Flugrecht
Luftverkehr
Luftbeförderung von Personen und Gepäck
(1) Der Begriff des Luftverkehrsrechts umfasst im weiteren Sinne alle rechtlichen Sonderregelungen, welche im Zusammenhang mit der Luftfahrt, den Luftfahrzeugen und dem Luftraum in seiner Eigenschaft als Element der Luftfahrt stehen. Sowohl das öffentliche, als auch das private Recht werden davon umfasst. Gegenstand der privatrechtlichen Regelungen des Luftverkehrs sind die nationale und internationale Beförderung von Personen, ihrem Reisegepäck und Frachtgütern. (2) Gegenstand des öffentlich-rechtlichen Luftverkehrsrechts ist die Zulassung und der Betrieb des Luftfahrtgeräts, die Erlaubnis für das Luftfahrtpersonal, die Genehmigung der Flugplätze und Tarife. Das öffentlich- rechtliche Luftverkehrsrecht berührt den Fluggast nicht direkt, sondern dient der Abwehr der Gefahren der Luftfahrt. Dementsprechend ist diese Materie kein Teil des Luftbeförderungsrechts. Der Fluggast wird mehr von den privatrechtlichen Normen des Luftverkehrs tangiert, welche größtenteils die Haftungsfragen bezüglich der Luftbeförderung betreffen.
Fluglinienverkehr
Bei dem Individualreisenden als Fluggast handelt es sich bei dem Vertragspartner um ein Luftfahrtunternehmen. Das jeweilige Luftfahrtunternehmen benötigt für die Betreibung des Fluglinienverkehrs eine bestimmte Genehmigung nach LuftVG sowie §§ 61 bis 65 LuftVZO in Verbindung mit der VO (EWG) Nr. 240792 des Rates vom 23.07.1992 über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen. Die Merkmale des Fluglinienverkehrs sind durch § 21 LuftVG bestimmt. Ausschlaggebend ist vor allem, dass die Beförderung gewerbsmäßig, auf bestimmten Linien, öffentlich und regelmäßig vorgenommen wird. Eine Ergänzung dieser Merkmale erfolgt durch eine spezielle Betriebs- und Beförderungspflicht (§ 21 II LuftVG).
Gewerblicher Gelegenheitsverkehr (Charter)
(1) Neben dem Fluglinienverkehr existiert weiterhin noch der gewerbliche Gelegenheitsverkehr. Dieser gilt als gewerblicher Luftverkehr, solange es nicht zu einer öffentlichen und regelmäßigen Beförderung von Personen oder Sachen auf bestimmten Linien kommt (§ 22 LuftVG). Aufgrund der Liberalisierung des Luftverkehrs in der EU kommt es noch zu unklaren Grenzen zwischen Linienverkehr und Bedarfsflugverkehr, obwohl durch das Gemeinschaftsrecht eine Unterscheidung zwischen dem Linien- und Bedarfsluftverkehr vorgenommen wird. Für den Fluggast ist eine solche Unterscheidung nicht mehr von Bedeutung, da Linienfluggesellschaften wie die Deutsche Lufthansa ebenfalls Reisende von Reiseveranstaltern befördert und genauso Charterfluggesellschaften wie LTU oder TUIfly oftmals Luftbeförderungen nach Flugplänen durchführen. (2) Bei den Pauschalreisen spielt der Charterflug die größte Rolle. Dabei wird zwischen dem Reiseveranstalter und dem ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Chartervertrag geschlossen, damit das nötige Beförderungsmittel für die Pauschalreise gesichert werden kann. Bei dem Luftfahrtunternehmen handelt es sich dann um den Vercharterer und bei dem Reiseveranstalter um den Charterer.
Rechtsquellen des Internationalen Einheitsrechts
Vorrang des Einheitsrechts
(1) Das Luftbeförderungsrecht beruht auf einer Vielfalt von internationalen, europäischen und nationalen Rechtsquellen. Bei der internationalen Stufe spielt für den Fluggast das Montrealer Übereinkommen die größte Rolle, wobei auf der Stufe des Unionsrechts die Fluggastrechteverordnung relevant wird und letztlich auf der nationalen Stufe das Luftverkehrsgesetz und weiterhin das BGB des Luftbeförderungsvertrages. Dabei gilt jedoch das Prinzip über den Vorrang der jeweils höheren Stufe. (2) Die Vorrangigkeit der jeweils höheren Stufe ist unionsrechtlich in Art. 216 II AEUV verankert. Dadurch gelten die von der Union vereinbarten Übereinkünfte nicht nur für die Organe der Union selbst, sondern gleichzeitig auch für die Mitgliedstaaten. Aufgrund der Ratifikation des Montrealer Übereinkommen durch die Union, ist das Montrealer Übereinkommen gleichzeitig als Unionsrecht anzusehen. Beide, die Union und die Mitgliedstaaten verfügen nur dort über die Kompetenz Regelungen bezüglich der Luftbeförderung von Personen und deren Gepäck festzulegen, wo das Montrealer Übereinkommen nicht über einen Spielraum verfügt. (3) Aus diesem Grund muss für den jeweiligen Anwendungsbereich zunächst auf eine international rechtliche Regelung zurückgegriffen werden. Als solche würde z.B. das Montrealer Übereinkommen in Frage kommen. Erst danach kommt es zu der Anwendung der unmittelbar geltenden EU-Verordnungen. Damit ist die Fluggastrechteverordnung gemeint. Für die Schließung von Regelungslücken kann von dem nationalen Recht, dem Werkvertragsrecht und dem Schuldrecht des BGB Gebrauch gemacht werden.
Montrealer Übereinkommen
(1) Durch die Staaten wurde im internationalen Luftbeförderungsrecht über wichtige privatrechtliche internationale Übereinkommen eine völkerrechtliche Harmonisierung als Internationales Einheitsrecht erschaffen. Bei dem Montrealer Übereinkommen handelt es sich somit um die bedeutendste Haftungsregelung bei der Luftbeförderung von Fluggästen. Dieses ist der Nachfolger des Warschauer Abkommens. Das Montrealer Übereinkommen trat am 28.05.1999 in Kraft. Sowohl für Deutschland als auch für andere EU-Mitgliedsstaaten ist es durch eine gleichzeitige Ratifikation am 28.06.2004 in Kraft getreten. Das Montrealer Übereinkommen stellt somit einen wichtigen Bestandteil der Unionrechtsordnung dar (EuGH, Urt. v. 12.04.18, Az.: C-258/16; EuGH, Urt. v. 26.02.15, C-6/14; EuGH, Urt. v. 22.11.12, C-139/11; (vgl. EuGH, Urt. v. 26.02.2013, Az.: C-11/11); EuGH, Urt. v. 23.10.12, C-581/10; (vgl. EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Az.: C-83/10) und C-629/10; EuGH, Urt. v. 06.05.10, Az.: C-63/09). Im Montrealer Übereinkommen finden sich die Haftung des Luftfrachtführers auf Schadensersatz bei Schäden des Fluggasts (Personen-, Gepäck- und Verspätungsschäden), Güterschäden (Zerstörung, Beschädigung, Verlust und Verspätung) und veranlasst die Vertragsstaaten für eine Versicherungspflicht diesbezüglich zu sorgen. Das Montrealer Übereinkommen findet stets dann Anwendung, wenn sowohl der Abflugort, als auch der Bestimmungsort in einem Vertragsstaat liegen. (2) Am 06.04.2004 kam es zu dem Erlass des Gesetzes der Harmonisierug des Haftungsrechts im Luftverkehr (Harmonisierungsgesetz). Dieses wurde benötigt, um das Montrealer Übereinkommen durchzuführen und die Änderungen des nationalen Luftverkehrsgesetzes vorzunehmen. (3) Anwendung findet das Schadensersatzrecht des Montrealer Übereinkommens bei: -internationalen Luftbeförderungen zwischen Vertragsstaaten des MÜ, -Hin- und Rückflügen aus einem Vertragsstaat (Art. 1 MÜ und -bei inländischen oder internationalen Luftbeförderungen durch ein „Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft“ (Art. 3 VO (EG) Nr. 2027/97 (AG Düsseldorf, RRa 2004, 188; EuGH, Urt. v. 09.09.15, Az.: C-240/14), wenn es dabei zu Personen-, Gepäck- und Verspätungsschäden kommt. Das Montrealer Übereinkommen findet jedoch nicht nur zwischen den Vertragsstaaten Anwendung, sondern auch bei allen nationalen und internationalen Luftbeförderungen, welche durch ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ausgeführt werden
