Entscheidungen des Luftverkehrsmanagements
Die Luftfahrtunternehmen sind nicht immer die Entscheidungsträger, wenn es darum geht einen Flug verspätet oder gar nicht stattfinden zu lassen. Oft geht eine solche Entscheidung auf das Luftverkehrsmanagement zurück. Fraglich ist, ob solche Entscheidungen als außergewöhnlicher Umstand gelten und damit die Ausführende Fluggesellschaft von einer Zahlungspflicht aus Art. 7 VO (EG) 261/2004 gemäß Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 befreit.
Hauptartikel: Außergewöhnliche Umstände
Entscheidungen des Luftverkehrsmanagements Definition
Entscheidungen des Luftverkehrsmanagements
- Luftverkehrsmanagement: Staatliche, halbstaatliche oder private Institutionen, die hoheitliche Rechte im Flugverkehr ausüben und damit beauftragt sind, die Sicherheit im Luftverkehr zu überwachen
- Gemäß Art. 87d GG (Luftverwaltung in Bundesverwaltung)
- Insbesondere Behörden, die für die Flugsicherung zuständig sind (z.B. Deutsche Flugsicherung, die als sog. Beliehener Hoheitsrechte ausübt, Vgl.: § 27c Luftverkehrsgesetz)
- Entscheidungen: Regulierungsentscheidungen im Sinne der übertragenen Aufgabe der Luftverkehrsüberwachung- und Regelung, z.B. Start- und Landeerlaubnis, Nachtflugverbote.
Nicht umfasst: Sicherheitskontrolle (Passagierverkehr), die in § 5 Abs. 5 Luftsicherheitsgesetz geregelt ist
Aufgaben der Flugsicherung
Im Einzelnen sind die Aufgaben der Flugsicherung in § 27c des Luftverkehrsgesetzes geregelt:
- die Flugverkehrskontrolle des Luftverkehrs in Deutschland,
- die Errichtung und Inbetriebhaltung von technischen Einrichtungen und Funknavigationsanlagen,
- die Planung und Erprobung von Verfahren und Einrichtungen für die Flugsicherung,
- die Erstellung von gutachtlichen Stellungnahmen gemäß § 31 Abs. 3 LuftVG,
- die Überwachung aller Hindernisse in Bauschutzbereichen bzw. außerhalb dieser bei Höhen über 100 m ü. Grund,
- die Sammlung und Bekanntgabe der Luftfahrtinformationen und -karten,
- die überörtliche militärische Flugsicherung in Deutschland.
Die Flugverkehrskontrolle wird erbracht als:
- Platzkontrolle (Tower)
- Anflugkontrolle (Terminal Control)
- Bezirkskontrolle (Area Control Center – ACC)
(Quelle: Wikipedia)
Entscheidungen Luftverkehrsmanagement außergewöhnlicher Umstand
Bevor beurteilt werden kann, ob Entscheidungen des Luftverkehrsmanagements außergewöhnliche Umstände darstellen, ist ein Blick auf die möglichen Entscheidungen und Anweisungen hilfreicht. Dazu gehören beispielsweise Entscheidungen, welche die Bewegungslenkung der Luftfahrzeuge im kontrollierten Luftraum und auf den Bewegungsflächen umfassen. Es gehören aber auch Anweisungen zur Durchführung von Warteschleifen, Startverbote und Umleitungen aufgrund von Überlastungen des Luftraums oder der Start- und Landebahnkapazitäten (BGH, Urt. v. 13.11.2013, Az. X ZR 115/12) dazu. Schließlich können auch Entscheidungen bezüglich späterer Flüge im Rotationsplan eines Flugzeuges vom Flugverkehrsmanagement getroffen werden. Entscheidungen des Luftverkehrsmanagements sind in der Regel zwingende Anweisungen, die von Außen auf den Flugbetrieb einer Fluggesellschaft einwirken und außerhalb der Betriebssphäre des Luftfahrtunternehmens liegen. Entscheidungen des Flugverkehrsmanagements gehören andererseits auch zum „täglichen Geschäft“ der Fluggesellschaft im Flugbetrieb, so dass sie ein übliches Betriebsrisiko darstellen könnten, das von der Risikosphäre der Airline umfasst ist.
