Flexible Luftraumnutzung
Flexible Luftraumnutzung (englisch: flexible use of airspace , FUA) ist ein Luftraum-Konzept von EUROCONTROL.
Die Strategie der flexiblen Luftraumnutzung wurde im März 1996 im Rahmen der Europäischen Zivilluftfahrt-Konferenz (ECAC) vorgestellt. Das Ziel des Programms ist es, die Kapazität des gesamten Luftverkehrssystems zu vergrößern und damit die Ziele der En-Route-Strategie von 1990 zu erreichen.
Das Konzept zeichnet sich dadurch aus, dass keine strikte Teilung in zivilen und Militär-Luftraum geben soll, sondern dass der Luftraum als ein Kontinuum mit Zuordnung gemäß der Anforderungen der Nutzer. Jegliche notwendige Luftraumsegregation soll vorübergehender Natur ausgehend von der Echtzeit-Nutzung innerhalb eines bestimmten Zeitraumes sein. Zusammenhängende Luftraumbereiche sollen nicht durch nationale Grenzen eingeschränkt werden.
Beschreibung
Flexible Luftraumstrukturen
Eine Voraussetzung für FUA ist die Einführung anpassungsfähiger Luftraumstrukturen und Verfahren, die sich besonders für temporäre Nutzung und Zuweisung eignen.
Bedingte Strecke (conditional route, CDR)
Bedingte Strecken sind nicht-permanent zugewiesene Routen des Flugverkehrsmanagements, welche oder wessen Teile unter bestimmten Bedingungen geplant und verwendet werden können. Gemäß ihrer geplanten Verfügbarkeit und Planungsmöglichkeiten, können CDRs wie folgt kategorisiert werden:
- Kategorie 1: Dauerhaft planbare Routen.
- Kategorie 2: Nicht dauerhaft planbare Routen.
- Kategorie 3: Nicht planbare Routen.
Temporär segregierter Bereich (TSA): Luftraum, der temporär reserviert und für die exklusive Verwendung durch einen bestimmten Nutzer während einer definierten Zeitspanne zugeteilt ist.
Luftraum mit reduzierter Koordination (RCA): Ein bestimmter Teil des Luftraums, wenn operationeller Militär-Flugverkehr gering oder abwesend ist, und wo allgemeiner Flugverkehr außerhalb der ATS-Strecken ohne Koordination durch Fluglotsen mit verschiedener Zuständigkeit betrieben werden darf.
Drei Ebenen des Luftraummanagements
Strategische Ebene
Die strategische Ebene umfasst eine übergeordnete Definition und Überprüfung der nationalen Luftraumpolitik unter Berücksichtigung nationaler und internationaler Luftraumnutzer sowie Anforderungen der Flugsicherungsdienste.
Verwandte Aufgaben beinhalten Einrichtung von Luftraumorganisationen, Planung und Schaffung von permanenten und temporären Luftraumstrukturen und Vereinbarung von Prioritäten und Verhandlungsverfahren.
Staaten müssen permanente Gremien für das strategische Luftraum-Management, Planung und Koordinierung einrichten. Die Gremien sollen im Auftrag des jeweiligen Staates folgende Aufgaben haben:
- Formulierung der nationalen Politik für Luftraum-Management unter Berücksichtigung nationaler und internationaler Luftraumnutzer sowie Anforderungen der Flugsicherungsdienste.
- Umwertung der nationalen Luftraumstruktur und des Streckennetzes mit dem Ziel, soweit wie möglich, flexible Luftraumstrukturen und Verfahren zu planen.
- Regelmäßige Überprüfung der Bedürfnisse des nationalen und, wo anwendbar, auch des grenzüberschreitenden Luftraumes.
- Ausarbeitung von Verhandlungsverfahren und Prioritätsregeln für die Luftraumzuweisung auf der Ebene 2.
- Überprüfung der Verfahren und der Effizienz der Ebenen 2 und 3.
- Kontinuität und Transparenz der operativen Abwicklung an nationalen Grenzen durch gemeinsame Luftraumplanung und Abstimmung des Luftraum-Managements mit den Nachbarstaaten.
Prätaktische Ebene
Diese Ebene umfasst die Betriebsführung innerhalb des Rahmens der Strukturen und Verfahren, die in der ersten Ebene definiert wurden. Zu den Aufgaben gehören tägliche Verteilung des Luftraums und Weiterleitung der Daten an die entsprechenden Beteiligten.