Warschauer Abkommen (WA)
(1) Liegt zwischen zwei Vertragsstaaten noch keine Ratifizierung des Montrealer Übereinkommens vor, dann findet weiterhin das Warschauer Abkommen in der jeweiligen Fassung des Haager Protokolls vom 28.09.95 Anwendung. Auch das Zusatzabkommen von Guadalajara vom 18.09.61 kommt dann zur Anwendung. Das ist dem § 44 Nr. 1-3 LuftVG zu entnehmen. Das Zusatzprotokoll zum Warschauer Abkommen von Guatemala vom 08.03.71 wurde jedoch nie ratifiziert und ist somit auch nie in Kraft getreten. (2) Zusätzlich zu dem Warschauer Abkommen, gilt das Gesetz zur Durchführung des 1. Abkommens des Luftprivatrechts vom 13.12.33 als nationales Ausführungsgesetz. (3) Das ursprüngliche Haftungsregime des WA/HP/ZAG wird jedoch ersetzt durch das ratifizierte Montrealer Übereinkommen und findet durch die VO (EG) Nr. 2027/97 eine Ausdehnung auf alle Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft. Sowohl die Rechtsprechung, als auch die Literatur bezüglich des WA/HP/ZAG spielen eine große Rolle für die Auslegung des Montrealer Übereinkommens. Wichtig ist die Vorabentscheidung des EuGH vom 22.10.09 (EuGH, Urt. v. 22.10.09, Az.: C-301/08). In dieser kam es zu der verbindlichen Feststellung, dass das Warschauer Abkommen vom 12.10.29 der durch die vier Zusatzprotokolle von Montreal vom 25.09.75 geänderten Fassung nicht zu den Regelungen des Gemeinschaftsrechts, für deren Auslegung der Gerichtshof nach Art. 234 EG die Kompetenz besitzt, gehört, da es sich bei der Union nicht um eine Vertragspartei handelt. Weiterhin wurde durch den EuGH das Urteil gefällt, dass die Verordnung (EG) Nr. 2027/97 so auszulegen ist, dass sie in dem Fall in dem das Luftfahrtunternehmen durch einen Fluggast aufgrund von einem Schaden in Anspruch genommen wird, der diesem auf einem Flug zwischen zwei Mitgliedstaaten der Europäischen Union entstanden ist, einer Anwendung von Art. 29 Warschauer Abkommen mit einer zweijährigen Ausschlussfrist zur Klageerhebung nicht widerspricht.
IATA Intercarrier Agreement
Bei dem IATA Intercarrier Agreement vom 31.10.95 handelt es sich nicht um ein gesetzliches völkerrechtliches Übereinkommen, sondern ausschließlich um privatrechtliche Vereinbarungen zwischen den IATA Fluggesellschaften. Durch diese kommt es für ihre Fluggäste zu der Gewährung von Rechten durch bestimmte Klauseln in ihren Beförderungsbestimmungen. Diese laufen über die Mindestvorschriften des Warschauer Abkommens hinaus und stimmen inhaltlich mit den Vorschriften des neuen Montrealer Übereinkommens überein. Die Luftfahrtunternehmen im IATA Intercarrier Agreement of Passenger Liability vom 01.04.1998 haben bereits erklärt, dass sie davon absehen, sich im Falle von Tod und körperlichen Schäden auf die Haftungsgrenzen nach dem Warschauer Abkommen zu berufen und bei Schadensersatzansprüchen bis zu 100 000 SZR die nach dem Warschauer Abkommen mögliche Einrede fehlenden Verschuldens gelten zu machen. Seit der Ratifizierung des Montrealer Übereinkommens in der EU und anderen wichtigen Vertragsstaaten hat das IATA Intercarrier Agreement an Bedeutung verloren.
Europäisches Unionsrecht
VO (EG) Nr. 889/2002 über Haftung bei Unfällen
(1) Am 09.10.1997 und mit Wirkung vom 18.10.1998 wurde durch den Rat die VO (EG) Nr. 2027/97 über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei Unfällen (LuftunfallhaftungsVO) erlassen (BGH, NJW 2007, 997). Diese Verordnung hat die Verbesserung des Schutzniveaus von Fluggästen bei Unfällen zum Ziel. Durch die VO (EG) Nr. 889/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates wurde diese Verordnung am 13.05.2002 geändert, damit eine Angleichung an die Bestimmungen des Montrealer Übereinkommens erfolgen kann und somit eine einheitliche Haftungsregelung für die internationale Luftbeförderung durch die Luftfahrtunternehmen der Union eingerichtet werden kann. Durch diese Verordnung kommt es zu einer Umsetzung der einschlägigen Bestimmungen des Montrealer Übereinkommens im Zusammenhang mit der Beförderung von Fluggästen und ihrem Gepäck im Luftverkehr und es werden dazu noch weitere Bestimmungen getroffen. Weiterhin kommt es zu einer Erweiterung des Geltungsbereiches dieser Bestimmungen auf Beförderungen im Luftverkehr innerhalb eines einzigen Mitgliedstaates und weiterhin auch auf alle Flüge von diesem Luftfahrtunternehmen der Union außerhalb der EU, wobei dann nicht nur Personen-, sondern auch die Gepäck- und Verspätungsschäden davon erfasst sind. Somit handelt es sich bei der VO (EG) Nr. 2027/97 in ihrer Änderungsverfassung um eine Art Ausführungsverordnung des Montrealer Übereinkommens. Die VO (EG) Nr. 2027/97 in der Fassung der VO (EG) Nr. 889/2002 hat heutzutage das Ziel, den Standard des Montrealer Übereinkommens auch auf Inlandsflüge zu erweitern. (2) Eine Ergänzung dieser Verordnung erfolgt durch die EG (Verordnung) Nr. 785/2004 über die Versicherungsanforderungen an Luftfahrtunternehmen und Luftfahrzeugbetreiber vom 24.04.2004. Damit kommt es zu einer Pflicht der Haftpflichtversicherung für die Deckung von luftverkehrsrechtlichen Drittschäden, Passagierschäden und Güterschäden.
EG-Verordnungen über Passagierrechte
Zwar ist das Vertrags- und Haftungsrecht bei Luftbeförderungen von Fluggästen durch das Montrealer Übereinkommen geregelt aber dennoch hat die EU in mehreren Verordnungen das Luftbeförderungsrecht ihrer Mitgliedstaaten harmonisiert und sich dabei auf die Ermächtigungsnormen des Art. 100 AEUV berufen. Bei diesen Verordnungen handelt es sich nach Art. 288 II AEUV um unmittelbar geltendes Recht im Inland. Aus diesem Grund geht dieses kollisionsrechtlich dem deutschen internationalen Privatrecht vor (Art. 3 EGBGB) (vgl. LG Stuttgart, Urt. v. 21.03.2012, Az.: 13 S 93/11); LG Stuttgart, Urt. v. 20.04.11, Az.:13 S 227/10). Diese Verordnungen haben zum Ziel ihren Anwendungsbereich zu harmonisieren, damit es zu einer einheitlichen Regelung für alle Luftfahrtunternehmen der Union kommt. Das kommt vor allem daher, dass im Luftverkehrsbinnenmarkt kein Unterschied mehr zwischen inländischer und internationaler Beförderung besteht. (1) Für den Geltungsbereich der EU kommt es zu einer Vereinheitlichung aller privatrechtlichen Passagierrechte für alle Verkehrsträger. Für die schon vorhandenen EG Verordnungen im Luftverkehr, kommen noch hinzu die Verordnungen: -Fluggastrechte (VO (EG) Nr. 261/2004), -Fahrgastrechte im Bahnverkehr (VO (EG) Nr. 1371/2007, -Fahrgastrechte im See- und Binnenschiffsverkehr (VO (EU) Nr. 1177/2010) und -Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr (VO (EG) Nr. 181/2011). Damit gelten grundsätzlich ähnliche private Verbraucherrechte für Passagiere aller Verkehrsträger.
