Flugmanagementsystem
Ein Flugmanagementsystem (FMS) stellt eine fundamentale Komponente der Avionik eines modernen Verkehrsflugzeuges dar. Ein FMS ist ein spezialisiertes Computersystem, welches eine Vielzahl von Bordaufgaben automatisiert und so die Arbeitsbelastung der Piloten insoweit reduziert, dass es nicht mehr notwendig ist, Flüge mit einem Flugingenieur oder einem Navigationsoffizier zu besetzen. Die primäre Funktion des Systems ist die Ausführung des Flugplanes. FMS benutzt verschiedene Sensoren (zum Beispiel GPS und Trägheitsnavigationssysteme, oft unterstützt durch Radionavigation), um den Standort des Flugzeuges zu bestimmen und das Flugzeug durch den Flugplan zu navigieren. Aus dem Cockpit wird das FMS mithilfe eines Control Display Unit bedient, das aus einer Tastatur oder einem Touchscreen und einem kleinen Bildschirm besteht. Der zweite Bestandteil ist ein Computer. Dieser kann als ein eigenständiges Gerät sowohl eine Rechenplattform als auch verschiedene Benutzeroberflächen zu anderen Avonikelementen bereitstellen, oder er kann als eine Funktion in eine Hardware-Plattform integriert sein.
Das FMS sendet den Flugplan an das elektronische Fluginstrumentensystem (englisch: Electronic Flight Instrument System, EFIS), den Navigations- oder Multifunktionsbildschirm.
Das erste moderne FMS wurde auf einer Boeing 767 installiert. Heute gibt es ähnliche Navigationssysteme auch auf solchen kleinen Flugzeugen, wie Cessna 182. Verschiedene Versionen und Modelle der FMS können sich nach Größen, Fähigkeiten und verfügbaren Optionen unterscheiden, gewisse Charakteristiken sind jedoch bei allen Flugmanagementsystemen gleich.
Die verschiedenen Flugmanagementsysteme unterscheiden sich heute stark in ihren Fähigkeiten, da sie verschiedenen Marktsegmenten innerhalb der Luftverkehrsbranche gerecht werden müssen. Diese reichen von der einfachen Navigation vom Wegpunkt zum Wegpunkt bis hin zu anspruchsvolleren multisensorischen Navigation, optimierten vierdimensionalen Flugplanung und Leitsystemen. Das FMS in seiner einfachsten Form wird langsam unzeitgemäß, da die Staffelung im engen Luftraum immer höhere Anforderungen an die Fähigkeit eines Flugzeuges setzt, seine Flugbahn genauer zu nehmen.
Die Navigationsfunktion innerhalb des FMS berechnet den aktuellen Standort des Flugzeuges auf der Grundlage der Daten aus dem Multisensormelder und der Geschwindigkeitsmessung. Folgende Informationen können daraus gewonnen werden:
- Dreidimensionale Ortung (Länge, Breite, Höhe)
- Geschwindigkeitsvektor
- Höhenrate
- Kurswinkel über Grund, Richtung und Driftwinkel
- Windvektor
- Geschätzte Unsicherheit
- Zeit
Das Navigationssystem ist darauf ausgelegt, mit der Kombination verschiedener Sensoren und autonomen Navigationsempfängern zu arbeiten. Die aktualisierten Standortinformationen aus dem Navigationsempfänger dienen dazu, die Standort- und Geschwindigkeitsdaten aus den autonomen Sensoren zu berichtigen, sodass ein Fehlermodell für die Sensoren entsteht. Wenn andere Navigationshilfen wie Entfernungsmessgeräte (DME), Drehfunkfeuer (VOR) oder GPS ausfallen, wird die Navigationsgenauigkeit angemessen beibehalten. Diese Fähigkeit ist insbesondere für Instrumentenanflüge wichtig, sodass diese vollzogen werden können, selbst wenn die primäre Navigationsquelle ausgefallen ist.
