Schlechte Wetterbedingungen
Als Wetter bezeichnet man den spürbaren, kurzfristigen Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort der Erdoberfläche, der unter anderem als Sonnenschein, Bewölkung, Regen, Wind, Hitze oder Kälte in Erscheinung tritt. Wetterbedingungen und Wetterphänomene sind nicht beeinflussbar und können, sofern sie besonders stark in Erscheinung treten, den Flugverkehr behindern oder gar komplett zum Erliegen bringen. Solche extremen Wetterbedingungen sind daher allgemein für den Luftverkehr "Schlechte Wetterbedingungen".
Rechtliche Bedeutung
Wegen ihrer Unbeherrschbarkeit stellen Wetterbedingungen im Luftverkehr ein ständig zu überwachendes Risiko für den planmäßigen Ablauf des Betriebes dar. Schlechte Wetterbedingungen können einen Start, eine Landung oder die Durchführung eines Fluges unmöglich machen und es kommt zu Verspätung, Umleitung oder gar Annullierung eines Fluges. Schlechten Wetterbedingungen für den Luftverkehr sind z.B. starke Regen- und Schneefälle, Gewitter, Sturm, Glätte und Eis oder starker Nebel. Flugrelevante Wetterereignisse finden meist unterhalb der Reiseflughöhe statt, sodass die größte Gefahr in solchen Flugphasen wie Start, Anstieg, Sinkflug und Landeanflug besteht. Bei solchen Wetterereignissen handelt es sich um von außen einwirkende Ereignisse, die kaum beherrschbar sind und zudem aus den allgemein üblichen Abläufen im Luftverkehr hinausfallen. Die Häufigkeit des Auftretens eines bestimmten Wetterphänomens, das den Luftverkehr beeinträchtigt, ist unbeachtlich für seine rechtliche Bedeutung (OLG Koblenz, Urt. v. 11.01.2008, Az.: 10 U 385/07). Sofern ein Passagier aufgrund eines solchen Zwischenfalls Ansprüche gegen die Fluggesellschaft geltend macht, kann sich das Unternehmen in der Regel auf die unbeherrschbaren Wetterereignisse zur Abwehr des Anspruchs berufen. Dies bedeutet, dass eine Fluggesellschaft Wetterereignisse, die den Luftverkehr behindern und eine sichere Beförderung unmöglich machen, nicht zu vertreten hat. Sie trägt damit nicht das Risiko, jederzeit für auf Wetterbedingungen beruhende Verzögerungen im Betriebsablauf gegenüber den Passagieren zu haften. Allerdings muss ein Luftverkehrsunternehmen stets auch auf schlechte Wetterbedingungen eingestellt sein und im Rahmen dessen, was zumutbar ist, gewährleisten, dass der Betriebsablauf so geringfügig wie möglich beeinträchtigt wird.
Ansprüche nach der Fluggastrechteverordnung
Schlechtes Wetter als "außergewöhnlicher Umstand"
Die VO-EG Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung) regelt rechtlich das Bestehen und den Umfang von Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen. Wetterbedingungen sind ausdrücklich als sog. außergewöhnlicher Umstand anerkannt (Art. 5 Abs. 3 VO-EG Nr. 261/2004), bei dessen Vorliegen ein Anspruch des Passagiers gegen die Fluggesellschaft ausgeschlossen ist (Erwägungsgrund Nr. 14 der Verordnung). Allerdings reicht es zur Abwehr der Ansprüche nicht aus, wenn eine Fluggesellschaft schlicht auf das Vorliegen schlechter Wetterbedingungen verweist. Vielmehr hat sie zu begründen, welche konkreten Folgen bzw. welchen Einfluss das Wetterereignis für bzw. auf die sichere Durchführung des Fluges hatte und welche zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um eine Verspätung oder Annullierung zu verhindern (Vgl.: AG Hamburg, Urt. v. 28.02.2006, Az.: 18B C 329/05). Dabei müssen die angeführten schlechten Wetterbedingungen aus den üblichen und zu erwartenden Abläufen des Luftverkehrs herausragen (vgl. AG Frankfurt, Urt. v. 15.05.2013, Az. 29 C 1954/11). Anhaltspunkt dafür ist z.B., dass andere Luftfahrtunternehmen am selben Flughafen in gleicher Weise betroffen waren, d.h. der gesamte Flugverkehr dort gänzlich oder zum Teil behindert war. Unter Umständen ist es einer Fluggesellschaft auch zumutbar, eine Wetterbesserung abzuwarten. Schließlich ist davon auszugehen, dass Fluggäste es vorziehen etwas länger zu warten, als gar nicht befördert zu werden. Allerdings muss ersichtlich sein, dass sich die Wetterbedingungen in absehbarer Zeit ändern, etwa bei einer sich rasch fortbewegenden Gewitterzelle (anders verhält es sich etwa bei einer Kaltfront, die sehr starken Schneefall mit sich bringt). Die Festlegung der Grenze des zumutbaren Abwartens obliegt im Einzelfall der tatrichterlichen Würdigung. Sind bestimmte Wetterlagen für Jahreszeit und Ort ihres Auftretens nicht ungewöhnlich (z.B. Nebel oder kräftige Winde), liegen unter Umständen schon im wörtlichen Sinn keine außergewöhnlichen Umstände vor. Sofern eine Fluggesellschaft auf einer bestimmten Route einen Flug anbietet, muss sie in besonderem Maße mit typischen Wetterereignissen rechnen und auf Behinderungen in besonderem Maß eingestellt sein.
Wichtig: Auch wenn eine Fluggesellschaft wegen des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände keine Ausgleichszahlungen an den Passagier leisten muss, besteht die Pflicht Betreuungsleistungen gemäß Art. 8 und 9 EG-VO Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung) bereitzustellen fort. Dieser Pflicht kann sich ein Flugunternehmen nicht entledigen.