VO (EG) Nr. 261/2004 über Fluggastrechte
(1) Bei der VO (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.02.04 bezüglich der gemeinsamen Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung, Annullierung oder einer großen Verspätung von Flügen (Fluggastrechteverordnung) handelt es sich um die wichtigste Regelung. Dieser Verordnung, die als Novelle der ursprünglichen VO (EWG) Nr. 265/91 gilt, ist es gelungen einen besseren Schutz der Rechte von Fluggästen zu gewährleisten. Dies gelang durch die Einführung von Mindestrechten, welche nicht unter die vorrangige Schadenvorschrift des Art. 19 MÜ gezählt werden (EuGH, Urt. v. 19.11.09, Az.: C-402; EuGH, 23.10.12; Az.: C 581/10). Laut dem Art. 19 der Verordnung trat diese am 17.02.05 in Kraft und gilt seitdem unmittelbar und verbindlich für alle Mitgliedstaaten. (2) Zurzeit kommt es zu einigen Änderungen in der Fluggastrechteverordnung. Anlässlich dessen hat die europäische Kommission im April 2013 den Vorschlag für die Änderung der Fluggastrechteverordnung Nr. 261/2004/EG und der LuftunfallhaftungsVO 2027/97/EG vorgelegt. Ziel der Reformierung der Verordnung ist es unbestimmte Rechtsbegriffe zu präzisieren, weiterhin die umfangreiche Kasuistik der nationalen Gerichte und des EuGH in den Verordnungstext einzubringen und die Lücken bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Bereich Luftverkehr zu schließen. Jedoch muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass diese Reform zurzeit nicht von der Kommission weiterverfolgt wird.
VO (EG) Nr. 1107/2006 über Rechte von Fluggästen mit eingeschränkter Mobilität
Am 15.08.06 ist die Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.08.06 über die Rechte von behinderten Flugreisenden und Flugreisenden mit eingeschränkter Mobilität in Kraft getreten und gilt nun schon seit dem 26.07.08 (vgl. OLG Celle, Urt. v. 15.03.2016, Az.: 11 U 171/15). Ziel ist die Stärkung der Fahrgastrechte in allen öffentlichen Verkehrsmitteln. Begründet wird dies damit, dass Personen, deren Mobilität infolge einer Behinderung, aufgrund ihres Alters oder aus einem sonstigen Grund eingeschränkt ist, genauso wie alle anderen Bürger am Luftverkehr teilnehmen sollen dürfen (Art. 3). Einige Ausnahmen davon sind jedoch erlaubt, so z.B. aufgrund von gesetzlich festgelegten, gerechtfertigten Sicherheitsgründen. So darf das Luftfahrtunternehmen bei der Buchung oder der Beförderung einer Person mit eingeschränkter Mobilität diese ablehnen bzw. wenigstens verlangen, dass der jeweilige Fahrgast mit eingeschränkter Mobilität von einer anderen Person begleitet wird, damit alle ordnungsgemäß gesetzlich festgelegten Sicherheitsanforderungen befolgt werden können. Weiterhin kann die Beförderung versagt werden, wenn die jeweilige Person wegen der Größe des Luftfahrzeugs physisch gesehen gar nicht erst damit befördert werden kann (Art. 4). Das Luftfahrtunternehmen hat die Person mit der eingeschränkten Mobilität bzw. Behinderung schriftlich und innerhalb von fünf Tagen nach der erfolgten Buchung bzw. der Verweigerung der Buchung über die Gründe dafür in Kenntnis zu setzen. Kommt es in einem solchen Fall zu einer ungerechtfertigten Verweigerung der Beförderung, dann ist darin eine Nichtbeförderung zu sehen und somit stehen dem betroffenen Fluggast Ansprüche auf Ausgleichszahlungen gemäß Art. 4,7 Fluggastrechteverordnung zu. (1) Durch diese Verordnung wird es den Luftfahrtunternehmen verboten, eine Buchung oder eine Beförderung einer Person zu verweigern nur aufgrund deren eingeschränkter Mobilität oder Behinderung. Alle Personen mit eingeschränkter Mobilität oder Behinderung in Flughäfen besitzen einen Anspruch auf unentgeltliche Hilfeleistungen, welche in der Verordnung verankert sind. Diese Hilfeleistungen gelten sowohl für die Flughäfen (bei Abflug, Ankunft und im Transit), als auch an Bord (Beförderung von Rollstühlen und Blindenführerhunden). Diese unentgeltlichen Hilfeleistungen haben durch die Leistungsorgane der Flughäfen zu erfolgen. Diese können wiederum bei den Luftfahrtunternehmen besondere Umlagen für die Finanzierung dieser Leistungen erheben (Art. 7,8). Weiterhin ist eine Einrichtung von deutlich ausgewiesenen Servicepunkten zwingend notwendig (Art. 5). (2) Fluggäste die davon betroffen sind, haben die Pflicht ihren Hilfebedarf mindestens 48 Stunden vor dem geplanten Abflug kundzutun (Art. 6). Nur so kann die Betreuung im Flugzeug und am Flughafen ausreichend gewährleistet werden. (3) Sobald der betroffene Fluggast das Flugzeug betritt, muss da ausführende Luftfahrtunternehmen für seine Betreuung Sorge tragen und damit auch alle im Anhang II 17 aufgelisteten Hilfeleistungen ohne einen Aufpreis erbringen. (4) Sollte eine der Mobilitätshilfe im Laufe der Abfertigung oder auch an Bord beschädigt werden oder gar verloren gehen, dann kommt es zu einer Entschädigung nach dem Montrealer Übereinkommen bzw. der LuftunfallhaftungsVO (EG) Nr. 889/2002 im Rahmen der Höchstbeträge (vgl. OLG Celle, Urt. v. 15.03.2016, Az.: 11 U 171/15). (5) Von den Mitgliedstaaten der EU und des EWR wird verlangt, dass Sanktionen bei gewissen Verstößen vorzunehmen sind und auch eine Einrichtung von unabhängigen Beschwerdestellen eingerichtet wird (Art. 16).
VO (EG) Nr. 1008/2008 für Luftverkehrsdienste
In Art. 22-24 fand eine Anordnung statt über die transparente Preiswerbung für Flüge. Die VO beinhaltete, dass der Endpreis neben dem Flugpreis auch alle Steuern, Gebühren und Entgelte umfasst ((vgl. EuGH, Urt. v. 19.07.2012, Az.: C-112/11); EuGH, Urt. v. 15.01.15, Az.: C-573/13; EuGH, Urt. v. 18. 09.14, Az.: C-487/12; EuGH, Urt. v. 06.07.17, Az.: C-290/16). Beschlossen wurde dies einerseits durch die VO (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und andererseits durch den Rat vom 24.09.08 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Union (Neufassung der VO (EWG) Nr. 2407/92 über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen. Von dieser Pflicht sind (1) Nicht nur Luftfahrtunternehmen, sondern auch Reiseveranstalter und Reisevermittler betroffen. Alle trifft eine Pflicht zu einem hohen Maß an Transparenz bei der Angabe von Flugpreisen. Nicht nur der Endpreis muss aufgeführt werden, sondern auch eine separate Auflistung von Steuern, Flughafengebühren, anderen Gebühren, Zuschlägen und Entgelten hat zu erfolgen. Weiterhin ist durch die Verordnung eine Preisdiskriminierung verboten. Es darf also keine Preisdiskriminierung aufgrund des Wohnsitzes oder der Staatsangehörigkeit des Fluggastes kommen. Des Weiteren dürfen optionale Leistungen wie z.B. eine Reiseversicherung, Mietwagen oder ein Hotel während des Buchungsvorgangs nicht schon vorausgewählt sein (Opt-out). Der Fluggast hingegen muss die jeweilige Option aktiv selbst ausgewählt haben (Opt-in). (2) Für die Kontrolle der Transparenz bei der Angabe von Flugpreisen ist das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) verantwortlich. Diesen obliegt die Kontrolle für Verstöße gegen die Verordnung (EG) Nr. 1008/2008. Das LBA nimmt Anzeigen gegen Luftfahrtunternehmen, Reiseveranstalter und Reisevermittler an, welche keine ordnungsgemäßen Preisangaben machen. Kann ein Verstoß nachgewiesen werden, dann kommt es durch das Luftfahrtbundesamt zu Sanktionen. Hier hingegen wird durch die Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 keine Einrichtung einer Durchsetzungsstelle gefordert.
