Standardisierte Betriebsverfahren

Aus PASSAGIERRECHTE
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Standardisierte Betriebsverfahren (englisch: standard operation procedures , SOP) in einer Flugverkehrskontrollstelle ist eine spezielle Reihe von Verfahren, welche festlegen, wie die Verantwortung, Gerätesteuerung und Aufgaben koordiniert werden.
Innerhalb des Flugverkehrsmanagements werden viele Verfahren und Regeln starr angewendet, insbesondere in Bezug auf Kommunikation. Bei anderen Verfahrensarten können, dagegen, Modifikationen zugelassen werden, um einzelnen Situationen oder Personen gerecht zu werden. Standardverfahren basieren jedoch auf langjähriger Erfahrung. Daher muss die Absicht, bestehende Vorgehensweisen zu ändern, sorgfältig geprüft werden, um negative Folgen zu vermeiden.

Im Flugbetrieb decken standardisierte Betriebsverfahren jeden Vorgang und jeden Aspekt der Tätigkeit im Cockpit in normalen, außergewöhnlichen und Notfallsituationen. Diese breite Palette von Verfahren und Checklisten ist aufgrund der großen Anzahl von Situationen, die auftreten können, und ihrer kritischen Natur, sehr wichtig. Obwohl die Verfahren in Checklisten und schnell erreichbaren Handbüchern aufgeschrieben sind, müssen Piloten in der Lage sein, bestimmte lebenswichtige Aufgaben aus dem Gedächtnis durchzuführen und sich später mit den Checklisten abgleichen, um sich zu vergewissern, dass korrekte Schritte eingeleitet worden waren.

Verfahren im Flugbetrieb wurden nach umfangreicher Forschung definiert, um das erfolgreichste Ergebnis in allen wahrscheinlichen Situationen sicherzustellen. Sie sind nicht fakultativ, sondern müssen genau befolgt werden. Die Nichtbeachtung der festgelegten Verfahren war ein ursächlicher Faktor bei vielen Flugunfällen und schweren Zwischenfällen.

Überblick

Standardbetriebsverfahren kann es nicht nur in der Flugverkehrskontrolle oder im eigentlichen Flugbetrieb geben, sondern in jedem Unternehmen der Luftverkehrsbranche. Gemeinsamkeiten können in der Entwicklung der Verfahren gefunden werden.

Es gibt immer einen Rahmen, mit dem SOPs logisch strukturiert und aufgebaut werden können, für flexible Vorgänge kann es jedoch auch eine anpassungsfähige Regelung geben.
Zunächst muss sich das Management des jeweiligen Unternehmens einen Überblick darüber erstellen, wie man vorgehen und den Betrieb führen möchte. Die Einstellung der hohen Führungsebene und die Unternehmenskultur beeinflussen diese Philosophie. Eine Philosophie muss nicht unbedingt in einem Dokument erfasst werden, aber sie wird in schriftlichen Richtlinien und Verfahren sowie im täglichen Betrieb sichtbar.

Aus der Philosophie werden Richtlinien abgeleitet. Sie beziehen sich auf einen Aspekt des Betriebs, wie zum Beispiel Wartung oder Bodenabfertigung. Mithilfe einer oder mehreren Richtlinien werden dann Verfahren entwickelt, die einen sicheren und effizienten Betrieb ermöglichen.

Verfahren legen eine Reihe von Teilaufgaben fest, die innerhalb einer komplexeren Aufgabe abgeschlossen werden müssen, oder eine Aufgabe, wo es entscheidend ist, wo ein spezifischer Aspekt in einer bestimmten Zeit beachtet werden soll.
Folgende Fragen müssen bei der Entwicklung eines Verfahrens beantwortet werden:

  • Was ist die Aufgabe?
  • Wann muss die Aufgabe durchgeführt werden?
  • Wer muss die Aufgabe durchführen?
  • Wie muss die Aufgabe durchgeführt werden?
  • Was ist der genaue Ablauf der Aufgabe?
  • Welche Überprüfung und welche Form der Rückmeldung sind erforderlich?