Abgrenzung zu anderen "außergewöhnlichen Umständen"
Kommt es zu wetterbedingten Behinderungen, kann die Ursache häufig auch konkret darin liegen, dass der Flughafenbetreiber auf Grund der schlechten Wetterbedingungen einzelne oder sogar alle Start- und Landebahnen vorübergehend schließt. Regelmäßig kommt es ebenso dazu, dass die Abstände zwischen den startenden und landenden Flugzeugen, etwa wegen eingeschränkter Sichtbedingungen, durch die Flugsicherung vergrößert werden. In solchen Fällen liegt die Annahme eines außergewöhnlichen Umstands nicht in den schlechten Wetterbedingungen selbst begründet, sondern in der Entscheidung des Dritten. Solche, in den Luftverkehr eingreifende Entscheidungen des Flugverkehrsmanagements, stellen nach Erwägungsgrund 15 VO-EG Nr. 261/2004 ebenfalls einen außergewöhnlichen Umstand dar. Die rechtliche Folge ist also zwar die Selbe, nämlich, dass ein Anspruch des Passagiers ausgeschlossen ist. Allerdings wird es einer Fluggesellschaft regelmäßig leichter fallen, die Entscheidung des Flugverkehrmanagements als Umstand anzuführen, als selbst den Nachweis bzw. Beweis für auf schlechten Wetterbedingungen beruhende Betriebsentscheidungen zu erbringen.
Eine Naturkatastrophe kann in ihrer konkreten Ausprägung einen außergewöhnlichen Umstand darstellen. Erdbeben, Überschwemmungen oder Vulkanausbrüche können also als außergewöhnliche Umstände anerkannt werden, stellen allerdings kein "Wetterereignis" dar, auch wenn etwa wegen des Ausbruchs eines Vulkans der Luftverkehr beeinträchtigt ist.
Siehe dazu ausführlich: Außergewöhnliche Umstände
Wetterbedingungen im Einzelnen
Eis, Schnee, Kälte
Einfluss winterlichen Wetters
Winterwetter mit Eis, Schnee und Kälte kann den Flugverkehr erheblich beeinträchtigen. Die meisten größeren Flughäfen verfügen über ein großes Winterdienstsystem, welches die Start- und Landebahnen von Eis und Schnee befreit und vor allem aber auch für die Enteisung der Flugzeuge zuständig ist. Kommt es zu Eisbildungen an verschiedenen Teilen eines Fluggeräts, wie bspw. am Rumpf, dem Vergaser, den Außenseiten oder der Klimaanlage, kann dies das Flugverhalten eines Fluggeräts stark beeinflussen. Unterschieden werden kann nach "in-flight icing" und "ground icing", je nachdem ob die Vereisung durch das schnelle Verlassen kalter Wolkenschichten entsteht oder am Boden durch Eisbildung an den Turbinen. Bei ersterem ist der Einsatz von Enteisungsmittel eine bewehrte Maßnahme. Bei hohem Flugaufkommen kann der erforderliche Enteisungsvorgang Verzögerungen und damit zu Verspätungen führen. Auch aufgrund von gesperrten Start-/ bzw. Landebahnen und des verzögerungsbedingten Verpassens der vorgegebenen Slots für Start und Landungen, treten häufig Verspätungen auf.
Probleme bei der Enteisung
Führt eine Fluggesellschaft als außergewöhnlichen Umstand bei Eisbildung an, es habe an Enteisungsmittel gefehlt, genügt dies nicht, um Ansprüche des Passagiers auszuschließen. Denn die Betriebstauglichkeit von Flugzeugen, die durch die Enteisung hergestellt wird, liegt grundsätzlich in der Betriebsrisikosphäre eines Luftfahrtunternehmens. Bei Problemen mit der Enteisung ist daher im Normalfall nicht von einem außergewöhnlichen Umstand auszugehen; es ist insbesondere Aufgabe der Fluggesellschaft, Enteisungsmittel bei absehbaren winterlichen Bedingungen bereit zu halten (OLG Brandenburg, Urt. v. 19.11.13, Az.: 2 U 3713; LG Köln, Urt. v. 09.04.13, Az.: 11 S 241/12). Dabei trägt die Fluggesellschaft auch die Verantwortung für das Verhalten von Subunternehmen, die mit der Bereithaltung von Enteisungsmitteln beauftragt sind (AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 03.05.2011, Az.: 20 C 83/11). Auch ein Mangel an Personal für die Enteisung fällt in den betrieblichen Verantwortungsbereich einer Fluggesellschaft (BG Schwechat, Urt. v. 12.10.2012, Az.: 4 C 580/11v-10). Ein außergewöhnlicher Umstand kann auch dann nicht angenommen werden, wenn ein Subunternehmer oder der Flughafenbetreiber zentral für die Enteisung zuständig ist (LG Köln, Urt. v. 09.04.2013, Az.: 11 S 241/12). Das Subunternehmem bzw. der Flughafenbetreiber agiert in diesem Fall als Erfüllungsgehilfe der jeweiligen Airline (AG Frankfurt, Urt. v. 03.02.2010, Az.: 29 C 2088/09).
Ein starker Schneefall kann ähnlich wie Nebel die Sichtverhältnisse bis hin zum Flugverbot auf dem Flugplatz verschlechtern. Darüber hinaus müssen Schnee und Eis von den Start- und Landebahnen entfernt werden, damit die notwendige Reibung zwischen den Reifen des Fahrwerks und der Bodenoberfläche entstehen kann.
Im Winter müssen die Flugzeuge meist auch bei moderaten Temperaturen enteist werden. Durch Eisablagerungen wird das Flugzeug schwerer und verbraucht mehr Treibstoff. Des Weiteren kommen die vereisten Tragflächen auch bei kleinerem Anstellwinkel zum Abreisen. Bei rauen, vereisten Oberflächen tritt diese Wirkung noch deutlicher zum Vorschein.
Es wurden Systeme entwickelt, welche entweder durch zusätzliche Beheizung oder durch das Auftragen einer Enteisungsflüssigkeit der Vereisung des Flugzeugs während des Fluges entgegen wirken.
