Systemausfall

Aus PASSAGIERRECHTE
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Durch Computerprobleme der kann es zu Verzögerungen kommen, die zu Annullierung oder Verspätung von Flügen im Luftverkehr führen können. Fraglich ist, wann ein Systemausfall als außergewöhnlicher Umstand gilt, so dass die ausführende Fluggesellschaft keine Ausgleichszahlungen leisten muss.

Hauptartikel: Außergewöhnliche Umstände

Systemausfall Definition

Systemausfall

  • Systemausfall bezeichnet den Fall, dass es zu IT-Problemen bei einer Fluggesellschaft oder bei einem anderen am Luftverkehr Beteiligten kommt, der das ganze Computersystem vorübergehend lahmlegt.
  • Wesentliche Bereiche des Betriebsablaufes im Luftverkehr laufen automatisch bzw. mit Hilfe von Computersystemen.
  • Kommt es zu technischen Problemen, so führt dies regelmäßig dazu, dass ganze Systeme lahmgelegt werden und den Betriebsablauf stark behindern.
Beispiel Beschreibung Link
"IT-Panne bei Fraport trifft Lufthansa" Ausfall des zentralen IT-Systems zur Passagier- und Gepäckbetreuung bei Fraport. Folge: erhebliche Behinderungen im Betriebsablauf ntv, 16.05.2018
"Systemausfall bei EUROCONTROL - massive Panne stört den Flugverkehr" Ausfall eines zentralen Steuerungssystem bei der Flugsicherheitsbehörde EUROCONTROL ntv, 03.04.2018


Systemausfall Fluggesellschaft

Ansprüche des Passagiers nach der Fluggastrechteverordnung

Kommt es zu Verzögerungen im Betriebsablauf, die zu Verspätungen und Annullierungen führt, ist fraglich, ob betroffene Passagiere Ausgleichsansrpüche nach der Fluggastrechteverordnung gegen die Fluggesellschaft haben. Etwaige Ansprüche wären gemäß Art. 5 Abs. 3 EG-VO Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung) ausgeschlossen, wenn der Systemausfall einen außergewöhnlichen Umstand darstellt. Dies kann auch von der konkreten Art des Systemausfalls abhängen.

Außergewöhnliche Umstände

Es kommt im Ausgangspunkt darauf an, ob der die Verzögerung verursachende Umstand untrennbar mit dem System zum Betrieb eines Flugzeugs verbunden ist oder seiner Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar ist (EuGH, Beschl. v. 14.11.2014, Rs. C-394/14, Urt. v. 04.05.2017, Rs. C-315/15). Technische Defekte, wie sie beim Betrieb der Fluggesellschaft typischerweise auftreten, stellen grundsätzlich keine außergewöhnlichen Umstände dar (z.B. ein technischer Defekt an einem einzelnen Flugzeug, oder der Defekt eines einzelnen Computers). Dies gilt auch dann, wenn das Luftverkehrsunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat (BGH, Urteil vom 12.11.2009 – Xa ZR 76/07, Rn. 23).

Zwar muss die Fluggesellschaft mit einem kurzzeitigen Ausfall aller primären Systeme im Rahmen ihrer gewöhnlichen Flugabfertigung rechnen (LG Stuttgart, Urt. v. 21.12.2017, Az.: 5 S 142/17). Etwas anderes gilt aber, wenn z.B. nicht nur das primäre System, sondern auch das Back-Up-System ausfallen und dieser Komplettausfall der Computersysteme eine erhebliche Zeit andauert. Der mehrstündige Ausfall aller Computersysteme schaffte eine Situation, die von der Fluggesellschaft nicht mehr beherrschbar war und außerhalb des Rahmens der gewöhnlichen Betriebstätigkeit eines Luftfahrtunternehmens liegt (LG Stuttgart, Urt. v. 21.12.2017, Az.: 5 S 142/17).

Zumutbare Maßnahmen

Im Falle eines solchen Systemausfalls ist fraglich, welche Maßnahmen zur Verhinderung von Behinderungen im Beförderungsablauf zumutbar sind (gemäß Art. 5 Abs. 3 VO-EG Nr. 261/2004). Wenn die Ursache für den Ausfall der Systeme im Verantwortungsbereich eines dritten Unternehmens liegt, ist eine Behebung des Problems auch nur in Zusammenarbeit mit diesem Dritten möglich. Ein Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, selbst entsprechende Fachleute vorzuhalten, um etwa Zuleitungsprobleme zu den ihm vom Flughafenbetreiber zur Nutzung bereitgestellten Computersystemen zu beheben. Insofern reicht es aus, wenn die Fluggesellschaft alle möglichen eigenen Ressourcen und Möglichkeiten nutzt, um die Folgen gering zu halten, indem sie z.B. alle zur Verfügung stehenden technischen Geräte und personellen Ressourcen nutzt (LG Stuttgart, Urt. v. 21.12.2017, Az.: 5 S 142/17). Dabei hat das Luftfahrtunternehmen darauf hinzuwirken, dass die Beeinträchtigung für die Gesamtheit der Fluggäste möglichst gering ausfällt. In den entsprechenden Entscheidungen der Airline zur Bewältigung des Zwischenfalls, muss sich widerspiegeln, dass das Interesses der Gesamtheit der Fluggäste berücksichtigt wurde. Die Beeinträchtigung für den einzelnen Reisenden, dessen Anschlussflug aufgrund der Verspätung möglicherweise verpasst wurde, tritt dahinter zurück (LG Stuttgart, Urt. v. 21.12.2017, Az.: 5 S 142/17).

