Flugänderung - Rechte und Ansprüche von Reisenden

Aus PASSAGIERRECHTE
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Was ist eine Flugänderung?

Eine Flugänderung stellt eine Änderung des Luftbeförderungsvertrages dar. Dies kann in Form einer Flugverschiebung, Umbuchung oder Annullierung stattfinden.

Differenzierung Pauschalreise und Individualreise

Die Rechte und Ansprüche von Passagieren bei einer Flugänderung richten sich vor allem danach, ob eine Pauschalreise oder Individualreise vorliegt.

Eine Pauschalreise liegt dann vor, wenn ein Reiseveranstalter mehrere Reiseleistungen zu einem Gesamtpreis verkauft.

Bei einer Individualreise bucht der Reisende die einzelnen Leistungen wie Flug und Unterkunft unabhängig voneinander selbst.

Pauschalreise: Rechte und Ansprüche bei Flugänderung

Zulässige Flugänderungen

Vorläufige Flugzeiten

Bei einer Pauschalreise kann das Luftfahrtunternehmen die Flugzeiten in einem gewissen Rahmen einseitig verändern. Wird der Reisevertrag lange vor der vorgesehenen Zeit geschlossen, so kann sich der Reiseveranstalter ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB vorbehalten, welches ihm dann gestattet den Zeitpunkt der Abreise und der Rückreise zu einem späteren Zeitpunkt festzulegen. Ein solches Leistungsbestimmungsrecht kann dadurch vereinbart werden, dass im Reisevertrag nur eine voraussichtliche oder vorläufige Abflugzeit festgelegt wird. Verwendet der Reiseveranstalter dabei den Ausdruck „voraussichtlich“ so ist damit gemeint, dass der Reiseveranstalter dazu berechtigt ist, die vertragliche Abflugzeit erst zu einem späteren Zeitpunkt endgültig zu fixieren und dabei in einem gewissen Umfang von den vorläufigen Angaben abzuweichen (BGH, Urt. v. 10.12.13, Az.: X ZR 24/13).

Flugzeitenveränderung als vertraglich vereinbarte Leistung

Inwieweit eine Flugzeitenveränderung noch als vertraglich vereinbarte Leistung gelten kann, wurde durch die Rechtsprechung noch nicht eindeutig geklärt. Laut der Entscheidung vom BGH (Az.: X ZR 24/13) darf eine bei Vertragsschluss vereinbarte voraussichtliche Flugzeit die Funktion nicht mehr erfüllen, die geschuldete Leistungszeit zumindest annährend anzugeben. Der Fluggast darf nicht in die Situation versetzt werden, in der er voraussetzungslos Abweichungen von dem vertraglich vereinbarten Zeitrahmen hinnehmen muss. Schließlich fällt die Entscheidung eines Fluggasts nicht ohne Grund auf einen bestimmten Flug zu einer bestimmten Tageszeit. Unter Umständen muss der Fluggast eine weitere Übernachtung oder einen weiteren Urlaubstag einplanen. Sowohl die Abreise als auch die Rückkehr sind in zeitlicher und finanzieller Hinsicht nicht mehr sicher kalkulierbar, wenn der Reisende zunächst von einer Abflugzeit am Nachmittag ausgehen durfte und dann kurzfristig auf einen in den frühen Morgenstunden vorverlegten Flug umgebucht wird.

Rechte des Passagiers

Selbstabhilfe

Bei einem Reisevertrag kann der Reisende nach § 651 c Abs. 3 BGB nach dem Ablauf einer vom Reisenden gesetzten angemessenen Frist selbst Abhilfe schaffen und dann Ersatz für die erforderlichen Aufwendungen verlangen. Zu beachten ist jedoch, dass der Reiseveranstalter nach § 651 c Abs. 2 BGB dazu berechtigt ist, die Abhilfe zu verweigern, wenn diese einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert, welcher unter Beachtung des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Der Reiseveranstalter darf nach § 651 c Abs. 2 BGB auch dann die Abhilfe verweigern, wenn diese mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist, wenn also zwischen dem Aufwand zur Mängelbeseitigung und dem Gewicht des Reisemangels ein auffälliges Missverhältnis vorliegt. Eine solche Unverhältnismäßigkeit des Aufwands liegt jedoch dann nicht vor, wenn im Falle eines Minderungsanspruchs nur ein geringer Betrag zu zahlen gewesen wäre und die Kosten des Ersatzfluges den entsprechenden Minderungsbetrag um ein Vielfaches übersteigen würden.

