar 2014 auch antraten. Aufgrund politischer Unruhen und der Gefahr terroristischer Anschläge in der Urlaubsregion sprach das Auswärtige Amt eine entsprechende Reisewarnung aus. Es riet dringend von Reisen in die Regionen ab und empfahl zudem eine frühere Abreise von bereits anwesenden Urlaubern. Die Beklagte kündigte daraufhin den Reisevertrag mit den Klägerinnen und bot ihnen einen vorzeitigen Rückflug nach Deutschland an. Das Kündigungsschreiben wurde im gebuchten Hotel hinterlassen. Die Klägerinnen hielten sich jedoch in einem anderen Hotel auf, ohne die Beklagte darüber zu informieren, und erhielten daher erst nach Abflug des Rückfluges Kenntnis vom Scheiben. Sie begehren nun Ersatz der Kosten für einen anderen Rückflug sowie Schadenersatz wegen vertaner Urlaubszeit.
- Das Landgericht Frankfurt am Main verneinte die Ansprüche auf Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit. Es führt aus, die Beklagte sei zur Kündigung des Vertrags berechtigt gewesen, da die erheblichen Unruhen in Ägypten einen Fall höherer Gewalt im Sinne des § 651 j Abs. 1 BGB darstellten. Auch besteht dem Gericht zufolge kein Anspruch der Klägerinnen auf Erstattung der Kosten für einen anderweitigen Rückflug. Die Beklagte durfte davon ausgehen, dass das Kündigungsschreiben und die Information über den vorzeitigen Rückflug den Klägerinnen im gebuchten Hotel zugeht und hat insoweit keine Vertragspflicht verletzt. Insbesondere musste sie auch selbstständig keine Nachforschungen über den Verbleib der Klägerinnen anstellen.
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LG Düsseldorf, Urteil vom 23.10.2007 |
22 S 190/07 |
- Im vorliegenden Fall, buchte ein Fluggast eine Reise nach Äthiopien. Der Flug dorthin sollte zunächst von Düsseldorf-Frankfurt gehen und anschließend von dort nach Addis-Abeba. Durch starken Schneefall konnte die Maschine nicht starten und der Weiterflug wurde dadurch verpasst. Weiterhin fühlte sich der Kläger schlecht informiert und es wurden ihm auch keine Alternativmöglichkeiten aufgezeigt um den Flug in Frankfurt rechtzeitig zu erreichen.
- Der Kläger möchte nun von der Beklagten eine Entschädigung für eine Flugannullierung. Die Beklagte ist der Meinung dass durch die starken Schneefälle höhere Gewalt vorliegt.
- Das Gericht entschied die Klage abzuweisen. Es ist richtig, dass die Fluggesellschaft ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen ist. Fraglich allerdings bleibt, ob der Kläger seinen Flug von Frankfurt nach Addis-Abeba mit einem alternativen Beförderungsmittel erreicht hätte. Die in Düsseldorf vorherrschende Wetterlage lag nicht im Einflussbereich der Fluggesellschaft und somit ist die Flugverspätung als höhere Gewalt anzusehen.
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LG Saarbrücken, Urteil vom 08.09.1988 |
2 S 82/87 |
- Der Kläger buchte beim Beklagten ein Ferienhaus in Ungarn für eine Reise, die er kurze Zeit nach dem Atomunglück in Tschernobyl antreten wollte. Aufgrund der in Ungarn, durch das Atomunglück, vorhandenen Umwelt- und Lebensmittelbelastung wollte der Kläger die Buchung stornieren.
- Das Landgericht Saarbrücken hat dem Kläger die Stornierung ermöglicht. Wenn ein Reisender einen Vertrag mit einem privaten Vermieter von Ferienimmobilien schließt, liegt ein Reisevertrag vor. Von einem Reisevertrag kann man, aufgrund „höherer Gewalten“, schon vor dessen Erfüllung zurücktreten. Ein Atomunglück stellt eine „höhere Gewalt“ im Sinne eines Reisevertrages dar.
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AG Hannover, Urteil vom 13.03.2017 |
511 C 11408/16 |
- Flugreisende forderten gemäß der europäischen Fluggastrechteverordnung, weil sich ihr Flug nach Antalya in der Türkei um 16 Stunden verspätete. Die ausführende Fluggesellschaft berief sich zu ihrer Verteidigung auf außergewöhnliche Umstände, die in der veränderten Sicherheitslage in der Türkei durch einen Putschversuch und damit verbundene Militärpräsenz bestanden und zu der Verspätung geführt hätten.
