Sicherheitskultur in der Luftfahrt

Aus PASSAGIERRECHTE
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Sicherheitskultur ist ein Verhaltensmerkmal einer Gruppe oder Organisation wie mit Fragen zur Sicherheit umgegangen wird. Es unterliegt einem komplexen Lernprozess, in dem sich gemeinsame Ziele, Interessen, Normen, Werte und Verhaltensmuster herausbilden. In der Luftfahrt spielt die Sicherheit eine essentielle Rolle.

Übersicht:
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Sicherheitskultur Definition

Sicherheitskultur

  • Die Sicherheitskultur ist die Art und Weise, wie die Sicherheit wahrgenommen, bewertet und in einer Organisation priorisiert wird
  • Die Sicherheitskultur spiegelt wider, wie sich eine Organisation in Wirklichkeit für sicherheitskritische Probleme engagiert.


Sicherheitskultur in der Luftfahrt

Sicherheitskultur Flughafen

Die Sicherheitskultur muss im Unternehmen organisiert, umgesetzt und praktiziert werden. Es ist eine Kombination aus Organisationskultur, Professionalität und oft auch Mentalität. Die Sicherheitskultur kann daher positiv, negativ oder neutral sein. Sie repräsentiert, was Menschen wirklich über die Wichtigkeit der Sicherheit denken, sowie wie sie die Einstellung gegenüber der Sicherheit von ihren Kollegen, Vorgesetzten und Führungskräften bewerten. Die Sicherheitskultur kann die Leistung des Unternehmens direkt beeinflussen. Wenn jemand glaubt, dass Sicherheit auch nur vorübergehend nicht wichtig ist, kann das zu Ausweichlösungen, Einsparungen, unsicheren Entscheidungen oder Urteilen führen, insbesondere wenn es ein scheinbar kleines Risiko und keine offensichtliche Gefahr ist. Es wird oft geglaubt, dass ein Sicherheitsmanagementsystem (SMS) ausreichend ist. Ein SMS repräsentiert die Kompetenzen des Unternehmens im Bereich der Sicherheit und es ist wichtig, ein solches System im Unternehmen zu haben. Aber solche Regeln und Prozesse können nicht immer befolgt werden, vor allem, wenn Menschen in der Organisation glauben, dass zum Beispiel fließender Verkehr Vorrang hat, selbst wenn Risiken gelegentlich in Kauf genommen werden müssen. Eine solche Einstellung resultiert unmittelbar daraus, wie die Sicherheitskultur im Unternehmen gelebt wird. Die Haltung kommt von Mitarbeitern und insbesondere Vorgesetzten und der Unternehmensführung. Daher muss das Engagement für die Sicherheit von der Spitze der Organisation ausgehen. Organisationen benötigen sowohl ein Sicherheitsmanagementsystem als auch eine gesunde Sicherheitskultur, um eine akzeptable Leistung zu erzielen. Die Luftfahrt hat die Besonderheit, dass sie im Allgemeinen sehr sicher ist. Ernsthafte Unfälle mit schweren Folgen ereignen sich sehr selten. Das bedeutet, dass fast jede Organisation annehmen würde, dass sie sehr sicher ist. Es kann wenige Zwischenfälle von geringerer Schwere geben, Sicherheitsfälle können für den laufenden Betrieb und auf zukünftige Änderungen gut vorbereitet sein. Echte Flugzeugunfälle sind in der Regel sehr komplex und können mehrere Ursachen haben, sodass es nicht immer einfach ist, sie vorherzusehen.

Bewertung Sicherheitskultur

Um den Zustand der Sicherheitskultur zu messen oder zu bewerten, bieten sich sogenannte Sicherheitsumfragen als eine einfache und robuste Lösung. Sie können in regelmäßigen Abständen wiederholt werden, um Entwicklungen und Veränderung zu beobachten und die Wirksamkeit von Maßnahmen zu überprüfen. Es gibt keine explizite Empfehlung der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation an die Luftfahrt-Dienstleister, solche Befragungen durchzuführen, sie gehören jedoch zu den sogenannten „Best Practices“ – optimale Verfahren oder Vorgehensweisen, die in jeder Hinsicht einen sicheren und effizienten Betrieb ermöglichen. Die Verordnung 1035/2011 – Gemeinsame Vorschriften zur Erbringung von Flugsicherungsdiensten – schreibt vor, dass Befragungen im Rahmen der Gewährleistung der Sicherheit regelmäßig durchgeführt werden sollen. Sicherheitsbefragungen sollen routinemäßig durchgeführt werden.