VO (EG) Nr. 2111/2005 über die Identität des Luftfahrtunternehmens
(1) Seit dem 16.01.2006 gilt die VO (EG) Nr. 2111/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.12.05 über die Erstellung einer gemeinsamen Liste der Luftfahrtunternehmen gegen die in der Union eine Betriebsuntersagung ergangen ist, sowie über die Unterrichtung von Fluggästen über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens und zur Aufhebung des Art. 9 der Richtlinie 2004/36/EG. (2) Durch diese Verordnung kann den Fluggästen ein gesetzlicher Anspruch zugesprochen werden bezüglich der Identität des Luftfahrtunternehmens, welches den gebuchten Flug dann auch tatsächlich durchführen wird. Weiterhin soll es zu einem stärkeren Austausch bezüglich sicherheitsrelevanter Informationen zwischen den Mitgliedsstaaten kommen. Gilt ein Luftfahrtunternehmen als unsicher, dann wird es in eine schwarze Liste aufgenommen, welche sowohl im Internet, als auch im Amtsblatt veröffentlicht ist. Diese wird alle drei Monate aktualisiert und ist für jedermann zugänglich. (3) Der Geltungsbereich der Vorschriften bezieht sich auf Flüge: die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates starten, von einem Flughafen in einem Drittstaat zu einem Flughafen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates, wenn das vertragsschließende Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist, von einem Flughafen in einem Drittstaat startet aber der Flug einen Teil des Beförderungsvertrages darstellt, welcher in der Gemeinschaft abgeschlossen wurde und die Beförderung ihren Anfang in der Gemeinschaft genommen hat. (4) In einem Anhang finden sich die gemeinsamen Kriterien für die Überprüfung einer Betriebsuntersagung aufgrund von Sicherheitsgründen auf Unionsebene. Ausschlaggebend für die Aufnahme eines Luftfahrtunternehmens in die schwarze Liste sind die folgenden Kriterien: -Beweise für gravierende Sicherheitsmängel -fehlende Fähigkeit/Bereitschaft Sicherheitsmängel zu beheben -fehlende Fähigkeit/Bereitschaft für die Kontrolle eines Luftfahrtunternehmens zuständigen Behörden Sicherheitsmängeln abzuhelfen (5) Durch Art. 10 ff. der VO erfolgt die Verpflichtung der Luftfahrtunternehmen, Reiseveranstalter und Vermittler von Flugscheinen zur in Kenntnissetzung des Fluggastes über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens. Sollte die Identität des auszuführenden Luftfahrtunternehmens noch nicht feststehen, dann kann diese den Fluggästen auch noch später mitgeteilt werden, jedoch spätestens beim Einsteigen der Fluggäste ins Flugzeug. Da dies jedoch in der Praxis nicht allzu gut umgesetzt wurde, muss zum Zwecke des Verbraucherschutzes diese Informationspflicht ab dem 16.07.06 in die AGB aufgenommen werden und ab dem 16.01.2007 angewendet werden.
Nationale Rechtsquellen
BGB und Werkvertragsrecht des Luftbeförderungsvertrages
Das Bürgerliche Gesetzbuch kann sowohl für die inländische als auch für die internationale Luftbeförderung angewendet werden, wenn es keine vorrangige Regelung diesbezüglich im Montrealer Übereinkommen gibt. Liegt eine entgeltliche Beförderung vor, dann ist der Luftbeförderungsvertrag zwischen dem Luftverkehrsunternehmen und dem Fluggast als Werkvertrag nach §§ 631 ff. BGB einzustufen (BGHZ 62, 71, 75; (vgl. BGH, Urt. v. 25.07.2017, Az.: X ZR 71/16)). Folglich findet das BGB immer dann Anwendung, wenn deutsches Recht zur Anwendung durch eine AGB-Klausel berufen ist und das sonst vorrangige Unionsrecht und völkerrechtliche Einheitsrecht des Montrealer Übereinkommens nicht anwendbar ist. Dann muss als Ergänzung auf die allgemeinen Vorschriften des BGB zurückgegriffen werden. Dabei sind vom BGB vor allem die §§ 305-310 BGB zur AGB Kontrolle der Luftfahrtunternehmen und das allgemeine Leistungsstörungsrecht der §§ 275 ff. BGB ausschlaggebend. (1) Weiterhin werden die Allgemeinen Beförderungsbedingungen (ABB) der Luftverkehrsunternehmen als AGB angewendet, solange sie wirksam nach § 305 II BGB und ohne eine Privilegierung nach § 305 a BGB einbezogen werden wie die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für Fluggäste und Gepäck (ABB Flugpassage) (AG Frankfurt a.M., NJW 2006, 3010). Diese Beförderungsbedingungen lehnen sich vor allem an der Empfehlung 1724 der privaten International Air Transport Association (IATA) an. (2) Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass die ABB aller nationaler und internationaler Luftfahrtunternehmen dem räumlichen Geltungsbereich des BGB der AGB Kontrolle durch die §§ 305-310 BGB (Art. 46b III Nr. 1 EGBGB) unterliegen. (3) Weiterhin darf es nicht zu einem Verstoß der Allgemeinen Beförderungsbedingungen gegen das Montrealer Übereinkommen bzw. die VO (EG) Nr. 2027/97 kommen (BGHZ 86, 284), da die strenge Haftung des Montrealer Übereinkommen vorgeschrieben und somit zwingend ist, kann diese nicht durch Vereinbarungen zum Nachteil des Fluggastes geändert werden (Art. 49 MÜ).
Pauschalreisevertragsrecht und Flugpauschalreise
(1) Liegt der Fall vor, dass ein Flug im Zuge einer Pauschalreise eines Reiseveranstalters durch das ausführende Luftfahrtunternehmen als seinem Leistungsträger geleistet wird, dann gilt der Reiseveranstalter als vertraglicher Luftfrachtführer. Die Haftung des Reiseveranstalters richtet sich nach den §§ 651a bis y BGB und auch nach dem Montrealer Übereinkommen, jedoch nicht nach der Fluggastrechteverordnung Nr. 261/2004. Begründet wird dies damit, dass die Verordnung nur für das den Flug ausführende Luftfahrtunternehmen gilt.
Luftverkehrsgesetz
Seit der VO (EG) Nr. 2027/97 vom 09.10.97 idF durch die VO (EG) Nr. 889/2002 vom 13.05.02 gibt es keine Unterscheidung mehr zwischen inländischer und internationaler Beförderung für Luftfahrtunternehmen der Union. Seitdem kommt den deutschen Luftrechtsnormen der §§ 44 bis 52 LuftVG (2. Unterabschnitt: Haftung für Personen und Gepäck, die im Luftfahrzeug befördert werden; Haftung für verspätete Beförderung) nur noch eine geringe Bedeutung zu für: -Flugpauschalreiseveranstalter als vertragliche Luftfrachtführer, die eine geschuldete inländische Beförderung von anderen ausführenden Luftfrachtführern durchführen lassen und -inländische nicht gewerbliche und nicht entgeltliche Luftbeförderungen.
Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) und PAngV
(1) Im Zusammenhang mit dem Marktverhalten der Luftfahrtunternehmen und vor allem im Bereich der Preiswerbung kommt es zu der Anwendung des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Dadurch kommt es zu der Regelung, dass bei Werbung im nationale Geltungsbereich des UWG und der Preisangabenverordnung (PAngV) der Gesamtpreis, den der Fluggast zu entrichten hat, angegeben werden muss. (2) Laut der Art. 6 I Rom II-VO muss auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten das Recht des Staates Anwendung finden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen sind oder höchstwahrscheinlich beeinträchtigt werden (sog. Marktort).
