Sicherheitsberichte

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Das Ziel der Berichterstattung mittels Sicherheitsberichte ist es, die Sicherheit des Flugbetriebs durch das rechtzeitige Erkennen von Gefahren und Systemmängel zu erhöhen.


Übersicht:
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Sicherheitsberichte Definition

Sicherheitsberichte

  • Sicherheitsberichte sind Aufzeichnungen und Sammlungen von Informationen über sicherheitsrelevante Vorfälle und potenzielle Sicherheitsmängel.
  • „Sicherheitsvorfälle“ ist ein Begriff, mit dem alle Ereignisse beschrieben werden, die im Zusammenhang mit Flugsicherheit eine Bedeutung haben oder haben könnten, z.B. Unfälle, schwere Störungen, Zwischenfälle sowie Ereignisse von geringerer Schwere, die aus Sicht des Berichterstattenden von Bedeutung sein können.


Sicherheitsberichte Anforderungen

Sicherheitsberichterstattung spielt eine wesentliche Rolle bei der Unfallverhütung, indem durch schnelle Auswertung von Sicherheitsdaten und Informationsaustausch geeignete Abhilfe geleistet werden kann. Gemäß den Vorschriften der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation muss jede Organisation in der Luftfahrt im Rahmen ihres Sicherheitsmanagementsystems Informationen bezüglich der Sicherheit oder Gefahren sammelt, aufzeichnet und darüber berichtet. Eine Kombination aus proaktiven, reaktiven und prädiktiven Methoden eignet sich für die Datensammlung am besten. Die Organisationen und Unternehmen sowie verschiedene Dienstleister in der Luftfahrt sind rechtlich verpflichtet, den nationalen Behörden über alle Unfälle oder schwere Störungen, die ihnen bekannt werden, zu berichten. Darüber hinaus muss das Betriebspersonal den Arbeitgeber über bestimmte sicherheitsrelevante Vorfälle informieren. Verschiedene internationale Organisationen und Luftfahrt-Behörden haben unterschiedliche Anforderungen an Berichterstattung. Diese Regeln sollen in eine harmonische Beziehung gebracht werden. Laut ICAO-Annex 13 müssen Staaten ein pflichtmäßiges Berichtsystem einführen. Zusätzlich ist es begrüßenswert, ein Berichterstattungssystem auf freiwilliger Basis zu entwickeln, um die Meldungen zu ermöglichen, die im Rahmen des Pflichtprogramms nicht gesammelt werden.

Pflichtgemäße Berichterstattung

Die Vorschriften bezüglich der Berichterstattung, Analyse und Nachbereitung sicherheitsrelevanter Vorkommnisse in der Zivilluftfahrt sind in der Verordnung (EU) 376/2014 beschrieben. Dazu gehören Ereignisse, die die Sicherheit eines Flugzeuges, seiner Insassen oder jeder anderen Person gefährden können, wenn sie nicht korrigiert werden.

In Pflichtsystemen muss das Betriebspersonal Unfälle und bestimmte Arten von Zwischenfällen melden. Im Annex 13 der ICAO befindet sich eine Liste mit Beispielen von schweren Zwischenfällen, über die berichtet werden soll. Darüber hinaus definiert die Durchführungsverordnung (EU) 2015/2018 der Kommission eine detaillierte Liste mit sicherheitsrelevanten Vorfällen. Die Ereignisse werden in den folgenden Bereichen zusammengefasst:

Die europäische Flugsicherungsorganisation EUROCONTROL entwickelte ihre eigene Systematik für Ereignisse, die die Flugsicherung betreffen.

Der Prozess der Berichterstattung soll so unkompliziert wie möglich und zugleich gut dokumentiert und detailliert sein. Üblicherweise werden von Staaten oder Organisationen Musterberichte erstellt, die Übermittlung von Informationen erleichtern.