- Das Amtsgericht Hannover gab der Klage statt, da es keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen sah, welche die Beklagten von der Ausgleichspflicht hätten befreien können. Zwar erkannte es, dass ein Putschversuch wie vorliegend zivile Opfer fordern kann und der Nachrichtenfluss in einer solchen Situation eingeschränkt ist. Jedoch war der Zielflughafen nicht gesperrt und es lag auch keine Reisewarnung für das Gebiet vor, sondern allein für Istanbul und Ankara. Demnach wäre es der Beklagten durchgängig möglich und sie dazu verpflichtet gewesen, den Flug wie geplant durchzuführen, sodass den Klägerin eine Ausgleichszahlung für die erhebliche Verspätung zustand, da diese einer Annullierung gleichkommt.
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AG Köln, Urteil vom 29.08.2016 |
142 C 625/14 |
- Die Klägerin buchte für sich und ihre Tochter am 22.05.2014 eine Pauschalreise nach Kenia. Die Unterbringung sollte vom 06.08.2014 bis zum 13.08.2014 im M. Golf Resort in E. Beach erfolgen. Der Reisepreis betrug 2683,00 €.
- Am 18.07.2014 erhielt die Klägerin von der Beklagten Sicherheitshinweise zur umliegenden Umgebung. Die Sicherheitshinweise wurden vom Auswärtigen Amt herausgegeben, darin wird vor einem längeren Aufenthalt am Flughafen N. gewarnt, sowie vor Anschlägen in Ferienorten in der Nähe von N. Ziele seien dabei Regierungsgebäude, Hotels, Bars und Restaurants gewesen.
- Die Klägerin rief daraufhin am 21.07.2014 im Büro der Beklagten an und stornierte den Reisevertrag telefonisch. Die Mitarbeiterin teilte der Klägerin mit, dass eine Stornogebühr von 40% des Reisepreises anfallen würde und sie die Stornierung noch einmal per E-Mail bestätigen sollte. Die E-Mail wurde von der Beklagten am 26.07.2014 verschickt. Die Beklagte stellte der Klägerin 90% des Reisepreises in Rechnung. Auf ein anwaltliches Schreiben der Klägerin hin reduzierte die Beklagte die einbehaltene Summe von 2415,00 € auf 1720,00 €.
- Da dies noch immer mehr als die telefonisch vereinbarten 40% waren, verklagte die Klägerin die Beklagte und forderte 1720,00 €, da die sie aufgrund der Terrorgefahr storniert hatte und somit ihrer Ansicht nach höhere Gewalt zugrunde lag.
- Das AG Köln gab der Klägerin teilweise Recht und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 14,98 €. Da der Beklagten durch die Stornierung Kosten in Höhe von 1705,10 € für die Flugtickets und die Provision des Reisebüros entstanden waren, hatte die Beklagte das Recht diese einzubehalten, wenn ein Weiterverkauf nicht möglich war. Die Beklagte erfuhr nach eigenen Angaben erst durch das Nichterscheinen der Klägerin von ihrer Stornierung. Laut Angaben der Beklagten fand vorher keine Stornierung statt, weder durch Telefonat noch per E-Mail. Die Klägerin konnte auch nicht nachweisen, dass sie die Stornierung telefonisch oder per E-Mail durchgeführt hatte. Somit war ein Weiterkauf nicht möglich.
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AG Augsburg, Urteil vom 07.07.2016 |
15 C 89/16 |
- Ein Reisender buchte bei einem Reiseveranstalter einen Pauschalurlaub. Unmittelbar vor Reisebeginn ereignete sich im Urlaubsland ein Terroranschlag. Aus Angst vor weiteren Anschlägen kündigte der Urlauber die Reise. Er verlangt nun dem Veranstalter die Erstattung der gezahlten Reisekosten.
- Der Veranstalter weigert sich der Zahlung des gesamten Betrages.
- Das Amtsgericht Augsburg hat dem Kläger Recht zugesprochen. Eine Kündigung aus wichtigem Grund im Sinne von §651 j BGB sei immer dann zulässig, wenn sich für einen der Vertragsteile hindernde Umstände ergeben, die von keiner Seite im Vorfeld hätten erahnt werden können. In der Steigerung der Gefahrenlage durch einen Terroranschlag sei ein solches Ereignis zu sehen.
- In der Folge war der Kläger zur außerordentlichen Kündigung im Sinne von §651 j BGB berechtigt. Ihm steht ein Erstattungsanspruch in Höhe des gesamten Reisepreises zu.