Auslegung der Rechtsakte
Montrealer Übereinkommen und Warschauer Abkommen
(1) Sowohl bei dem Montrealer Übereinkommen, als auch bei dem Warschauer Abkommen handelt es sich um internationales Einheitsrecht. Aus diesem Grund sind beide aus sich heraus autonom oder durch Analogie aus ihren eigenen Vorschriften auszulegen. Bei beiden handelt es sich um multilaterale völkerrechtliche Verträge des Internationalen Einheitsrechts und sind somit abhängig von den Regeln über die Auslegung völkerrechtlicher Verträge. Genauso so ist es in Art. 31 ff. der Wiener Vertragsrechtskonvention festgelegt. Ausschlaggebend sind dabei der Wortlaut des Textes, der logisch-systematische Zusammenhang der Normen, deren Entstehungsgeschichte, die teleologische Auslegung nach Sinn und Zweck. Innerstaatliche Rechtsbegriffe hingegen sind nicht ausschlaggebend, da es sonst die einheitliche internationale Rechtsanwendung in den Vertragsstaaten gefährdet wäre (BGH, Urt. v. 13.10.15, Az.: X ZR 126/14). Weiterhin muss auch der Stand der Rechtsprechung und Wissenschaft in den anderen Vertragsstaaten Berücksichtigung finden, soweit es möglich ist. (2) Durch die Rechtsprechung erfährt der grammatikalische, und insbesondere der gewöhnliche Wortsinn Vorrang (BGHZ, 52, 216). Kommt es zu einem Zweifel, so muss sich die Auslegung des Warschauer Übereinkommens an der amtlichen französischen Fassung orientieren und das Montrealer Übereinkommen an dem verbindlichen Text der Englischen oder Französischen Fassung, nicht jedoch an der amtlichen deutschen Übersetzung. (3) Das Montrealer Übereinkommen gilt aufgrund der Ratifikation durch den EG gleichzeitig als Unionsrecht (EuGH, Urt. v. 12.04.18, Az.:C-258/16; EuGH, Urt. v. 26.02.15, Az.: C-6/14; EuGH, Urt. v. 22.11.12, C-139/11; (vgl. EuGH, Urt. v. 26.02.2013, Az.: C-11/11); EuGH, Urt. v. 23.10.12, Az.: C-581/10 und C-629/10; (vgl. EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Az: C-83/10); EuGH, Urt. v. 06.05.10, Az.: C-63/09) . Das bedeutet, dass der EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV über die Auslegung des Montrealer Übereinkommens zu entscheiden hat.
Unionsrecht
Durch den Art. 10 EGV wird im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts eine unionskonforme Auslegung gefordert, obwohl die EG Verordnungen autonom und aus sich heraus europaweit ausgelegt werden müssen und deshalb nicht nach den Auslegungsgrundsätzen des jeweiligen Mitgliedsstaates (EuGH, NJW 2002, 2696; EuGH, EuZW 2009, 489; BGH, Urt. v. 29.11.11, Az.: XI ZR 172/11). Ausschlaggebend ist nicht nur der Wortlaut der Verordnung, sondern auch die Erwägungsgründe, die Ziele der Regelung, so auch der systematische Zusammenhang und die Charta der Grundrechte der Union (EuGH, Urt. v. 11.05.17, Az.: C-302/16; EuGH, Urt. v. 16.11.16, Az.: C-316/15; EuGH, Urt. v. 19.11.09, RRa 2009, 282; (vgl. EuGH, Urt. v. 22.12.2008, Az.: C-549/07); EuGH, Urt. v. 10.01.06; Az.: C-344/04; EuGH, Urt. v. 26.02.13, Az.: C-617/10). Ganz nach dem Grundsatz des „effet utile“ soll jede Norm so ausgelegt werden, dass ihre volle Wirkung entfaltet werden kann.
Kollisionsnormen
Montrealer Übereinkommen
(1) Liegt dem Sachverhalt eine Verbindung mit einem ausländischen Staat zugrunde, dann ist das anzuwendende Recht nach den Vorschriften der Art. 3 bis 46d EGBGB (Internationales Privatrecht) zu bestimmen. Das gilt jedoch nur, wenn die folgenden Verordnungen keinen Vorrang genießen: - Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II) - Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) - Kollisionsnorme in ratifizierten völkerrechtlichen Verträgen (ausschlaggebend ist Art. 3 EGBGB). Kollisionsnormen genießen sowohl in ratifizierten völkerrechtlichen Verträgen, als auch in Verordnungen des Unionsrechts Anwendungsvorrang. (2) Anwendbar ist neben dem Montrealer Übereinkommen, solange es keine Regelungen bezüglich einer bestimmten Thematik enthält, auch das Recht des Gerichtsorts (lex fori) und damit auch subsidiär deutsches Recht, sollte es einen Verweis des Montrealer Übereinkommens darauf geben (Art. 22, 23, 24, 28, 29, 33, 35 Montrealer Übereinkommen i.V.m. Art. 3a EGBGB). In Art. 29 des Montrealer Übereinkommens lässt sich diese zwingende Rechtsverweisung in Art. 29 Montrealer Übereinkommen finden. In solchen Fällen kommt unmittelbar das materielle Recht (Sachrecht) des Gerichtsorts zur Anwendung. Geht es um Ansprüche, welche nicht über das Montrealer Übereinkommen geregelt werden, wie z.B. Ansprüche nach dem Luftbeförderungsvertrag, dann bleibt es bei dem Vertragsstatut des Luftbeförderungsvertrages bzw. dem Deliktsstatut.
EU-Verordnungen
(1) Die Fluggastrechteverordnung geht aufgrund ihres zwingenden Charakters (Art. 15 I) kollisionsrechtlich dem deutschen internationalen Privatrecht vor (Art. 3 EGBGB). Dies ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass EU-Verordnungen nach Art. 288 AEUV als unmittelbar geltendes Recht im Inland gültig sind. Nach Art. 3 I a der Verordnung gilt die Fluggastrechteverordnung zwingend für alle Fluggäste, welche ihren Flug von einem Flughafen der Union wahrnehmen und weiterhin auch für Fluggäste, welche einen Flug von einem Flughafen in einem Drittstaat in die Union wahrnehmen, solange es sich bei dem ausführenden Luftfahrtunternehmen um ein Luftfahrtunternehmen der Union handelt. Die Rom I-VO (Art. 23 Rom I-VO) des internationalen Vertragsrechts bzw. des Deliktsstatus nach der Rom II- VO, Art. 40 ff. EGBGB, Art. 9 Rom I-VO sind für den Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung nicht anwendbar. Aufgrund dieses Anwendungsvorranges des Unionsrechts ist die Frage, ob die VO über Fluggastrechte eine Eingriffsnorm im Sinne des Art. 34 EGBGB, Art. 9 Rom I-VO ist und ohne jegliche Rücksicht auf das auf den Luftbeförderungsvertrag anzuwendende Recht den Sachverhalt regelt, unerheblich.
Rom I-VO für Luftbeförderungsvertrag
(1) Ist durch eine EU-Verordnung, wie z.B. die Fluggastrechteverordnung eine Regelung nicht vorhanden, so wie z.B. bezüglich des materiellen Rechts der Schadenshöhe und bezüglich der Ansprüche aus dem Luftbeförderungsvertrag, dann findet die Kollisionsnorm des Art. 5 Rom I-VO für das Vertragsstatut des Luftbeförderungsvertrages Anwendung. Dies wären die §§ 249 ff. BGB, sollte deutsches Recht zur Anwendung kommen. (2) Kommt es durch die Parteien nicht zu einer Rechtswahl, dann kommt es bei Beförderungsverträgen von Personen zu einer Abstellung auf den gewöhnlichen Aufenthalt der zu befördernden Person (Art. 5 II Rom I-VO). Dadurch kommt es bei den reinen Beförderungsverträgen des Luftverkehrs, der Busbeförderung, der Eisenbahnbeförderung und der Seebeförderung nur nach dem Statut des Art. 5 Rom I zu einer Anknüpfung.