Urteil des LG Hannover vom 27.04.17, Az.: 8 S 46/16

Inhalt

Im vorliegenden Fall buchte eine Familie samt ihres 21 Monate alten Kindes eine Flugpauschalreise vom 07.09.15 bis zum 23.09.15 nach Mallorca. Der Familie wurden bei der Buchung nur voraussichtliche Zeiten mitgeteilt. Der Rückflug wurde mit einer voraussichtlichen Zeit von 13:40 Uhr bis 16:00 Uhr angegeben und dann am 24.07.15 zu 19:25 Uhr bis 21:55 Uhr geändert. Die Familie forderte das Reiseveranstalter am 29.07.15 zur Abhilfe auf und wies darauf hin, dass bewusst ein Linienflug zur Mittagszeit gebucht wurde. Weiterhin sollte der Flug nun von einem anderen Reiseveranstalter durchgeführt werden. Das Reiseveranstalter wurde dazu aufgefordert, vertragsgerechte Flugzeiten zu erbringen doch dieser Aufforderung kam das Reiseveranstalter nicht nach. Aus diesem Grund buchte die Familie eigenständig andere Flüge um die Mittagszeit und möchte die Kosten dafür von dem Reiseveranstalter erstattet bekommen.

Tenor

Das Gericht entschied, dass hier ein Reisemangel vorliegt und dass Reiseveranstalter einen Aufwendungsersatzanspruch nach § 651 c Abs.3 BGB leisten muss. Als Begründung wird angeführt, dass die Umbuchung der Reisenden von einem Linienflug auf einen Charterflug einen Reisemangel darstellt, welcher eine bloße Unannehmlichkeit, die in Zeiten des Massentourismus hinzunehmen ist, überschreitet. Hier wurde die Urlaubszeit vor Ort eingeschränkt und eine zusätzliche Übernachtung in Frankfurt wäre nötig gewesen. Weiterhin muss beachtete werden, dass ein Flug um die Mittagszeit gewählt wurde, damit der Schlafrhythmus des Kleinkindes nicht erheblich beeinträchtigt wird. Damit ist eine Änderung des Rückfluges und der Fluggesellschaft nicht mehr zumutbar und geht mehr als über eine Unannehmlichkeit hinaus. Eindeutig ist hier, dass der Familie kein anderer Rückflug angeboten wurde und somit ein Recht zur Selbstabhilfe bestand. Weiterhin hat das Luftfahrtunternehmen nicht dargelegt ob und mit welchem Aufwand die Umbuchung auf einen früheren Flug für sie verbunden wäre. Folglich hat die Familie einen Anspruch auf Erstattung der mit der Umbuchung entstandenen Kosten.

Individualreise: Rechte und Ansprüche bei Flugänderung

Zulässigkeit einer Änderung

Grundsätzlich ist die Fluggesellschaft aus dem Luftbeförderungsvertrag daran gebunden, den Flug so wie vereinbart durchzuführen. Damit ist eine einseitige Änderung unzulässig.

Allerdings kann eine Änderung der Flugzeiten in den AGB (auch ABB oder ARB) der Fluggesellschaft vorbehalten sein. Dazu müssen

  • die AGB wirksam in den Vertrag einbezogen werden und
  • auch gültig sein.

Oft sind Änderungen bereits wegen der Ungültigkeit der AGB oder der fehlenden Einbeziehung unzulässig.

Zumutbarkeit der Änderung

Sollte eine Flugänderung im Rahmen einer Individualreise nicht bereits wegen der AGB unzulässig sein, kann sie wegen Unzumutbarkeit zur Unzulässigkeit führen. Dies ergibt sich aus § 308 Nr. 4 BGB. Die Zumutbarkeit richtet sich dabei nach dem konkreten Einzelfall. Eine Verspätung von weniger als 30 Minuten ist zumutbar, solang sich dabei keine erheblichen Auswirkungen auf den Einzelnen ergeben (z.B. Verpassen eines Anschlussfluges). Ab einer Flugänderung von mehr als 60 Minuten ist grundsätzlich von einer für den Fluggast unzumutbaren Belastung auszugehen.