Systemausfall Gepäcksortierungsanlage

Ein Ausfall der Gepäcksortierungsanlage ist kein außergewöhnlicher Umstand. Solche Anlagen sind computergesteuerte Anlagen, die der Fluggesellschaft hilft, dass das Gepäck dort ankommt, wo es hin soll. Es handelt sich um typische, den Flugbetrieb ermöglichende Anlagen der Fluggesellschaft. Führt ein Computerdefekt zu einem Ausfall der Gepäcksortierungsanlage, ist dieser Ausfall dem Luftfahrtunternehmen zuzurechnen. Es liegt in seinem Zuständigkeitsbereich, sich für solche möglichen Beeinträchtigungen eigener Systeme zu rüsten und schnelle Abhilfe zu schaffen (vgl. BGHS Wien, Urt. v. 20.12.2007, 16 C 513/07v-23).

Systemausfall Check-In-Schalter

Landgericht Stuttgart, Urteil vom 21.12.2017 I 36a C 462/13
  • Der leitungsbedingte Ausfall aller Check-In-Schalter einer Fluggesellschaft über mehrere Stunden stellt einen außergewöhnlichen Umstand i.S.d. Art. 5 Abs. 3 Verordnung (EG) 261/2004 dar.

Zusammenfassung

In dem zugrunde liegenden Fall erreichten zwei Reisende im Mai 2016 ihren Zielflughafen Stuttgart mit einer Verspätung von mehr als neun Stunden. Hintergrund dessen war, dass am Startflughafen in New York aufgrund von Problemen bei einem Telekommunikationsunternehmen die Stromversorgung für die Primär- und Back-up-Systeme an den Check-In-Schaltern eines Terminals über einen Zeitraum von mehr als 13 Stunden ausfiel. Aufgrund dessen mussten sämtliche Bordkarten und Gepäckabschnitte per Hand ausgefüllt werden, was zu erheblichen Verzögerungen führte. Die Maschine konnte daher nicht pünktlich starten, was wiederum eine verspätete Ankunft am Umsteigeflughafen London und zum Verpassen des Anschlussflugs nach Stuttgart führte. Die Reisenden mussten auf den nächsten Flug warten. Aufgrund der erheblichen Verspätung klagten die Reisenden auf Zahlung einer Ausgleichsentschädigung. Die Fluggesellschaft wies dies unter Berufung auf außergewöhnliche Umstände zurück.

Tenor

Das Amtsgericht Nürtingen wies die Klage ab, da sich seiner Auffassung nach die beklagte Fluggesellschaft auf außergewöhnliche Umstände habe berufen können. Gegen diese Entscheidung legten die Kläger Berufung ein. Auch das Landgericht Stuttgart bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts und wies daher die Berufung der Kläger zurück. Diesen stehe kein Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 VO zu. Denn die Beklagte habe sich auf außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 VO-EG Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung) berufen können.

Entscheidungsgründe

Zwar seien technische Defekte, wie der Ausfall eines einzelnen Computers beim Check-in, nach Ansicht des Landgerichts grundsätzlich Bestandteil der normalen Betriebstätigkeit des Luftfahrtunternehmens. Auch mit einem kurzzeitigen Ausfall aller primären Systeme müsse ein Luftfahrtunternehmen im Rahmen seiner gewöhnlichen Flugabfertigung rechnen. Etwas anderes gelte aber, wenn nicht nur das primäre, sondern auch das back-up System ausfalle und dieser Komplettausfall der Computersysteme mehr als 13 Stunden andauere. Der mehrstündige Ausfall aller Computersysteme habe eine Situation geschaffen, die von der Beklagten nicht mehr beherrschbar gewesen sei und damit außerhalb des Rahmens der gewöhnlichen Betriebstätigkeit eines Luftfahrtunternehmens gelegen habe. Es habe eine seltene Ausnahmesituation vorgelegen, mit der im normalen Flugbetrieb nicht gerechnet werden müsse.

Übersicht Rechtsprechung

Urteil Beschreibung Zusammenfassung
LG Stuttgart, Urt. v. 21.12.2017, Az.: 5 S 142/17 Ausfall des Check-In-Systems Kommt es zu einem dreizehnstündigen Ausfall der Primär- und Back-up-Systeme für das Einchecken der Passagiere aufgrund von Leitungsproblemen eines dritten Telekommunikationsunternehmens, ist ein außergewöhnlicher Umstand anzunehmen, so dass keine Ansprüche nach der EG-Verordnung 261/2004 bestehen. Infolge des Zwischenfalls mussten alle Passagiere manuell eingecheckt werden, weshalb es zu erheblichen Verzögerungen kam.
BGH, Urt. v. 15.01.2019, Az.: X ZR 15/18 und 85/18 Keine Zahlungspflicht der Fluggesellschaft bei verzögerter Abfertigung wegen eines mehrstündigen Systemausfalls in einem Flughafenterminal Der BGH bestätigt damit das o.g. Urteil des LG Stuttgart