Extreme Hitze
Auch extreme Hitze kann Einfluss auf den Flugverkehr nehmen. Allerdings erst bei Temperaturen ab ca. 47°C, die in europäischen Breitengraden bisher nur sehr selten aufgezeichnet wurden (Vgl.: World Meteorological Organization (WMO)). In manchen klimatisch warmen Regionen, wie etwa in Phoenix (Arizona, USA), werden solch hohe Temperaturen allerdings zuletzt im Zuge des Klimawandels häufiger gemessen. Extreme Temperaturen sorgten dort bereits für massive Flugausfälle. Hintergrund ist, dass einige Hersteller von Flugzeugturbinen bei Temperaturen von 47°C oder mehr nicht mehr für den nötigen Schub garantieren (Sueddeutsche.de, 13.07.2017). Wissenschaftler der Columbia University in New York haben sich mit den Einflüssen der klimatischen Veränderungen beschäftigt und berechnet, wie stark die Erderwärmung die Luftfahrt beeinträchtigen wird. Demnach wären etwa ab dem Jahr 2050 bis zu 30 Prozent aller Starts um die Mittagszeit durch extreme Temperaturen unmöglich (Mitteldeutscher Rundfunk (MDR), 20.07.2017). Je wärmer es ist, um so geringer ist die Dichte der Luft, damit sinkt auch der Auftrieb an den Tragflächen. Durch mehr Schub oder längere Beschleunigungswege beim Start kann bis zu der kritischen Temperatur der Einfluss der klimatischen Bedingungen ausgeglichen werden. Die Auswirkungen des Klimawandels trifft hinsichtlich extremer Temperaturen insbesondere Flughäfen in jetzt schon besonders heißen Regionen, etwa dem arabischen Raum. Aber auch der La Guardia Flughafen in New York müsste bis 2070 an mehr als 50 Tagen im Jahr Gewichtseinschränkungen verhängen, weil er nur über eine vergleichsweise kurze Landebahn verfügt. Dies bedeutet, dass weniger Passagiere bzw. Fracht befördert werden kann und große Flugzeuge nicht immer einsetzbar sind (Sueddeutsche.de, 13.07.2017).
Regen und Hagel
Bei starkem Hagelschlag und einer damit verbundenen Beschädigung des Fluggeräts, welche zu einer angeblichen Fluguntauglichkeit geführt, reicht der Verweis darauf nicht aus, um sich von der Zahlungspflicht gemäß Art. 7 EG-VO 261/2004 zu befreien. Denn Flugzeuge können regelmäßig auch auch bei Hagelniederschlägen starten, solche führen normalerweise nicht zur Fluguntauglichkeit. Allein ein Sachverständiger kann nach Begutachtung feststellen, ob das Flugzeug noch einsatzbereit ist oder nicht.
Auch ein Sandsturm kann einen außergewöhnlichen Umstand begründen, wenn dieser über einem Flughafen stattfindet. Dies gilt allerdings nicht, wenn dem ausführenden Luftfahrtunternehmen schon einige Tage im Voraus bekannt war, dass über dem Zielflughafen ein Sandsturm erwartet wird. Insoweit ist hier nicht von einem unerwarteten Ereignis zu sprechen.
Kommt es zu starken Regenfällen, Schneefällen oder anderweitigen Unwetter, wodurch die Sicherheit des Fluges nicht gewährleistet werden kann, so kann ein außergewöhnlicher Umstand als Begründung herangezogen werden. Schlechte Wetterbedingungen können demnach plausibel einen außergewöhnlichen Umstand begründen können, doch gilt auch hier, dass nachgewiesen werden muss, dass es tatsächlich keine Möglichkeit mehr gab, den Flug anderweitig stattfinden zu lassen. Es reicht somit nicht aus, einfach auf tatsächlich vorhandenes schlechtes Wetter zu verweisen, wenn nur ungünstige Wetterbedingungen vorhanden sind, aber nicht ersichtlich wird, wie diese den Flug beeinflusst haben sollen. Wird ein Flug daher sofort wegen schlechten Wetters annulliert, muss die Airline diesen Schritt begründen, ansonsten liegen keine außergewöhnlichen Umstände vor. Allerdings wurden auch vereinzelt schlechte Wetterbedingungen nicht als außergewöhnliche Umstände anerkannt, wenn diese für die Jahreszeit und den Ort nicht ungewöhnlich waren. Dies gilt bspw. für starken Regen in den Herbstmonaten oder Schneefälle im Winter. Dies wurde damit begründet, dass es sich dabei schon im wörtlichen Sinn nicht um ein Ereignis handelt, welches außergewöhnlich sei. Vielmehr müsse eine Airline mit derartigen Vorfällen rechnen und sich entsprechend auf Störungen im Flugverkehr vorbereiten. Diesbezüglich ist auch umstritten, ob man objektiv von einem außergewöhnlichen Umstand sprechen kann, wenn ein nicht optimal ausgestattetes Fluggerät eingesetzt wird, wenn bestimmte Schlechtwetterbedingungen und Sichteinschränkungen zu gewissen Tageszeiten ebenso bekannt waren. In einem solchen Fall muss darauf abgestellt werden, ob beispielsweise eine Landung für andere Flugzeuge mit besserer Ausstattung möglich war.
Immer dann, wenn ein Flug annulliert werden muss weil es zu einer Flughafen- oder Pistenschließung kommt, kann ein außergewöhnlicher Umstand angenommen werden. Das kann während eines Orkans der Fall sein.
Ein außergewöhnlicher Umstand kann jedoch nicht angenommen werden, wenn es nur zu kurzfristigen Schließungen der Start- und Landebahn kommt, damit eine Gewitterzelle, welche von kräftigen Regen- und Hagelschauern samt Böen begleitet wird, vorbeiziehen kann.