Rechte und Ansprüche

Zustimmung zur Flugänderung

Die für die Fluggesellschaft günstigste Variante ist, wenn der Fluggast der Änderung einfach zustimmt. Allerdings muss sich der Fluggast nicht auf eine Zustimmung einlassen.

Rücktritt

Der Fluggast kann von dem Luftbeförderungsvertrag nach § 323 Abs. 1 BGB zurücktreten. Allgemein wird dies als Flugstornierung bezeichnet. Die Fluggesellschaft hat dann alle Kosten, das heißt Ticket- und Buchungskosten, zu erstatten. Die Erhebung von Bearbeitungsgebühren oder ähnlichen Kosten für die Stornierung ist unzulässig.

Der Rücktritt ist für den Fluggast nur günstig, wenn dieser den Flug nicht antreten will. In allen anderen Fällen sollte kein Rücktritt erklärt werden, damit eventuelle Schadensersatzforderungen wegen der Buchung eines anderen Fluges oder geltend gemacht werden können. Nach dem Rücktritt ist dies nicht mehr möglich.

Alternativbeförderung

Fluggast hat man im Falle einer Flugänderung Anspruch auf eine Alternativbeförderung. Im Detail bedeutet dies, dass er zu vergleichbaren Beförderungsbedingungen befördert wird. Dabei beschränkt sich die Auswahl der Flüge nicht auf solche der eigentlichen Fluggesellschaft - alle Flüge aller Fluggesellschaften kommen dafür in Betracht. Sollte beispielsweise die Economyklasse für einen geeigneten Alternativflug, auch bei einer fremden Fluggesellschaft, ausgebucht sein, kommt sogar die Beförderung in den höheren Klassen in Frage.

Selbstabhilfe

Verlangt der Fluggast eine Alternativbeförderung und kommt die Fluggesellschaft dieser Forderung nicht oder nur unzureichend nach, kann der Fluggast nach Fristsetzung und Verstreichen der Frist gemäß §§ 637 Abs. 1, 323 Abs. 2 BGB selbst tätig werden und einen Ersatzflug beziehungsweise Ersatzflüge buchen. Alle hieraus entstehenden Kosten, z.B. auch Hotel- und Taxikosten, sind von der Fluggesellschaft zu erstatten. Der Fluggast kann bei fehlender Verfügbarkeit von Economytickets auf die entsprechend höhere Buchungsklasse zurückgreifen. Eine Frist muss nicht gesetzt werden, wenn die Fluggesellschaft die Alternativbeförderung ernsthaft und endgültig verweigert hat, § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Aufwendungsersatz

Muss der Fluggast wegen der Flugänderung einen anderen Flug buchen, so kann er von der Fluggesellschaft alle ihm anfallenden Kosten verlangen. Diese Kostenerstattung ist sehr weit zu fassen - abgedeckt sind insbesondere:

  • neues Flugticket (ggf. auch in einer höheren Klasse)
  • Hotelkosten, falls eine zusätzliche Übernachtung erforderlich ist
  • Taxikosten
  • sämtliche Verpflegungskosten
  • Verdienstausfallschäden


Schadensersatz

Erleidet der Fluggast durch die Flugänderung einen individuellen Verzögerungsschaden, so hat ihm die Fluggesellschaft diesen gemäß §§ 280 Abs. 1, 286 BGB zu ersetzen.

Flugänderung als Annullierung i.S.d. FluggastrechteVO Nr. 261/2004

Liegt eine wesentliche Flugänderung vor, besteht die Möglichkeit die Änderung als Annullierung zu werten. Dann muss die Fluggesellschaft eine Ausgleichszahlung i.H.v. 250, 400 oder 600 EUR pro Reisendem zahlen.

Flugänderung als Nichtbeförderung i.S.d. FluggastrechteVO Nr. 261/2004

Findet eine Mitteilung über die Flugänderung erst nahe dem ursprünglichen Abflugszeitpunkt statt, liegt eventuell eine Nichtbeförderung i.S.d. FluggastrechteVO Nr. 261/2004 vor. Demnach steht dem Fluggast eine Ausgleichszahlung i.H.v. 250, 400 oder 600 EUR pro Reisendem zu.

Urteile

  • Urteil des LG Hannover vom 27.04.17, Az.: 8 S 46/16
  • Urteil des BGH vom 10.12.13, Az.: X ZR 24/13

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