Der letzte Schritt ist die eigentliche Technik oder Anwendung des Verfahrens. Da die Rahmenbedingungen ziemlich starr sein können und die tatsächliche Betriebsumgebung den Piloten oder den Fluglotsen in seltenen Fällen dazu veranlassen, vom Verfahren abzuweichen. Daher muss bei der Entwicklung der Verfahren daran gedacht werden, wie Prozesse durch die jeweiligen Nutzer abgewandelt werden. In der Realität gibt es viele Hinweise darauf, dass Menschen bei jedem Verfahren die Technik anwenden, die ihrer Ansicht am besten zu ihnen passt. Dies ist nicht notwendigerweise schlecht, solange die Anwendung überwacht und bei guten Ergebnissen integriert wird. Eine Methode ist die Standardisierung des Verfahrens, die Missverständnisse zwischen den Betreibern minimiert, weil die Schulung und das Feedback unterschiedliche Interpretationen und Abweichungen von SOP verhindern.

SOPs von einem Flugzeughersteller dienen folgenden Zwecken:

  • Die Design- und Bedienphilosophie des Herstellers erklären,
  • Optimale Nutzung der Bestandteile fördern.
  • Für eine Vielzahl von Unternehmensabläufen und Umgebungen gelten.

SOPs eines Flugzeugherstellers können ohne Änderungen angenommen werden, sie werden aber auch oft von Flugbeförderungsunternehmen modifiziert.
Innerhalb einer Flugverkehrskontrollstelle veröffentlichte SOPs legen fest, wie Zuständigkeiten innerhalb der Organisation koordiniert werden.

Wichtige Faktoren

Obwohl die Philosophie, die Richtlinien, die Aufgabenfestlegung und die Anwendung wichtige Rahmenbedingungen zur Entwicklung von SOPs liefern, gibt es auch andere Faktoren, die auf diesen Prozess Einfluss nehmen.

Organisatorische Faktoren

Art des Vorgangs
Wenn die Fluggesellschaft meist kurze Strecken mit vielen Flügen pro Tag bedient, will sie meistens die Bodenzeiten minimieren. Bei einem Zwischenstopp werden die Piloten dann im Cockpit bleiben und bestimmte Geräte eingeschaltet halten, um eine kürzere Durchlaufzeit zu erreichen. Das genaue Gegenteil kann auf Langstreckenflüge zutreffen, wo Piloten alle Geräte komplett abschalten und das Cockpit verlassen. Deshalb müssen für jede Betriebsart separate Verfahren und Checklisten vorbereitet werden. Jedes Verfahren oder jede Checkliste, welche ohne Berücksichtigung dieser Unterschiede entwickelt werden, können in einem suboptimalen Betrieb und einer hohen Wahrscheinlichkeit der Abweichung resultieren.

Einfluss bestimmter Persönlichkeiten im Unternehmen
Die Hierarchie im Unternehmen und die Kommunikationskultur können so organisiert sein, dass von den SOPs abweichendes Verhalten leitenden Angestellten insoweit toleriert wird, dass seine Vorgehensweise angewandt wird.

Organisationskultur
Es ist bekannt, dass in einigen Unternehmen Verfahren hochstandardisiert und zur strikten Disziplin gehören, dessen Einhaltung von Piloten erwartet wird. Selbst wenn eine kleine Abweichung die Sicherheit nicht beeinträchtigt, können sie trotzdem Anlass zu Kontrollen geben. Aus diesem Grund werden die SOPs in diesen Unternehmen viel detaillierter und umfassender alle Aspekte des Betriebs und jeweiligen Vorgangs beschreiben. Es würde jedoch absolut unmöglich und sehr unpraktisch sein, für jeden kleinen Vorgang ein Verfahren zu entwickeln.

Ökonomische Faktoren
Einige Airlines wählen Verfahren, um betriebliche Effizienz zu fördern. Zum Beispiel bei überwiegend Kurzstreckenflüge mit kurzen Durchlaufzeiten müssen Piloten Vollbremsung und schnelle Kurven vermeiden. Auf der anderen Seite wird von der Verwendung der Luftbremse manchmal abgeraten, um Vibrationen der Flugzeugzelle zu vermeiden. Treibstoffkosten sind ein weiterer wirtschaftlicher Faktor, der die Gestaltung von Verfahren betrifft. Weil die Multiplikatoren im Flugbetrieb in der gesamten Flotte im Laufe der Zeit so groß sind, kann eine scheinbar kleine Einsparung auf beliebiger Strecke in einer sehr beträchtlichen jährlichen Ersparnis resultieren. Daher können Aspekte wie Start mit nur einem Triebwerk, verzögerter Triebwerkstart oder geringerer Einsatz eines Hilfstriebwerkes eine große Verfahrensrelevanz haben.

