Reiseveranstalter als Luftfrachtführer

Aus PASSAGIERRECHTE
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Rolle des Reiseveranstalters als Luftfrachtführer

Handelt es sich um eine internationale Flugpauschalreise, dann richtet sich die Gewährleistung eines Reiseveranstalters nicht nur nach § 651 i ff. BGB für den Flug sondern auch nach dem Montrealer Übereinkommen und nach dem EU-Luftfahrtrecht der VO (EG) Nr. 2027/97. Dieses sorgt für die Ausweitung des Montrealer Übereinkommen auf alle Luftfahrtunternehmen der Union. Zunächst gab es das Warschauer Abkommen, welches der Vereinheitlichung des Luftprivatrechts vom 12.10.1929 diente, in der Fassung des Haager Protokolls vom 28.09.1955 und noch des Zusatzabkommens von Guadalajara vom 18.9.196 (vgl. EuGH, Urt. v. 06.05.2010, Az.: Rs. C-63/09). Das Montrealer Übereinkommen hat als völkerrechtliches Abkommen das Warschauer Abkommen am 27.06.2004 abgelöst, welches von nun an die Personen-, Reisegepäck- und Verspätungsschäden regelte. Der Unterschied zum Warschauer Abkommen liegt darin, dass es im Montrealer Übereinkommen nicht nur zu höheren Haftungsbeträgen gekommen ist, sondern auch dazu, dass das Zusatzabkommen von Guadalajara wortgleich darin wiederzufinden ist.

(1) Das Schadensersatzrecht des Montrealer Übereinkommens erstreckt sich auf internationale Luftbeförderungen zwischen Vertragsstaaten des Montrealer Übereinkommens, auf Hin- und Rückflüge aus einem Vertragsstaat (Art. 1 MÜ) (AG Düsseldorf, RRa 2004, 188) und auf inländische oder internationale Luftbeförderungen durch ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft (Art. 3 VO (EG) Nr. 2027/97). Voraussetzung für die Anwendung des Schadensersatzrechts ist jedoch, dass es zu einem Personen-, Gepäck- und Verspätungsschaden kommt. Damit findet das Montrealer Übereinkommen nicht nur zwischen den Vertragsstaaten Anwendung, sondern auch bei den nationalen und internationalen Luftbeförderungen, welche durch Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft durchgeführt werden.

(2) Im Art. 39 ff. MÜ ist die Gesamtschuld (Art. 40 MÜ) (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 30.07.2012, Az.: 11 AR 142/12; BGH, NJW 1985, 1457; BGHZ, 100, 157) des vertraglichen Luftfrachtführers und des ausführenden Luftfrachtführers geregelt, welches das Luftfahrtunternehmen ist, dass den Flug ausführt. Aus diesem Grund spielt das Montrealer Übereinkommen eine große Rolle im Reisevertragsrecht. Unter dem vertraglichen Luftfahrtunternehmen ist das Luftfahrtunternehmen zu verstehen, welches den Vertrag mit dem Reisenden geschlossen hat. Unter dem ausführenden Luftfrachtführer hingegen, ist das Luftfahrtunternehmen zu verstehen, welches die Beförderung tatsächlich durchführt, auf Grund der mit dem vertraglichen Luftfahrtunternehmen getroffenen Vereinbarung (Art. 39 MÜ). Dazu gesagt werden muss, dass es durchaus möglich ist, dass beide Luftfahrtunternehmen identisch sind. Sie müssen jedoch nicht identisch sein. Durch die Art. 39 ff. MÜ kommt es größtenteils zu einer Gleichstellung des vertraglichen Flugreiseveranstalters und des ausführenden Luftfahrtunternehmens (Luftfrachtführers). Damit kommt es zu einem Wahlrecht für den Reisenden.

(3) Das Montrealer Übereinkommen kommt jedoch nicht zur Anwendung im Verhältnis zwischen Reiseveranstalter und ausführendem Luftfahrtunternehmen (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 15.11.2011, Az.: 16 U 39/11; OLG Frankfurt, Urt. v. 23.08.2007, Az.: 3 U 207/06. In den meisten Fällen wird dieses Verhältnis durch den Chartervertrag geregelt. Der Chartervertrag ist als Werkvertrag einzustufen.

(4) Dem Reisenden stehen Schadensersatzansprüche nach dem Montrealer Übereinkommen gegenüber dem ausführenden Luftfrachtführer auch zu, ohne das ein Vertrag zwischen beiden geschlossen werden muss. Jedoch müssen die im Montrealer Übereinkommen geregelten Einschränkungen beachtet werden [BGH, NJW 1974, 1619; LG Düsseldorf, RRa 1997, 184). Der Reiseveranstalter hingegen übernimmt die Haftung gegenüber dem Reisenden nach den jeweiligen Vorschriften des Montrealer Übereinkommens aus seiner eigenen Verantwortlichkeit für Schadensersatzansprüche. Diese gelten für Personen-, Gepäck- und Abflugverspätungsschäden und müssen auch unabhängig davon geleistet werden, ob die Beförderung mit einer eigenen Maschine erfolgt oder ob veranstalterunabhängige, fremde Charterflug- oder Linienfluggesellschaften für die Beförderung eingesetzt werden. Aus diesem Grund kann sich ein Reiseveranstalter nach Art. 41 Montrealer Übereinkommen nicht seiner Haftung entziehen, wenn er sich auf das Verschulden der Fluggesellschaft beruft.

(5) Der nationale Luftverkehr ist seit dem 06.04.2004 in den §§ 44 ff. LuftVG geregelt. Im nationalen Luftverkehr kommt es zu einer Gleichbehandlung des vertraglichen und ausführenden Luftfrachtführers über § 48b LuftVG. Dabei kommt inländischen Flügen bei Pauschalflugreisen keine praktische Bedeutung zu.

Urteile und Rechtssprechung

Urteile, Datum Aktenzeichen Zusammenfassung
EuGH, Urt. v. 06.05.2010 C-63/09 Der Begriff "Schaden", der Art. 22 Abs. 2 des am 28. Mai 1999 in Montreal geschlossenen Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr zugrunde liegt, mit dem der von Luftfahrtunternehmen für Schäden, die insbesondere durch den Verlust von Reisegepäck eintreten, zu zahlende Haftungshöchstbetrag festgelegt wird, ist dahin auszulegen, dass er sowohl materielle als auch immaterielle Schäden umfasst.
OLG Frankfurt, Urt. v. 30.07.2012 11 AR 142/12 Der Gerichtsstand ist am Abflugsort festgelegt, wenn das Luftfahrtunternehmen und der Reiseveranstalter gemeinsam in Anspruch genommen werden.
OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 15.11.2011 16 U 39/11 Im Verhältnis zwischen Reiseveranstalter und Fluglinie findet das Montrealer Übereinkommen keine Anwendung.2. Zum Vorliegen außergewöhnlicher Umstände nach Art. 5 Abs. 3 VO (EG) Nr. 261/2004
OLG Frankfurt, Urt. v. 23.08.2007 3 U 207/06 Das Montrealer Übereinkommen vom 28.5.1999 findet auf Gruppenbeförderungsverträge keine Anwendung.