Umfragen komplettieren Unfalluntersuchungen, da sie Systeme unter normalen Bedingungen untersuchen, um noch nicht erkannte Schwächen aufzudecken, die direkt oder indirekt die Sicherheit beeinflussen. Darüber hinaus spielt die Sicherheitsbefragung eine ähnliche Rolle wie Qualitätsprüfungen in einem Qualitätsmanagementsystem. Beide Aktivitäten werden durchgeführt, um die Einhaltung der Standards und Ziele sowie Verfahren zu überprüfen, Probleme zu erkennen und die Suche nach Lösungen und Verbesserungen zu erleichtern. Sicherheitsumfragen sind grundsätzlich eine kostengünstige, einfache in der Verwaltung und flexible Methode, Gefahren zu identifizieren, indem die Meinung und Einstellung der Mitarbeiter untersucht werden. Auch in Bereichen, wo Gefahren vermutet werden, könnten Erhebungen als Beobachtungsinstrument eingesetzt werden.

Die Prinzipien und Verfahren, wie Sicherheitsumfragen durchgeführt werden, sind unabhängig von ihrem Zweck gleich. Sie werden in der Regel unabhängig von anderen Routinekontrollen oder Prüfungen durch Behörden ausgetragen. Sie sollen intern durch unabhängiges und ausreichend geschultes Personal durchgeführt werden. Unabhängig bedeutet, dass das Personal nicht in dem interessierenden Bereich tätig sein muss. Die gängigsten Methoden, diese Unabhängigkeit zu erreichen, sind Einsatz bestimmten Personals, sich überkreuzende Prüfungen und externe Unterstützung. Der Sicherheitsmanager der Organisation sollte die Befragungen leiten und für die Rekrutierung, Schulung und Überprüfung der durchführenden Mitarbeiter verantwortlich sein. Der Gegenstand der Befragungen könnte sein: operative Einheiten, bestimmte betriebliche und technische Prozesse oder Einrichtungen oder Aktivitäten im Sicherheitsmanagementsystem. Das Ziel ist es, Faktoren zu erkennen und zu analysieren, welche die Sicherheit des Betriebs beeinträchtigen oder beeinflussen könnten und effektive Korrekturmaßnahmen zu finden.

In Übereinstimmung mit dem ICAO-Dokument 9859 – Sicherheitsmanagement-Handbuch sollen Sicherheitsumfragen folgende gemeinsame Prinzipien und Verfahren aufweisen:

  • Ziele – das Ziel der Befragung soll allen Teilnehmenden klar sein.
  • Der Umfang der Erhebung – die Anzahl der Befragenden soll ausreichend und statistisch repräsentativ sein, um gültige Schlussfolgerungen aus den gesammelten Informationen zu ziehen.
  • Neutral und unparteiisch – die Umfrage soll mithilfe von Checklisten, Fragebögen und Interviews auf eine Art und Weise durchgeführt werden, die Offenheit der Teilnehmer fördert.
  • Unbefangenheit – die Teilnehmer sollen nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden, damit die Informationen möglichst unbefangen sind.
  • Formulierung und Reihenfolge der Fragen – offene Fragen, die eine Textantwort erfordern, sollen in den Umfragen vermieden werden. Es soll stattdessen zu jeder Frage eine Auswahl an möglichen Antworten vorgeschlagen werden, die auch Bewertungen auf einer Skala enthalten können.
  • Vorbereitung – die Befragung soll im Vorfeld mit entsprechenden Behörden oder Berufsverbänden, zu denen die Teilnehmer der Umfrage gehören, koordiniert werden.
  • Vertraulichkeit – die gesammelten Informationen sollen sensibel behandelt werden.

Umfragen haben eine besondere Anwendung, wenn die Organisation wesentliche Änderungen erfährt. Bei der Auswahl des Zeitrahmens für die Umfrage soll daher die bevorstehende Änderung hinsichtlich der Art der Vorgänge, Systeme und Operationen sorgfältig analysiert werden. Für verschiedene Arten vom Betrieb gibt es unterschiedliche Umfragesysteme.

Im Allgemeinen sind Mitarbeiter mit objektbezogenen oder elementaren Funktionen am besten darüber aufgeklärt, wo Risiken liegen. Befragung dieser Mitarbeiter kann wichtige diagnostische Informationen liefern und wertvolle Einblicke in den täglichen Betrieb gewähren:

  • Wahrnehmung und Haltung der objektbezogenen Mitarbeiter.
  • Ausmaß der Teamarbeit und Kooperation zwischen verschiedenen Mitarbeitergruppen.
  • Unternehmerische Sicherheitskultur.
  • Meinungsverschiedenheiten oder Verwirrungen.