Hagelschlag stellt hingegen eine ernst zu nehmende Gefährdung des Fluges. Auch kleine Hagelkörner können bei hoher Geschwindigkeit die Steuerungselemente des Flugzeuges insoweit beschädigen, dass sie ihre aerodynamischen Eigenschaften verlieren. Bei einem Durchmesser von über 13 Millimeter können Hagelkörner innerhalb von wenigen Sekunden gravierende Schäden am Flugzeug anrichten.
Gewitter und Blitzschlag
Gewitter sind besonders häufig auftretende Naturphänomene. Mit dem Aufziehen eines Gewitters ist von Flugunternehmen in der Regel zu rechnen und stellt somit kein Hindernis dar, welches für Flugunternehmen unvermeidbar und unbeherrschbar ist. Insoweit werden sie nicht als äußerst ungewöhnliche Vorkommnisse gemäß Art 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 gewertet, vgl. AG Köln, Urt. v. 17.02.2016, Az. 114 C 208/15. Denn allein, dass ein Gewitter mit der planmäßigen Durchführung eines Fluges entgegensteht, macht es nicht zu einem außergewöhnlichen Umstand.
Möchte sich ein Flugunternehmen trotzdem auf außergewöhnliche Umstände berufen, weil die Betankung eines Flugzeugs aufgrund der Brandgefahr während eines Gewitters nicht vorgenommen werden kann, so muss explizit vorgestellt werden, warum die Betankung im konkreten Fall nicht möglich war.
Muss ein Flugzeug eine Notlandung vornehmen, da es infolge von Turbulenzen, verursacht durch eine Gewitterfront, zu einem Brandgeruch in der Kabine kam, so ist das betreffende Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet, Ausgleichsleistungen zu zahlen, vgl. LG Darmstadt, Urt. v. 06.11.2013, Az. 7 S 208/12.
Für den Fall, dass zu Flugbeginn ein Gewitter am angeflogenen Endziel gemeldet wird, ist ein Pilot allerdings nicht zwingend dazu verpflichtet, mehr Treibstoff zu tanken, um bis zum Abzug des Gewitters erheblich lange Warteschleifen zu fliegen. Insofern ist auch eine abweichende Landung zu einem in der Nähe gelegenen Flughafen eine mögliche Ausweichmaßnahme. Die damit einhergehenden Verzögerungen müssen in Kauf genommen werden, vgl. LG Darmstadt, Urt. v. 19.08.2015, Az. 7 S 52/15.
Blitzschläge, die zur Beschädigung eines für einen Flug vorgesehenen Fluggerätes führen, stellen grundsätzlich einen außergewöhnlichen Umstand dar. In der Rechtssprechung werden jedoch auch Ausnahmen festgelegt, wonach ein Blitzschlag keinen außergewöhnlichen Umstand begründet. Es wird vor allem dann ein außergewöhnlicher Umstand verneint, wenn die Annullierung oder Verspätung nicht auf den Blitzschlag selbst sondern auf eine auf den Blitzschlag folgende betriebswirtschaftliche Entscheidung des Luftfahrtunternehmens oder aber eine generelle Organisationsentscheidung der Fluggesellschaft folgt.
Grundsätzlich ist ein außergewöhnlicher Umstand dann anzunehmen, wenn der Blitz ein für einen Flug vorgesehenes Flugzeug derart beschädigt, dass es für den vorgesehenen Flug nicht oder erst verzögert einsatzbereit ist (vgl. AG Frankfurt, Urteil vom 4.3.2015, Az. 29 C 3128/14(21)). Dann beruht eine mögliche Verspätung nämlich unmittelbar auf dem Wetterereignis.
Ein Unwetter/Blitzschlag stellt sich als außergewöhnlicher Umstand dar, wenn aufgrund eines Gewitters über dem Zielflughafen die Maschine auf einen Ausweichflughafen umgeleitet wird und von dort aus nach einem Tankstop den Zielflughafen mit einer Verspätung von mehr als 4 Stunden erreicht (LG Darmstadt, Urt. v. 19.08.2015, Az.: 7 S 52/15). Die Wetterbedingungen zum Zeitpunkt des ersten Anflugversuches am Zielflughafen, die eine planmäßige Landung unmöglich machten, stellen außergewöhnliche Umstände gemäß Art. 5 Abs. 3 VO-EG Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung) dar. Die Fluggesellschaft ist nicht verpflichtet, die Maschine vorsorglich so zu betanken, dass der Pilot so lange in der Luft kreisen kann, bis das Gewitter abzieht bzw. sich die Witterungsbedingungen so ändern, dass eine Landung möglich wird. Ist schon beim Abflug bekannt, dass ein Gewitter über dem Zielflughafen aufzieht, so kann bei einer Flugzeit von zweieinhalb Stunden davon ausgegangen werden, dass bis zur Ankunft das Unwetter abgezogen sein wird. Angesichts der schwierigen Prognose des Verlaufs eines stationären Unwetters ist es der Fluggesellschaft nicht zumutbar, das Flugzeug in der Voraussicht möglicher Wetterbedingungen, derart zu betanken, dass neben längeren, möglicherweise ja ebenso erfolglosen Warteschleifen, auch noch im Anschluss der Anflug eines erforderlichen Ausweichflughafens möglich wäre. Aus diesem Grund kann auch eine Verschiebung des Abfluges bis zum Abzug des Gewitters bei einer entsprechend langen Flugzeit nicht gefordert werden. Dabei spielen wirtschaftliche Erwägungen noch gar keine Rolle (LG Darmstadt, Urt. v. 19.08.2015, Az.: 7 S 52/15).
Gewitter entstehen, wenn warme und feuchte Luft sich schnell nach oben bewegt. Dabei kühlt sie sich ab, kondensiert und bildet Gewitterwolken, die eine Höhe von über 20 km erreichen können. Wenn die aufsteigende Luft den Taupunkt erreicht, bilden sich Wassertropfen und Eispartikel, welche dann wieder aus langer Distanz durch die Wolken zurück auf die Erdoberfläche fallen. Die fallenden Tropfen vergrößern sich und erzeugen einen Abwind der kalten und Luft und Feuchtigkeit, der sich auf der Erdoberfläche verbreitet und starke Winde verursacht.