Mögliche Fusionen und Übernahmen
Wenn eine Fluggesellschaft mit einer anderen fusioniert oder diese übernimmt, hat die andere Airline oft andere SOPs. Dies erfordert viel Zeit und Aufwand von der übernehmenden Fluggesellschaft, ihre eigenen Verfahren wieder zu standardisieren und einzuführen. Außerdem, wenn die Verfahren der zu übernehmenden Fluggesellschaft weit überlegener sind, muss eventuell eine Revision der Verfahren stattfinden.

Betriebsfaktoren

Aktivitäten außerhalb des Cockpits
Darunter versteht man externe Faktoren, zum Beispiel Flugverkehrskontrolle, Fluglotsen, Wartung, Flugbegleiter und Abfertigungspersonal. Die Verfahren sollen daher mit der Struktur dieser externen Aktivitäten und den Methoden, die die Cockpit-Crew anwendet, kompatibel sein. Zum Beispiel, SOPs einiger Fluggesellschaften verlangen es, dass die Piloten den Wartungszustand des Flugzeuges in den Wartungsprotokollen überprüfen, bevor sie jegliche Steuerungselemente oder Schalter im Cockpit betätigen. Dadurch soll verhindert werden, dass inoperable Schalter und Oberflächen unwissentlich betätigt werden und ein weiterer Schaden am Flugzeug entsteht.

Aktivitäten innerhalb des Cockpits
Ein sehr wichtiger Blickpunkt ist es, sich den Verfahrensablauf in Bezug auf die Anordnung der Cockpitinstrumente genau zu merken. Cockpit-Instrumente werden in einer bestimmten Topografie angeordnet je nachdem, wie oft und in welcher Reihenfolge sie betätigt werden müssen oder wie kritisch diese Instrumente sind. Es ist wichtig für effiziente und fehlerbeständige Verfahren, dass die Schritte sich logisch und wirkungsvoll entlang der Cockpit-Panels bewegen.

Design der Flugzeug-Systeme
Zum Beispiel, in einigen Flugzeugen befinden sich die Hebel für das Fahrwerk und die Landeklappen auf der Seite des Co-Piloten. Allerdings, wenn der Flugkapitän fliegt, ist es üblich, dass er diese Hebel beim Start bzw. bei der Landung betätigt. Aber wegen der Lage dieser Aktuatoren ist es schwierig für den Piloten, sie zu erreichen. Es gibt dann zwei Möglichkeiten, mit der Situation umzugehen. Man kann entweder die Geräte wechseln, oder das Verfahren verändern. Meistens ist die erste Option nicht möglich, sodass eine Überarbeitung des Standardvorgangs notwendig ist.

Schreibarbeit
Im Cockpit werden viele Dokumente, Handbücher, Checklisten und andere Papierformulare benutzt. Die Kompatibilität zwischen Verfahren und den Unterlagen kann die Effizienz der SOPs beeinflussen.

Abweichungen von SOPs

Wichtige Verfahren werden in den Flughandbüchern, Betriebshandbüchern, Kurzanleitungen und Checklisten beschrieben, damit Piloten in den meisten normalen, außergewöhnlichen und unerwarteten Situationen entsprechend reagieren können. Die Verfahren werden im Laufe eines langen Prüfungsprozesses entwickelt und getestet. Es muss sichergestellt werden, dass die Reaktion nicht zu einem unerwünschten Ergebnis führt.

Wo etablierte Verfahren existieren, müssen sie strikt befolgt werden, es sei denn, etwas anderes ist ausdrücklich vorgeschrieben. Wenn feste Verfahren nicht vorhanden sind, sollten Piloten nicht versuchen, eine Vorgehensweise zu finden, die einer gesuchten ähnelt. Eine Vorgehensweise einzuleiten, die nicht für die spezifische Situation entwickelt wurde, kann zu unerwünschten oder unerwarteten Folgen führen.