Die nationalen Anforderungen darauf, was berichtet werden soll, unterscheiden sich je nach den Gesetzen des Staates, wo das Ereignis stattgefunden hat, und der Betriebsumgebung. Diese Unterschiede sind so gravierend, dass es schwierig ist, eine umfassende, allgemein anwendbare Liste mit Beispielereignissen zu erstellen. Zum Beispiel, der Verlust einer Systemkomponente kann bei einem bestimmten Flugzeugtyp kritisch sein, bei einem anderen Typ jedoch nicht. Ein relativ kleines Problem in einer bestimmten Situation kann unter anderen Bedingungen der Auslöser einer gefährlichen Situation sein. Die allgemeine Regel für die Berichterstattung ist daher: im Zweifelsfall – berichten.
Die grundsätzlichen Überlegungen bei der Entscheidung, ob ein Vorfall gemeldet werden soll, sind folgende:

  • Ist eine gefährliche Situation aufgetreten?
  • Könnte ein gefährlicher Vorfall auch dann aufgetreten sein, wenn die Umstände anders gewesen wären?
  • Kann dieser Vorfall auch in der Zukunft auftreten, wenn die gemeldete Situation nicht korrigiert wird?

Folgende Arten der Zwischenfälle stellen ein besonderes Interesse für die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation:

  • Triebwerkversagen: Ausfall von mehr, als nur einem Triebwerk bei einem einzelnen Flugzeug.
  • Brände, die während des Fluges auftreten.
  • Ereignisse, die mit der Gefahr einer Kollision mit einem Hindernis oder dem Gelände verbunden sind.
  • Probleme mit der Flugsteuerung und Stabilität. Ereignisse, die Schwierigkeiten mit der Steuerung des Flugzeuges ausgelöst haben, zum Beispiel Ausfälle der Flugzeugsysteme, Wetterphänomene oder Betrieb außerhalb der Flugbereichsgrenze.
  • Zwischenfälle beim Start oder Landung, zum Beispiel Landung vor der Landebahn, Überschießen über die Landebahn hinaus oder Bauchlandung.
  • Untauglichkeit der Flugbesatzungsmitglieder. Unfähigkeit eines Flugbesatzungsmitglieds, seine Aufgaben zu erfüllen verursacht durch mangelnde oder fehlende gesundheitliche Tauglichkeit.
  • Plötzliche Dekompression mit einem notfallmäßigen Abstieg.
  • Beinahe-Kollision und andere Verkehrsstörungen, einschließlich fehlerhafter Verfahren oder Geräteausfälle.
  • Abgebrochener Start auf gesperrter oder belegter Startbahn.
  • Start auf einer geschlossenen oder belegten Startbahn mit kritischem Hindernisabstand.
  • Landung oder Landeversuch auf einer geschlossenen oder belegten Landebahn.
  • Grobe Abweichungen von der erwarteten Leistung beim Start oder bei der Landung.
  • Feuer und Rauch in Kabine, Frachträumen oder Triebwerk, obwohl der Brand davor gelöscht wurde.
  • Notfalleinsatz von Sauerstoff.
  • Schäden an der Luftfahrzeugzelle oder am Triebwerk, einschließlich nicht eingedämmter Turbinentriebwerksschäden, die nicht als Unfall eingestuft werden.
  • Multiples Versagen eines oder mehreren Flugzeugsystemen mit schweren Beeinträchtigungen im Betrieb des Flugzeugs.
  • Kritische Kraftstoffmenge.

Die Liste enthält teilweise auch Beispiele davon, was als schwerer Zwischenfall eingestuft werden kann und dient der Orientierung, worüber berichtet werden soll.

Sobald ein Sicherheitsbericht eingegangen ist, muss die Information so gespeichert werden, dass sie einfach abgerufen, untersucht und ausgewertet werden kann. Für diesen Zweck müssen Staaten und ihre Aufsichtsbehörden Datenbanken anlegen. Die meisten Flugzeugbetreiber, Flugsicherungsdienstleister, Flughafenbetreiber und Wartungsunternehmen haben ihre eigenen internen Meldesysteme und Datenbanken eingerichtet. Sie sammeln und analysieren alle Vorkommnisse unabhängig davon, ob diese weitergemeldet werden müssen, oder nicht. Viele Aufsichtsbehörden verlangen, dass nur Berichte über schwere Zwischenfälle eingereicht werden. Mit weniger wichtigen Ereignissen sollen die Betreiber und Dienstleister selbst umgehen. Diese Praxis, die auf gegenseitigem Vertrauen beruht, ermöglicht eine schnelle Identifikation von Trends und Gegenmaßnahmen auf einem früheren Stadium. In der Regel nehmen die internen Untersuchungen von Sicherheitsvorkommnissen weniger Zeit in Anspruch, als die Untersuchungen von Zivilluftfahrtbehörden oder Flugunfalluntersuchungsstellen aufgrund des geringeren Schweregrades der untersuchten Vorkommnisse und folglich begrenzten Untersuchungsumfang.