Schwere Gewitter sind aufgrund von Blitzen, Hagel, Wirbelstürmen, Überschwemmungen und schweren Windböen auch außerhalb der Luftfahrt gefährlich.
Luftmassengewitter sind weniger bedenklich, als andere Gewitterarten, da sie sich langsam bewegen, in der Regel weniger als eine Stunde dauern und erzeugen keine Blitze oder Regenfälle.
Dank moderner Technik, mit welcher Gewitterfronten vermieden werden können, sind Blitzschläge sehr selten geworden. Aufgrund von der Bauweise des Flugzeuges, welches wie ein Faraday’scher Käfig wirkt, sind Blitzeinschläge für die Flugzeuginsassen unbedenklich. Auch das äußere Material des Flugzeuges ist in der Lage, dieser Belastung standzuhalten. Eine Nachkontrolle ist dennoch erforderlich, um mögliche kleine Beschädigungen auszuschließen.
Siehe auch: Gewitter und Blitzschlag als außergewöhnliche Umstände.
Wind und Sturm
Ein starkes Windaufkommen kann ebenfalls als außergewöhnlicher Umstand in Betracht kommen. Die alleinige Berufung auf das Vorliegen von solchen starken Winden genügt allerdings nicht, um sich von der Ausgleichszahlungspflicht nach Art. 7 VO (EG) 261/2004 zu befreien. Vielmehr müssen diese starken Windverhältnisse auch von dem üblichen Windaufkommen abweichen. Zudem muss auch angegeben, werden welche konkreten Windverhältnisse zum jeweiligen Zeitpunkt des Starts oder der Landung vorgelegen haben und bei welchen Seiten-/ Rückenwind-Komponenten das jeweilige Fluggerät gemäß den Herstellervorgaben nicht mehr betreiben werden darf. Möchte sich ein Luftfahrtunternehmen auf einen außergewöhnlichen Umstand aufgrund von starken Gegenwind berufen, so hat es vorher ebenso zu prüfen, ob nicht eine Umleitung auf einen nahegelegenen Flughafen möglich war, vgl. AG Düsseldorf, Urt. v. 13.03.2008, Az. 232 C 3487/07.
Windscherung
Unter einer Windscherung versteht man die Differenz in der Windgeschwindigkeit und –richtung an zwei Punkten in der Atmosphäre auf einer relativ kurzen Distanz. Man unterscheidet zwischen vertikaler und horizontaler Windscherung.
Windscherungen äußern sich in Veränderung der horizontalen Fluggeschwindigkeit. Eine Änderung der vertikalen Fluggeschwindigkeit von über 2,5 m/s wird auch als eine wesentliche Windscherung für das Flugzeug betrachtet. Eine Windscherung auf einer niedrigen Flugfläche während des Startes oder bei der Landung kann katastrophale Folgen für das Luftfahrzeug haben, deshalb vermeiden Piloten alle Windscherungen in der Nähe eines Microbursts. Diese zusätzliche Vorsicht hat folgende Gründe:
- Die Intensität des Microbursts kann sich in weniger als einer Minute verdoppeln.
- Es kann ein übermäßiger Seitenwind entstehen.
- Die Windstärke von 40-50 Knoten (20 bis 25 Meter pro Sekunde) stellt einen Schwellenwert für die Überlebensfähigkeit in manchen Phasen eines Fluges auf niedrigen Flughöhen.
- Bei einigen durch Windscherungen verursachten Unfällen ereigneten sich schon bei kleineren Windstärken von circa 15 bis 20 Metern pro Sekunde.
Windscherungen sind ferner ein wichtiger Faktor bei der Entstehung von schweren Gewittern und werden in Zusammenhang mit zusätzlicher Gefahr durch Turbulenzen in Verbindung gebracht.
Windscherungen können in folgenden Fällen am meisten beobachtet werden:
- Signifikante Scherung kann bei einer Front, d.h. einer abrupten Grenze zwischen verschiedenen Luftmassen, festgestellt werden, wenn die Temperaturdifferenz über der Front 5° C beträgt und die Front sich schneller als 15 Meter pro Sekunde bewegt.
- Bei den Jetstreams äußern sich Schereneffekte in Turbulenzen bei klarer Sicht ohne, dass eine Gewitterfront in der Nähe ist.
- In der Nähe von Bergen entstehen Windscherungen aufgrund davon, dass ein Berg von unterschiedlichen Seiten von der Luft umströmt wird.
- Bei Inversionswetterlagen, wenn die oberen Luftschichten wärmer sind, als die unteren, verursachen Dichteunterschiede zusätzliche Probleme für die Luftfahrt.
Die starke Abströmung von den Gewittern verursacht eine rapide Veränderung der dreidimensionalen Windgeschwindigkeit über dem Boden. Dies resultiert zunächst in der ansteigenden Fluggeschwindigkeit und veranlasst den Piloten dazu, die Triebwerkleistung zu verringern, wenn er die Windscherung nicht erkannt hat. Wenn das Flugzeug den Bereich des starken Abwindes verlassen hat, sinkt der Gegenwind und folglich die Flugzeuggeschwindigkeit. Die Sinkgeschwindigkeit steigt hingegen. Wenn die Maschine die andere Seite des Abwindes passiert, verwandelt sich der Gegenwind in den Rückenwind und verringert den Auftrieb, der durch die Tragflächen erzeugt wird. Das Flugzeug sinkt mit langsamer Geschwindigkeit. Auf kleineren Flughöhen kann dieser Zustand zu einem Absturz führen, wenn nicht genug Raum vorhanden ist, um den Normalflug vor dem Bodenkontakt wieder herzustellen.
Windscherungen verursachten eine Reihe von Unfällen in den 60’er und 70’er Jahren. Seitdem Flugzeuge mit diversen Erkennungs- und Warnanlagen ausgestattet werden, sank die Unfallrate auf etwa einen Absturz alle 10 Jahre.