Freie Rechtswahl und objektive Anknüpfung
Laut Art. 3 I, Art. 5 II Rom I-VO obliegt das Vertragsstatut des Luftbeförderungsvertrages der freien Rechtswahl der Vertragsparteien. Dies ist auch bekannt unter der Parteiautonomie. Diese kann sowohl ausdrücklich, als auch stillschweigend von statten gehen (vgl. AG Simmern, Urt. v. 19.04.2017, Az.: 32 C 571/16). Bei der Rechtswahl handelt es sich um einen eigenständigen Vertrag, welcher völlig unabhängig vom Luftbeförderungsvertrag ist. Das gilt selbst dann, wenn dieser Teil der AGB des Beförderungsvertrages wird (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 14.12.17, Az.: 2-24 O 8/17; (vgl. AG Simmern, Urt. v. 19.04.2017, Az.: 32 C 571/16)). Sowohl Formfragen, als auch Fragen bezüglich der Wirksamkeit der AGB´s sind nach deutschem Recht zu beantworten (Art. I 1 IV Rom I-VO). (1) Kommt es nicht zu einer ausdrücklichen Rechtswahl durch die Parteien, dann kann diese auch aus einem stillschweigenden Parteiwillen hervorgehen. Indizien dafür könnten sein eine Gerichtsstandklausel, jedoch nur in den Grenzen des Art. 49 MÜ, die Vertragssprache, die vereinbarte Währung oder das Verhalten im Prozess. (2) Die Rechtswahl ist keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle zu unterziehen. Bei einer Rechtswahlklausel wie „Der Vertrag unterliegt deutschem Recht“ ist jedoch von einer transparenten Klausel auszugehen. Wird die zu befördernde Person nicht über die Beschränkungen der Rechtswahlfreiheit nach Art. 5 II Rom I-VO in Kenntnis gesetzt, dann kann darin ein Verstoß gegen Art. 3 der EU-Klausel-Richtlinie 93/13/EWG gesehen werden. Das folgt aus der Entscheidung des LG Frankfurt a.M. (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 14.12.17, Az.: 2-24 O 8/17; OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 13.12.18, Az.: 16 U 15/18; AG Nürnberg, Urt. v. 31.10.18, Az.: 19 C 1084/18). (3) Liegt in den AGB keine Rechtswahlklausel vor bzw. handelt es sich dabei um eine unwirksame Klausel, dann muss das anwendbare Recht für Beförderungsverträge ermittelt werden, indem man eine objektive Anknüpfung nach Art. 5 Rom I-VO vornimmt. Bei Art. 5 Rom I VO wird unterschieden zwischen Güter- und der Personenbeförderung. Laut Art. 5 Unterabsatz II Rom I-VO kommt es bei der Personenbeförderung zu einer Beschränkung auf einige Rechte. Die Beschränkung erfolgt auf das Recht des Staates: -in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (lit.a), -in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt (lit.b) bzw. seine Hauptverwaltung hat (lit.c) -in dem sich der Abflugort befindet (lit. d) -in dem sich der Bestimmungsort befindet (lit. e).
Es gilt stets das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthaltes des Fluggastes als objektiver Anknüpfungspunkt, solange sich der Abgangs- oder der Bestimmungsort in dem Staat befindet (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 16.11.17, Az.: 2-24 O 37/17). Liegen diese kumulativen Voraussetzungen nicht vor, dann kommt das Recht desjenigen Staates zur Anwendung, in welchem sich der gewöhnliche Aufenthalt des Beförderers befindet (AG Frankfurt a.M., Urt. v. 25.10.13, Az.: 30 C 1377/13).
Ausweichklausel
(1) Stellt man bei der Gesamtschau der Umstände fest, dass keine Rechtswahl bei einem Luftbeförderungsvertrag gestellt wurde und gleichzeitig eine offenbar engere Beziehung zu einem nach Art. 5 I oder II bestimmten Staat vorliegt, so sollte es zu der Anwendung des Rechts dieses anderen Staates kommen (Art. 5 III Rom I-VO). Diese Ausweichklausel kann bei Flügen von Personen Wichtigkeit entfalten. Diese darf jedoch nur eng ausgelegt werden, da diese eine Ausnahmeregelung darstellt (BGH, Urt. v. 09.07.09, Az.: Xa 19/08, NJW 2009). (2) Nimmt so z.B. ein deutscher Fluggast im Inland die Buchung eines internationalen Fluges mit inländischem Abflugort bei einer Nicht-EU Fluggesellschaft vor, dann kann man anhand dieser Umstände von der Anwendung des nationalen Rechs für den Fluggast ausgehen. Das liegt daran, dass es nicht zu der Situation kommen soll, dass der betroffene Fluggast dem Recht eines fremden Staates ausgeliefert sein muss. Ein solcher Umstand des Verbraucherschutzes hat mehr Gewicht als die Rücksichtnahme auf ein international tätiges Luftfahrtunternehmen. Richtigerweise hat demnach das AG Lübeck entschieden bei einem im Inland über das Internet geschlossenen Luftbeförderungsvertrag zwischen einem deutschen Fluggast und einem ausländischen Luftfahrtunternehmen mit Abflugort in Deutschland, deutsches Recht und demnach das Recht des Staates mit der für den Fluggast engsten Vertragsbindung gelten lassen. Zu beachten ist jedoch weiterhin die Entscheidung des BGH vom 09.07.09 (BGH, Urt. v. 09.07.09, Az.: Xa ZR 19/08, NJW 2009, 3371), in welcher dieser entschied, dass bei Luftbeförderungsverträgen von Personen der Verbraucherschutz nicht als Umstand von Art. 28 V EGBGB a.F. (jetzt auch Art. 5 III Rom I-VO) eingestuft werden kann, der engere Verbindungen mit einem anderen Staat als demjenigen, mit dem der Vertrag auf Grund der Vermutung die engste Verbindung vorweist.
Beförderungsvertrag kein Verbrauchervertrag
Laut dem Art. 6 IV lit. b handelt es sich bei einem Beförderungsvertrag nicht um einen Verbrauchervertrag und deshalb findet die Einschränkung der Rechtswahl bei Verbraucherverträgen keine Anwendung. Nicht von Bedeutung ist hierbei, dass der Passagier privat oder beruflich reist, denn Reisender im Sinne des Art. 3 Nr. 6 der Pauschalreise-Richtlinie (EU) 2015/2302 kann auch ein Geschäftsreisender sein. Handelt es sich um einen Flug als Bestandteil einer Pauschalreise nach § 651 a, dann ist Art. 6 Rom I-VO anzuwenden. Durch den Art. 5 Rom I-VO kommt dem Fluggast also bei einer ausschließlichen Luftbeförderung absichtlich ein geringeres Schutzniveau zu, als einem Verbraucher eines Pauschalreisefluges.
Deliktsstatut nach Rom II-VO
(1) Die VO (EG) Nr. 864/2007 entfaltet seit dem 11.01.09 kollisionsrechtlich in der Union auch bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung, aus ungerechtfertigter Bereicherung, aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo) in allen Fällen seine Anwendung, welche ab diesem Zeitpunkt zustande kommen (Art. 3 Nr. 1 EGBGB) (EuGH, Urt. v. 09.09.15, Az.: C-240/14). (2) Steht der Sachverhalt im Verhältnis zu Drittstaaten oder Dänemark, bzw. handelt es sich um einen Altfall und um ein vom Anwendungsbereich nach Art. 1 II Rom II-VO nicht umfasstes Schuldverhältnis, so kommen die Art. 38 bis 42 EGBGB zur Anwendung. Sowohl die Rom I-VO, als auch die Rom II-VO gilt nicht nur ausschließlich für EU-interne Sachverhalte, sondern auch bei Vorkommnissen mit Drittstaatbezug. (3) Kommt es erst nach dem Inkrafttreten der Rom II-VO zu einem Schadensfall, dann gilt laut dem Art. 14, 4 Rom II-VO der Grundsatz der freien Rechtswahl. Kommt es jedoch nicht zu einer Rechtswahl, dann ist der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt von dem Haftendem und dem Geschädigten nach Art. 4 II Rom II-VO ausschlaggebend. (4) Wichtig für das Luftbeförderungsrecht ist die allgemeine deliktsrechtliche Kollisionsnorm des Art. 4 Rom II-VO (BGH, Urt. v. 09.07.09, Az.: Xa 19/08). Kommt es dazu, dass die Beteiligten in dem gleichen Staat ihren gewöhnlichen Aufenthalt bzw. ihre Hauptverwaltung haben (Art. 23 Rom II-VO), dann kommt es zu der Anwendbarkeit des Rechts des jeweiligen Staates. Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, so ist das Recht desjenigen Staates anzuwenden, in dem es zu dem Schaden gekommen ist (Schadensort/Erfolgsort). Anders als der Art. 40 I EGBGB aF kommt es bei der Rom II-VO nicht mehr auf den Tatort an, also den Ort des schadensbegründenden Ereignisses an. Schwierigkeiten ergeben sich bei der Bestimmung des Erfolgsortes bei internationalen grenzüberschreitenden Beförderungen. Der Rechtsprechung des EuGH bezüglich der EuGVVO zum Gerichtsstand zu folge, sind sowohl der Ort des ursprünglichen Geschehens, als auch der Ort, an dem der Schaden eingetreten ist (Schadensort) ausschlaggebend für die Zuständigkeit. In einem solchen Fall steht es dem Kläger frei, an welchem der beiden Orte dieser eine Klage erheben möchte. (5) Zum Schluss muss noch eine Prüfung bezüglich dieser Regelanknüpfung erfolgen, ob laut der Ausweichklausel, nach den Gesamtumständen, die unerlaubte Handlung eine engere Verbindung zu dem Recht eines anderen darstellt, als in den Staaten die in den Absätzen 1 und 2 genannt werden (Art. 4 III Rom II-VO). Laut dem Art. 4 III Rom II-VO stellt ein bestehendes Vertragsverhältnis ein Regelbeispiel dar. Durch eine solche akzessorische Anknüpfung kommt es zu der Unterstellung der unerlaubten Handlung unter das Vertragsstatut und es bezieht sich dann im Grundsatz nur auf das gewählte Recht, damit eine einheitliche Betrachtung des Lebenssachverhalts hergestellt werden kann. Vor allem bei Beförderungsverträgen im Luftverkehr ist eine solche vertragsakzessorische Anknüpfung deliktischer Ansprüche möglich und führt weiterhin zu einer Relativierung der Frage, wie es zu einer Bestimmung des Schadensortes kommen muss.