Das Ziel der obligatorischen Meldung von Sicherheitsvorkommnissen ist es nicht die Schuld oder Haftung festzustellen, sondern schwere Folgen und Gefahren zu verhindern. Die Person, die ein Sicherheitsbericht ausfüllt, soll sicher sein, dass keine Strafverfolgung oder Strafaktionen wie Entlassung oder Entziehen der Arbeitslizenz stattfinden, es sei denn die unsichere Handlung vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen worden ist. Diese Gewissheit kann durch Vertraulichkeit der Berichterstattung und die Nutzung der mitgeteilten Daten ausschließlich zur Verbesserung der Sicherheit gegeben werden. Der Schutz der Identität im Bericht ist eine gute Vorgehensweise, die von vielen Staaten praktiziert wird, und ist inzwischen mit der Verordnung (EU) 376/2014 eine Pflicht. Eine positive Sicherheitskultur in der Organisation schafft dieses notwendige Niveau an Vertrauen, das für ein erfolgreiches Berichterstattungssystem notwendig ist. Die Kultur muss fehlertolerant und einfach sein. Darüber hinaus muss das System fair in Bezug auf unbeabsichtigte Fehler und Irrtümer sein.
Eine sogenannte „Just Culture“ (zu Deutsch etwa: Fairness- oder Gerechtigkeitskultur) muss implizieren, dass soweit, wie möglich:

  • Die Berichte vertraulich sind,
  • Berichte über unüberlegte oder versehentliche Verstöße gegen geltende Rechtsvorschriften nicht sofort bestraft werden,
  • Keine Strafen wegen solcher Fehler von Arbeitgebern zu befürchten sind.

Freiwillige Berichterstattung

Im Rahmen der freiwilligen Berichterstattung werden kritische Ereignisse gemeldet, welche noch keine ernsthaften Unfälle verursacht haben. Genau wie das Pflichtsystem, sollten freiwillige Meldungen nicht unmittelbar Strafen nach sich ziehen. Die freiwillige Berichterstattung soll folgenden Schlüsselprinzipien folgen:

  • Vertrauen – Berichterstatter müssen sicher sein, dass die übermittelten Informationen nicht gegen sie verwendet werden, andernfalls werden Fehler nur ungern gemeldet. Dafür ist eine positive Sicherheitskultur in der Organisation notwendig.
  • Kein bestrafender Charakter – Berichterstatter soll gegen rechtliche, administrative oder disziplinäre Strafen geschützt sein, außer in Fällen von grober Fahrlässigkeit oder Vorsätzlichkeit.
  • Umfassende Herangehensweise – der systematische Ansatz an das Sicherheitsmanagement erfordert, dass freiwillige Berichterstattung in allen Aspekten des Flugzeugbetriebs zum Ziel wird. Ferner ist das Sammeln von Informationen über dasselbe Ereignis aus verschiedenen Perspektiven mach eine vollständige Analyse möglich und fördert das Verständnis für die Ereignisse, deren Gefahren und Auswirkungen.
  • Vertraulichkeit – ein nicht primär auf Bestrafung ausgerichtetes System soll idealerweise auf vertrauliche Berichterstattung stützen. Die Person, die über ein Vorfall berichtet, muss sicher sein, dass ihre Identität und andere sensible Information nicht bekannt gegeben wird. In einigen Staaten machen die Rechtsvorschriften über den Zugang zu Informationen es jedoch sehr schwierig, die Vertraulichkeit zu gewährleisten. Dies kann die Berichterstattung auf das pflichtmäßige Minimum einschränken.
  • Unabhängigkeit – im Idealfall soll das System zur freiwilligen Berichterstattung von einer nichtstaatlichen Organisation bereitgestellt und betrieben werden.
  • Einfachheit – einen Bericht einzureichen, soll so einfach sein, wie möglich. Die Formulare sollen für jeden, der einen Vorfall melden möchte, leicht zugänglich sein. Die Bögen sollen auch Raum für Verbesserungsvorschläge bieten.
  • Anerkennung – um weitere Berichterstattung zu fördern, müssen Organisationen und Unternehmen ihren Mitarbeitern klar vermitteln, dass die Sicherheit ein wertvolles Gut ist und ihre Bemühungen geschätzt werden.
  • Förderung – die Informationen aus den freiwillig eingereichten Berichten sollen mit Berücksichtigung der Vertraulichkeit auch der Luftfahrtgemeinschaft in geeigneter Weise zur Verfügung gestellt und verbreitet werden, zum Beispiel mit monatlichen Newslettern, regelmäßigen Zusammenfassungen, Bekanntmachungen usw. Solche fördernden Aktivitäten motivieren Menschen, weiter Berichte einzureichen.