Downburst und Microburst
Ein Downburst ist ein starkes, bodennahes Windsystem, bei der Luftströmungen aus einer Quelle in allen Richtungen geradlinig ausgehen. Sie entstehen in einem durch Regen gekühlten Luftbereich, welcher sich beim Erreichen des Bodens in allen Richtungen bewegt. Downbursts sind verantwortlich für die Entstehung von vertikalen Windscherungen und Microbursts.
Während Downbursts besser mit der Technik erkannt werden können, stellen kleine und sehr lokalisierte Microbursts die eigentliche Gefahr für die Luftfahrt dar. Sie dauern von einigen Sekunden bis zu mehreren Minuten, sind aber stark genug, um voll ausgewachsene Bäume zu entwurzeln.
Ein Microburst kann durch den extrem starken Luftstoß die Ursache für einen Absturz bei Landung sein. Wenn das Flugzeug zum Landeanflug ansetzt, verlangsamt es sich auf eine angemessene Geschwindigkeit. Im Microburst steigt dabei die Fluggeschwindigkeit durch die Kraft des Gegenwindes stark an. Ein unerfahrener Pilot würde versuchen, die Geschwindigkeit zu senken. Außerhalb des Microburstbereiches verwandelt sich der Gegenwind in den Rückenwind und die Menge an Luft, die die Tragflächen umströmt, verringert sich. Folglich wird nicht mehr genug Auftrieb erzeugt. In Verbindung mit der starken Abwärtsströmung kann dies in einem Strömungsabriss resultieren. Kurz nach dem Start oder bei Landung wird das Flugzeug nicht genug Raum haben, um in den Normalflug wieder zu finden.
Unter einem Brownout versteht man in der Luftfahrt eine derartige Sichtverschlechterung durch Staub oder Sand, bei der kein Flug nach Sichtflugregeln nicht mehr möglich ist. In einem Brownout kann der Pilot die naheliegenden Objekte und Hindernisse nicht mehr sehen. Brownouts entstehen bei staubiger Bodenbeschaffenheit durch die von Luftfahrzeugen nach unten ausgehende Luftströmung. Dabei spielen das Gewicht, die Bauweise, die Geschwindigkeit des Flugzeuges sowie der Wind in der Umgebung eine Rolle.
Sand und Staub können die Illusion des geneigten Horizontes hervorrufen. Ohne Fluginstrumente kann der Pilot instinktiv versuchen, die Lage des Flugzeuges in Bezug auf den falschen Horizont zu berichtigen.
Siehe auch: Starke Winde als außergewöhnlicher Umstand
Nebel und Dunst
Bei Nebel ist ein Start häufig wegen der damit verbundenen Flugrisiken unmöglich. Wird ein Flughafen aufgrund anhaltender Nebelschwaden vorübergehend geschlossen, so kann dies ein Indiz für das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstands darstellen, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen detailliert darlegen kann, welche Auswirkungen dieser Umstand auf die Start- bzw. Landebefugnisse vor Ort hatte, vgl. AG Frankfurt, Urt. v. 31.08.2006, Az. 30 C 1370/06. Allerdings ist es nicht möglich sich auf außergewöhnliche Umstände zu berufen, wenn die Durchführung des Fluges nach Beendigung des Schlechtwetterverhältnisses doch noch möglich ist. Zumutbare Maßnahmen können in solchen Fällen vor allem das Ausweichen auf einen nahen Ersatzflughafen sein. Da ungünstige Wetterbedingungen in der Regel nicht von Dauer sind, kann es auch möglich sein, auf bessere Startbedingungen zu warten und einen Flug nach hinten zu verschieben, anstatt ihn zu annullieren. Konkret bedarf es immer einer Einzelfallentscheidung, da nicht pauschalisiert werden kann, welche Maßnahmen hätten unternommen werden können, um den Flug doch noch stattfinden zu lassen. Trotzdem stellt das Aufschieben der Entscheidung, ob ein Flug annulliert wird oder nicht, keine zumutbare Maßnahme gem. Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 dar. Dies gilt auch dann, wenn es nicht ersichtlich ist, wie lange der Nebel anhalten wird, vgl. BGH, Urt. v. 25.03.2010, Az. Xa ZR 96/09. Tritt der Nebel somit am Vormittag auf, kann sich ein ausführendes [[[Luftfahrtunternehmen]] nicht auf Art. 5 Abs. 3 EG-VO 261/2004 berufen, wenn der betroffene Flug am Abend aufgrund Rotationsproblemen und einer Folgeverspätung nicht pünktlich starten kann. Kommt es dazu, dass ein Flughafen aufgrund von Nebel nicht anfliegbar ist, so kann dies einen außergewöhnlichen Umstand darstellen, wenn keine anderen Maßnahmen zur Umgehung des Umstandes möglich waren. Ist Nebel als Sichtwetterbeschränkung zu einer bestimmten Tageszeit allerdings als bekannt anzusehen und wird auf dieser Strecke ein nicht optional ausgerüstetes Flugzeug eingesetzt, so ist dies als kaufmännische Entscheidung des jeweiligen Luftfahrtunternehmens zu werten und seiner Risikosphäre zuzuordnen.
Nebel
Nebel beeinträchtigen die Lufttüchtigkeit eines Flugzeuges nicht, da mit der modernen Technik alle Flugphasen nahezu ohne Beteiligung des Menschen mithilfe eines Autopiloten durchgeführt werden. Flughäfen sind jedoch weiterhin zum großen Teil auf gute Sichtverhältnisse angewiesen. Um den Piloten bei der Landung zu assistieren, müssen Fluglotsen in der Lage sein, die Start- und Landebahnen und die auf den Rollfeldern wartenden Flugzeuge zu sehen. Andernfalls kann keine sichere Landung gewährleistet werden und der Flugplatz muss den Betrieb einstellen, bis sich die Sichtbedingungen verbessern.