Alle FMS besitzen eine Navigationsdatenbank. Die Navigationsdatenbank enthält die Elemente, aus denen ein Flugplan aufgebaut ist. Die NDB wird normalerweise alle 28 Tage aktualisiert.
Die Navigationsdatenbank enthält alle Informationen, die zur Erstellung eines Flugplanes notwendig sind:
- Wegpunkte/Luftkreuzungen
- Luftstraßen
- Funknavigationshilfen einschließlich Entfernungsmessgeräte, Drehfunkfeuer, ungerichtete Funkfeuer und [| Instrumentenlandesysteme]
- Flughäfen
Start- und Landebahnen
- Standard Instrument Departure – Standardisiertes Abflugverfahren für Instrumentenflüge
- Standard Terminal Arrival Routes – festgelegte Anflugstrecken
- Warteschleifen
- Instrumentenanflugverfahren
Wegpunkte können auch vom Piloten während des Fluges definiert werden, oder durch die Bezugnahme auf andere Wegpunkte als neue Punkte formuliert werden.
Flugplanung
Ein Flugplan wird grundsätzlich vor dem Flug vorbereitet, entweder durch den Piloten, wenn das Luftfahrzeug kleiner ist, oder durch einen professionellen Flugdienstberater der Fluggesellschaft. Der Flugplan wird in das FMS entweder manuell eingetragen, oder, falls vorgespeichert, aus einer Liste vorhandener Flugpläne ausgewählt werden.
Im Rahmen der Vorflugkontrolle werden alle weiteren relevanten Informationen eingetragen, zum Beispiel – das Bruttogewicht, Treibstoffgewicht oder die Schwerpunktlage, sowie Flughöhen einschließlich geplanter Reiseflughöhe. Für Luftfahrzeuge, die über kein GPS verfügen, ist die Eingabe des Ausgangsstandortes erforderlich.
Mittels FMS können Piloten den Flugplan modifizieren. Spezielle Konstruktion der Tastatur minimiert die Anzahl der Tastenschläge, um so die Fehlerwahrscheinlichkeit zu reduzieren, welche potenziell zu gefährlichen Situationen führen könnten. Darüber hinaus sendet das FMS den Flugplan an den Navigationsbildschirm und an das elektronische Fluginstrumentensystem (EFIS).
Die Grundlage des Flugprofils ist die Route, die das Flugzeug vom Start bis zum Ziel fliegen muss. Die Flugplanungsfunktion des FMS besteht darin, diese Strecke zu erstellen, zu modifizieren und zu aktivieren. Routendaten werden in der Regel vom Computer des Systems extrahiert und bestehen typischerweise aus den Angaben zum Startflughafen, Landebahn, standardisierten Instrumentenabflug-Verfahren, Wegpunkten und Luftstraßen, festgelegten Anflugstrecken (Standard Terminal Arrival Routes, STAR) und einem Anflugverfahren mit einer bestimmten Ziellandebahn. Oft können keine Anflugverfahren ausgewählt werden, solange die zuständige Flugverkehrskontrolle im Ziel nicht kontaktiert wurde. Sobald die Crew eine bestimmte Strecke sowie alle Nebenbedingungen und Optionen festgelegt hat, wird der Flugplan in einer Zwischenablage gespeichert und dient vorwiegend der Erstellung des Flugprofils.
Ein Teil der Flugplanung ist die Vorhersage der Außenlufttemperaturen und Winde, die während des Fluges auftreten können. Die Vorhersagen helfen dem FMS, die voraussichtliche Flugbahn zu aktualisieren und die voraussichtliche Ankunftszeit (Estimated Time of Arrival, ETA), den Treibstoffverbrauch sowie die Anstieg- und Sinkgeschwindigkeiten genauer zu bestimmen.
Die Flugbahn, die voraussichtliche Treibstoffmenge, Entfernung, Höhe und Geschwindigkeit werden für jede Flugphase festgelegt. Das Flugprofil wird kontinuierlich aktualisiert, um unvorhersehbare Abweichungen zu berücksichtigen.