Staaten müssen, wann immer es möglich ist, gemeinsame zivil/militärische Luftraum-Verwaltungszellen (AMC), um die tägliche Luftraumzuweisung zu verwalten. Das nationale übergeordnete Luftraumpolitik-Organ bestimmt den Ermessungsspielraum und die Autorität der AMC, damit es nicht notwendig ist, Aufgaben an höhere Stellen zu überweisen.
Subregionale Luftraum-Verwaltungszellen könnten durch einen oder mehrere Staaten festgelegt werden. Sie würden dann die Verantwortung für das prätaktische Luftraum-Management auf beiden Seiten der Grenze teilen. Luftraum-Verwaltungszellen sollen folgende Aufgaben haben:
- Tägliche Zuweisung des erforderlichen Luftraumes an die Nutzer auf eine bestimmende, zeitnahe und effiziente Weise.
- Tägliche Verkündung der Zuweisungen für den nächsten Tag an die betreffenden Parteien in einem Luftraumnutzungsplan.
Agenturen, die für die Luftraumaktivitäten zuständig sind, reichen ihre Anträge auf die Zuweisung von Lufträumen oder Routen an die entsprechenden Luftraum-Verwaltungszellen (AMC) ein. Nachdem die AMC die Anträge erhalten, ausgewertet und auf Konflikte untersucht hat, erfolgen die Benachrichtigungen über die Zuweisungen mittels einen täglichen Luftraumnutzungsplan. Darin sind bedingte Routen, temporäre segregierte und grenzüberschreitende Bereiche enthalten, die für eine bestimmte Zeit zugewiesen werden. Änderungen können bei Bedarf in einem aktualisierten Luftraumnutzungsplan veröffentlicht werden. Die Änderungen gelten am tatsächlichen Tag, für welchen der Plan herausgegeben wurde. Beide Pläne werden national und international in einem geeigneten Format veröffentlicht.
Um das FUA-Konzept erfolgreich zu implementieren, musste eine zentralisierte Datenverarbeitungsfunktion (centralised airspace data function, CADF) geschaffen werden. Ihre Aufgaben sind:
- Informationen von den Luftraum-Verwaltungszellen sammeln und jeden Fehler in der Kontinuität der Routen erkennen.
- Eine gemeinsame Benachrichtigung über die Verfügbarkeit der bedingten Routen innerhalb des ECAC-Bereiches erstellen.
Taktische Ebene
Die taktische Ebene besteht aus Aktivierung, Deaktivierung oder Neuverteilung des auf der Ebene 2 zugewiesenen Luftraumes, Lösung bestimmter Luftraumprobleme und individueller Verkehrssituationen zwischen verschiedenen Verkehrsarten. Zu den Aufgaben gehört schneller Datenaustausch zwischen zivilen und militärischen Flugsicherungsdienstleistern, um einen sicheren und zügigen Betrieb sowohl im operationellen Militär-Luftverkehr als auch im Zivilluftverkehr.
Es müssen Lösung zur verbesserten Koordination und zivile/militärische Koordinierungsverfahren in Echtzeit geschaffen werden, damit:
- Der auf der Ebene 2 zugewiesene Luftraum im Echtzeit-Modus aktiviert, deaktiviert oder umgeschichtet werden kann.
- Die maximale sichere Nutzung des Luftraumes durch zivile und militärische Akteure ermöglicht wird, wodurch keine Segregation mehr notwendig sein muss.
- Spezifische Luftraumprobleme und Verkehrssituationen zivilen und militärischen Flugsicherungseinheiten und Fluglotsen gelöst werden.
- Auf alle notwendigen Daten zugegriffen werden kann.
- Das FUA-Konzept auf den Ebenen 1 und 2 vollständig ausgenutzt werden kann.
Unterstützende Lösungen zur verbesserten Koordination können sein:
- Flugplan-Verarbeitungssystem (flight plan processing system, FPPS), um Steuerungsdaten zu ändern.
- Flugmanagementsystem, das Piloten während des Fluges bei Umleitung aktualisieren können.
- Zentrale Verkehrsfluss-Managementeinheiten (central flow management unit, CFMU), die den aktualisierte Umgebungsluftraum, Routendaten und überarbeitete Kapazitätszahlen verwenden, um den Verkehrsfluss anzupassen und den Verkehrsdurchfluss zu maximieren.
Vorteile
Die Implementierung des Konzeptes der freien Luftraumnutzung soll sowohl für die Zivil- als auch für Militär-Luftfahrt Vorteile bringen:
- Wirtschaftliche Effizienz durch geringere Distanz, Zeit und Treibstoffverbrauch.