Effektive Berichterstattung

Gemäß dem ICAO-Dokument 9859 stützt sich die effektive Sicherheitsberichterstattung auf grundlegende Eigenschaften:

  • Die Geschäftsführung legt großen Wert auf Erkennung der Gefahren im Rahmen der Sicherheitsstrategie.
  • Die Geschäftsführung und das Betriebspersonal haben eine realistische Sicht auf die Risiken, mit denen die Organisation täglich konfrontiert wird, sodass es realistische Regeln gibt, mit denen umzugehen.
  • Die Geschäftsführung definiert klar die Voraussetzungen für die Sicherheitsberichterstattung und stellt sicher, dass wichtigste Daten ordnungsgemäß registriert und vertraulich behandelt werden.
  • Die Verantwortlichen haben eine positive Haltung gegenüber Berichten und sind bestrebt, Maßnahmen zur Gefahreneliminierung umzusetzen.
  • Das Personal ist geschult, gefährliche Situationen zu erkennen und zu melden und ist für deren Konsequenzen sensibilisiert.
  • Gefährliches Verhalten kommt nur selten vor und wird im Unternehmen nicht gefördert.

Die ICAO filterte fünf Grundzüge für ein erfolgreiches Berichterstattungssystem heraus. Die grundlegenden Attribute sind: Bereitschaft. Die Geschäftsleitung muss sich bewusst darum bemühen, klare Voraussetzungen für die Erstattung eines Berichtes zu formulieren. In diesem Umfeld erhöht sich die Bereitschaft des Personals, Gefahren und Fehler zu melden.
Information. Das Personal soll darin geschult werden, die Risiken zu erkennen und den Zusammenhang zwischen den Gefahren, deren Häufigkeit und Folgen verstehen. Dadurch werden die Mitarbeiter die menschlichen, technischen und organisatorischen Faktoren besser verstehen, die die Sicherheit des Systems als Ganzes ausmachen.
Flexibilität. Das Verständnis für die Gefahren sowie deren Quellen und Ursachen im täglichen Betrieb soll rational und objektiv sein.
Lernen. Das Bewusstsein für die Bedeutung der Sicherheitsberichterstattung soll auf allen Ebenen der Organisation vorhanden sein. Dadurch können die Mitarbeiter die Kompetenz aufbauen, Schlussfolgerungen aus den Informationssystemen zu ziehen, und die gesamte Organisation hat den Willen, erforderliche Reformen umzusetzen.
Verantwortung. Wichtigste Sicherheitsdaten sollen ordnungsgemäß geschützt werden. Das System soll so konzipiert sein, dass Berichterstatter keine Verwendung der mitgeteilten Informationen gegen sie befürchten müssen, und dass die Daten für keine anderen Zwecke verwendet werden, als ursprünglich intendiert. Allerdings muss es auch eine klare Linie zwischen akzeptablen und nicht akzeptablen Verhalten geben.

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Siehe auch