Schematische Darstellung
Sichtbehinderung (Boden) | Sichtbehinderung (Luft) | Lande/Startbahn (Boden) | Flugzeug | Steuerung/Flug | |
---|---|---|---|---|---|
Eis | - | - | Vereisung technischer Instrumente im Außenbereich (Enteisung vor Start notwendig, Verzögerungen) | Defekt technischer Geräte kann Steuerung der Maschine unnmöglich machen | |
Schnee | bei starkem Schneefall | bei starkem Schneefall (insb. Landung) | Rutschgefahr, Glätte (Start/Landung) - Räumdienst erforderlich, Verzögerungen | - | Sichtflug bei Landung nicht möglich |
Hitze | - | - | - | ab 47°C garantieren manche Flugzeugbauer nicht mehr für den nötigen Schub der Triebwerke (Sueddeutsche.de, 13.07.17) | - |
Regen | bei Starkregen erhöhtes Sicherheitsrisiko dar (Spiegel.de, 17.08.2018) | - | - | ||
Hagel | |||||
Gewitter/Blitz | - | - | Ggfs. keine Abfertigung mögl. wegen Gefährdung des Bodenpersonals bei Blitzschlag | Gefahr techn. Defekte in Folge von Blitzschlag | - |
Wind | - | - | - | Start und Landung u.U. nicht gefahrlos mögl. | |
Nebel | Insb. Landungen erheblich beeinträchtigt | i.d.R. unproblematisch | - | - | ggfs. kein Sichtflug möglich |
Sandsturm | Insb. Landungen erheblich beeinträchtigt | i.d.R. unproblematisch | - | - | ggfs. kein Sichtflug möglich |
Entscheidung bei schlechten Wetterbedingungen
Entscheidung des Flugverkehrsmanagements
Oft kommt es auch vor, dass das Flugverkehrsmanagement infolge der vorherrschenden schlechten Wetterverhältnisse die Entscheidung trifft, die Flugrate zu verringern bzw. die Annullierung mehrerer Flüge anzuordnen. Das AG Köln hat hierzu entschieden, dass in diesem Fall ebenfalls ein außergewöhnlicher Umstand anzunehmen sei, da in dem Fall nicht die Fluggesellschaft selbst, sondern die Flugsicherungsbehörde für die Annullierung verantwortlich ist und die Airline die Anordnungen dieser zu befolgen hat, vgl. AG Köln, Urt. v. 6.11.2017, 142 C 537/16. Das ausführende Luftfahrtunternehmen muss hierbei auch nur vortragen und ggf. nachweisen, dass eine auf einen anerkannten außergewöhnlichen Umstand beruhende Anordnung des Flugverkehrsmanagements vorlag. Diese Erleichterung der Beweis- und Darlegungslast kommt daher, dass der Flugsicherung oftmals ein hoheitlicher Charakter zukommt und damit auch eine hohe Beweiskraft. Diese Anordnung muss sich jedoch nicht explizit auf den im Fokus stehenden Flug beziehen. Es reicht aus, wenn sich die außergewöhnlichen Umstände, die die Anordnung der Flugsicherung nach sich zogen, auf den im Fokus stehenden Flug ausgewirkt haben. Bezieht sich die Anordnung zur Flugbeschränkung jedoch nur auf einen bestimmten Zeitraum, so kann sich das ausführende Luftfahrtunternehmen auch nur bei Flügen im entsprechenden Zeitraum auf außergewöhnliche Umstände berufen. Für geplante Flüge, die nicht in dem „gesperrten“ Zeitraum liegen, muss daher immer die Bereitschaft zur Beförderung bestehen. Insofern liegt der außergewöhnliche Umstand nur für Flüge in diesem Zeitraum, in dem der Luftraum gesperrt ist, vor.
Siehe dazu: Entscheidungen des Luftverkehrsmanagements
Entscheidung des Piloten
Zweifelhaft ist, ob es auch den zumutbaren Maßnahmen eines Luftfahrtunternehmens gehört, dass Fluggeräte mit bestimmen Navigationshilfen auszustatten sind, die auch über den gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststandards liegen, aber dennoch allgemein üblich und auch anerkannt sind. Das AG Geldern entschied, dass eine Entscheidung des Piloten, eine Landung aufgrund von schlechten Wetters nicht durchzuführen, wegen seiner nautischen Befugnisse als Luftfahrzeugführer grundsätzlich als bindend anzusehen ist, vgl. AG Geldern, Urt. v. 03.08.2011, Az. 4 C 242/09. Solche Maßnahmen können gerichtlich nur im eingeschränkten Maße überprüft werden. Die Entscheidungsgewalt des Piloten, welcher als Führer der Maschine für die Sicherheit der Passagiere verantwortlich ist, dürfe nicht eingeschränkt werden.
Aufgrund von schlechten Wetterbedingungen kann es dazu kommen, dass die Anzahl der Starts und Landungen gedrosselt werden muss. Eine solche Beschränkung nimmt die Flugsicherheitsbehörde vor. Führen solch schlechte Wetterbedingungen allein wegen der aus Sicherheitsgründen notwendigen Staffelung der Abstände der Anflüge und der dadurch bedingten längeren Aufenthalte in der Warteschleife zu erheblichen Verzögerungen, so liegt höhere Gewalt vor.
Schlechte Wetterbedingungen auf dem Vorflug
Kommt es zu dem Fall, dass ein Flugzeug schon auf dem Vorflug von einem Blitz getroffen wurde, so ist es dem ausführenden Flugunternehmen nicht möglich, sich auf einen Entlastungsgrund i.S.d. Art. 5 Abs. 3 EG-VO 261/2004 zu berufen. Denn ein Luftfahrtunternehmen hat in seiner Flugplanung einzuplanen, dass es aufgrund verschiedener Umstände zu Verzögerungen im Flugumlauf kommen kann. Die betriebliche Entscheidung, einen Flugplan mit nur sehr engen Zeitreserven auszustatten, soll nicht zu Lasten der Flugpassagiere fallen. In der Regel gilt, dass wenn mehr als 24 Stunden zwischen einem ungewöhnlichen Wetteraufkommen und dem betreffenden Flug lagen und zwischen durch auch andere Flüge mit demselben Flugzeug ausgeführt wurden, nicht mehr von einem außergewöhnlichen Umstand gesprochen werden kann. Außerdem ist sowieso unklar, ob ein außergewöhnlicher Umstand des Vorfluges auf den nächsten Flug fortwirkt.