- Verbessertes Streckennetz der Flugverkehrsdienste die damit verbundene Sektorisierung bieten eine erhöhte Kapazität der Flugverkehrskontrolle und weniger Verspätungen im allgemeinen Luftverkehr.
- Effizientere Wege, die allgemeine und die Militär-Luftfahrt zu trennen.
- Verstärkte Koordination zwischen Zivil- und Militär-Luftfahrt im Echtzeit-Modus.
- Verringerter Bedarf an Luftraumsegregation.
- Die Festlegung und Verwendung von temporär segregierten Bereichen, die stärker den Anforderungen des militärischen Betriebs entsprechen.
Weitere Entwicklung
Um die Umsetzung der EUROCONTROL-Luftraumstrategie für die ECAC-Staaten zu erleichtern, wurden strategische Maßnahmen, genannt Operative Verbesserungen (OIs), identifiziert und in sieben Hauptänderungsanweisungen [A bis G] unterteilt.
Die Änderungsanweisung [B] befasst sich mit der Verbesserung der Luftraumverwaltung und Koordination zwischen Zivil- und Militär-Luftfahrt. Zu den Verbesserungen gehören die Erweiterung des FUA-Konzepts in ganz Europa, bessere zeitliche Anpassung der ASM-Prozesse, dynamisches Luftraummanagement und bessere Koordination zwischen Nachbarstaaten. Dies wird zu einem besseren gemeinsamen Ansatz an die Luftraumplanung und –verwaltung führen, um die Harmonisierung und die Kontinuität des europäischen Luftraums zu gewährleisten.
In den Jahren 2000 bis 2012 sollten folgende Schritte umgesetzt sein:
- 2000 - OI-1 B: Verbesserung der Koordination zwischen Zivil- und Militär-Luftfahrt in Echtzeit durch Bereitstellung adäquater Systeme und Sicherstellung der Verbreitung aktueller Flugpläne. Diese OI wurde mit der Veröffentlichung eines Abschlussberichtes im Jahr 2002 geschlossen.
- 2003 - OI-2 B: Nationale Luftraumplanung mit dem Ziel, den Luftraum innerhalb eines Staates möglichst zwischen verschiedenen Benutzergruppen teilen zu können.
- 2005 - OI-3 B: Das FUA-Konzept soll auf untere Luftraumbereiche und den Flughafen-Luftraum erweitert werden.
- 2005 - OI-5 B1: Gemeinsame Luftraumplanung mit den Nachbarstaaten, einschließlich der internationalen Abkommen zum grenzüberschreitenden Betrieb.
- 2006 - OI-4 B1: Das FUA-Konzept soll mit dem dynamischen Luftraummanagement erweitert werden, um in Echtzeit auf sich verändernde Situation in den Verkehrsströmen und auf kurzfristige Änderungen der Absichten der Nutzer zu reagieren.
- 2006 - OI-4 B2: Harmonisierung der Handhabung des Zivil- und Militär-Luftverkehrs, um sicherzustellen, dass die Grundsätze, Regeln und Verfahren gemeinsam mit dem maximal möglichen Ausmaß innerhalb der ECAC Luftraum eingesetzt werden können.
- 2008 - OI-5 B2: Gemeinsame europäische Luftraumplanung.
- 2012 - OI-6 B: Integrierte europäische Luftraumplanung.
Weitere Verbesserung
Das Ziel des FUA-Konzeptes ist es, eine konsistentere Koordination zwischen Zivil- und Militär-Luftfahrt auf der nationalen Ebene zu schaffen. Es gibt jedoch nach wie große Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten. Wenn dies die Verwaltung des nationalen Luftraumes nicht hindert, so sind die Unterschiede jedoch schädlich an der Grenzfläche mit einer entsprechenden Auswirkung auf das gesamte Management-System. Heute soll FUA hauptsächlich Luftraum freigeben, wenn es nicht benutzt wird. Die Vorteile in Bezug auf Kapazität sind sehr klein, da keine alternativen Routing-Szenarien auf Basis von bedingten Strecken umgesetzt worden sind. Allerdings wurden Wirtschaftlichkeitsvorteile durch kürzere Routen identifiziert. Derzeit wird zu viel Wert auf strategische Luftraumgestaltung von Dauerroutenstrukturen gelegt, anstatt der Lösungen für den Luftraum-Management auf den Ebenen 2 und 3.