Internationaler Gerichtsstand
Vorrang des Montrealer Übereinkommens
Steht der internationale Gerichtsstand in Rede, welcher als Prozessvoraussetzung von Amts wegen geprüft werden muss, dann darf der Vorrang des Art. 33 MÜ nicht außer Acht gelassen werden. Dort werden die folgenden fünf ausschließlichen (Art. 49 MÜ) Gerichtsstände aufgeführt: -Dem Kläger steht es frei zu wählen zwischen dem Sitz oder der Hauptniederlassung des vertraglichen Luftfrachtführers -der Geschäftsstelle durch die der Vertrag geschlossen wurde -dem Gericht des Bestimmungsortes. Unter dem Bestimmungsort, ist der im Flugschein vereinbarte Endpunkt eines Fluges zu verstehen. Zu beachten ist jedoch, dass im Anwendungsbereich des Montrealer Übereinkommens bei einem Hin- und Rückflug (sog. Rundflug) der Abflugort den Bestimmungsort darstellt. Bei dem Montrealer Übereinkommen ist demnach das Ziel der Reise nie der Gerichtsstand. Kommt es zu dem Fall von Schadensersatzansprüchen aufgrund von Tod oder Körperverletzung, dann ist es für den Kläger durchaus möglich in seinem Wohnsitzstaat zu klagen, jedoch nur wenn der Luftfrachtführer in diesem Staat auch gewerblichen Luftverkehr vornimmt. Liegen konkurrierende Ansprüche aus dem Montrealer Übereinkommen vor und andere Rechtsgrundlagen wie die der Fluggastrechteverordnung, dann ist es nicht möglich den Gerichtsstand des Sachzusammenhangs anzunehmen.
Brüssel Ia-Verordnung
Kommt es zu anderen Ansprüchen wie nach der Fluggastrechteverordnung, dann genießt die Brüssel Ia VO (EuGVVO) Vorrang, wenn bei grenzüberschreitenden Vorgängen der Beklagte seinen Sitz in einem Mitgliedstaat hat (Art. 4) (EuGH, Urt. v. 07.03.18, Az.: C-274/16; C-447/16, C-448/16). Es ist jedoch auch möglich, dass der Kläger seinen Sitz in einem Drittstaat hat. Es muss nicht zur Anwendung des besonderen Gerichtsstands kommen bei Verbraucherverträgen (Art. 17). Begründet wird dies damit, dass Art. 17 III eine solche Anwendung für Beförderungsverträge nicht zu lässt. Außer dem allgemeinen Gerichtsstand des Sitzes des Beklagten, kommen noch die besonderen Gerichtsstände nach Art. 7 in Frage. Dort vor allem der Sitz der Zweigniederlassung (Art. 7 Nr. 5). Große Bedeutung kommt dem besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes zu (Art. 7 Nr.1). Diesbezüglich ist von dem EuGH eine Entscheidung ergangen, welche festlegt, dass es sich bei dem Erfüllungsort einer Luftbeförderung sowohl um den Abflug- als auch Bestimmungsort handeln kann. Dem Kläger obliegt die Wahl zwischen diesen beiden Orten ((vgl. EuGH, Urt. v. 09.07.2009, Az.: C-204/08); EuGH, Urt. v. 11.07.18, Az.: C-88/17; (vgl. LG Frankfurt a.M., Urt. v. 22.12.16, Az.: 2-24 S 123/16)). In seinem Urteil vom 07.03.18 hat der EuGH (EuGH, Urt. v. 07.03.18, Az.: C-274/16) entschieden, dass die Begrifflichkeit „Ansprüche aus einem Vertrag“ auch für Ausgleichszahlungen an Fluggäste gelten, die eine erheblich verspätete Ankunft erfahren, während einer Flugreise, welche aus mehreren Teilstrecken besteht, solange die Klage gegen ein ausführendes Luftfahrtunternehmen gerichtet ist, welches nicht als Vertragspartner des betroffenen Fluggastes agiert. Aus diesem Grund ist es möglich, dass ein Luftfahrtunternehmen, welches in einem Mitgliedstaat ausschließlich den ersten Flug eines Umsteigefluges ausgeführt hat, vor den Gerichten am Endziel in einem anderen Mitgliedstaat verklagt wird.
Luftfahrtunternehmen aus Drittstaaten
Handelt es sich bei dem Luftfahrtunternehmen um den Beklagten, dann gelten bei einem Unternehmen aus einem Drittstaat die allgemeinen Regeln der ZPO. Diese gelten sogar über den Wortlaut hinaus nicht nur ausschließlich für die örtliche Zuständigkeit des Gerichts, sondern auch für die internationale Zuständigkeit (BGH, Urt. v. 18.01.11, Az.: X ZR 71/10; LG Frankfurt a.M., Urt. v. 16.11.17; Az.: 2-24 O 37/17). Laut dem § 29 ZPO sind auch die Gerichte am Abflugort zuständig. Zu beachten ist jedoch, dass der Begriff des Erfüllungsorts in entsprechender Anwendung des Art. 7 Brüssel I-VO auszulegen ist.
Übergreifende ratio, unionsrechtliche Grundlagen und Einflüsse
Durch den nachfolgend kommentierten Nachfolgerechtsakt der VO (EWG) Nr. 295/91 des Rates über eine gemeinsame Regelung für ein System von Ausgleichsleistungen bei Nichtbeförderung im Linienflugverkehr (Überbuchungs-VO) vom 04.02.1991 stehen den Fluggästen verschuldensunabhängige und grundsätzlich unabdingbare „Mindestrechte“ gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen zu. Dabei kommt es im Ausgangspunkt nicht einmal darauf an, wer mit wem in welchem Vertragsverhältnis steht. Diese Ansprüche stellen gesetzliche und keine vertraglichen Ansprüche dar. Betrachtet man den Vorgängerrechtsakt, dann stellt man fest, dass dieser auf den Linienflugverkehr und auf die Ausgleichsleistungen in den Fällen von Überbuchungen limitiert war und die Fluggastrechteverordnung jedoch über eine maßgebliche Erweiterung des Anwendungsbereichs verfügt. Der maßgebliche Zweck dieser Verordnung besteht in der Garantie eines umfassenden Schutzniveaus für Fluggäste. Vor allem Verbraucher sollen geschützt werden, eine Wiedergutmachung von Ärgernis und schweren Unannehmlichkeiten aufgrund von Flugstörungen soll erzielt werden und es soll ein harmonisierter Luftverkehrsmarkt geschaffen werden. Die Fluggastrechteverordnung stellt unmittelbar geltendes europäisches Schuldrecht dar (Art. 288 Abs. 2 AEUV). Obwohl die Bezeichnung des Sonderverbraucherrecht zunächst ungenau wirkt, kann davon ausgegangen werden, dass die Passagierrechte auch im Zusammenhang mit beruflich bedingten Flügen anwendbar sind. Die Gesetzgebungskompetenz der EU folgt aus dem Art. 100 Abs. 2 AEUV. Wegen der Ausrichtung am Verbraucherschutz könnte man auch den Art. 169 AEUV zusätzlich hinzuziehen, jedoch ist dieser allein nicht ausreichend. Die Fluggastrechteverordnung gilt in allen Mitgliedstaaten unmittelbar (Art. 288 Abs. 2 AEUV) und hat Anwendungsvorrang. Weiterhin relevant sind die VO (EG) Nr. 2111/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Erstellung einer gemeinschaftlichen Liste der Luftfahrtunternehmen, gegen welche in der Gemeinschaft eine Betriebsuntersagung ergangen ist und auch über das in Kenntnis setzen von Fluggästen bezüglich der Identität eines ausführenden Luftfahrtunternehmens und bezüglich der Aufhebung des Artikels 9 der Richtlinie 2004/36/EG (Schwarze-Liste-VO) vom 14.12.05 sowie die VO (EG) Nr. 1107/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Rechte von behinderten Flugreisenden und Flugreisenden mit eingeschränkter Mobilität v. 05.07.06. Es kommt zu der Bildung eines unionsrechtlichen Gesamtsystems an Passagierrechten durch den kommentierten Sekundärrechtsakt zusammen mit der VO (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr vom 23.10.07, der VO (EU) Nr. 1177/2010 und der VO (EU) Nr. 181/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr und bezüglich der Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 vom 16.02.2011. Im Luftbeförderungs- bzw. Luftfahrtrecht wird der Rechtsanwender mit einem komplexen Mehrebenensystem konfrontiert. Außer der Fluggastrechteverordnung, weiteren oben genannten Verordnungen und weiteren EU-Sekundärrechtsakten sollten andere wichtige internationale Übereinkommen und innerstaatliches Recht nicht außer Augen gelassen werden. Es ist somit auch von Bedeutung sich dabei ergebende Abgrenzungs- und Vorrangfragen außer der Welt zu schaffen. Von Bedeutung aus dem EU Sekundärrecht sind die Verordnung (EG) Nr. 2027/97 und die Verordnung (EG) Nr. 1008/2008.