Es ist wichtig für die Organisationen zu verstehen, dass Sicherheitsbefragungen durch Subjektivismus beeinträchtigt werden können. Daher ist bei der Erstellung und Auswertung der Umfragen besondere Aufmerksamkeit erforderlich. Vorurteile können nicht nur in den Meinungen der Teilnehmer gefunden werden, sondern auch bei dem Entwurf und der Analyse der Umfrage auftreten.

Bedeutung Sicherheitskultur

Zu wissen, welches Niveau an Sicherheitskultur im Unternehmen herrscht, bringt einen besseren Fokus auf Erfassung und Untersuchung der Zwischenfälle, Ausbildung des Personals und Durchsetzung der Prioritäten in Wartungs- und Betriebssicherheit. Sicherheitskultur muss als ein wichtiges Geschäftsziel betrachtet werden, sodass Mitarbeiter an der vordersten Front sich befugt fühlen, im Interesse der Sicherheit und im Wissen, dass sie vom Management unterstützt werden, zu handeln. Dieses gegenseitige Vertrauen nimmt auch einen positiven Einfluss auf die Produktivität. Jede Organisation ist anders und hat auch ihre eigene nationale Kultur als Geschäftsumfeld, sodass Methoden und Möglichkeiten zum Erreichen der Sicherheitskultur variieren. Ein systematischer Ansatz ist notwendig, um zu verstehen, wie die Arbeit einer Organisation verbessert werden kann. Dazu gehört die Betrachtung verschiedener Teile des Systems im Kontext der Unternehmensziele. EUROCONTROL entwarf 10 Prinzipien eines systematischen Ansatzes für die Sicherheit. Die Prinzipien 1, 2 und 3 beziehen sich auf die Sicht der Menschen innerhalb der Systeme. Um Systeme zu verstehen und zu entwerfen, muss man verstehen, wie die Arbeit gemacht wird. Das erste Prinzip ist es daher, Fachexperte einzubeziehen. Das zweite Prinzip bezieht sich auf die Ziele, das Wissen und das Verständnis der Situation der Mitarbeiter, die die Arbeit ausführen. Es muss auch davon ausgegangen werden, dass Menschen mit guten Absichten handeln. Offenheit, Vertrauen und Fairness sind die Merkmale der Gerechtigkeitskultur in Organisationen und stellen das dritte Prinzip dar. Die Prinzipien 4 und 5 beziehen sich auf den Zustand der Systeme und das Umfeld, in dem Arbeit vollzogen wird. Das Verständnis für die Anforderungen ist entscheidend für das Verstehen der gesamten Systemleistung. Sich ändernde Anforderungen und Druck in Bezug auf Effizienz und Kapazität haben eine große Auswirkung auf die Leistung. Dies beeinflusst wiederum die Nutzung von Ressourcen (z. B. Personal, Kompetenz, Ausrüstung) und Beschränkungen (z. B. Regeln und Vorschriften), die die Fähigkeit, die Nachfrage zu befriedigen, erhöhen und einschränken kann.

Die Prinzipien 6, 7 und 8 betreffen die Art des Systemverhaltens. Einzelne Aktivitäten oder Ereignisse werden oft separat voneinander betrachtet. Die Arbeit stellt jedoch einen flüssigen Prozess mit interagierenden Aktivitäten und Interdependenzen dar (Prinzip 6: Wechselwirkungen und Abläufe). Interaktionen (beispielsweise zwischen Menschen, Maschinen und Abläufen) und der Arbeitsfluss innerhalb des Systems sind der Schlüssel zur Gestaltung und Verwaltung von Systemen. Der Kontext der Arbeit erfordert, dass Menschen Kompromisse eingehen, um Zielkonflikte zu lösen und die Komplexität und Unsicherheit zu bewältigen (Prinzip 7: Kompromisse). Schließlich sind kontinuierliche Anpassungen notwendig, um der Variabilität der Systembedingungen gerecht zu werden. Die Erfüllung von gleichen Aufgaben oder Tätigkeiten muss variieren.

Prinzipien 9 und 10 beziehen sich auf das Systemverhalten im Kontext der Ergebnisse. In komplexen Systemen sind die Ergebnisse oft nicht die Folge der Leistungen einzelner Systemkomponenten (Prinzip 9: Entstehung). Erfolg und Misserfolg sind gleichwertig, da sie aus derselben Quelle stammen (Prinzip 10: Äquivalenz).