Das neue Programm von EUROCONTROL „dynamisches Management des europäischen Luftraum-Netzwerkes“ (dynamic management of the european airspace network, DMEAN) hat das Ziel, die Prozesse innerhalb des FUA-Programms zu verbessern und die übergangslosen Verläufe von der strategischen Planung bis hin zur Umsetzung sicherzustellen.
Das Einsatzkonzept für FUA von 2008 bis 2010 taktischer und prätaktischer Ebene basiert auf der Einführung von:
- Europaweit gültige Szenarien, die mit dem Militär-Luftverkehr kompatibel sind, für den Fall großflächiger Übungen oder Operationen in ganz Europa.
- Kontinuierliche und nahtlose Abläufe im Luftraum- und Verkehrsflussmanagement. Die Entscheidungen sollen zeitnah zu der tatsächlichen Durchführung von Operationen gefallen werden, um Kapazitätsengpässe zu vermeiden.
- Aktives Luftraum-Management, um proaktive und dynamische Zuweisung von Luftraumbereichen auf bestimmte kurzfristige Luftraumanforderungen und Routenoptimierungen zu ermöglichen.
- Gemeinsames Luftraumdaten-Repository ermöglicht allen Beteiligten Zugriff auf präzise, konsolidierte und aktuelle Informationen des Flugverkehrsmanagements in Echtzeit und bietet die Möglichkeit, digitale Informationen automatisch zu verarbeiten.
- Assistenz bei der Flugplanung, falls erforderlich, mit umfassender Beratung und Alternativvorschlägen, falls eine Route nicht verfügbar ist.
- Konsistenz in der Verarbeitung der Flugpläne, damit jegliche Änderungen oder Maßnahmen des Flugverkehrsmanagements, die den Flug betreffen, richtig behandelt werden und Flugdaten ordentlich geteilt werden.
Das verbesserte FUA ist ein wesentlicher Teil des Großprojektes Single European Sky.
Das Gesetzpaket zum Single European Sky II, das im Jahr 2010 verabschiedet wurde, enthält ein Bewertungskonzept, mit dem die Leistung der Flugsicherungsdienste und des Netzwerkes evaluiert werden kann. Diese Merkmale müssen anhand von Schlüsselkriterien bezogen auf die Umwelt bewertet werden.
Eine wichtige Aufgabe bei Luftraummanagement auf den Ebenen 1 und 2 ist es, die Effizienz der Umsetzung anhand von FUA-Indikatoren kontinuierlich zu überwachen. Bis jetzt wurden lediglich zwei Indikatoren entwickelt – Anwendungsrate (FUA Use Rates) und Flugwirtschaftlichkeit (FUA Flight Economy Indicator):
- Die Anwendungsrate gibt Auskunft darüber, in welchem Ausmaß flexible Luftraumstrukturen vorhanden sind und wie groß das Interesse der Nutzer an diesen Strukturen ist.
- Die Flugwirtschaftlichkeit liefert Informationen darüber, ob durch die Nutzung des FUA-Konzeptes bezogen auf die Entfernung, Flugzeit, Treibstoffverbrauch oder Einsparungen bei den Emissionen ein Gewinn oder ein Verlust voraussichtlich erwirtschaftet wird.
Andere Schlüsselkriterien befinden sich noch in der Entwicklung. Es soll möglich gemacht werden, die Leistung des Flugverkehrsmanagements in Bezug auf die Bedürfnisse der Zivil- und Militär-Luftfahrt zu bewerten.
Gegenwärtig existierende Indikatoren geben Aufschluss über folgende Merkmale:
- Die Verfügbarkeit der bedingten Routen gemäß den Tagesinformationen.
- Die Verwendung bedingter Routen in der Zeit, wo sie geöffnet sind:
- Die Anzahl der Flugzeuge, die an der Änderung ihres Flugplanes interessiert sind,
- Die Anzahl der tatsächlichen Nutzer der Routen.
- Die Gewinne, die mit der Nutzung der bedingen Routen in Verbindung gebracht werden, in Bezug auf die Entfernung, den Treibstoffverbrauch und andere Faktoren:
- Potenzielle Kosteneinsparung
- Tatsächliche Kosteneinsparung
- Verluste
- Angebotene Kosteneinsparung
- Ist-Zustand
Links
- Luftverkehrsgesetz (LuftVG)
- Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG)
- Luftverkehrs-Ordnung (LuftVO)
- Gesetz über die Errichtung des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung (BAFG)