Genese
Durch den Vorläuferrechtsakt der Überbuchungsverordnung wurde nur die Nichtbeförderung geregelt. Im Gegensatz dazu werden in der Fluggastrechteverordnung zusätzlich die Annullierung und die Verspätung geregelt. Der Anwendungsbereich wurde durch den EU-Gesetzgeber erweitert, da die Flugunternehmen aufgrund von hohem Preisdruck bewusst Flüge zusammengelegt haben bei nicht angekündigten Annullierungen und Verspätungen bzw. Nichtauslastung. Weiterhin haben die Luftfahrtunternehmen zu kleine Zeitpuffer zwischen den Flugumläufen gemacht.
Praktische Relevanz
Die Fluggastrechteverordnung verfügt über eine hohe praktische Relevanz. Dies lässt sich der reichhaltigen Rechtsprechung entnehmen. Wenn man die Verbrauchsgüterkauf Richtlinie außer Acht lässt, dann kann man die Fluggastrechteverordnung, als denjenigen Rechtsakt des Europarechts ansehen, welcher die Zivilgerichte am allermeisten beschäftigt. Jedoch muss gesagt werden, dass die Fluggastrechteverordnung häufig als nur bedingt gelungener Rechtsakt angesehen wird. Durch die kostenlos tätig werdende Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e.V. (söp) soll es jedoch zu der Entlastung der Justiz kommen. Die söp ist dabei als privatrechtlich organisierte Schlichtungsstelle i.S.d. § 57 Abs. 1 LuftVG zu verstehen. Auch durch unterschiedliche Internetportale wie fairplane, flightright, EU-Claim, refund.me wird Unterstützung geleistet. Bei deren Inanspruchnahme muss der Reisende jedoch im Erfolgsfall einen bestimmten Prozentsatz der Entschädigung entrichten.
Auslegung
Damit es überhaupt zu einer einheitlichen Rechtsanwendung im Binnenmarkt kommen kann, dürfen die Bestimmungen nur unionsrechtlich-autonom ausgelegt werden. Von einem innerstaatlichen Methodenverständnis ist abzusehen. Grundsätzlich sind dieselben Auslegungskriterien wie im deutschen Recht anzuwenden. Dazu gehören der Wortlaut, die Systematik, die Historie und die Teleologie. Während der Sinn und Zweck ausschlaggebend ist, ist der Text der Norm eher nicht ausschlaggebend. Bei der Auslegung der Vorschriften ist vor allem die Binnenmarktintegration und das hohe Schutzniveau der Fluggäste zu beachten. Sollte es bei der Auslegung europäischer Rechtsakte zu Zweifeln kommen, dann muss es zu einer Vorlage (Art. 267 AEUV) an den EuGH kommen. Schließlich obliegt die Auslegungskompetenz nur diesem. Dessen Entscheidung entfaltet verbindliche Wirkung für die Instanzgerichte der Ausgangsstreitigkeit. Weiterhin kommt es dadurch zu einer Präjudizwirkung für den mitgliedstaatlichen Rechtsanwender.
Inhalt der Norm im Einzelnen
Erfasste Konstellation (Abs. 1)
Der Abs. 1 regelt verschiedene Störungsfälle, in welchen den Fluggästen bestimmte Mindestrechte zukommen können. Erfasst davon sind die Nichtbeförderung gegen den Willen des Fluggastes (Art. 2 lit. j), die Annullierung des Fluges (Art. 2 lit. l) und die Flugverspätung (nicht in der Fluggastrechteverordnung definiert). Diese Mindestrechte werden dann durch den Sekundärrechtsakt in den Bestimmungen der Fluggastrechteverordnung festgesetzt. Da die obengenannten Situationen ein Ärgernis und große Unannehmlichkeiten für den betroffenen Fluggast mit sich bringen, versucht die Fluggastrechteverordnung für derartige Situationen ein hohes Schutzniveau für die Fluggäste zu garantieren und damit das Auftreten solcher Situationen zu verringern. Der Begriff der Mindestrechte ist nicht in Art. 2 erläutert, jedoch sind darunter die Handlungen zu verstehen, welche ein Luftfahrtunternehmen dem Fluggast nach Maßgabe des Sekundärrechtsaktes schuldet. Solche unionsrechtlichen Mindeststandards können nicht durch eine Parteiabrede oder durch mitgliedstaatliche Legislative umgangen werden. Die nationalen Gesetzgeber dürfen jedoch auch keine Erhöhung des Passagierschutzes vornehmen.
Sonderreglung für Gibraltar (Art. 2,3)
Als der Sekundärrechtsakt verabschiedet wurde, lag keine Einigung zwischen Großbritannien und Nordirland (dem Gibraltar als britisches Überseegebiet gehört) und Spanien (welches den Fels für sich beansprucht). Weiterhin gibt es Unstimmigkeiten bezüglich der Zuordnung des einstigen Militärflughafens von Gibraltar. Der Flughafen von Gibraltar, welcher zurzeit nur von britischen Luftfahrtunternehmen angeflogen wird, wird erst einmal nicht von der Fluggastrechteverordnung erfasst. Durch den Abs. 2 und 3 wird zunächst nur der räumliche Anwendungsbereich der Verordnung begrenzt. Durch die weiterhin fortbestehenden Meinungsverschiedenheiten gibt es ein sogenanntes objektives Hindernis für den Flugbetrieb, welches der Anwendung der Verordnung unter Berücksichtigung ihrer Ziele entgegensteht. Fraglich ist, warum diese Problematik überhaupt besteht, da der in Rede stehende Flughafen sowieso in einem der Mitgliedstaaten liegt und ist somit automatisch zu der Eröffnung des räumlichen Anwendungsbereiches kommt (Art. 3 Abs. 1).
Internationales Verfahrens- und Privatrecht
Die meisten zu beurteilenden Sachverhalte weisen einen Auslandsbezug auf. Dadurch kommt es bei Ansprüchen aus der Fluggastrechteverordnung zu Fragen bezüglich des internationalen zuständigen Gericht und auch zu kollisionsrechtlichen Ansprüchen wie der Verjährung.
Reformvorschlag der EU-Kommission
Durch die Europäische Kommission wurde am 13.03.2013 ein Vorschlag zur Reformierung der Fluggastrechteverordnung eingebracht. Dieser Vorschlag ist im Verkehrsministerrat zunächst gescheitert. Das lag unter anderem daran, dass der Vorschlag manchen Mitgliedstaaten nicht weit genug ging und andere sich wiederum gegen Veränderungen wehrten. Dadurch wurde dieses Rechtssetzungsvorhaben erst einmal nicht mehr weiterverfolgt.