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AG Weißenfels, Urteil vom 18.05.2011 |
1 C 626/10 |
- Der Beklagte hatte bei der Klägerin eine Kreuzfahrt inklusive Flug nach Moskau gebucht. In der Urlaubsregion wütete zum Reisezeitpunkt jedoch ein verheerender Wald- und Torfbrand. Das Auswärtige Amt hatte aus diesem Grund für die Region eine Reisewarnung ausgegeben. Der Kläger entschied die Reise deshalb nicht anzutreten, kündigte den Reisevertrag und zahlte nur einen Bruchteil der von der Klägerin geforderten Reisekosten. Die Klägerin fordert nun vom Beklagten die Zahlung des fehlenden Betrages. Die Kreuzfahrt habe ohne Probleme stattgefunden und es hätten sich aus dem Waldbrand für die Reisenden keine Beschwerden ergeben.
- Das Amtsgericht Weißenfels hält die Klage für unbegründet. Die Wald- und Torfbrände, die die Region zum betreffenden Zeitpunkt heimgesucht haben, können als Naturkatastrophe und damit als höhere Gewalt im Sinne des § 651 j Abs. 1 BGB eingestuft werden, da diese durch menschliches Handeln nicht vollkommen beherrschbar seien.
- Somit berechtige ein großer Waldbrand, dessen Auftreten nicht auf das Verhalten der Vertragsparteien zurückgeführt werden könne, den Reiseveranstalter zur einseitigen Kündigung des Reisevertrages wegen höherer Gewalt, weil er auch durch äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abzuwenden sei.
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AG Dachau, Urteil vom 22.11.2005 |
3 C 687/05 |
- Der Beklagte hatte bei der Klägerin, einer Reiseveranstalterin, eine Reise nach Südostasien gebucht. Um Weihnachten 2004 kam es in Südostasien zu einer Flutkatastrophe, die den Kläger dazu bewog, den Reisevertrag zu kündigen, weil er sich in der Sache nicht mehr sicher fühlte. Er argumentierte, es handele sich bei der Flutkatastrophe um Höhere Gewalt i.S.d. § 651j Abs. 1 BGB, was ihn zu einer gebührenfreien Stornierung des Reisevertrag berechtige. Die Klägerin sieht dies jedoch anders und fordert im vorliegenden Rechtsstreit die Stornierungsgebühren ein, die dem Beklagten laut ihrer Allgemeinen Geschäftsbedigungen (AGB) durch die Kündigung entstanden seien.
- Das Amtsgericht Dachau hält die Klage für berechtigt. Zwar handele es sich bei der betreffenden Flutkatastrophe um einen Fall Höherer Gewalt i.S.d. § 651j Abs. 1 BGB, allerdings sei für den Kläger von diesem Ereignis keine unmittelbare Bedrohung ausgegangen.
- Der Beklagte könne sich folglich nicht auf ein Kündigungsrecht gemäß § 651 j BGB wegen höherer Gewalt berufen, weil es an der erforderlichen konkreten Gefahr für die Durchführbarkeit der Reise zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung fehle.
- Da zwischen der Naturkatastrophe und dem Zeitpunkt des Reiseantritts mehr als 7 Wochen lagen, sei diese nicht mehr gegeben.
- Der Beklagte habe unstrittigerweise ein Kündigungsrecht, müsse dann jedoch die Klägerin angemessen entschädigen und folglich die geforderten Stornierungsgebühren zahlen.
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AG Schöneberg, Urteil vom 04.06.2002 |
11 C 581/01 |
- Die Kläger hatten bei der Beklagten eine Flugreise nach Mallorca gebucht. Wegen eines Streiks verzögerte sich der Hinflug erheblich, nämlich um 15 Stunden. Dafür verlangen die Kläger Minderung des Reisepreises und Ersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit. Die Beklagte ist der Absicht, wegen höherer Gewalt keinen Ansprüchen ausgesetzt zu sein.
- Das Gericht gab der Klage vollumfänglich statt. Durch die Verzögerung des Abflugs sei es zu einer erheblichen Verkürzung der Reise gekommen, was einen minderungsbegründenden Mangel darstelle. Dies habe die Beklagte auch zu vertreten, da sie nicht nachweisen konnte, ab Kenntnisnahme vom Streik zumutbare Maßnahmen zum Schutz der Reisenden vor Beeinträchtigungen unternommen zu haben. Dies habe ihr aber im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht oblegen. Auch stehe den Klägern ein Anspruch auf Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit zu.
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LG Hannover, Urteil vom 11.1.2017
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8 O 299/16
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Höhere Gewalt setzt ein von außen kommendes, betriebsfremdes Ereignis voraus, dass auch bei äußerster vernünftiger Weise zu erwartender Sorgfalt nicht abwendbar war.
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Siehe auch