Leistungsberechnung
Ein Teil des vertikalen Flugplanungsprozesses ist die Auswahl des Leistungsmodus für jede Flugphase auf der Grundlage spezifischer Zielanforderungen. Dies beinhaltet die Berechnung des optimierten Geschwindigkeitsplanes, wofür zwei Werte definiert werden – konstante kalibrierte Fluggeschwindigkeit (Calibrated Air Speed) und ein Mach-Zahlen-Paar. Die Höhe, in der die CAS und die Mach-Zahlen identisch sind, nennt man Kreuzungshöhe. Unter dieser Höhe richtet sich die Geschwindigkeit nach der CAS, darüber nach den Mach-Zahlen. Jede der drei grundlegenden Flugphasen (Anstieg, Reiseflug und Sinkflug) haben mindestens drei mögliche Geschwindigkeitsoptionen:
- Economy – kostenoptimale Geschwindigkeit
- Maximale Geschwindigkeit in Bezug auf die Schnelligkeit
- Required time of arrival (RTA) – Geschwindigkeit in Bezug auf die erforderliche Ankunftszeit
In jeder Flugphase können die zwei Geschwindigkeitswerte manuell eingegeben werden.
Ein weiterer wichtiger Parameter ist die für einen bestimmten Flugzeugtyp/Triebwerkstyp, Gewicht, bestimmte meteorologische Bedingungen u.Ä. optimale und maximale Flughöhe. Ein Algorithmus berechnet die kostenoptimale Flughöhe ausschließlich auf der Grundlage der Flugzeugcharakteristika und voraussichtlichen Umweltbedingungen. Die maximal mögliche Flughöhe wird anhand von denselben Daten ohne Berücksichtigung des besten Treibstoffverbrauches berechnet.
Ortung
Während des Fluges ist die wichtigste Aufgabe des FMS, die Position des Flugzeuges und die Genauigkeit dieser Position zu bestimmen. Einfache FMS verwenden zur Positionsbestimmung einen einzigen Sensor – typischerweise GPS. Moderne FMS können eine sehr hohe Anzahl an verschiedenen Sensoren und Messgeräten zur genauen Ermittlung des Standortes haben. Einige Systeme verwenden das Kalman-Filter, um die Angaben verschiedener Sensoren in eine einzige Position zu integrieren. Zu den häufigsten Sensoren zählen:
- GPS-Receiver als Hauptsensoren, da sie die höchste Genauigkeit und Integrität haben.
- Funknavigationshilfen für Flugzeugnavigation als Hilfssensoren mit zweitbester Leistung, z.B.:
- Entfernungsmessgeräte, oder distance measuring equipment (DME), welche die Distanz von fünf verschiedenen DME-Stationen gleichzeitig überprüfen, um den Standort etwa alle 10 Sekunden zu bestimmen.
- Drehfunkfeuer, die eine Peilung ermöglichen. Die Position des Flugzeuges kann mit begrenzter Genauigkeit mit zwei Drehfunkfeuerstationen ermittelt werden.
- Trägheitsnavigationssysteme verwenden zur Bestimmung der Flugzeugposition Laserkreisel und Beschleunigungsmesser. Sie sind hochgenau und unabhängig von externen Quellen. Zur Bestimmung der Position in großen Verkehrsflugzeugen wird ein gewichteter Durchschnitt aus den Werten benutzt, welche von drei unabhängigen Trägheitsnavigationssystemen bereitgestellt werden.
Das FMS ruft kontinuierlich Daten von verschiedenen Sensoren ab und bestimmt die aktuelle Position des Flugzeuges und die Genauigkeit. Unter Genauigkeit versteht man die tatsächliche Navigationsleistung (actual navigation performance, ANP) – einen Kreis, innerhalb dessen sich das Flugzeug an jeder Stelle befinden kann. Der Luftraum hat eine feste erforderliche Navigationsleistung (required navigation performance, RNP). Damit ein Flugzeug bestimmte, hohe Flugflächen betreten darf, muss seine tatsächliche Navigationsleistung kleiner sein, als die erforderliche Navigationsleistung.