Der BGH (BGH, Urt. v. 13.11.2013, Az. X ZR 115/12) geht davon aus, dass Luftfahrtunternehmen als Betreiber von Passagierflugzeugen keinerlei Einfluss auf die organisatorischen Vorgänge am Zielflughafen haben. Es bleibt ihnen folglich nichts anderes übrig, als auf die Erteilung von Landerrlaubnissen durch das Luftverkehrsmanagement zu warten. Daraus ergeibt sich eine Abhängigkeit, auf die eine Fluggesellschaft grundsätzlich keinen Einfluss haben kann und die auf gesetzlichen Erwägungen beruht. Die Folgen dieser gesetzlichen Erwägungen stellen kein typisches Risiko des Luftverkehrs dar sondern eine staatliche Reglementierung, deren Folgen nicht zugunsten der Passagierrechte den Fluggesellschaften aufgelastet werden sollen. Daher stellen Entscheidungen des Luftverkehrsmanagements grundsätzlich außergewöhnliche Umstände dar.
Dennoch muss eine Verspätung oder Annullierung tatsächlich kausal auf der Entscheidung des Luftverkehrsmanagements beruhen. Dies muss die Fluggesellschaft darlegen können und ist nicht gegeben, wenn eine Entscheidung für die Fluggesellschaft vorhersehbar bzw. kalkulierbar war und sie hätte Zumutbare Maßnahmen ergreifen können, um die Verspätung bzw. Annullierung zu verhindern.
- Siehe dazu: Zumutbare Maßnahmen.
Typische Entscheidungen des Luftverkehrsmanagements
Flugsicherungsmaßnahmen
Die Flugsicherung hat die Aufgabe eine sichere Verkehrssteuerung zu gewährleisten. Ds tut sie insbesondere durch die Verteilung von Anweisungen und Freigaben. In gewissen Situationen kann eine Landeerlaubnis verweigert werden. Infolgedessen kann es zu erheblichen Verspätungen kommen, da das Flugzeug aufgrund eines überfüllten Luftraums nicht landen darf. Das kann dazu führen, dass Folgeflüge nicht erreicht werden können. Darin kann laut dem Bundesgerichtshof ein außergewöhnlicher Umstand gesehen werden (BGH, Urt. v. 13.11.2013, Az. X ZR 115/12). Angeführt wird insbesondere, dass es sich dabei um einen Umstand handelt, welcher von außerhalb kommt und auf den die Fluggesellschaft auch keinen Einfluss hat. Wenn das Luftfahrtunternehmen alles in seiner Macht stehende getan hat, um die Verspätung zu vermeiden.
Ähnliches gilt, wenn ein Start verlegt werden musste, weil die Startbahn aufgrund eines Unfalls gesperrt war und eine alternative Startbahn nicht zur Verfügung stand. Auch dabei kommt der Umstand von außen, auf den der Luftfrachtführer keinen Einfluss hat.
Bei schlechten Wetterbedingungen kann die Flugsicherung die Anflugrate reduzieren. Dabei kommt es zu Verschiebungen im Flugplan, was Auswirkungen auf die Pünktlichkeit der Flüge hat. Kommt es deshalb zu Verspätungen, kann sich die Fluggesellschaft auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen. Das gilt insbesondere, wenn ihr ein später Abflugslot zugeteilt wird. Allerdings muss das Luftfahrtunternehmen detailliert darlegen, wie viele Abflugslots ihr für welche Anzahl von Flügen für den konkreten Zeitraum von der Flugsicherung zugeteilt worden waren und warum sie keinen der ihr zugeteilten Slots nutzen konnte, um den konkreten Flug doch noch pünktlich stattfinden zu lassen (LG Berlin, Urt. v. 23.04.2015, Az. 57 S 18/14).