Grundsätzlich ist ein außergewöhnlicher Umstand dann anzunehmen, wenn der Blitz ein für einen Flug vorgesehenes Flugzeug derart beschädigt, dass es für den vorgesehenen Flug nicht oder erst verzögert einsatzbereit ist (vgl. AG Frankfurt, Urteil vom 4.3.2015, Az. 29 C 3128/14(21)). Dann beruht eine mögliche Verspätung nämlich unmittelbar auf dem Wetterereignis. Kommt es in Folge eines Gewitters bzw. Blitzschlages zu Verspätungen oder Annullierungen muss im Einzelfall durch die Fluggesellschaft dargelegt werden, dass die Beeinträchtigungen für die Passagiere tatsächlich unmittelbar auf dem Wetterereignis beruhen.
Siehe dazu: Vorflug
Beispiele: Keine außergewöhnlichen Umstände
Ein Unwetter/Blitzschlag stellt keinen außergewöhnlichen Umstand dar, wenn die Fluggesellschaft aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen in Folge einer Beschädigung einer für einen Flug eingeplanten Maschine durch Blitzschlag entscheidet, das planmäßig vorgesehene Flugzeug eines anderen Fluges für das defekte Flugzeug einzusetzen. Denn der nicht durch die defekte Maschine betroffene Flug hätte planmäßig durchgeführt werden können, wenn die Fluggesellschaft es nicht kurzerhand anderweitig verwendet hätte (AG Frankfurt, Urt. v. 04.03.2015, Az.: 29 C 3128/14 (21)). Passagiere dieses Fluges haben daher einen Ausgleichsanspruch gemäß Fluggastrechteverordnung, da die Annullierung ihres Fluges nicht auf außergewöhnlichen Umständen, sondern schlicht auf betriebswirtschaftlichen Erwägungen beruht. Es liegt also im Ergebnis kein außergewöhnlicher Umstand gemäß Art. 5 Abs. 3 VO-EG Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung)) vor, der die Fluggesellschaft von ihrer Zahlungspflicht entbinden würde.
Ein Unwetter/Blitzschlag stellt ebenfalls nicht zwangsläufig einen außergewöhnlichen Umstand dar, wenn aufgrund eines Blitzschlages und der dadurch nach der Landung notwendig gewordenen technischen Überprüfung („Blitzschlag-Kontrolle“), sich die anschließend mit der Maschine noch vorgesehenen Flüge verspäten. Der Blitzschlag betrifft nämlich zwar den direkt im Anschluss an den Blitzschlag geplanten Flug unmittelbar, nicht aber alle noch am selben Tag vorgesehenen Flüge mit der Maschine. Das Risiko, dass die Fluggesellschaft bewusst durch den Einsatz einer Maschine auf mehreren Flugstrecken hintereinander in einem engen Zeitplan in Kauf nimmt, liegt allein in der Risikosphäre der Fluggesellschaft. Die Verspätung beruht daher auf einer Organisationsentscheidung der Fluggesellschaft und nicht auf dem Wetterereignis (AG Hamburg, Urt. v. 08.01.2015, Az.: 20a C 219/14). Nur bei Problemen auf dem unmittelbaren Vorflug wäre ein Blitzschlag ursächlich für den nachfolgenden Flug. Diese Auslegung ist nach dieser Rechtsansicht im Interesse eines hohen Schutzniveaus der Verordnung für die Passagiere erforderlich, nämlich um es der Fluggesellschaft unmöglich zu machen, eine beliebig lange Kausalkette an „gerechtfertigten“ Verspätungen zu bilden. Es kommt damit nicht auf mögliche zumutbare Maßnahmen an, die die Fluggesellschaft zur Abwendung der Verspätung ergreifen müsste. Denn die Verspätung beruht schon nicht unmittelbar auf einem außergewöhnlichen Umstand, sofern es nicht um den direkten Anschlussflug geht.
Rechtsprechung
Gericht, Urteil vom… | Aktenzeichen | Zusammenfassung (siehe Reiserecht-Wiki) |
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BGH, Urteil vom 14.10.2010 | Xa ZR 15/10 |
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BGH, Urteil vom 25.03.2010 | Xa ZR 96/09 |
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OLG Koblenz, Urteil vom 11.01.2008 | 10 U 385/07 |
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LG Darmstadt, Urteil vom 19.08.2015 | 7 S 52/15 |
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LG Darmstadt, Urteil vom 06.11.2013 | 7 S 208/12 |
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LG Darmstadt, Urteil vom 23.11.2011 | 25 S 142/11 |
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AG Köln, Urteil vom 06.11.2017 | 142 C 537/16 |
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AG Hannover, Urteil vom 21.06.2016 | 450 C 2336/16 |
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AG Köln, Urteil vom 17.02.2016 | 114 C 208/15 |
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AG Frankfurt, Urteil vom 15.05.2013 | 29 C 1954/11 |
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AG Bremen, Urteil vom 02.05.2013 | 9 C 523/12 |
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AG Hannover, Urteil vom 05.01.2012 | 451 C 9817/11 |
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AG Geldern, Urteil vom 03.08.2011 | 4 C 242/09 |
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AG Königs Wusterhausen, Urteil vom 15.06.2011 | 4 C 572/10 |
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AG König Wusterhausen, Urteil vom 03.05.2011 | 20 C 83/11 |
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AG Düsseldorf, Urteil vom 13.03.2008 | 232 C 3487/07 |
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AG Frankfurt, Urteil vom 31.08.2006 | 30 C 1370/06 |
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