Bei Abwesenheit eines SOP, sollten Piloten eine Entscheidung auf Basis ihres Wissens und ihrer Erfahrung treffen, auch wenn dies unbeabsichtigt zu einer unangemessenen Handlung führt. Wenn die Zeit es erlaubt, kann es hilfreich sein, sich an die Beratungs- oder Wartungsstelle des jeweiligen Unternehmens zu wenden.

Gelegentlich folgen Piloten absichtlich einem nicht etablierten Verfahren oder lassen bestimmte Aktionen innerhalb des Verfahrens weg. Diese unangemessene Handlungsweise kann die Folge von Ignoranz, Selbstzufriedenheit, Selbstüberschätzung oder gar Faulheit sein. Weitere Gründe sind mangelndes Situationsbewusstsein oder Fehleinschätzung.
Piloten und Ingenieure sind Individuen, die bei einem Verfahren in irgendeiner Form ihren eigenen Charakter reinbringen wollen. Das kann auch eine Form kritischen Denkens sein, in der Regel beeinflussen diese Abweichungen das Ergebnis nicht negativ. Wenn sie jedoch unkontrolliert bleiben, können sie die Standardisierung behindern und Verwirrung in das Cockpit bringen, wenn zum Beispiel der Copilot die Änderung im Verfahren nicht versteht.
Unter dem Begriff Complacency versteht man in der Luftfahrt einen mentalen Zustand, bei dem eine verantwortliche Person von der Richtigkeit ihrer Handlungen fälschlicherweise überzeugt ist und die richtige Gefahr der Situation bzw. einen abnormalen Vorgang nicht erkennt.
Auch Frustration kann ein begleitender Faktor sein. Wenn eine Person gezwungen wird, einen scheinbar sinnlosen Vorgang durchzuführen, kann sie sich dazu berechtigt fühlen, die Vorgehensweise zu ändern. Es gibt mehrere Möglichkeiten, an dieses Problem heranzugehen: das Management für das Problem sensibel zu machen und das Verfahren zu ändern oder die Menschen mit der Wichtigkeit des Vorgangs vertraut zu machen und warum es notwendig ist, diesen auf die festgelegte Art und Weise durchzuführen.
Weitere Faktoren können sein:

  • Unzureichende Kenntnisse oder Unfähigkeit, ein Verfahren zu verstehen
  • Unzureichende Schwerpunktsetzung auf die SOPs während des Trainings
  • Müdigkeit oder andere Ursachen der Konzentrationsschwäche
  • Unterbrechungen und Ablenkungen
  • Scheinbare Routine bei der Erfüllung der Aufgaben
  • Falsche Prioritätensetzung
  • Reduzierte Aufmerksamkeit in abnormalen Bedingungen oder hohe Arbeitsbelastung
  • Unzureichendes Team-Management
  • Unternehmenskultur und –politik (z.B. Termine, Kosten, Optimierung des Verkehrs)
  • Voreiligkeit, Selbstzufriedenheit, Selbstüberschätzung

Typische Situationen, in denen SOPs nicht eingehalten werden, können sein:

  • Ein Flugzeug wird beim Landeanflug aufgrund der hohen Geschwindigkeit nicht ausreichend stabilisiert. SOPs erfordern, dass das Flugzeug beim unstabilen Anflug eine weitere Runde vor dem nächsten Anflugversuch fliegt, der Pilot versucht jedoch zu landen, damit der Flugplan eingehalten wird. Die Folgen solchen Verhaltens können Kollision mit dem Boden und schwere Schäden des Flugzeuges sein.
  • Ein Lotse erteilt eine Freigabe für ein ab- oder aufsteigendes Flugzeug für eine neue Flugebene dann, wenn das Flugzeug bereits sehr nah zu dieser Ebene ist. Der Pilot kann es nicht verhindern, diese Flugebene zu überschreiten.
  • Ein Pilot oder ein Lotse verwendet in einer Nachricht nicht die standardisierte Phraseologie, sodass die Mitteilung vom Empfänger missverstanden wird.

Siehe auch