Nachtflugbeschränkungen
Ob sich ein Luftfahrtunternehmen auch bei einem Nachtflugverbot auf einen außergewöhnlichen Umstand gemäß Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 berufen kann, ist umstritten. In der Regel verneint die Rechtsprechung das. Dem Luftfahrtunternehmen sind die regelmäßigen Schließzeiten von Flughäfen bekannt, weshalb es damit rechnen könne (AG Frankfurt, Urt. v. 02.08.2012, Az. 29 C 1297/12). Die Airline müsse dafür sorgen, dass es nicht in ein solches Verbot gerät. Das kann im Idealfall dadurch geschehen, dass Flüge mit einem gewissen Zeitfenster eingeplant werden, damit auf ein eventuelles Nachtflugverbot reagiert werden kann. Ist der Flugplan der Airline so knapp geplant, dass jede kleinere Startverzögerung dazu führen würde, dass das Flugzeug am Ziel nicht mehr landen darf, nimmt sie die Verspätung fahrlässig in Kauf und kann sich nicht auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen (AG Frankfurt, Urt. v. 08.02.2013, Az. 30 C 2290/12).
Ein Nachtflugverbot kann allerdings auch einen außergewöhnlichen Umstand begründen. Das ist dann der Fall, wenn die Verspätung, die den Flug in das Nachtflugverbot „hineinverlegt“ hat, selbst auf einem außergewöhnlichen Umstand beruht. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn es aufgrund eines Unwetters zu einem verzögerten Start kommt und der Flieger aufgrund eines Nachtflugverbots dann nicht mehr landen darf. Dann wurde die Verspätung insgesamt durch einen außergewöhnlichen Umstand hervorgerufen. Als Folge gilt dann auch das Nachtflugverbot als ein solcher Umstand (AG München, Urt. v. 10.01.2014, Az. 212 C 11471/13).
Dasselbe gilt, wenn es zu einer Verschiebung der Starterlaubnis kommt, welche die Fluggesellschaft nicht beeinflussen kann und in der Folge das Ziel nicht vor Eintritt des Nachtflugverbotes erreicht werden kann. Dabei kann es schon im Voraus zu einer Verspätung gekommen sein, welche auf einem [[außergewöhnliche Umstände|außergewöhnlichen Umstand beruht. Bei einer solchen Verkettung der Umstände muss die Airline genau darlegen, inwieweit sie die Verantwortung für die Umstände trägt bzw. inwieweit sie die nicht trägt (AG Charlottenburg, Urt. v. 30.03.2017, Az. 205 C 85/16). In diesem Fall hat die Fluggesellschaft nach dem ersten Ereignis eine Nachlandegenehmigung für den Zielflughafen beantragt, da sie eine Verspätung schon absehen konnte. Beim Abflug wurde dann die Starterlaubnis verschoben, weshalb es zu einer erneuten Verzögerung kam. Aus diesem Grund kam das Flugzeug auch nicht im Rahmen der Sonderlaubnis an, weshalb auf den nächstgelegenen Flughafen ausgewichen werden musste. Infolgedessen mussten die Passagiere noch andere Verkehrsmittel nehmen, weshalb es zu einer noch größeren Verspätung kam. Diese Umstände waren durch die Airline keinesfalls beherrschbar. Aus diesem Grund wurden hier außergewöhnliche Umstände angenommen.
Entscheidungen des Luftverkehrsmanagements Rechtsprechung
Gericht, Datum | Aktenzeichen | Zusammenfassung (siehe Reiserecht-Wiki) |
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BGH, Urteil vom 13.11.2013 | X ZR 115/12 |
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LG Berlin, Urteil vom 23.04.2015 | 57 S 18/14 |
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AG München, Urteil vom 10.01.2014 | 212 C 11471/13 |
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AG Frankfurt, Urteil vom 08.02.2013 | 30 C 2290/12 |
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AG Frankfurt, Urteil vom 02.08.2012 | 29 C 1297/12 |
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