Die Prinzipien fördern eine andere Sichtweise auf komplexe Systeme sowohl im Rahmen eines normalen Arbeitsablaufs als auch im Kontext außergewöhnlicher Situationen oder Ereignisse.
Das System beinhaltet auch praktische Methoden zur Datensammlung, Analyse und Synthese:

  • Systemmethoden erlauben die Betrachtung eines größeren Systems und seiner Wechselwirkungen.
  • Die Beobachtung gewöhnlicher Arbeitsabläufe mit Experten vor Ort gibt Aufschluss darüber, wie die Arbeit wirklich funktioniert. Durch längere Beobachtungen werden Arbeitsabläufe klarer, wenn das Ziel der Untersuchung nicht ein Individuum ist, sondern das Systemverhalten.
  • Diskussion mit Fachexperten ist wichtig, um zu verstehen, warum Dinge so funktionieren, wie sie funktionieren. Sowohl Einzel- als auch Gruppengespräche können hilfreich sein, insbesondere im Kontext des Team-Ressource-Management
  • Daten- und Dokumentenprüfung zusammen mit Experten. Das kann helfen, Muster und Trends zu erkennen.
  • Erhebungsmethoden wie Umfragen oder Interviews.

Sicherheitskultur in Flugsicherung

Seit der Katastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986, wo der Begriff „Sicherheitskultur“ zum ersten Mal angewandt wurde, erstreckte sich die Verwendung des Konzepts auch auf andere Industrien, wie Öl und Gas, Chemie, Eisenbahn, Luftfahrt, Medizin und Flugsicherung (ATM).

Die Flugsicherung ist eine sehr sichere Branche – sowohl im Hinblick auf Quantität (z. B. Häufigkeitsrate von Unfällen und Zwischenfällen) als auch Qualität wie Wahrnehmung der Fluggäste. Heute wird die Industrie mit zunehmendem Verkehrsaufkommen konfrontiert, sodass die Gewährleistung und Verbesserung des bestehenden Sicherheitsniveaus ein hochaktuelles Thema ist.

Im Rahmen eines ATM-Systems muss deutlich werden, wie negative Sicherheitskultur eine Gefahr sein kann und wie sie bewältigt werden kann. Der Schwerpunkt bei der Untersuchung von Zwischenfällen verlagerte sich von Bedienungsfehlern auf Systemversagen. Das Konzept der Sicherheitskultur in der Flugsicherung betrachtet das Management und einzelnen Maßnahmen auf Grundlage ihrer gemeinsamen Werte, Überzeugungen und Verhaltensweisen.

Modell der Sicherheitskultur

Forscher und Praktiker haben in den letzten Jahren zahlreiche Modelle vorgeschlagen. Das nachfolgend präsentierte umfasst mehrere Dimensionen, wie Sicherheitskultur in einer Organisation definiert und evaluiert werden kann:
  • Informiert: die Verantwortlichen wissen, was in der Organisation vor sich geht und die Belegschaft ist bereit, ihre Fehler oder Beinahe-Unfälle zu melden.
  • Berichtend: die Organisation ermutigt die Mitarbeiter, Informationen über alle Risiken, die ihnen bekannt sind, zu melden.
  • Fair: die Organisation hat eine gerechte und faire Art und Weise, mit Fehlern umzugehen, fordert jedoch verantwortungsvolles Verhalten ihrer Mitarbeiter und findet angemessene Strafen für inakzeptables Verhalten.
  • Flexibel: solche Organisationen passen sich der Nachfrage an und können sowohl im hohen Tempo als auch routiniert arbeiten.
  • Lernend: die Organisation ist bereit, zu lernen, sich zu verbessern und Reformen umzusetzen, wenn sie erforderlich sind.

Um eine wichtige Veränderung innerhalb einer Organisation umzusetzen, insbesondere eine kulturelle, müssen bestimmte Schritte vorgenommen werden:

  • Einwicklung einer klaren Vision, die nicht nur die Richtung der Veränderung zeigt, sondern auch die zugrunde liegenden Werte betont.
  • Eine Grundlage für die Änderung aufbauen: ihre Notwendigkeit, Sinn und Dringlichkeit betonen.
  • Die Vision mit Mitarbeitern teilen und besprechen.
  • Keine Einwände zulassen.
  • Die Mitarbeiter darin stärken, Hindernisse zu beseitigen.

Die Änderungen können folgendermaßen organisiert und umgesetzt werden:

  • Im ersten Schritt ist es wichtig, die relevanten Mitarbeiter auszusuchen. Menschen brauchen Zeit und Raum in ihren Arbeitsplänen, um an den Modifikationen zu arbeiten. Die Änderungen sollen jedoch am besten sofort sichtbar sein.
  • Die ersten (auch kurzfristigen) Ergebnisse sollen festgehalten, aber nicht zu positiv bewertet werden.
  • Die Umsetzung benötigt Zeit und dies kann zu strategischer Neuplanung führen.

Links

Siehe auch